Giebeln sehen jte gar anheimelnd und traulich aus. Wie schade, daß auch
hier die Zeit der Unrast und des Verkehrs nicht spurlos vorübergeht. Wir
grüßen noch einmal das alte, liebe Küsterhaus und gehen au dem alten
Amtsvogthaus (Daltrop) vorbei aus deu Domplatz.
Im katholischen Elisabeth-Krankenhaus werden Kranke gepflegt, in
der damit verbundeneu Kapelle der Gottesdieust abgehalten. Oben am
Hause steht in einer Nische das Standbild der heiligen Elisabeth. Am
Stahlschen Hause bewundern wir die prächtige Rokokotür. Die Blessen-
statte weist auch viele alte Häuser auf. Wenn hier auch uoch einige Läden
sind, so ist die Straße doch bedeutend stiller als die nahe Berliner Straße.
2tbb. 14. Das Gymnasium.
Niemöllers Fabrikgebäude und Mehlhandlungen finden wir hier. Etwas
weiter liegt die Gasanstalt. Hinter den Fabrikräumen seheu wir zwei
große Gaskessel. In ihnen ist das Gas aufgespeichert, vou dem abends
die Gaslaternen aus den Straßen, die Gaslampen in den Schaufenstern
und Häusern brennen und mit dem die Leute auf dem Gaskocher ihr Essen
kochen. In den Fabrikräumen wird das Gas gemacht. Wie das geschieht,
werdet ihr erfahren, wenn ihr größer seid; dann besuchen wir zusammen
die Gasanstalt.
Gegenüber ist Güth & Wolfs Bandfabrik. Laut hören wir das
Klapperu der Webstühle. An ihnen arbeiten die Weber. Was weben sie?
Wenn ihr größer seid, werden wir uus auch die Weberei besehen.
Die Feldstraße ist eine lange, schöne Straße. An ihr liegt das
Gymnasium. Es ist eine hohe Schule. Die Schüler nennt man
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast]]
- 117 -
sein. Zu gebildeten, gesitteten und frommen Menschen muß die heran-
wachsende Jugend erzogen werden. Das zu erreichen, ist die Aufgabe
der Herren Lehrer und Herren Pfarrer. Damit die Kinder wohl unter-
richtet und gut erzogen werden können, hat die Stadt Gütersloh eine ganze
Zahl von Schulen errichten lassen, in denen sie von ihren Lehrern zu
klugen, braven und frommen Menschen herangebildet werden sollen.
Jedes Kind muß die Schule vom 6. bis 14. Lebensjahre besuchen.
Die allgemeine Schule heißt Volks- oder Bürgerschule. Es gibt in Güters-
loh ll evangelische und 2 katholische Volksschulen und 1 jüdische Volks-
schule. In der Seminarübungsschule unterrichten die Lehrseminaristcn,
in den Volksschulen Lehrer und Lehrerinnen. Der Leiter einer Volksschule
ist der Rektor oder der Hauptlehrer. Gütersloh hat eine Höhere Mädchen-
schule. Sie wird von Mädchen vom 6. bis 16. Lebensjahre besucht. Nach
der Schulzeit müssen alle Jünglinge, die Kaufmann werden wollen oder
ein Handwerk erlernen, noch bis zum 18. Lebensjahre eine Schule besuchen.
Auch die Söhne der Landleute besuchen eine Schule, in der sie über ihre
ländliche Arbeit näher belehrt werden. Diese Schulen heißen die kauf-
mänuische, die gewerbliche und die ländliche Fortbildungsschule. Wo
sind sie?
Die Knaben, die Oberlehrer, Arzt, Richter, Pastor werden wollen,
besuchen das Gymnasium. Sie tragen auf den einzelnen Klassen ver-
schiedenfarbige Mützen. Wer Lehrer werden will, muß drei Jahre die
Präparaudenaustalt und drei Jahre das Seminar besuchen. Die Schüler
der Präparandenanstalt heißen Präparanden, die des Seminars
Seminaristen. Der Leiter des Gymnasiums ist der Gymnasialdirektor.
Die Lehrer des Gymnasiums heißen Oberlehrer. Der Leiter des Seminars
und der Präparandenanstalt ist der Seminardirektor, die Lehrer des
Seminars sind die Seminarlehrer.
Die Volksschulen, die Töchterschule und die Fortbildungsschulen sind
städtische Einrichtungen, das Gymnasium ist eine Privatanstalt (erklären!),
das Lehrer-Seminar ist eine staatliche Einrichtung. Es heißt darum:
Königliches Lehrer-Seminar.
Vom 12. bis 14. Lebensjahre besuchen die Schüler den Konfirmanden-
Unterricht. Der Pfarrer erteilt ihn im Konfirmandensaale. Sonntäglich
besuchen die Konfirmanden den Gottesdienst. Mit der Einsegnung werden
sie in die christliche Gemeinde aufgenommen und dürfen zum ersten Male
am heiligen Abendmahle teilnehmen. Die christliche Gemeinde versammelt
sich jeden Sonntag und Feiertag im Gotteshause, das sie erbaut hat. Im
Gotteshause oder in der Kirche dient sie ihrem Gott. Der Pfarrer leitet
den Gottesdienst, er betet und ermahnt die Gemeinde in der Predigt zu
einem Gott wohlgefälligen und christlichen Leben. Wir haben in Gütersloh
zwei evangelische Kirchen für die evangelische Gemeinde, die Apoftelkirche
und die Auferstehungskirche. An jeder Kirche amtieren 2 Pfarrer. Wie
heißen sie? Die Evangelischen heißen auch Protestanten. Es gibt in
Gütersloh auch Katholiken, ihre Kirche ist die katholische Kirche oder die
Pankratiuskirche. Die Juden haben ein Gotteshaus in der Göbenstraße;
es ist die Synagoge.
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
— 119 —
Sie haben schon unendlichen Segen gestiftet. Möchten ihre Ziele in Er-
füllnng gehen!
Wieder andre Vereine gedenken des Herrn Wort: Wohlzutun und
mitzuteilen vergesset nicht! Es sind die Wohltätigkeitsvereine, die den
Armen und Waisen beistehen und ihre Not zu lindern suchen. Zu ihnen
gehört der Vaterländische Frauenverein und der katholische St. Elisabeth-
Franenverein.
Der Gefängnisverein will für entlassene Gefangene Fürsorge tragen.
Die ehemaligen Krieger versammeln sich in den Kriegervereinen,
tauschen dort ihre Soldatenerlebnisse aus, feiern gemeinsam die Vater-
ländischen Feste und Siegestage und Pflegen die Liebe und Treue zu
Kaiser und Reich.
Der Flottenverein sammelt für den Ausbau unsrer Flotte und will
das Volk vertraut machen mit der Erkenntnis, daß nur eine starke Flotte
unsern gewaltigen Handel schützen und Deutschlands Ansehen in der Welt
erhalten kann. Sein Ruf: Baut Schiffe! muß begeisternden Widerhall
in jedem echt deutschen Herzen finden.
In den Gesangvereinen versammeln sich die Mitglieder, um unter
sanges- und musikkundiger Leitung des herzerfreuenden und erhebenden
Gesanges zu Pflegen. Bei uns gibt es eine große Zahl von Gesang-
vereinen. An hohen Festtagen singt in der evangelischen Kirche der Kirchen-
chor besondre geistliche Lieder. Er hat männliche und weibliche Mitglieder
und wird deshalb gemischter Chor genannt.
Andre Gesangvereine, die öfter große Konzerte aufführen, sind der
Musikverein und die Liedertafel.
Der Ärzteverein, der Lehrerverein, der Beamtenverein, der Buch-
druckerverein sind Vereine, in denen die einzelnen Bernfszweige sich ver-
einigen, um ihre Ziele besser zu erreichen.
Die landwirtschaftlichen Bereine fördern die Pflege der Viehzucht,
des Obst- und Gartenbaus; der Jmkerverein will die Bienenzucht, der
Ziegenzuchtverein die Ziegenzucht und der Kaninchenzuchtverein die
Kaninchenzucht fördern.
Damit die Züchter der Pferde, des Rindviehs und der Schweine
durch ansteckende Viehkrankheiten, wie Rotz, Maul- und Klauenseuche oder
Rotlauf, nicht große Verluste erleiden, haben sie besondre Versicherung^
vereine gebildet, wie die Gütersloher Pferdeversicherung, den Rindvieh-
Versicherungsverein für Blankenhagen und Pavenstädt oder den Schweine-
Versicherungsverein für Gütersloh und Umgegend.
Der Feuerwehrverein umfaßt die Mitglieder der Freiwilligen Feuer-
wehr, die bei Brand Leben, Hab und Gut der Gefährdeten zu retten sucht.
Im Naturheilverein werden belehrende Vorträge über eine natnr-
gemäße und gesunde Lebensweise gehalten. Die Turn-, Schwimm- und
Schützenvereine suchen den Körper stark und geschickt zu machen und ge-
sund zu erhalten.
In den Stenographenvereinen wird die Kurzschrift geübt, geschrieben
und gelesen.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
— 140 —
Handlung sehen ober hören werden, wünsche ich, Pastor der Gemeinde zu
(Gütersloh, bekannt zu machen, daß ich in Gegenwart meiner beiden Dekane
und des Kapitels der Kirche von Wiedenbrück geschworen habe, und daß ich
zur Bekräftigung dessen auf die heiligen Evangelien Gottes schwöre, die
ich mit leiblicher Hand berühre, daß ich von Stund an der vorgenannten
Kirche treu sein will, auch die Privilegien, Gewohnheiten und ihre Be-
stimmnngen, soweit sie mich berühren, beobachten und nicht verändern,
meinem Herrn Dekan und seinen Nachfolgern, wie es sich gebührt und
geziemt, gehorsam sein, so wahr mir Gott helfe und seine heiligen Evan-
gelien. Und dieses vorliegende Schriftstück, das ich mit eigener Hand ge-
schrieben habe, will ich mit meinem Siegel siegeln und gebe es meinem
Herrn, dem Dekan und dem Kapitel zum Zeuguis samt meinem Ber-
sprechen." (Eickhoff.)
Als die abgebrannte Kirche neu erstand, da war schou
das 16. Jahrhundert angebrochen. Der Flügelschlag der neuen Zeit machte
sich auch in Niederdeutschland, in Westfalen bemerkbar. Der gewaltige
Gottesmann Dr. Martin Luther hatte am 31. Oktober 1517 die 95 Thesen
an die Schloßkirche zu Wittenberg geschlagen und damit eine Bewegung
hervorgerufen, die im weltentferntesten Dorfe einen Widerhall fand. Auch
iu unfrer Gemeinde wurden die Geister ergriffen. Der Verlauf der
Reformation iu Gütersloh ist unbekannt. Damals war Graf Kord Herr
des Rhedaschen Landes und somit anch von Gütersloh. Durch seine Ge-
mahlin Mathilde von Hessen war er nah mit dem Landgrafen Philipp von
Hessen verwandt. Er war der erste der westfälischen Fürsten, der sich zur
evangelischen Lehre bekannte.
In den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts werden die ersten
Anhänger Luthers iu der Gemeinde gewesen sein. Wenn die Witten-
bergische Nachtigall ein neues Lied Hub zu singen an, dann haben es die
weitreisenden Gütersloher Fuhrherren sicher mitgebracht in ihr Heimatdorf.
So las, sang und hörte man auch hier Luthers gewaltig wirkende Lieder,
die Tausende von Anhängern gewannen. Um 1556 wurde evangelischer
Gottesdienst in Gütersloh gehalten. Zwanzig Jahre später bekannte sich
die ganze Gemeinde zur evaugelischeu Lehre. Statt der lateinischen Ge-
sänge durchbrauste Luthers Kampf- und Siegeslied die Kircheuhalleu, an-
dächtig lauschte die Menge den deutscheu Psalmen und dem kernig schlichten
Bibelwort in deutscher Sprache. Wie Luther selbst seiu Bibelbuch fest
umklammerte mit der Gewißheit: Gottes Wort und Lehr' vergehen nun
und nimmer mehr!, so schrieben die Gütersloher das Trutzwort: „Gades
Wort blivt iu Ewighed" an ihre Häuser. Heute lesen wir den Spruch nur
uoch ani Sagerschen Hause. Damals sprachen alle Gütersloher das Nieder-
deutsche oder Plattdeutsche, und auch der Psarrer predigte plattdeutsch.
In dieser Sprache waren auch Bibel und Gesangbuch geschrieben. Das
alte Gesangbuch des 16. Jahrhunderts heißt: „Enchiridion geistliker Leder
unde Psalmen, gedrückt tho Wittenberch 1566 dörch Georgen Luwen
Erven." Es enthält außer andern die Lieder Martin Luthers in platt-
deutscher Sprache.
Einige Proben mögen ein Beispiel der anheimelnden Sprache sein.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe]]
Extrahierte Personennamen: Eickhoff Martin_Luther Mathilde_von_Hessen Philipp_von
Hessen Philipp Martin_Luthers
— 141 —
„Uth deper Rodt schry yk tho dy,
Here Godt, erhör myn Ropen.
Dyn gnedich Oren keer tho my
unde myner Bede se öpen.
Denn so du wult dath seen an,
wath Sünde unde Unrecht Ys gedan,
Wol kau Here vor dy blyven?"
Das Evangelium des 24. Souutags uach Trinitatis Matth. 9, 23
lautet also:
Unnde also he yn des Aversten Hnhs quam, unnde sach de Pipers
unde den Murmelye des Bolckes, sprach he tho en: Wyket, wente das
Megedelen Ys nicht dodt, sunder ydt schlöpt. Unnde se belacheden en. Alse
averst dath Volck nthgedreven was, ginck he henyn und greep se by der
Handt, do stnndt dath Megedelen up. Unde dyth Geröcht wart ludebar
aver datsülve gantze Landt. (Eickhoff.)
Es herrschte Ruhe und Friede in der Gemeinde bis zum Jahre 1606.
In Westfalen hatte überall die Gegenreformation heftig eingesetzt. Mit
Gewalt wurden die evangelischen Geistlichen vertrieben und katholische
Pfarrer wieder eingesetzt. Als der evangelische Pastor Degenarns Volmar
1605 starb, suchte das Wiedenbrücker Stift einen katholischen Pfarrer ein-
zusetzen. Die gräfliche Regierung suchte den neuen Pfarrverweser zu
schützen und befahl ihm, den Gottesdienst ferner zu besorgen und sich nicht
ängstlich macheu zu lassen. Im Januar 1607 erschienen der Archidiakon
aus Osnabrück, einige Kapitulare aus Wiedenbrück und fürstliche Beamte,
um den katholischen Pfarrer einzusetzen. Da sie uicht in die Kirche konnten,
führten sie den Pastor Petersen ins Pfarrhaus und kehrten nach Wieden-
brück zurück. Bald aber sammelte sich ein Hanfe „Jungens" vor dem
Pfarrhause, stürmte es und trieb den Petersen mit Steinen von dannen.
Am 4. November desselben Jahres aber wurde die Pfarre mit Gewalt
durch 80 Schützen und Soldaten für den katholischen Pfarrer in Besitz
genommen. Im Bericht des rhedischen Beamten heißt es: „Die Schützen
haben in der Wedeme (Pfarrhaus) alles preiß gemacht, in Stücken zer-
schlagen, Bücher, Kleider, Leinewand, Fleisch vom Balken, ja Kessel,
zinnerne Becken, silberne Löffel, der Frauen Beutel, Leuchters, Feuer-
Zangen und alles, was im Haufe gewesen, mitgenommen, den Prediger-
gesucht, das Weib jämmerlich geschlagen, die Kinder nackend zum Hause
hinaus verjagt und elendiglich herumsprungen, daß es auch weder hispaui-
sches noch statisches (holländisches) Kriegsvolk ärger hätte machen können." (E.)
Der vertriebene evangelische Pfarrer starb bald. Petersen blieb in der
Pfarre. Er wurde zwar lutherisch, war aber ein unwürdiger, selbstsüchtiger
Geistlicher.
Im Jahre 1624 gab es im ganzen Kirchspiel Gütersloh keinen
Katholiken. In diesem Jahre gelangte auf den Bischofsstuhl zu Osnabrück
ein Fürst, der bestrebt war, die Protestautische Lehre mit Stumpf und Stiel
auszurotten. Es war der Kardinal Eitel Friedrich von Hohenzollern. Er
ordnete für das ganze Stift Osnabrück eine eingehende Kirchenvisitation
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
TM Hauptwörter (200): [T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T168: [Holz Tisch Messer Stück Honig Stuhl Griffel Hand Narbe Papier], T92: [Vgl Aufl fig Vergl Sch. Liv Sept Aug Iii Geb], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Trinitatis_Matth Eickhoff Petersen Friedrich_von_Hohenzollern Friedrich
— 202 —
57. Flurnamen.
In Gütersloh (Stadt): Siuuer-Pättken. Reggems Knülle. Berk-
schemm. Westmöllers Kamp. Schmuseputz-Ecke. Schüreugatze. Köttke.
Meggers Teierken. Lusediek. Aaskule. Auf der Kiste. Queckwinkel.
Oelpättken. Up'n Krummen Kampe. Kösters Luan.
In Blankenhagen: Up de Word. Lievtncht. Bühlkamp. Patten-
Pohl. Jn'n dicken Hüchten. Dresken. Tahee. Jn'n Kohlkampe. Jn'n
Hollanne. Wellemkampe. Welpmanns Küpen. Jammerkuaten. Up de
Breen. Jn'n Korken Wisk. Up'n Knappe. Langenkamp. Strothmanns
Bräcksken. Gniagelers Nigen. Langerts Jckel. Brandmiä. Up de Kosten.
Hölle. Im Himmel. Schniderbrink. Up'n Stert. Pommerch. Schlei-
busk. Raßfeils Bleik. Raßfeils Lievtucht. Tirpeuhee. Megers Stert.
Berkenkamp. Surgen-Busk. Van de Pommer. Up de Benkert. Up den
Dorpfeile. Kohkamp. Up de Braute. Jn'n Waterkampe. Upe Kiepen.
Upe Mölenstroth. Kuarken-Wisk. Schemm-Wisk.
In Nordhorn: Strotgorn. Up'n Knappe. Stroth-Wisk. Krüskamp.
Jn'n grauten Buske. Gronershee. Lusediek. Jkel. Jn'n Lappeukuateu.
Brüggenkamp. Pommerch. Dat Venn. Up'm Austen Huawe. Fisseu
Start. Im Brautschapp. Kiakenland. Upe Kölke. In de Grund. Up'm
Brinkkampe. Lauhheichte. Klessems Heichte. Im Luan. Upen Möze.
De Woat. Dat Teilande. Im Broke. De Büsker Hee. De Lambat. Im
Kampe. Upe krüllken Eike. Dat Velaud. Up de Hort. Dat hauge Laud.
Up de Röstern.
In Pavenstädt: Bolzenkamp. Bohlenkamp. Lohkamp. Heitkamp.
Auf dem Wall. Goldbrink. Fichtenbrink. Judenbrink. Deppmach.
Hellgenbrink. Stellbrink. Hülsenbusch. Dakkamp. Luaukamp. Witter-
rigge. Ruschkwischk. Röwekamp. Holthee. Heetort. In de Miä. Jn'n
Dieke. Hetkamp. Hungerburg. Up dem Feile. Up de Knülle. Klower-
kamp. Ueke. Waterkamp. Up den Bohlen.
In Sundern: Kalwerkamp. Jnne Lake. Up'n Knappe. Up'n
Roppenhuawe. Sunnerkamp. Hermskamp. Ossenkamp. Lappenkuaten.
Bi de lüttken Brüggen. Brunnenbusk. Brunueukuaten. Up de Riege.
Lobbenfeile. Up'm Spellbriuke. Luankamp. Bökenwisk. Voßwisk.
Ruhnstrothskamp. Niemöllers Füchten. Jbrüggers Hee. Barkehs Kamp.
Gierhakenkamp.
In Kattenstroth: Hasenheide. Galgenknapp. Krähenbrink. Katten-
braken. Elmanns Esche. In de Pnmmeligge. In den Broke. In den
Dieke. In den Ohlbroke. Osthns-Kamern. Heßmers Deil. Kohkamp.
Mührlenwisk. Up'n Füchtegge. Herls. Braukweg. Füchtenbüsk.
Fiskdeek. Mührlendeek. Jnne Brinke. Jnne Merske. Uppe Fürnhee.
Schapenort. Röwekamp. In Haie. Buchsens Kamp. Mührlenbrauk.
TM Hauptwörter (50): [T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung]]
TM Hauptwörter (100): [T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T53: [Rom Stadt König Romulus Tempel Römer Sohn Forum Zeit Alba]]
TM Hauptwörter (200): [T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T66: [Stadt Kreis Einw. Berlin Einwohner Schloß Regierungsbezirk Sitz Provinz Düsseldorf], T20: [Indus Stadt Ganges Gang Hauptstadt Land Siam Indien Fluß Strom], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
— 127 —
Bücher einzutragen. In jedem Jahre werden die Bücher eingesehen und
die Gelder der Stadt nachgezählt, ob auch alles in Ordnung ist. Eine be-
stimmte Zahl vou Ausgaben kehrt in jedem Jahre wieder; es sind die fest-
stehenden oder laufenden Ausgaben. Außerdem aber gibt es noch besondere
Ausgaben, die für Neuanlagen von Straßen, für Neubauten usw. aus-
gegeben werden müssen; es sind die außerordentlichen Ausgaben. Bis zum
Oktober jedes Jahres macht die Obrigkeit eine Gesamtanfstellnng der
laufenden und außergewöhnlichen Ausgaben und Einnahmen. Diese Auf-
stellung nennt man den Gemeindehaushaltsplan. Aus ihm können die
Stadtverordneten und die Bürger der Stadt ersehen, wieviel Geld einge-
nommen wird, wieviel davon wieder verausgabt werden muß und für
welche Zwecke dies geschieht.
Für die Armen, Waisen und Witwen der Gemeinde sorgt die Stadt-
gemeinde auch. Aus einem besonderen Bestand erhalten sie Unterstützungen
an Geld, Kleiduug oder Lebensmitteln. Dies Geld ist in der Armenkasse
vorhanden. Im Jahre 1906 hatte sie einen Bestand von 87 591,63 Mark.
Reiche, wohltätige Leute haben zur Unterstützung armer oder in Not
geratener Bürger der Stadt größere Geldgeschenke vermacht. Diese
Schenkungen nennt man Stiftungen. Die Summe der wohltätigen
Stiftungen beträgt in Gütersloh 26 006 Mark.
Welche Summen nnsre Stadt für allerlei nötige, nützliche und gesund-
heitliche Zwecke in einer Reihe von Jahren ausgegeben hat, erkennen wir
aus folgender Ubersicht.
Städtische Ausgaben.
Die Uuterhaltuug der städtischen Gebäude kostete von
1896 bis 1906 ..........................17 792,84 Jl
Für Pflasterung und Entwässerung der städtischen Straßen
wurden von 1896 bis 1906 bezahlt............134 636,46 „
Für Unterhaltung des Straßenpflasters, der nicht
chanssierten Wege, der Brunnen und Gräben wurden
von 1896 bis 1906 ausgegeben..............24 863,51 „
Die Anlage der Bürgersteige von 1897 bis 1907 erforderte
die Summe von...............35 087,58 „
An Armenunterstützung wurden von 1887 bis 1906 bezahlt 118 031,— „
Die Verpflegung der Waisenkinder kostete..........27 628,— „
Für Geisteskranke und Schwachsinnige betrugen die Aus-
gaben von 1887 bis 1906 ..................27 405,_
Die Errichtung der städtischen Entseuchungsanstalt kostete 4 823,32
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
— 220 —
einen Stock ans Weißdorn oder Eichenholz, mit dünnem, messingbeschlagenem
Griffe, mit allerlei in den Schaft eingekerbten Verziernngen, nach unten
anschwellend zu der Breite eines Talerstückes, wie denn auch meist eine
Geldmünze in das dicke, mit einem breiten Eisen- oder Messingrande um-
schlossene Ende eingenagelt ist: eine tödliche Waffe, sei es zum Stoßen mit
dem Griff oder zum Schlagen mit dem anderen Ende. Während der B6arner
zwar „höflich aber falsch" genannt wird, liegt in der ganzen Haltung des
Basken, in seinem offenen Blicke, seinem jeden Wechsel der Stimmung rasch
und treu wiedergebenden Gesichte, in dem Kopfe, den er stolz etwas zurück-
wirft, der Ausdruck der Ehrlichkeit zugleich und des Selbstbewußtseins.
Wenn uns ein baskischer Bauer, in seinem raschen Dahinschreiten einhaltend
und den Makita auf den Boden stemmend, sein „Egün hun" (Guten Tag!)
zuruft, so ist in seinem Gruß ebensoviel adeliger Anstand als Herzlichkeit.
Der Baske weiß sich jedem ebenbürtig, und er hat noch nie vor jemand den
Rücken gebeugt. Bis auf Andorra sind zwar jetzt die sämtlichen Freistaaten
verschwunden, die ehedem in den Pyrenäentälern bestanden haben; aber der
Baske ist stolz darauf, daß fein Volk einst den Stürmen der Völker-
Wanderung Widerstand geleistet, zur Vertreibung der Araber mitgewirkt, im
Mittelalter seine Freiheiten gegen jeden Übergriff des Adels geschützt und
noch dem Absolutismus Ludwigs Xiv. unübersteigliche Schranken gesetzt
hatte. Noch ist in den Basken von dem Freiheitssinn etwas vorhanden,
der den Grundartikel ihrer Verfassung eingegeben hatte: „So jemand einen
Mann, ein Weib, ein Dorf oder eine Stadt von Guipuzcoa zwingen will
zu was es auch fei kraft irgend einer Weisung unseres Herrn, des Königs
von Castilien, die nicht von der Volksversammlung gebilligt worden, oder
die unsern Rechten, Vorrechten, Gebräuchen und Freiheiten Eintrag täte, so
soll ihm ohne weiteres der Gehorsam verweigert werden. Wenn er darauf
beharrt, so soll er zum Tode gebracht werden."
(2. Am Gave de Pau.) Von der Terrasse des Schlosses und von
der Place-Royale, einem der schönsten Plätze der Welt, genießt man eine
unvergleichliche Aussicht, zunächst auf den Park und die Gärten, eine alt-
berühmte Zierde der Stadt Pau, dann auf den Fluß Gave und feine in
immer frischem Grün prangenden User, dann drüben auf die Wald- und
Rebenhügel, darunter diejenigen von Juranyon, wo ein so herrlicher Wein
gedeiht, daß der auf den Alleingenuß bedachte Heinrich Iv. die Reben von
seinen Soldaten bewachen ließ, und endlich auf die in hellblauem Lichte
schimmernde Pyrenäenkette mit dem einsamen Pic du Midi de Pau, die in
natürlichem Rahmen das mannigfaltige und doch so harmonische Bild ein-
faßt. Wenn nicht schöner, so doch vielleicht erhabener bietet sich der Anblick
der Pyrenäen demjenigen, welcher, von den Tälern und Eichenwäldern der
nördlichen Umgegend herkommend, mit einem Male aus der flachen Ebene
der „Landes", die hinter dem von hier aus nicht sichtbaren Pau beginnen,
das Panorama der Pyrenäen vom Pic d'orhy bis zum Pic du Midi de
Bigorre vor sich auftauchen sieht. Wir dürfen wahrlich den glücklichen Be-
wohnern von Pau nicht zu sehr verargen, wenn sie beim fortwährenden
Genüsse solcher Schönheiten, bei der Milde eines Klimas, die im Winter
noch diejenige von Rom und Nizza übertrifft, bei dem Reichtum einer
Natur, die den Landleuten das zum Unterhalt nötige Maß von Kastanien,
Feigen und Mais fast ohne menschliche Nachhilfe liefert, sich den größten
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Heinrich_Iv Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Weißdorn Andorra Ludwigs_Xiv Rom Nizza
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erscheint uns hier oben in fast ätherischer Schönheit; die Gletscher alle rings
umher sind Wellen ähnlich, auf denen unser Felsensitz wie ein Nachen am
tiefblauen Himmel hinzuschweben scheint. Manchmal streift ein Silber-
Wölkchen unter der Sonne hin, nimmt erst die sieben Farben der Iris an
und löst sich sodann in Äther auf. Drei Adler kommen langsam vom
Süden herangeflogen; sie kreisen lange und nahe über unseren Häuptern;
keinen von uus aber lockt es, die Stille durch einen Schuß zu unterbrechen.
Ii. In Mittel- und Küd-Frankreich.
(Dr. Richard Pappritz. „Wanderungen durch Frankreich." Beobachtungen
und Schilderungen von Land und Leuten in Mittel- und Süd-Frankreich sowie den
Pyrenäen. Berlin, Fussingers Buchhandlung, 1898. 335 Seiten, brosch. 3 Mark, eleg.
geb. 4,50 Mark. S. 81—83, 98, 100—101, 263—264, 299—300, 312—313.)
(1. In der Auvergne.) Südlich von Bonrbonnais liegt die Land-
schast Auvergne. Es ist dies eine der ärmsten Landschaften Frankreichs;
jährlich wandern hunderte von Bewohnern aus, um in Paris als Kohlen-
träger, Dienstmänner oder in ähnlichen bescheidenen Beschäftigungen ihr Brot
zu verdienen. Andrerseits ist die Auvergne ein reiches Land; denn jährlich
kommen viele Fremde hierher, um in der ozonreichen Luft, an den heil-
bringenden Quellen zu gesunden. Die Auvergne ist das Land der Badeorte;
in nächster Nähe liegen hier viele berühmte, heilbringende Stätten nebenein-
ander. Das Hochland der Auvergne unterbricht die eintönige Fruchtbarkeit
Mittelfrankreichs in angenehmer Weise. Hier kann sich das Auge doch
wieder an der Abwechselung von Berg und Tal, an kühn geschwungenen
Linien, an malerischen Blicken erfreuen. Der Deutsche freilich wird den
Wald auf den Bergen vermissen. Die Hauptstadt der Auvergne ist Clermont
oder Clermont-Ferrand. Dreimal hat Clermont eine Rolle gespielt in der
Geschichte: Hier brachte Vercingetorix dem Cäsar seine erste und einzige
Niederlage bei; hier begeisterte Peter von Amiens Tausende und Abertausende
von Gläubigen zum Zuge ins heilige Land; hierhin wurde im Jahre 1887
Boulanger verbannt. Im Geistesleben spielt diese Stadt insofern eine Rolle,
als Blaise Pascal, der berühmte Verfasser der lettres provinciales, hier
das Licht der Welt erblickte. Hervorragende Bauwerke hat die Stadt nicht;
sehenswert ist die romanische Kirche Notre dame du Port. Sie hat eine
den romanischen Kirchen der Auvergne gemeinsame Eigentümlichkeit: der
Turm steht auf einem viereckigen Unterbau. Bemerkenswert ist ferner die
Abwechselung von schwarzen und weißen Steinen am Chor. Leider liegt
die Kirche in einem Gewirr kleiner Gassen, so daß man keinen beson-
deren Eindruck empfängt. Besser präsentiert sich die gotische Kathedrale.
Bei dem Besteigen des Turmes konnte ich recht gut die gotische Bauart, so
z. B. die ^.riphorien, die eigentümlichen Dachrinnen, die bald einer Jung-
frau, bald einem Phantasietier gleichen, die Umrahmungen der Fensterrose
studieren. Recht hübsch ist der Blick auf die rebennmkränzten Hügel mit
den weißen Landhäusern, die dunkeln Berge im Hintergrunde, unter denen
der Mont Rognon und der Puy de Dome hervorragen. Eine Sehnsucht
ergriff mich, jene Berge aus nächster Nähe kennen zu lernen. So machte
ich mich denn an einem schönen Sommermorgen bereits um 8 Uhr zu einem
Ausflug nach dem Monte Rognon auf. Mit Wegweisern ist man auch hier
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oberungen gemacht werden, so sehen wir hier die in der Natur und im
Menschen ruhenden Kräfte und Hilfsquellen in einer Weise ausgebeutet, wie
dies in Spanien seit der Zerstörung der arabischen Kultur bis auf unsere
Tage nicht mehr geschehen ist.
(b. Biarritz und Umgegend.) Bayonne bildet mit Biarritz gleich-
sam nur eine Stadt, namentlich seitdem während der beiden letzten Jahr-
zehnte das dürre, sandige Land zwischen beiden Orten mit schönen Garten-
und Parkanlagen bedeckt und von stattlichen Straßen durchzogen worden
ist. In den schönen All6es marines, die von der Stadt Bayonne den
Adour entlang der Mündung dieses Flusses zuführen, wie längs der Fahr-
straße nach Biarritz nehmen die doch noch verhältnismäßig jungen Bäume
schon alle beliebigen, aber immer schöne Formen an, und der Anblick des
üppigen Gras- und Baumwuchses auf diesen einstigen Sandheiden ist eine
wahre Augenweide für uns, nachdem wir die von der Sonne ausgebrannten
Flächen der Mancha und der beiden Castilien durchmessen. Die Sandwüste,
die sich vom Adour bis zur Gironde unabsehbar ausdehnte, und die ehedem
nicht nur die Schiffahrt und die Fischerei von Bayonne aus erschwerte,
sondern Wohnungen und Pflanzungen weithin unmöglich zu machen drohte,
ist jetzt durch den rastlosen Fleiß der Menschen großenteils in einen un-
geheuern Fichtenwald verwandelt, der dem Andringen zugleich der Meeres-
und der Sandwellen wehrt und, besonders seit dem amerikanischen Kriege,
die Bebaner durch die Erzeugung von Harz zu reichen Leuten gemacht
hat. Ein anderes Beispiel des siegreichen Kampfes der Menschen mit den
Elementen ist die sogenannte Barre de l'adour, die von den mächtigen
Wogen des Ozeans immer wieder mit Sand verschüttete oder willkürlich ver-
änderte Mündung des Adour, die man nun schon seit Jahrhunderten, und
erst in der letzten Zeit, wie es scheint, mit Erfolg, freizumachen sucht. Das
Gerüst über dem Steindamm, den man weit in das Meer hinausgeführt,
erzittert unter unseren Füßen, wenn die Wellen wie im Haß gegen das Ge-
bild der Menschenhand an die Pfeiler schlagen, und die Lotsen, die eben
im schwanken Kahn hinausfahren, um einen Dreimaster hereinzuführen,
müssen alle Kräfte aufbieten, um nicht gegen den Damm geschleudert zu
werden. Der Anblick, den man von hier aus genießt, ist voll der merk-
würdigsten Abwechselung: vor uns liegt die bewegte Fläche des Ozeans,
rechtshin die Dünenreihe bis Bordeaux, rückwärts der mächtige Strom mit
dem bunten Leben am Hafen, nach links Biarritz, und hinter demselben er-
heben sich die Pyrenäen, die auf ihrem westlichen Flügel in ähnlicher Weise
durch den Berg La Rhune abgeschlossen werden, wie auf ihrem östlichen
durch den Cannigou. Zwischen der Barre und Biarritz liegt die sogenannte
Chambre d'amour, eine Grotte, in der einst ein Liebespaar von der Meeres-
flut überrascht und ertränkt worden sein soll. An dieser Stelle haben die
Naturforscher die letzten Spuren der Pyrenäennatur festgestellt, die von hier
ab den sogenannten „Landes" weicht.
(o. Der Baske.) Der Baske trägt mit Vorliebe ein Samtwams,
einen seidenen Gürtel, ein rotes oder blaues „B6ret" (breite Mütze ohne
Schild) und die „Esparteries", aus Schnüren geflochtene, sehr leichte Schuhe
ohne Absatz, in denen er mehr über den Boden wegzugleiten als aufzutreten
scheint. Seine Haare find über der Stirn kurz geschoren und fallen hinten
in langen Locken auf die Schultern; in der Hand hält er den Makita,
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