Giebeln sehen jte gar anheimelnd und traulich aus. Wie schade, daß auch
hier die Zeit der Unrast und des Verkehrs nicht spurlos vorübergeht. Wir
grüßen noch einmal das alte, liebe Küsterhaus und gehen au dem alten
Amtsvogthaus (Daltrop) vorbei aus deu Domplatz.
Im katholischen Elisabeth-Krankenhaus werden Kranke gepflegt, in
der damit verbundeneu Kapelle der Gottesdieust abgehalten. Oben am
Hause steht in einer Nische das Standbild der heiligen Elisabeth. Am
Stahlschen Hause bewundern wir die prächtige Rokokotür. Die Blessen-
statte weist auch viele alte Häuser auf. Wenn hier auch uoch einige Läden
sind, so ist die Straße doch bedeutend stiller als die nahe Berliner Straße.
2tbb. 14. Das Gymnasium.
Niemöllers Fabrikgebäude und Mehlhandlungen finden wir hier. Etwas
weiter liegt die Gasanstalt. Hinter den Fabrikräumen seheu wir zwei
große Gaskessel. In ihnen ist das Gas aufgespeichert, vou dem abends
die Gaslaternen aus den Straßen, die Gaslampen in den Schaufenstern
und Häusern brennen und mit dem die Leute auf dem Gaskocher ihr Essen
kochen. In den Fabrikräumen wird das Gas gemacht. Wie das geschieht,
werdet ihr erfahren, wenn ihr größer seid; dann besuchen wir zusammen
die Gasanstalt.
Gegenüber ist Güth & Wolfs Bandfabrik. Laut hören wir das
Klapperu der Webstühle. An ihnen arbeiten die Weber. Was weben sie?
Wenn ihr größer seid, werden wir uus auch die Weberei besehen.
Die Feldstraße ist eine lange, schöne Straße. An ihr liegt das
Gymnasium. Es ist eine hohe Schule. Die Schüler nennt man
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast]]
— 190 —
Wenn ein Fuhrmann einsam auf der Straße dahinsuhr, konnte es
geschehen, daß die Pferde plötzlich wie angewurzelt stehen blieben. Kein
Zuruf noch Antrieb brachte sie von der Stelle. Dann nahm der Fuhrmann
eine Wagenrunge, schlug damit vor die Deichsel und sprach: „Düwel, wenn
du do vo siß, dann goh do vo denne!" Nun zogen die Pferde wieder an.
Hatte jemand Warzen auf den Händen oder im Gesicht, dann wusch
er im fließenden Wasser während des Leichengeläutes die betreffende Stelle
und sprach dabei:
„Wordel, Wordel wik,
se verlüdt en Lik,
se verlüdt en Danen in't Graww,
wasket mi de Wordeln af."
54. Sa^en.
Die Sage vom W e r w o l f.
In der Nähe eines Bauernhauses hatte sich seit langer Zeit ein Pech-
schwarzer, großer Hund mit glühenden Augen gezeigt. Er lag immer an
dem Wege, der durch den Hagen führte. Ängstlich mieden die Leute den
Pfad. Einmal wollte die Frau aus dem Kötterhaufe im nahen Bache
Wäsche spülen. Da ninßte sie an jener Stelle vorbei. Das Herz pochte
ihr, als sie mit der Karre voll Wäsche an den Busch kam. Beherzt aber
fuhr sie auf den schattigen Durchgang zu. Da knackte es im Gezweig, und
vor ihr stand das schwarze Tier mit den unheimlich leuchtenden Augen
und knurrte sie au. Mit lautem Aufschrei lief das Weib auf den Hof
zurück und brach dort ohnmächtig zusammen. Bewußtlos trug mau sie zu
Bett. Erst nach langen, bangen Wochen genas sie wieder.
55. Gütersloher Mundart.
Sunnerbuern, Kattenbuern unn wat süs dato hairt.
Dat Niggefte ut Gützel
van W. Ulenspegel.
Na, Willem, siä Hennerich Striewisch, godden Dag auf, wo kümmest
du denne?
Dat wick di seggen, siä Willem Füchtenschnieder, ick sin in'n niggen
Dorpe wirn.
So? Wat hefte do dohn?
Ick Hess Felle verkofft.
Auf gott betalt kriageu?
Ne, dat just nich, de Lüe hault de Pennige so faste, as wenn et
Gold wör.
No, so'n betken hefte doch gewisse verdent. Kumm, laut us tohaupe
gohu, süh, da achter is Jmmelwärth, wi wollt us no sonnen Lütkeu
mitniamen.
Jan, ick schlo in.
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus]]
Extrahierte Personennamen: Fuhrmann Hagen W._Ulenspegel Willem Hennerich_Striewisch Willem_Füchtenschnieder Hess Jmmelwärth
- 117 -
sein. Zu gebildeten, gesitteten und frommen Menschen muß die heran-
wachsende Jugend erzogen werden. Das zu erreichen, ist die Aufgabe
der Herren Lehrer und Herren Pfarrer. Damit die Kinder wohl unter-
richtet und gut erzogen werden können, hat die Stadt Gütersloh eine ganze
Zahl von Schulen errichten lassen, in denen sie von ihren Lehrern zu
klugen, braven und frommen Menschen herangebildet werden sollen.
Jedes Kind muß die Schule vom 6. bis 14. Lebensjahre besuchen.
Die allgemeine Schule heißt Volks- oder Bürgerschule. Es gibt in Güters-
loh ll evangelische und 2 katholische Volksschulen und 1 jüdische Volks-
schule. In der Seminarübungsschule unterrichten die Lehrseminaristcn,
in den Volksschulen Lehrer und Lehrerinnen. Der Leiter einer Volksschule
ist der Rektor oder der Hauptlehrer. Gütersloh hat eine Höhere Mädchen-
schule. Sie wird von Mädchen vom 6. bis 16. Lebensjahre besucht. Nach
der Schulzeit müssen alle Jünglinge, die Kaufmann werden wollen oder
ein Handwerk erlernen, noch bis zum 18. Lebensjahre eine Schule besuchen.
Auch die Söhne der Landleute besuchen eine Schule, in der sie über ihre
ländliche Arbeit näher belehrt werden. Diese Schulen heißen die kauf-
mänuische, die gewerbliche und die ländliche Fortbildungsschule. Wo
sind sie?
Die Knaben, die Oberlehrer, Arzt, Richter, Pastor werden wollen,
besuchen das Gymnasium. Sie tragen auf den einzelnen Klassen ver-
schiedenfarbige Mützen. Wer Lehrer werden will, muß drei Jahre die
Präparaudenaustalt und drei Jahre das Seminar besuchen. Die Schüler
der Präparandenanstalt heißen Präparanden, die des Seminars
Seminaristen. Der Leiter des Gymnasiums ist der Gymnasialdirektor.
Die Lehrer des Gymnasiums heißen Oberlehrer. Der Leiter des Seminars
und der Präparandenanstalt ist der Seminardirektor, die Lehrer des
Seminars sind die Seminarlehrer.
Die Volksschulen, die Töchterschule und die Fortbildungsschulen sind
städtische Einrichtungen, das Gymnasium ist eine Privatanstalt (erklären!),
das Lehrer-Seminar ist eine staatliche Einrichtung. Es heißt darum:
Königliches Lehrer-Seminar.
Vom 12. bis 14. Lebensjahre besuchen die Schüler den Konfirmanden-
Unterricht. Der Pfarrer erteilt ihn im Konfirmandensaale. Sonntäglich
besuchen die Konfirmanden den Gottesdienst. Mit der Einsegnung werden
sie in die christliche Gemeinde aufgenommen und dürfen zum ersten Male
am heiligen Abendmahle teilnehmen. Die christliche Gemeinde versammelt
sich jeden Sonntag und Feiertag im Gotteshause, das sie erbaut hat. Im
Gotteshause oder in der Kirche dient sie ihrem Gott. Der Pfarrer leitet
den Gottesdienst, er betet und ermahnt die Gemeinde in der Predigt zu
einem Gott wohlgefälligen und christlichen Leben. Wir haben in Gütersloh
zwei evangelische Kirchen für die evangelische Gemeinde, die Apoftelkirche
und die Auferstehungskirche. An jeder Kirche amtieren 2 Pfarrer. Wie
heißen sie? Die Evangelischen heißen auch Protestanten. Es gibt in
Gütersloh auch Katholiken, ihre Kirche ist die katholische Kirche oder die
Pankratiuskirche. Die Juden haben ein Gotteshaus in der Göbenstraße;
es ist die Synagoge.
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
— 119 —
Sie haben schon unendlichen Segen gestiftet. Möchten ihre Ziele in Er-
füllnng gehen!
Wieder andre Vereine gedenken des Herrn Wort: Wohlzutun und
mitzuteilen vergesset nicht! Es sind die Wohltätigkeitsvereine, die den
Armen und Waisen beistehen und ihre Not zu lindern suchen. Zu ihnen
gehört der Vaterländische Frauenverein und der katholische St. Elisabeth-
Franenverein.
Der Gefängnisverein will für entlassene Gefangene Fürsorge tragen.
Die ehemaligen Krieger versammeln sich in den Kriegervereinen,
tauschen dort ihre Soldatenerlebnisse aus, feiern gemeinsam die Vater-
ländischen Feste und Siegestage und Pflegen die Liebe und Treue zu
Kaiser und Reich.
Der Flottenverein sammelt für den Ausbau unsrer Flotte und will
das Volk vertraut machen mit der Erkenntnis, daß nur eine starke Flotte
unsern gewaltigen Handel schützen und Deutschlands Ansehen in der Welt
erhalten kann. Sein Ruf: Baut Schiffe! muß begeisternden Widerhall
in jedem echt deutschen Herzen finden.
In den Gesangvereinen versammeln sich die Mitglieder, um unter
sanges- und musikkundiger Leitung des herzerfreuenden und erhebenden
Gesanges zu Pflegen. Bei uns gibt es eine große Zahl von Gesang-
vereinen. An hohen Festtagen singt in der evangelischen Kirche der Kirchen-
chor besondre geistliche Lieder. Er hat männliche und weibliche Mitglieder
und wird deshalb gemischter Chor genannt.
Andre Gesangvereine, die öfter große Konzerte aufführen, sind der
Musikverein und die Liedertafel.
Der Ärzteverein, der Lehrerverein, der Beamtenverein, der Buch-
druckerverein sind Vereine, in denen die einzelnen Bernfszweige sich ver-
einigen, um ihre Ziele besser zu erreichen.
Die landwirtschaftlichen Bereine fördern die Pflege der Viehzucht,
des Obst- und Gartenbaus; der Jmkerverein will die Bienenzucht, der
Ziegenzuchtverein die Ziegenzucht und der Kaninchenzuchtverein die
Kaninchenzucht fördern.
Damit die Züchter der Pferde, des Rindviehs und der Schweine
durch ansteckende Viehkrankheiten, wie Rotz, Maul- und Klauenseuche oder
Rotlauf, nicht große Verluste erleiden, haben sie besondre Versicherung^
vereine gebildet, wie die Gütersloher Pferdeversicherung, den Rindvieh-
Versicherungsverein für Blankenhagen und Pavenstädt oder den Schweine-
Versicherungsverein für Gütersloh und Umgegend.
Der Feuerwehrverein umfaßt die Mitglieder der Freiwilligen Feuer-
wehr, die bei Brand Leben, Hab und Gut der Gefährdeten zu retten sucht.
Im Naturheilverein werden belehrende Vorträge über eine natnr-
gemäße und gesunde Lebensweise gehalten. Die Turn-, Schwimm- und
Schützenvereine suchen den Körper stark und geschickt zu machen und ge-
sund zu erhalten.
In den Stenographenvereinen wird die Kurzschrift geübt, geschrieben
und gelesen.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
— 140 —
Handlung sehen ober hören werden, wünsche ich, Pastor der Gemeinde zu
(Gütersloh, bekannt zu machen, daß ich in Gegenwart meiner beiden Dekane
und des Kapitels der Kirche von Wiedenbrück geschworen habe, und daß ich
zur Bekräftigung dessen auf die heiligen Evangelien Gottes schwöre, die
ich mit leiblicher Hand berühre, daß ich von Stund an der vorgenannten
Kirche treu sein will, auch die Privilegien, Gewohnheiten und ihre Be-
stimmnngen, soweit sie mich berühren, beobachten und nicht verändern,
meinem Herrn Dekan und seinen Nachfolgern, wie es sich gebührt und
geziemt, gehorsam sein, so wahr mir Gott helfe und seine heiligen Evan-
gelien. Und dieses vorliegende Schriftstück, das ich mit eigener Hand ge-
schrieben habe, will ich mit meinem Siegel siegeln und gebe es meinem
Herrn, dem Dekan und dem Kapitel zum Zeuguis samt meinem Ber-
sprechen." (Eickhoff.)
Als die abgebrannte Kirche neu erstand, da war schou
das 16. Jahrhundert angebrochen. Der Flügelschlag der neuen Zeit machte
sich auch in Niederdeutschland, in Westfalen bemerkbar. Der gewaltige
Gottesmann Dr. Martin Luther hatte am 31. Oktober 1517 die 95 Thesen
an die Schloßkirche zu Wittenberg geschlagen und damit eine Bewegung
hervorgerufen, die im weltentferntesten Dorfe einen Widerhall fand. Auch
iu unfrer Gemeinde wurden die Geister ergriffen. Der Verlauf der
Reformation iu Gütersloh ist unbekannt. Damals war Graf Kord Herr
des Rhedaschen Landes und somit anch von Gütersloh. Durch seine Ge-
mahlin Mathilde von Hessen war er nah mit dem Landgrafen Philipp von
Hessen verwandt. Er war der erste der westfälischen Fürsten, der sich zur
evangelischen Lehre bekannte.
In den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts werden die ersten
Anhänger Luthers iu der Gemeinde gewesen sein. Wenn die Witten-
bergische Nachtigall ein neues Lied Hub zu singen an, dann haben es die
weitreisenden Gütersloher Fuhrherren sicher mitgebracht in ihr Heimatdorf.
So las, sang und hörte man auch hier Luthers gewaltig wirkende Lieder,
die Tausende von Anhängern gewannen. Um 1556 wurde evangelischer
Gottesdienst in Gütersloh gehalten. Zwanzig Jahre später bekannte sich
die ganze Gemeinde zur evaugelischeu Lehre. Statt der lateinischen Ge-
sänge durchbrauste Luthers Kampf- und Siegeslied die Kircheuhalleu, an-
dächtig lauschte die Menge den deutscheu Psalmen und dem kernig schlichten
Bibelwort in deutscher Sprache. Wie Luther selbst seiu Bibelbuch fest
umklammerte mit der Gewißheit: Gottes Wort und Lehr' vergehen nun
und nimmer mehr!, so schrieben die Gütersloher das Trutzwort: „Gades
Wort blivt iu Ewighed" an ihre Häuser. Heute lesen wir den Spruch nur
uoch ani Sagerschen Hause. Damals sprachen alle Gütersloher das Nieder-
deutsche oder Plattdeutsche, und auch der Psarrer predigte plattdeutsch.
In dieser Sprache waren auch Bibel und Gesangbuch geschrieben. Das
alte Gesangbuch des 16. Jahrhunderts heißt: „Enchiridion geistliker Leder
unde Psalmen, gedrückt tho Wittenberch 1566 dörch Georgen Luwen
Erven." Es enthält außer andern die Lieder Martin Luthers in platt-
deutscher Sprache.
Einige Proben mögen ein Beispiel der anheimelnden Sprache sein.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe]]
Extrahierte Personennamen: Eickhoff Martin_Luther Mathilde_von_Hessen Philipp_von
Hessen Philipp Martin_Luthers
— 141 —
„Uth deper Rodt schry yk tho dy,
Here Godt, erhör myn Ropen.
Dyn gnedich Oren keer tho my
unde myner Bede se öpen.
Denn so du wult dath seen an,
wath Sünde unde Unrecht Ys gedan,
Wol kau Here vor dy blyven?"
Das Evangelium des 24. Souutags uach Trinitatis Matth. 9, 23
lautet also:
Unnde also he yn des Aversten Hnhs quam, unnde sach de Pipers
unde den Murmelye des Bolckes, sprach he tho en: Wyket, wente das
Megedelen Ys nicht dodt, sunder ydt schlöpt. Unnde se belacheden en. Alse
averst dath Volck nthgedreven was, ginck he henyn und greep se by der
Handt, do stnndt dath Megedelen up. Unde dyth Geröcht wart ludebar
aver datsülve gantze Landt. (Eickhoff.)
Es herrschte Ruhe und Friede in der Gemeinde bis zum Jahre 1606.
In Westfalen hatte überall die Gegenreformation heftig eingesetzt. Mit
Gewalt wurden die evangelischen Geistlichen vertrieben und katholische
Pfarrer wieder eingesetzt. Als der evangelische Pastor Degenarns Volmar
1605 starb, suchte das Wiedenbrücker Stift einen katholischen Pfarrer ein-
zusetzen. Die gräfliche Regierung suchte den neuen Pfarrverweser zu
schützen und befahl ihm, den Gottesdienst ferner zu besorgen und sich nicht
ängstlich macheu zu lassen. Im Januar 1607 erschienen der Archidiakon
aus Osnabrück, einige Kapitulare aus Wiedenbrück und fürstliche Beamte,
um den katholischen Pfarrer einzusetzen. Da sie uicht in die Kirche konnten,
führten sie den Pastor Petersen ins Pfarrhaus und kehrten nach Wieden-
brück zurück. Bald aber sammelte sich ein Hanfe „Jungens" vor dem
Pfarrhause, stürmte es und trieb den Petersen mit Steinen von dannen.
Am 4. November desselben Jahres aber wurde die Pfarre mit Gewalt
durch 80 Schützen und Soldaten für den katholischen Pfarrer in Besitz
genommen. Im Bericht des rhedischen Beamten heißt es: „Die Schützen
haben in der Wedeme (Pfarrhaus) alles preiß gemacht, in Stücken zer-
schlagen, Bücher, Kleider, Leinewand, Fleisch vom Balken, ja Kessel,
zinnerne Becken, silberne Löffel, der Frauen Beutel, Leuchters, Feuer-
Zangen und alles, was im Haufe gewesen, mitgenommen, den Prediger-
gesucht, das Weib jämmerlich geschlagen, die Kinder nackend zum Hause
hinaus verjagt und elendiglich herumsprungen, daß es auch weder hispaui-
sches noch statisches (holländisches) Kriegsvolk ärger hätte machen können." (E.)
Der vertriebene evangelische Pfarrer starb bald. Petersen blieb in der
Pfarre. Er wurde zwar lutherisch, war aber ein unwürdiger, selbstsüchtiger
Geistlicher.
Im Jahre 1624 gab es im ganzen Kirchspiel Gütersloh keinen
Katholiken. In diesem Jahre gelangte auf den Bischofsstuhl zu Osnabrück
ein Fürst, der bestrebt war, die Protestautische Lehre mit Stumpf und Stiel
auszurotten. Es war der Kardinal Eitel Friedrich von Hohenzollern. Er
ordnete für das ganze Stift Osnabrück eine eingehende Kirchenvisitation
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
TM Hauptwörter (200): [T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T168: [Holz Tisch Messer Stück Honig Stuhl Griffel Hand Narbe Papier], T92: [Vgl Aufl fig Vergl Sch. Liv Sept Aug Iii Geb], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Trinitatis_Matth Eickhoff Petersen Friedrich_von_Hohenzollern Friedrich
— 202 —
57. Flurnamen.
In Gütersloh (Stadt): Siuuer-Pättken. Reggems Knülle. Berk-
schemm. Westmöllers Kamp. Schmuseputz-Ecke. Schüreugatze. Köttke.
Meggers Teierken. Lusediek. Aaskule. Auf der Kiste. Queckwinkel.
Oelpättken. Up'n Krummen Kampe. Kösters Luan.
In Blankenhagen: Up de Word. Lievtncht. Bühlkamp. Patten-
Pohl. Jn'n dicken Hüchten. Dresken. Tahee. Jn'n Kohlkampe. Jn'n
Hollanne. Wellemkampe. Welpmanns Küpen. Jammerkuaten. Up de
Breen. Jn'n Korken Wisk. Up'n Knappe. Langenkamp. Strothmanns
Bräcksken. Gniagelers Nigen. Langerts Jckel. Brandmiä. Up de Kosten.
Hölle. Im Himmel. Schniderbrink. Up'n Stert. Pommerch. Schlei-
busk. Raßfeils Bleik. Raßfeils Lievtucht. Tirpeuhee. Megers Stert.
Berkenkamp. Surgen-Busk. Van de Pommer. Up de Benkert. Up den
Dorpfeile. Kohkamp. Up de Braute. Jn'n Waterkampe. Upe Kiepen.
Upe Mölenstroth. Kuarken-Wisk. Schemm-Wisk.
In Nordhorn: Strotgorn. Up'n Knappe. Stroth-Wisk. Krüskamp.
Jn'n grauten Buske. Gronershee. Lusediek. Jkel. Jn'n Lappeukuateu.
Brüggenkamp. Pommerch. Dat Venn. Up'm Austen Huawe. Fisseu
Start. Im Brautschapp. Kiakenland. Upe Kölke. In de Grund. Up'm
Brinkkampe. Lauhheichte. Klessems Heichte. Im Luan. Upen Möze.
De Woat. Dat Teilande. Im Broke. De Büsker Hee. De Lambat. Im
Kampe. Upe krüllken Eike. Dat Velaud. Up de Hort. Dat hauge Laud.
Up de Röstern.
In Pavenstädt: Bolzenkamp. Bohlenkamp. Lohkamp. Heitkamp.
Auf dem Wall. Goldbrink. Fichtenbrink. Judenbrink. Deppmach.
Hellgenbrink. Stellbrink. Hülsenbusch. Dakkamp. Luaukamp. Witter-
rigge. Ruschkwischk. Röwekamp. Holthee. Heetort. In de Miä. Jn'n
Dieke. Hetkamp. Hungerburg. Up dem Feile. Up de Knülle. Klower-
kamp. Ueke. Waterkamp. Up den Bohlen.
In Sundern: Kalwerkamp. Jnne Lake. Up'n Knappe. Up'n
Roppenhuawe. Sunnerkamp. Hermskamp. Ossenkamp. Lappenkuaten.
Bi de lüttken Brüggen. Brunnenbusk. Brunueukuaten. Up de Riege.
Lobbenfeile. Up'm Spellbriuke. Luankamp. Bökenwisk. Voßwisk.
Ruhnstrothskamp. Niemöllers Füchten. Jbrüggers Hee. Barkehs Kamp.
Gierhakenkamp.
In Kattenstroth: Hasenheide. Galgenknapp. Krähenbrink. Katten-
braken. Elmanns Esche. In de Pnmmeligge. In den Broke. In den
Dieke. In den Ohlbroke. Osthns-Kamern. Heßmers Deil. Kohkamp.
Mührlenwisk. Up'n Füchtegge. Herls. Braukweg. Füchtenbüsk.
Fiskdeek. Mührlendeek. Jnne Brinke. Jnne Merske. Uppe Fürnhee.
Schapenort. Röwekamp. In Haie. Buchsens Kamp. Mührlenbrauk.
TM Hauptwörter (50): [T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung]]
TM Hauptwörter (100): [T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T53: [Rom Stadt König Romulus Tempel Römer Sohn Forum Zeit Alba]]
TM Hauptwörter (200): [T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T66: [Stadt Kreis Einw. Berlin Einwohner Schloß Regierungsbezirk Sitz Provinz Düsseldorf], T20: [Indus Stadt Ganges Gang Hauptstadt Land Siam Indien Fluß Strom], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
— 127 —
Bücher einzutragen. In jedem Jahre werden die Bücher eingesehen und
die Gelder der Stadt nachgezählt, ob auch alles in Ordnung ist. Eine be-
stimmte Zahl vou Ausgaben kehrt in jedem Jahre wieder; es sind die fest-
stehenden oder laufenden Ausgaben. Außerdem aber gibt es noch besondere
Ausgaben, die für Neuanlagen von Straßen, für Neubauten usw. aus-
gegeben werden müssen; es sind die außerordentlichen Ausgaben. Bis zum
Oktober jedes Jahres macht die Obrigkeit eine Gesamtanfstellnng der
laufenden und außergewöhnlichen Ausgaben und Einnahmen. Diese Auf-
stellung nennt man den Gemeindehaushaltsplan. Aus ihm können die
Stadtverordneten und die Bürger der Stadt ersehen, wieviel Geld einge-
nommen wird, wieviel davon wieder verausgabt werden muß und für
welche Zwecke dies geschieht.
Für die Armen, Waisen und Witwen der Gemeinde sorgt die Stadt-
gemeinde auch. Aus einem besonderen Bestand erhalten sie Unterstützungen
an Geld, Kleiduug oder Lebensmitteln. Dies Geld ist in der Armenkasse
vorhanden. Im Jahre 1906 hatte sie einen Bestand von 87 591,63 Mark.
Reiche, wohltätige Leute haben zur Unterstützung armer oder in Not
geratener Bürger der Stadt größere Geldgeschenke vermacht. Diese
Schenkungen nennt man Stiftungen. Die Summe der wohltätigen
Stiftungen beträgt in Gütersloh 26 006 Mark.
Welche Summen nnsre Stadt für allerlei nötige, nützliche und gesund-
heitliche Zwecke in einer Reihe von Jahren ausgegeben hat, erkennen wir
aus folgender Ubersicht.
Städtische Ausgaben.
Die Uuterhaltuug der städtischen Gebäude kostete von
1896 bis 1906 ..........................17 792,84 Jl
Für Pflasterung und Entwässerung der städtischen Straßen
wurden von 1896 bis 1906 bezahlt............134 636,46 „
Für Unterhaltung des Straßenpflasters, der nicht
chanssierten Wege, der Brunnen und Gräben wurden
von 1896 bis 1906 ausgegeben..............24 863,51 „
Die Anlage der Bürgersteige von 1897 bis 1907 erforderte
die Summe von...............35 087,58 „
An Armenunterstützung wurden von 1887 bis 1906 bezahlt 118 031,— „
Die Verpflegung der Waisenkinder kostete..........27 628,— „
Für Geisteskranke und Schwachsinnige betrugen die Aus-
gaben von 1887 bis 1906 ..................27 405,_
Die Errichtung der städtischen Entseuchungsanstalt kostete 4 823,32
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
— 157 —
bespritzt, sondern vollkommen unter Wasser setzt, so daß der Staub in
Madrid fast unbekannt ist? Die Antwort lautet: Aus den Schneeseldern
der Peüalara, der 2405 Meter hohen, bedeutendsten Erhebung des Guadarrama-
gebirges, und speziell aus einem Eissee, in welchem sich die schmelzenden
Wasser und die Quellen sammeln.
(4. Korkeichen in Alemtejo in Portugal.) Der Löwe in dieser
Landschaft ist unzweifelhaft der Korkbaum, der quercus suber der Römer,
daraus die Portugiesen ein sobreiro gemacht haben. Er steht, wenn man
will, in weiten, lichten Wäldern, wie die Eichen in Ungarn, das heißt, jeder
Baum von dem andern so weit entfernt, daß die Kronen sich nur gerade
berühren; besser bezeichnet man diesen Wald als eine Korkbaumpflanzung
oder als einen großen Obst- und Getreidegarten. Die Frucht, welche der
Korkbaum trägt, ist aber nicht, wie bei den nahe verwandten „Azinhas",
den spanischen Encinen, die süßschmeckende Eichel, sondern die zwei und
mehr Zoll dicke Rinde, der Kork („quercus"), welchen man von dem Baum
bis zu den Zweigen, oft auch bis hoch in dieselben hinein abschält. Der
Scheibenkork, wie ihn der Handel der Industrie liefert, ist keineswegs ein
natürliches Produkt der Korkeiche. Man muß ihr nämlich erst den rissigen
und harten äußeren männlichen Kork nehmen und dadurch, — wie man
es nennt — den Baum entmannen. Nun erst entwickelt sich der innere
Teil der Rinde, welcher aus einer Zellenschicht und dem mit dem Holz in
Berührung stehenden Baste besteht: die sogenannte Mutter. Die Zellen
dieses neuen, schwammartigen Korks, in ihrer Entwicklung gehemmt, werden
dichter und elastischer als die des männlichen Korks und schwellen im
Wasser auf. Dieser Kork, ein abnormes Produkt des Baumes nach der
Entmannung, ist es, welcher in der Industrie Verwendung findet. Acht bis
zehn Jahre sind erforderlich, damit diese Rinde sich entwickle. Vom Baume
abgeschält, hat sie die Form eines hohlen Zylinders. In siedendes Wasser
gebracht, schwillt und reckt sie sich unter den Füßen des Arbeiters, der sie
stampft. Zuletzt wird sie zerschnitten und als Scheibenkork in den Handel
gebracht.
Ganze Wagenladungen dieser corti^a wurden an den Stationen nnserm
Zuge angehängt, um nach Lissabon oder Oporto zu gehen und hier in die
bereiten Seedampfer geladen zu werden. Dieser portugiesische Kork ist der
beste, welchen die Welt kennt. Auch Spanien besitzt viele Korkeichen
(alcornoques genannt, worunter man auch einen Geizhals versteht); aber
die „Mutter" ist hier infolge des trocknen Klimas hart und holzig; sie
quillt nicht genügend auf, ihr fehlt jene wunderbare, schnellende Elastizität,
welche den portugiesischen Kork auszeichnet.
(5. Lissabon.) Was die Lage Lissabons so eigentümlich macht, ist
der Umstand, daß über der schmalen, längs dem Rio Tejo sich hinziehenden
Unterstadt, der „Baixa" mit ihren Caes und Aterros, sich auf zwei weit
hervortretenden Bergen, den Ausläufern des Hochplateaus von Estremadnra,
Plötzlich eine doppelte Oberstadt erhebt: die Lisboa oriental und occidental.
Aber keine abschüssige Felswand, wie etwa bei Alikante oder Sagnnt, be-
grenzt diese beiden Städte nach dem Wasser zu; hier ist keine Stelle des
Abhanges, und wäre er noch so steil, unbebaut geblieben; die Häuser steigen
in großen Terrassen hinter und über einander auf, stehen einander auf den
Schultern oder blicken sich gleichsam über die Köpfe hinweg. Es ist gewiß
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Extrahierte Personennamen: Eichel
Extrahierte Ortsnamen: Madrid Alemtejo Portugal Ungarn Lissabon Spanien Lissabon Estremadnra
8 1. Der dreißigjährige Krieg.
eingeschlagen und durchsucht. Alles, was sie brauchen können, nehmen sie mit: Speck und Wurst, Hühner und Eier, Betten und Kleider. Der Bauer soll auch sein Geld herausgeben; da er aber nichts hat, kann er nichts herbeischaffen. Die Soldaten meinen aber, er habe es versteckt. Sie binden ihm die Hände auf dem Rücken und die Füße zusammen, werfen ihn auf den Düngerhaufen und gießen ihm Mistjauche in den Mund. Auch seine Frau binden sie, legen ihr einen Strick um den Kopf und drehen ihn so fest zu, daß die Augen hervorquellen. Das Vieh wird aus den Ställen geholt und auf dem Hofe geschlachtet; mit den Tischen und Stühlen machen sie ein Feuer an und kochen das Fleisch. Als sie am andern Tage weiterziehen, leuchten die Fenster auf, und die Flammen schlagen zum Dach hinaus. Von dem Bauernhaus standen bald nur noch die vier Wände. Andere Soldatenhaufen hatten es mit den übrigen Häusern des Dorfes ebenso gemacht. Wer von den Bewohnern noch rechtzeitig fliehen konnte, rettete sich in den Wald oder einen unwegsamen Sumpf. Einige kehrten wohl wieder zurück, bis sie von andern Truppen aufs neue vertrieben wurden. Allmählich wurde das Dorf ein Trümmerhaufen. Buschwerk wuchs auf den Hofstätten empor. Wo sonst der Haushund lag, hauste nun wohl der wilde Wolf. — Am schlimmsten trieben es die Schweden; noch lange sang das Volk:
Die Schweden sind kommen, haben alles mitgenommen,
Haben die Fenster eingeschlagen und 's Blei davongetragen,
Haben Kugeln d'rans gegossen und den Bauer erschossen.
3. Ursache des Krieges. Der dreißigjährige Krieg war um die Religion entstanden. Evangelische und Katholiken bekämpften sich gegenseitig. Der deutsche Kaiser war katholisch, viele Fürsten waren mit ihren Untertanen evangelisch. Beide, Evangelische und Katholische, sollten gleiche Rechte haben und ihre Gottesdienste ungestört abhalten können. Die Evangelischen in Böhmen glaubten aber, ihnen geschähe Unrecht von den Katholiken. Sie beschwerten sich deshalb beim Kaiser, bekamen aber eine ungnädige Antwort. Da versammelten sich evangelische Edelleute in Prag, drangen bewaffnet ins Schloß und warfen zwei kaiserliche Räte, die sie für die Hauptschuldigen hielten, zum Fenster hinaus. Der Kaiser sah das als eine Empörung an, und nun begann der Krieg, der sich bald über ganz Deutschland verbreitete.
4. Berühmte Feldherrn im dreißigjährigen Kriege. Die berühmtesten Feldherrn der Katholiken waren Tilly und Wallenstein. Tilly besiegte die Evangelischen in Böhmen, zog dann nach Norddeutschland und zerstörte die Stadt Magdeburg (1631). In Süddeutschland, am Lech, wurde er verwundet und starb an der Wunde.
Wallenstein war ein böhmischer Edelmann und nach dem Kaiser der reichste Mann; er war so reich, daß er für den Kaiser auf seine eigenen Kosten ein Heer von 2000ü Mann ausrüstete. Den Soldaten gefiel es bei ihm, denn sie durften rauben und plündern nach Herzenslust. Freilich war er auch sehr strenge; war einer feige im Kampf oder ungehorsam im Dienst, so hieß es kurzweg: Laß die Bestie hängen! Weil der Kaiser
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Extrahierte Personennamen: Tilly
Extrahierte Ortsnamen: Schweden Schweden Prag Deutschland Wallenstein Norddeutschland Magdeburg