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1. Schul-Lesebuch - S. 219

1856 - Berlin : Stubenrauch
219 nete den anklopfenden Kleinen seine Thüre, speiste, tränkte und kleidete sie und ging hinaus und weinte bitterlich. Die Größe des Elends gebot ihm bald, Genossen zu suchen, die mit ihm zur Hülfe sich verbänden. Er sammelte alle Gleichgesinnten zur „Gesell- schaft der Freunde in der Noth", die, eins in Liebe und Barmherzigkeit, dem Strome des Jammers sich muthig in den Weg stellte. Dieser Verein unterstützte das arme Landvolk mit baaren Geschenken und unverzinslichen Vor- schüsien zum Ankauf von Vieh und Saatkorn, zum Wiederaufbau ihrer ver- brannten Häuser, zur Verpflegung ihrer Waisen und Kranken. Aber dabei konnte Falk nicht stehen bleiben, sondern mehr als Alles ängstigte ihn die Sorge um die verlasiene und hülfloö verkommende Jugend. Mit Muttersorge sam- melte er die hülflosen, verlassenen Kiudlein von den Landstraßen, wo sie ver- schmachtet umherirrten, und von den Zäunen, wo sie verkamen, in sein eigenes Haus; und was er seinen eigenen Kindern, die nun im Grabe lagen, von Liebe und aufopfernder Treue nicht mehr erweisen konnte, das erwies er den frem- den, in denen der Herr selbst tröstend zu ihm gekommen war. Der Glaube an diesen Herrn war das goldene Kapital, mit dem er getrost ein Rettuugs- haus für arme, unglückliche Kinder begründete. Wenn die Knaben darin das rechte Alter erreicht hatten, also daß an ihre Zukunst mußte gedacht werden, dann brachte er sie zu ehrsamen, gotteöfürchti- gen Handwerkern, damit sie dort der edlen Schusterei, Schneiderei und Tisch- lerei Pflegen und dereinst in Ehren ihr Brot sich erwerben könnten. Aber jeg- lichen Sonntag, wenn die Werkstätten geschloffen warm und das junge Volk sonst in Gefahr ist, seinen Sparpfennig in den Wirthshäusern und auf den Tanzböden zu vergeuden, rief er diejenigen, welche in Weimar die Burschen- zeit durchmachten, wieder zu sich in sein Haus und verlebte mit ihnen in trau- lichen Gesprächen, bei Gesang und bei Betrachtung von Gottes Wort, stille Abendstunden, deren Segen sie in die Arbeitswoche mit hinausnahmen. Die Anstalt mehrte sich fort und fort; das grenzenlose Kriegseleud mit seinem Gefolge füllte und überfüllte noch inrmer die schon beschränkten Räume. Im Jahre 1821 zählte die Anstalt an 300 arme Kinder. Als nun das Haus gar zu voll war, schaffte Johannes Rath. 'Für 5000 Thaler erstand er käuf- lich den Lutherhost Da wurde also gesackt und gepackt und geschleppt und ge- tragen; und weil viele Hände bald ein Ende machen, so währte es nicht lange, bis alle Habseligkeiten in's Luthergäßchen hinübergeschafft und das ganze Nest mit den 300 Küchlein in den altergrauen Mauern geborgen war. Da nun aber der Lutherhof gar sehr wüste und leer war, Maurer und Zimmerleute auch nicht konnten gedungen werden, mußten die Jungen selber sehen, wie sie fertig würden. Und damit fing das Mauern, Zimmern und Hobeln an, früh und spät und spät und früh, und mit solcher Fröhlichkeit, mit Lust und Ge- sang, daß, wenn Luther noch einmal in das alte Haus getreten wäre, er vor Freuden in die Hände geklätscht und sicherlich fix mit Hand angelegt hätte. Mancher Freund, dem die Sache gefiel, gab zu dem Bau willig sein Scherf- lein, und als vier Sommer'in's Land gegangen waren, war aus dem alten Lutherhofe ein neuer Lutherhof geboren; aber der alte Luthergeist waltete noch

2. Schul-Lesebuch - S. 236

1856 - Berlin : Stubenrauch
236 Daher, als sie einstmals auch vor dem Hause auf die leib- lichen Almosen warteten, liess ich sie alle in’s Haus kommen, hiess auf eine Seite die Alten, auf die andere das junge Volk treten und fing allsofort an, die Jüngeren freundlich zu fragen aus dem Katechismo Lutheri von dem Grunde ihres Christen- thums, liess die Alten nur zuhören, brachte mit solcher Katechi- sation nicht mehr Zeit als etwa eine Viertelstunde zu, beschloss mit einem Gebete und theilte darauf nach Gewohnheit die Gaben aus, mit beigefügter Vorstellung, dass sie also künftig allezeit das Geistliche und Leibliche zugleich haben sollten, und ermahnte sie, allezeit des Donnerstages auf gleiche Weise in meinem Hause zu erscheinen, welches sie denn auch thaten. Dieses ist zu An- fang des 1694sten Jahres angefangen. Hierzu kam, dass mir die Noth der Hausarmen, die sich von öffentlichem Almosensammeln enthalten, sehr zu Herzen ging. Diesen nun auf einige Weise zu dienen, liess ich in der Wohn- stube des Pfarrhauses eine Büchse fest machen und oben darüber schreiben: „Wenn Jemand dieser Welt Güter hat, und siehet sei- nen Bruder darben, und schleusst sein Herz vor ihm zu, wie bleibet die Liebe Gottes bei ihm?“ (1. Job. 3.) Und darunter: „Ein jeglicher nach seiner Willkür; nicht mit Unwillen oder Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ (2. Kor. 9.) Dieses sollte Diejenigen, so bei mir aus- und eingingen, oder von andern Orten zu mir kämen, selbst erinnern, ihr Herz gegen die Armen aufzuschliessen. Solches geschahe zu Anfang des 1695sten Jahres, dass ich’s mit dieser Büchse anfing. Da geschahe es nach gar kurzer Zeit, dass eine gewisse Per- son auf einmal vier Thaler und sechszehn Groschen in meine Armenbüchse hineinthat. Als ich dieses in die Hände nahm, sagte ich mit Glaubensfreudigkeit: „Das ist ein ehrlich Kapital; davon muss man etwas Rechtes stiften; ich will eine Armenschule da- mit anfangen.“ — Ich besprach mich nicht darüber mit Fleisch und Blut, sondern fuhr im Glauben zu und machte noch dessel- bigen Tages Anstalt, dass für zwei Thaler Bücher gekauft wur- den, und bestellte einen armen Studenten, die armen Kinder täg- lich zwei Stunden zu unterweisen. Um Ostern 1695 fing sich diese Armenschule mit so gerin- gem Vorrath an; denn die oben erwähnten vier Thaler und sechs- zehn Groschen sind der rechte Anfang und das erste Kapital, woraus nicht allein zuerst die Armenschule angerichtet, son- dern auch sofort hernach das Waisenhaus veranlasst und er- wachsen ist.“ Und dieses ist dasselbe Waisenhaus, welches noch heute als ein Zeichen und Zeugniss der Gnade Gottes dasteht, und worin, wie oben berichtet, täglich an dreitausend Kinder Schule und Unterricht empfangen und arme Waisen erzogen werden, und worin noch gar viel andere Liebeswerke gross gewachsen sind, dass man sagen muss: Hier ist aus einem Senfkorn ein grosser Baum geworden, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels nisten.

3. Schul-Lesebuch - S. 409

1873 - Berlin : Stubenrauch
409 da er in sein vierzehntes Jahr ging, hat ihn sein Vater gen Magdeburg in die Schule gesandt, welche damals vor vielen andern weit berühmt war. Daselbst ist Martin, wie manches ehrlichen und wohlhabenden Mannes Kind, nach Brot gegangen und hat vor den Bürgerhäusern gesungen. Was groß soll werden, muß klein angehen; wenn die Kinder zärtlich und herrlich erzogen werden, schadet es ihnen ihr Leben lang. Im folgenden Jahr hat Martin, auf Befehl seiner Eltern, sich nach Eisenach begeben, wo er seiner Mutter Freundschaft hatte. Als er daselbst auch eine Zeit lang vor den Thüren sein Brot ersang, nahm ihn eine fromme Frau zu sich an ihren Tisch, die- weil sie um seines Singens und herzlichen Gebetes willen ihn lieb gewonnen hatte. Im Jahre 1501 sandten ihn seine Eltern gen Erfurt auf die hohe Schule. Hier begann er, mit großem Ernste und beson- derem Fleiße zu studiren. Ob er wohl von Natur ein hurtiger und fröhlicher Gesell war, fing er doch alle Morgen sein Lernen mit herzlichem Gebete an; wie denn dies sein Sprüchlein gewesen ist: Fleißig gebetet ist über die Hälfte studirt. Dabei ver- säumte er keine Lektion, fragte gern seine Lehrer und besprach sich in Ehrerbietung mit ihnen. Einstmals, da er in der Büchersammlung der hohen Schule sich die Bücher nach einander besieht, daß er die guten kennen lerne, kommt er über die lateinische Bibel, die er zuvor nie gese- hen. Da vermerkt er mit großem Verwundern, daß viel mehr Texte, Episteln und Evangelien darin wären, denn man in Po- stillen und auf den Kanzeln pstegte auszulegen. Wie er im alten Testamente sich umsieht, kommt er über Samuels und seiner Mutter Hanna Historien; die durchlieft er eilends mit herzlicher Lust. Und weil ihm das Alles neu war, sängt er an, von Grund feines Herzens zu wünschen, Gott wolle ihm dermaleinst auch ein solches Buch bescheeren; welcher Wunsch ihm reichlich ist gewährt worden. Im Anfange des Jahres 1505 ward Martin Luther Magister zu Erfurt. Am Ende des Jahres, da ihm ein guter Geselle (Alexius) erstochen ward, und ein großes Wetter und heftiger Donnerschlag ihn hart erschreckte, und er sich ernstlich vor Gottes Zorn und dem jüngsten Gerichte entsetzte, beschloß er bei sich selbst, ins Kloster zu gehen, allda Gott zu dienen und die ewige Seligkeit zu erwerben. Darum wurde er ein Augustiner-Mönch zu Erfurt. Die Klosterleute hielten den Luther hart und legten ihm viel aus. Er mußte Kirchner sein, gemeine Hausarbeit verrichten, ja mit dem Bettelsack umherwandern. Sobald ^r aber Zeit hatte, studirte er besonders fleißig in seiner lateinischen Bibel. Wenn ihn die Mönche dabei fanden, so murrten sie und sprachen: „Nicht

4. Schul-Lesebuch - S. 220

1873 - Berlin : Stubenrauch
220 an 300 arme Kinder. Als nun das Haus gar zu voll war, schaffte Johannes Rath. Für 5000 Thaler erstand er käuflich den Lutherhof. Da wurde also gesackt und gepackt und geschleppi und getragen; und weil viele Hände bald ein Ende machen, so währte es nicht lange, bis alle Habseligkeiten ins Luthergäßchen hinübergeschafft und das ganze Nest mit den 300 Küchlein in den altergrauen Mauern geborgen war. Da nun aber der Lurherhof gar sehr wüste und leer war, Maurer und Zimmerleute auch nicht konnten gedungen werden, mußten die Jungen selber sehen, wie sie fertig wiirden. Und damit sing das Mauern, Zimmern und Hobeln an, früh und spät und spät und früh, und mit solcher Fröhlichkeit, mit Lust und Gesang, daß, wenn Luther noch ein- mal in das alte Haus getreten wäre, er vor Freuden in die Hände geklatscht und sicherlich fix mit Hand angelegt hätte. Mancher Freund, dem die Sache gefiel, gab zu dem Ban willig sein Scherf- lein, und als vier Sommer ins Land gegangen waren, war aus dem alten Lutherhofe ein neuer Lutherhof geboren; aber der alte Luthergeist waltete noch darin, gläubig und kräftig. Wie zum Schluß Alles fertig dastand, fest und sauber, wie aus dem Ei ge- schalt: —- das war eine Freude! denn kein Ziegel auf dem Dach, den nicht die Knaben gelegt, und kein Stuhl und Tisch, den nicht die Knaben bereitet, und kein Schloß an der Thür, das nicht die Knaben gefügt hätten, die armen, aus Sünden geret- teten Knaben. Diese stillen Mauern sind die Gebnrtsstätte für viel reiches Leben geworden. Wer jetzt durchs weimarische Land ginge, der würde noch manchen Handwerksmeister und manchen gottesfürch- tigen Schullehrer finden, der einst auf dem Lutherhofe hat beten und arbeiten gelernt, und dem der Name Johannes Falk in dankbarem Gedächtniß steht. Ja, die Kunde dieses durch die That sich bewährenden, dienenden und rettenden Glaubens wurde wie vom Winde in die Nähe und Ferne getragen, und aus dem edlen Samen zum Heile der armen, verkümmernden Jugend ist viel edle Frucht erwachsen. In Deutschland nicht nur, sondern in Frankreich, England und Rußland wurden Anstalten gegrün- det, die wie jene die Verlorenen sammelten, und in denen das verachtete Kreuz des Herrn wieder aufgerichtet ward. Gott hatte seinem Knechte noch eine Prüfungszelt vorbehal- ten. Eine schwere Krankheit warf ihn darnieder; auf langwie- rigem Siechbette, geplagt von unsäglichen Schmerzen, bereitete er sich zum seligen Sterben. Und am 14. Februar des Jahres 1826, Abends 7 Uhr, ist Johannes Falk in einem Alter von 56 Jahren, den Namen seines Heilandes auf den Lippen, sanft und selig entschlafen.

5. Schul-Lesebuch - S. 236

1873 - Berlin : Stubenrauch
236 ihm, als ob er sie segnete. Weisst du, wer das ist? Das ist August Hermann Franke. Und was du rings um dich siehst, ist das hallesehe Waisenhaus, darin jetzt an 3000 Kinder Schule und Unterricht haben, und welches Hermann Franke zum From- men der guten Stadt Halle und zum Segen der deutschen Chri- stenheit vor etwa 150 Jahren mit Gottes Hülfe gegründet hat. Dass aber das Himmelreich gleich einem Senfkorne ist, lass dir von Hermann Franke selber erzählen; denn er berichtet über dies Waisenhaus folgendermassen: „Es war vormalen in Halle sowohl, als in der Vorstadt ge- wöhnlich, dass die Leute einen gewissen Tag bestimmten, an welchem die Armen zugleich vor ihre Thür kommen und die Al- mosen wöchentlich einmal abfordern sollten. Weil nun solches in meiner, als Pastors zu Glaucha, Nachbarschaft des Donners- tages geschah, so kamen die armen Leute von sich selbst darauf, dass sie an eben dem Tage vor meiner Thür zu gleichem Ende sich häufig versammelten. Ich liess ihnen eine Zeit lang vor der Thür Brot austheilen, bedachte aber dabei, dass dieses eine er- wünschte Gelegenheit sei, den armen Leuten, als bei welchen mehrentheils grosse Unwissenheit zu sein und viele Bosheit vor- zugehen pflegt, auch an ihren Seelen durchs Wort Gottes zu helfen. Daher, als sie einstmals auch vor dem Hause auf die leib- lichen Almosen warteten, liess ich sie alle ins Haus kommen, hiess auf eine Seite die Alten, auf die andere das junge Volk treten und fing allsofort an, die Jüngeren freundlich zu fragen aus dem Katechismo Lutheri von dem Grunde ihres Christen- thums, liess die Alten nur zuhören, brachte mit solcher Katechi- sation nicht mehr Zeit als etwa eine Viertelstunde zu, beschloss >mit einem Gebete und theilte darauf nach Gewohnheit die Gaben aus, mit beigefügter Vorstellung, dass sie also künftig allezeit das Geistliche und Leibliche zugleich haben sollten, und ermahnte sie, allezeit des Donnerstages auf gleiche Weise in meinem Hause zu erscheinen, welches sie denn auch thaten. Dieses ist zu An- fang des 1694 sten Jahres angefangen. Hierzu kam, dass mir die Noth der Hausarmen, die sich von öffentlichem Almoseusammeln enthalten, sehr zu Herzen ging. Diesen nun auf einige Weise zu dienen, liess ich in der Wohn- stube des Pfarrhauses eine Büchse fest machen und oben darüber schreiben: „Wenn Jemand dieser Welt Güter hat, und siehet sei- nen Bruder darben, und schleusst sein Herz vor ihm zu, wie bleibet die Liebe Gottes bei ihm?" (1. Joh. 3). Und darunter: „Ein jeglicher nach seiner Willkür, nicht mit Unwillen oder Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb." (2. Kor. 9.) Dieses sollte diejenigen, so bei mir aus- und eingingen oder von andern Orten zu mir kämen, selbst erinnern, ihr Herz gegen die Armen aufzuschliessen. Solches geschah zu Anfang des 1695sten Jahres, dass ichs mit dieser Büchse anfing. Da geschah es nach gar kurzer Zeit, dass eine gewisse Per- son auf einmal vier Thaler und sechszehn Groschen in meine Armenbüchse hineinthat. Als ich dieses in die Hände nahm, sagte

6. Schul-Lesebuch - S. 236

1863 - Berlin : Stubenrauch
236 Daher, als sie einstmals auch vor dem Hause auf die leib- lichen Almosen warteten, liess ich sie alle in’s Haus kommen, hiess auf eine Seite die Alten, auf die andere das junge Volk treten und fing allsofort an, die Jüngeren freundlich zu fragen aus dem Eatechismo Lutheri von dem Grunde ihres Christen- thums, liess die Alten nur zuhören, brachte mit solcher Katechi- sation nicht mehr Zeit als etwa eine Viertelstunde zu, beschloss mit einem Gebete und theilte darauf nach Gewohnheit die Gaben aus, mit beigefügter Vorstellung, dass sie also künftig allezeit das Geistliche und Leibliche zugleich haben sollten, und ermahnte sie, allezeit des Donnerstages auf gleiche Weise in meinem Hause zu erscheinen, welches sie denn auch thaten. Dieses ist zu An- fang des 1694sten Jahres angefangen. Hierzu kam, dass mir die Noth der Hausarmen, die sich von öffentlichem Almosensammeln enthalten, sehr zu Herzen ging. Diesen htm auf einige Weise zu dienen, liess ich in der Wohn- stube des Pfarrhauses eine Büchse fest machen und oben darüber schreiben: „Wenn Jemand dieser Welt Güter bat, und siehet sei- nen Bruder darben, und schleusst sein Herz vor ihm zu, wie bleibet die Liebe Gottes bei ihm?“ (1. Job. 3.) Und darunter: „Lin jeglicher nach seiner Willkür; nicht mit Unwillen oder Zwang; denn einen fröhlichen Geher hat Gott lieh.“ (2. Eor. 9.) Dieses sollte Diejenigen, so bei mir aus- und eingingen, oder von andern Orten zu mir kämen, selbst erinnern, ihr Herz gegen die Armen aufzuschliessen. Solches geschahe zu Anfang des 1695sten Jahres, dass icb’s mit dieser Büchse anfing. Da geschahe es nach gar kurzer Zeit, dass eine gewisse Per- son auf einmal vier Thaler und sechszehn Groschen in meine Armenbücbse hineinthat. Als ich dieses in die Hände nahm, sagte ich mit Glauhensfreudigkeit: „Das ist ein ehrlich Kapital; davon muss man etwas Hechtes stiften; ich will eine Armenschule da- mit anfangen.“ — Ich besprach mich nicht darüber mit Fleisch und Blut, sondern fuhr im Glauben zu und machte noch dessel- bigen Tages Anstalt, dass für zwei Thaler Bücher gekauft wur- den, und bestellte einen armen Studenten, die armen Kinder täg- lich zwei Stunden zu unterweisen. Um Ostern 1695 fing sich diese Armensehule mit so gerin- gem Vorrath an; denn die oben erwähnten vier Thaler und sechs- zehn Groschen sind der rechte Anfang und das erste Kapital, woraus nicht allein zuerst die Armenschule angerichtet, son- dern auch sofort hernach das Waisenhaus veranlasst und er- wachsen ist.“ Und dieses ist dasselbe Waisenhaus, welches noch heute als ein Zeichen und Zeugniss der Gnade Gottes dasteht, und worin, wie oben berichtet, täglich an dreitausend Kinder Schule und Unterricht empfangen und arme Waisen erzogen werden, und worin noch gar viel andere Liebeswerke gross gewachsen sind, dass man sagen muss: Hier ist aus einem Senfkorn ein grosser Baum geworden, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels nisten.

7. Schul-Lesebuch - S. 219

1863 - Berlin : Stubenrauch
219 nete den anklopfenden Kleinen seine Thüre, speiste, tränkte und kleidete sie und ging hinaus und weinte bitterlich. Die Größe des Elends gebot ihm bald, Genossen zu suchen, die mit ihm zur Hülfe sich verbänden. Er sammelte alle Gleichgesinnten zur „Gesell- schaft der Freunde in der Noth", die, eins in Liebe und Barmherzigkeit, dem Strome des Jammers sich muthig in den Weg stellte. Dieser Verein unterstützte das arme Landvolk mit haaren Geschenken und unverzinslicheu Vor- schüssen zum Ankauf von Vieh und Saatkorn, zum Wiederaufbau ihrer ver- brannten Häuser, zur Verpflegung ihrer Waisen und Kranken. Ader dabei konnte Falk nicht stehen bleiben, sondern mehr als Alles ängstigte ihn die Sorge um die verlassene und hülflos verkommende Jugend. Mit Muttersorge sam- melte er die hülflosen, verlassenen Kindlein von den Landstraßen, wo sie ver- schmachtet umherirrten, und von den Zäunen, wo sie verkamen, in sein eigenes Haus; und was er seinen eigenen Kindern, die nun im Grabe lagen, von Liebe und aufopfernder Treue nicht mehr erweisen konnte, das erwies er den frem- den, in denen der Herr selbst tröstend zu ihm gekommen war. Der Glaube an diesen Herrn war das goldene Kapital, mit dem er getrost ein Rettungs- haus für arme, unglückliche Kinder begründete. Wenn die Knaben darin das rechte Alter erreicht halten, also daß au ihre Zukunft mußte gedacht werden, dann brachte er sie zu ehrsamen, gottesfürchti- gen Handwerkern, damit sie dort der edlen Schusterei, Schneiderei und Tisch- lerei Pflegen und dereinst in Ehren ihr Brot sich erwerben könnten. Aber jeg- lichen Sonntag, wenn die Werkstätten geschlossen waren und das junge Volk sonst in Gefahr ist, seinen Sparpfennig in den Wirthshäusern und auf den Tanzböden zu vergeuden, rief er diejenigen, welche in Weimar die Burschen- zeit durchmachten, wieder zu sich in sein Haus und verlebte mit ihnen in trau- lichen Gesprächen, bei Gesang und bei Betrachtung vou Gottes Wort, stille Abendstunden, deren Segen sie in die Arbeitswoche mit hinausuahmen. Die Anstalt mehrte sich fort und fort; das grenzenlose Kriegöelend mit seinem Gefolge füllte und überfüllte noch immer die schon beschränkten Räume. Im Jahre 1821 zählte die Anstalt an 300 arme Kinder. Als nun das Haus gar zu voll war, schaffte Johannes Rath. Für 5000 Thaler erstand er käuf- lich den Lutherhof. Da wurde also gesackt und gepackt und geschleppt und ge- tragen; und weil viele Hände bald ein Ende machen, so währte es nicht lange, bis alle Habseligkeiten in's Luthergäßchen hinübergeschafst und das ganze Nest mit den 300 Küchlein in den altergrauen Mauern geborgen war. Da nun aber der Lutherhof gar sehr wüste und leer war, Maurer und Zimmerleute auch nicht konnten gedungen werden, mußten die Jungen selber sehen, wie sie fertig würden. Und damit fing das Mauern, Zimmern und Hobeln an, früh und spät und spät und früh, und mit solcher Fröhlichkeit, mit Lust und Ge- sang, daß, wenn Luther noch einmal in das alte Haus getreten wäre, er vor Freuden in die Hände geklatscht und sicherlich fix mit Hand angelegt hätte. Mancher Freund, dem die Sache gefiel, gab zu dem Bau willig sein Scherf- lein, und als vier Sommer in'ö Land gegangen waren, war aus dem alten Lutherhose rm neuer Lutherhof geboren^ aber, der alte Luthergeist waltete noch

8. Schul-Lesebuch - S. 409

1863 - Berlin : Stubenrauch
409 da er in sein vierzehntes Jahr ging, hat ihn sein Vater gen Magdeburg in die Schule gesandt, welche damals vor vielen an- dern weit berühmt war. Daselbst ist Martin, wie manches ehr- lichen und wohlhabenden Mannes Kind, nach Brot gegangen und hat vor den Bürgerhäusern gesungen. Was groß soll werden, muß klein angehen; wenn die Kinder zärtlich und herrlich erzogen werden, schadet es ihnen ihr Leben lang. Im folgenden Jahr hat Martin, auf Befehl seiner Eltern, sich nach Eisenach begeben, wo er seiner Mutter Freundschaft hatte. Als er daselbst auch eine Zeit lang vor den Thüren sein Brot er- sang, nahm ihn eine fromme Frau zu sich an ihren Tisch, die- weil sie um seines Singens und herzlichen Gebetes willen ihn lieb gewonnen hatte. Im Jahre 1501 sandten ihn seine Eltern gen Erfurt auf die hohe Schule. Hier begann er, mit großem Ernste und besonde- rem Fleiße zu studiren. Ob er wohl von Natur ein hurtiger und fröhlicher Gesell war, fing er doch alle Morgen sein Lernen mit herzlichem Gebete an; wie denn dies sein Sprüchlein gewesen ist: Fleißig gebetet ist über die Hälfte studirt. Dabei ver- säumte er keine Lektion, fragte gern seine Lehrer und besprach sich in Ehrerbietung mit ihnen. Einstmals, da er in der Büchersammlung der hohen Schule sich die Bücher nach einander besieht, daß er die guten kennen lerne, kommt er über die lateinische Bibel, die er zuvor nie ge- sehen. Da vermerkt er mit großem Verwundern, daß viel mehr Texte, Episteln und Evangelien darin wären, denn man in Po- stillen und auf den Kanzeln pflegte auszulegen. Wie er im alten Testamente sich umsieht, kommt er über Samuels und seiner Mutter Hanna Historien; die durchlieft er eilends mit herzlicher Lust. Und weil ihm das Alles neu war, fängt er an, von Grund seines Her- zens zu wünschen, Gott wolle ihm dermaleinst auch ein solches Buch bescheeren; welcher Wunsch ihm reichlich ist gewährt worden. — Im Anfange des Jahres 1505 ward Martin Luther Magister zu Erfurt. Am Ende des Jahres, da ihm ein guter Geselle (Alexius) erstochen ward, und ein großes Wetter und heftiger Donnerschlag ihn hart erschreckte, und er sich ernstlich vor Gottes Zorn und dem jüngsten Gerichte entsetzte, beschloß er bei sich selbst, in's Kloster zu gehen, allda Gott zu dienen und die ewige Seligkeit zu erwerben. Darum wurde er ein Augustiner-Mönch zu Erfurt. Die Klosterleute hielten den Luther hart und legten ihm viel auf. Er mußte Kirchner sein, gemeine Hausarbeit verrichten, ja mit dem Bettelsack umherwandern. Sobald er aber Zeit hatte, ftudirte er besonders fleißig in seiner lateinischen Bibel. Wenn ihn die Mönche dabei fanden, so murrten sie und sprachen: „Nicht

9. Schul-Lesebuch - S. 30

1863 - Berlin : Stubenrauch
30 Balken und unter dem Stroh der zerrissenen Dächer hausten die Thiere des Waldes; kaum, daß ein zerlumptes altes Mütterlein oder ein elender Krüppel einsam durch das öde Dorf schlich. Was dem Grimme der Soldaten und dem Hunger entrann, das riß die Pest ins Grab. Von 1635—1636 wüthete in Thüringen eine Seuche so entsetzlich, daß in manchen Dörfern nur Einzelne am Leben blieben. 2. Leiden der Städte. Nicht minder groß war das Elend in den Städten. Nahrungs- losigkeit und Theurnng nahm überhand. Die Wege waren unsicher; der Handel stockte, das Gewerbe stand still; Niemand wußte, wie lange er seines Lebens sicher war. Da dachte Jeder, den Tag noch zu ge- nießen, und mit wilder Lust stürzten sich die Menschen in Vergnügungen aller Art. Näherte sich der Stadt ein Heer, so hörte aller Verkehr mit dem platten Lande auf. Sorgfältig wurden die Thore bewacht, und die Bürger mußten von ihren Vorräthen leben. Kamen befreundete Heer- hausen, so mußte man ihnen Quartier geben. Das mochte noch gehen. Viel schlimmer war es, wenn der Feind den Eingang erzwang. Dann war nichts mehr sicher; Schonung der Habe konnte man nur für schweres Geld erkaufen. Es war eine besondere Gnade, wenn der Feind die Stadt nicht an allen vier Ecken in Brand steckte. Vor den Kriegs- knechten war nichts sicher. Sie hieben die Stadtforst nieder, um das Holz zu verkaufen; sie nahmen in den Häusern, was sie fanden; ja sie verschonten die Kirchen nicht, rissen die Orgeln, die Bilder, selbst die Glocken heraus. Die Kriegsobersten legten den Städten schwere Kriegs- steuern auf. Konnte man diese nicht zahlen, so wurden die angesehensten Bürger als Gefangene fortgeschleppt, bis sie endlich ausgelöst wurden. Hatte eine feste Stadt Mauern und Wälle, so suchte Alles Schutz hinter denselben, wenn der Feind sich blicken ließ. Tausende von Wa- gen mit flüchtigem Landvolk fanden sich dann ein. Was kein Obdach fand, lagerte auf den Straßen unter dem freien Himmel. Schloß der Feind die Stadt ein, so raste der Kampf um die Mauern; drinnen aber wüthete Hunger und Krankheit. Gelang es dem Feinde, die Stadt zu erstürmen, so begann ein entsetzliches Morden. Es ging noch, wenn der Feind nur einmal erschien; aber Magdeburg ist sechsmal belagert worden; viele kleine Städte noch öfter. 23. Die Zerstörung Magdeburgs. Bis zum Jahre 1629 waren die Waffen der Kaiserlichen in Deutschland überall siegreich gewesen. Der Kaiser erließ sogar ein Gebot, daß alle geistlichen Güter, welche von den Evangelischen einge- zogen waren, der katholischen Kirche wieder zurückgegeben werden soll- ten. Auch in Magdeburg wollte er wieder einen Erzbischof einsetzen. Die Stadt aber weigerte sich und schloß ihre Thore. Im Frühjahr 1631 erschien Tilly mit 30,000 Mann vor Magdeburg, dessen Besatzung nur aus etwa 2000 Mann zu Fuß, 300 Reitern und 5000 waffen- fähigen Bürgern bestand^ Die Aufforderung, sich zu ergeben, wurde trotzig zurückgewiesen. Schon war der König von Schweden, Gustav Adolph, auf deutschem Boden erschienen und rückte zum Entsätze der
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