Marimi li a rt Ii. _____________ 83
sowohl als Protestanten, das Lob eines trefflichen Mannes
mit in das Grab genommen hat.
21. Maximilian u. 1564—iñ^6.
Schon im Jahre 1560 hatte Ferdinand seinen Sohlt
Maximilian, auf dem Churfürstentage zu Frankfurt, zu
seinem Nachfolger vorgeschlagen, und die Churfürsten har-
ten ihn ernannt. Der Vater empfahl den Sohn mit Wor-
ten, welche als ein wahrhaftiges Zeugniß über ihn aufbe-
wahrt zu werden verdienen: „Er sey mit hoher Vernunft/
Schicklichkeit, Milde und Sanftmüthigkeit, auch allen an«
dern fürstlichen Tugenden und guten Sitten trefflich begabt/
von gerechtem, ehr - und friedliebendem Gemüth, und tra-
ge gegen das heilige Reich deutscher Nation große Liebe und
Zuneigung, deren Ehre und Wohlfahrt zu befördern er zum
höchsten begierig sey. Endlich sey er auch der sechs vornehm-
sten, in der Christenheit gebräuchlichen Sprachen kundig,
also, daß et alles, was jetzo und künftig mit fremden Po-
tentaten zu handeln sey, selbst werde verstehen, reden, und
ausfertigen können."
Ein anderes ehrenvolles Zeugniß legten seine böhmischen
Unterthanen über ihn ad, als sie ihn den Polen zum Kö-
nige empfahlen, die ihr Auge auf ihn gerichtet hatten.
„Unser Böhmen, sagten sie, befindet sich unter seiner Re-
gierung bester, als wenn es von einem angeborncn Vater
beherrscht würde; unsere Vorrechte, Gesetze und Freiheiten
werden von ihm geschützt , und er laßt alles unverändert
bei seiner Kraft. Und was man fast ein Wunderwerk nen-
nen könnte, ist die große Klugheit und Unparteilichkeit,
mit weicherer den verschiedenen Glaubensgenossen begegnet,
und fu dadurch zur Einmüthigkeit, Duldung und gegen-'
seitigen Liebe führt."
Und mit Recht konnten daher die Polen selbst von ihm
sagen: „Er habe das christliche, gemeine Wesen, welches
durch Empörungen und Zwietracht erschüttert sey, so in
Ordnung gebracht, daß er mehr Triumphe durch seinen
Verstand im Frieden, als ein anderer durch Kriege erhal-
ten habe."
Und solche Gesinnung und Handlungsweise übte er in
einem Zeitalter, wo man kaum das Wort Duldung kannte,
ja, er bekannte sich öffentlich zu dem Grundsätze, „daßgott
allein die Herrschaft über die Gewissen zustehe." Das ist
der Ruhm dieses Kaisers; und durch solche seine wie seines
Vaters Trefflichkeit geschah es, daß Deutschland in einer
Zeit, da in den Niederlanden und in Frankreich der Nell-
. 6 *
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Maximilian Maximilian Ferdinand Maximilian Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Frankfurt Deutschland Niederlanden Frankreich Nell-
Der schmalkaldische Krieg. 1545 und 47. 6ö
beiden Vermittler, die sich für seine Freiheit verbürgt hat-^
ten. Sie wendeten sich an den Kaiser selbst, stellten ihm
ihr Fürstenwort vor, welches sie zum Pfände gesetzt hätten;
— aber der Kaiser leugnete, den Landgrafen von aller
Gefängniß frei gesagt zu haben, wenn er ihn gleich nicht
mit ewiger Gefangenschaft bestrafen wolle. Und in der
Lhat mochten seine Räthe vielleicht mehr versprochen haben,
als er selbst im Sinne trug, oder bei der btnkunde des
Kanzlers Granvella in der deutschen, und der beiden Chur-
fürsten in der spanischen und französischen Sprache, war
vielleicht ein Mißverstandnifi vorgefallen.
Dennoch wäre es edler gewesen, das Wort der beiden
Vermittler an dem Landgrafen zu erfüllen. Es lag dem
Kaiser freilich viel daran, die Anführer des schmalkaldische»
Bundes so lange als Gefangene zu halten, bis er seine
Rcligionseinrichtunaen in Deutschland, vollendet hatte;
denn er glaubte noch immer an die Möglichkeit einer Ver-
einigung der Partheien, und beide Fürsten waren die hef-
tigsten Gegner derselben gewesen. Aber Karl bedachte nicht,
daß die Gradheit und Großmuth einem Herrscher besser an-
ftehen und sicherer zum Ziele führen, als die berechnende
Vorsicht; und daß, wenn diese einmahl als Gesetz gilt,
der Listige von dem noch Listigcrn sicher um seinen Gewinn
gebracht wird. Der Herzog Moritz, der seine Bürgschaft
nun nicht erfüllen konnte, und als ein Wortbrüchiger ge-
gen den Landgrafen dastand, hat sich sicherlich in dem Au-
genblicke , als der Kaiser sein und seiner Räthe Worte will-
küsirlich deutete, der Pflichten der Dankbarkeit und
Wahrheit gegen ihn entbunden gefühlt, und geglaubt,
daß von da an nur die Klugheit zwischen ihnen zu walte»
brauche. In dieser aber stand er dem Kaiser nicht »ach.
Der abgesetzre Chnrfürst und der Landgraf mußten dem
kaiserlichen Hoflager als Gefangene folgen, wohin er sich
.wendete. Ueberdres wurden die hessischen Festungen, bis
auf Kassel und Zwgenhain, geschleift, alles Geschütz ward
abgeführt, und die Stande mußten 150,000 Goldgulden
als Strafe bezahlen. ^In den Vergleichen mit seinen Geg-
nern befolgte Kaiser Karl die Grundsätze der Römer in der
Zett, da sie sich die Herrschaft der Welt vorbereiteten. Wie
sie von den Karthagern, von den macedonischen und syri-
schen Königen, nebst großen Geldsummen, die Ausliefe-
rung der Kriegsschiffe, der großen Kriegsmaschinen und
der Elcphanten verlangten, so ennoaffnete auch Karl seilte
Gegner, rüdem er sie zwang, ihre festen Plätze zu schleifen,
das schwere Geschütz herauszugeben, welches damahls noch
selten und schwer wieder zu ersetzen war, und endlich ihm
Kohlr. D. G. rr. Th. 4te Aufl. &
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Moritz Karl Karl Karl Karl
130 Vi. Ztr. Karl V. bis zum westph. Fried. 1520 — 1648.
unbestochen gelten kann, der Graf Gualdo, ein Vcneti-
aner und Katholik, der sich verschiedene Jahre sowohl bei
den kaiserlichen als schwedischen Heeren aufgehalten, schildert
des Königs große Eigenschaften auf folgende Weise: „Gu-
stav war groß gebaut, stark,» von königlichem Ansehn r
welches die Herzen mit Ehrerbietung, Verwunderung, Vtcbc
und Furcht erfüllte. Sein Haar und Bart waren blond,
das Auge groß, aber nicht in die Ferne sehend. Von sei-
ner ersten Jugend an hatte der Krieg für ihn großen Reiz,
und Ehre und Ruhm waren seine Leidenschaft. Auf seiner
Zunge wohnte Beredsamkeit, Anmuth und Leutseligkeit wa-
ren in seiner Unterhaltung. Es ist kein Feldherr, dem man
mit solcher Neigung und Ergebenheit gedient, als ihm.
Er war freundlich, lobte gern, und tapfere Handlungen
blieben unauslöschlich in seinem Gedachtniß. Aber höfisches
Wesen und Schmeichelei haßte er, und wenn einer sich ihm auf
solche Weise nahte, so konnte er sein Vertrauen nicht gewin-
nen. Gegen die Ausschweifungen der Soldaten war er streng,
und sehr besorgt für die Sicherheit des Bürgers und Land-
manns. Als ihm nach der Eroberung einer katholischen Stadt,
Einige riethen, dre Bürger streng zu behandlen, und ihnen
neue Gesetze zu geben, antwortete er: „Die Stadt ist nun
mein und nicht mehr des Feindes. Ich bin gekommen, der
Freiheit die Fesseln abzunehmen, nicht sie in neue zu schla-
gen. Lasse man sie leben, wie sie bisher gelebt; ich gebe
denen keine neue Gesetze, die so zu leben wissen, wie sie ihre
Religion gelehrt hat."
Bei der Behandlung der Protestanten und Katholiken
machte er keinen Unterschied. Sein Grundsatz war, daß
jeder ein Rechtgläubiger sey, der sich den Gesetzen gemäß
verhalte. Die Menschen vor der Hölle zu bewahren, sey
nicht Beruf der Fürsten sondern der Prediger."
Eine Bestätigung dieses Urtheils gab unter andern sein
Aufenthalt zu München. Am Himmelfahrtstagc 1632
gingerdort in die Liebfrauenkirche, um einer Messe mit
aller Feierlichkeit des katholischen Gottesdienstes beizuwoh-
uen; dann besuchte er das Jesuiterkolegium, beantwortete
des P. Rektors lateinische Anrede in derselben Sprache,
und unterhielt sich fast eine Stunde lang mit ihm über die
Lehre vom Abendmahl. So spiegelt sich sein großer welt-'
geschichtlicher Geist, der weit über sein Zeitalter hinausragtc,
auch darin, daß er, bei der wärmsten Frömmigkeit in sei-
ner Brust, doch auch die Gestalt zu ehren wußte, in welcher
sich der Glaube in dem Gemüthc eines andern darstcllte;
wie überhaupt darin, daß er Größe und Wahrheit neben
sich duldete, und ein Freund der Freiheit war.
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Allgemeine Bemerkungen. 147
und Mühselige stand, wie ein Schriftsteller sagt, den fol-
genden Zelten aufder Stirne geschrieben. Viele der Städte
mußten sich nun halb frei, halb durch die Noth der Zeit
gezwungen, den Fürsten unterwerfen, und die noch den Na-
men der freien Reichsstädte behielten, wie dürftig und arm-
selig haben die meisten von ihnen sich Hingeschleppt, bis sie
in der neuesten Zeit gleichfalls unter die Herrschaft der Für-
sten gestellt wurden? So wurde es immer klarer und ent-
schiedener, daß seit dem Ende des Mittelairers, die Zeit
der freien Städte und Genossenschaften vergangen, und die
der fürstlichen Gewalt gekommen war.
Auch die Herrlichkeit des Adels war verschwunden.
Seit er nicht mehr den eigentlichen Kriegerstand bildete und
durch ritterliche Gaffenrüchtigkeit der Nation voranleuch-
tete; seit die Fürsten mit gemietheten Söldnern seinen küh-
nen Freibeitstrotz leicht niederschlugen, und Weichlichkeit,
Zierlichkeit, fremde Sitten an die Stelle der alten Tüch-
tigkeit traten, da ging die rechte Bedeutung des Adels ver-
loren, wie ihn Deutschland gewollt hatte. Er wurde dienst-
bar, und fand bald Freude an dem Eitlen und Kleinen;
denn das Einfache und Große ist nur im Gefolge der Frei-
heit. Wie die Fürsten sich vom Volke geschieden hatten, schied
sich auch der Adel vondemselben, undnunerst trat der Stolz
auf die Vorzüge der Geburt ein. Die Fürsten aber, um in
der Zeit des Ueberganges , da die Dienstbarkeit des Adels
noch nicht überall entschieden war, ihn desto williger zu
derselben zu machen, räumten ihm wesentliche Vorzüge vor
dem dritten Stande ein, welche späterhin, vor dem Fort-
schritte der Zeiten, nicht mehr bestehen konnten: Freiheit
von Staatelasten, ausschließendes Recht auf die höchsten
Stellen und fast alleinige Landstandschaft. Das letzte Vor-
recht war fast das drückendite für das Volk. Denn der Adel,
in den steigenden Lurus der Höfe hineinzogen, durch Aemter
und Ehreustellen geblendet, und durch seine Privilegien ge-
sichert, bewilligte auf den Landtagen dem Füriren gern seine
Forderungen, und walzte die Last der Abgaben auf Bürger
und Bauern. Auf diese Weise entstand Trennung und sogar
Haß zwischen dem Edelmann und dem Volke und dies mußte
den Sinn beider verderben. Die fürstliche Macht da-
degen hob sich von nun an von Stusse zu Sruffe; einerseits,
indem die Fürsten die Kräfte ihrer Länder immer ausgedehn-
ter benutzen konnten, auoerntheiis, indem sie sich immer
unabvangiger vom Kaiser machten. Sie gedachten nicht,
daß dadurch da speich deutscher Nationen immer schwächer
werden mußte, reibst em ausländischer Schriftsteller jener
Zeit sagt: „Durch diesen süßen und allgemeinen Irrlyum ha-
lt) *
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148 Vii. Zlr. Vom westph. Fried, bis jetzt. 1648 — 1823.
haben sie die Majestät ihres eigenen Vaterlandes entwaffnet."
— Trennung erbeb sich allenthalben statt der früher« Einheit.
Wicvon dem Kaiser, so trennten sich die Fürsten auch immer
mehr unter einander, seit sie nicht mehr auf den Reichsta-
gen selbst zusammen kamen, in traulichem Verein, nach deut-
scher Sitte, beim fröhlichen Mahle sich die Hand reichten
und die persönliche llrafr und Ueberlegenheit die geringere
Macht an Land und Leuten vergessen machte. Jetzt wurde
die Zahl der Untertbancn der Maßstab der Größe und des
Ranges, und der Mächtigere hielt sich von nun an weit
über dem, welcher ein kleineres Land beherrschte. Die Klei-
neren dagegen wollten den Größeren an äußerem Glanze
nicht nachstehen, ahmten ihnen in allen Dingen nach, und
so kam es dabin, nach dem Worte eines Schriftstellers: „daß
kaum ein Ländchen in Deutschland übrig blieb, dessen Herr
sich nicht dünkte, etwas Äehnliches von Ludwig X!V. zu
seyn, sein Versailles zu bauen, Höflinge uns Soldaten zu
halten."
In solcher Absonderung der Herrscher, wie der Völker,
von einander, verlor sich die alte Uebereinstimmung der
Eigenthümlichkeit immer mehr. „Wer früher Einen deut-
schen^ Hof gesehen, kannte sie alle, Eine Landes-Verfassung
glich in den Hauptzügcu allen übrigen. 9£im aber, da m
den einzelnen Ländern Alles von dem Winke eines Einzigen
abhing und in der Verschiedenheit von der vaterländischen
Gemeinsitte oft ein Verdienst gesucht wurde, veränderte die
Hofessitte das Land, und das Finanz-System die Verfas-
sung desselben " Daher sind der Stimmen viele laut ge-
worden, welche die Zertheiluug Deutschlands in eine Viel-
berrschaft hart getadelt haben; andere dagegen nahmen die-
selbe in Schutz. Die letztern führen das Glück der kleinen
deutschen Länder für sich an, welchen ein rechter Vater des
Volkes als Herrscher zu Theil wurde. „Er konnte wie ein
Familienhaupt Allen nahe seyn, sagen sie, mit den eigenen
Augen sehen und mit eigenen Händen Segen verbreiten,
statt daß in dem großen Staate die Verwaltung wie ein
zusammengesetztes Uhrwerk nach berechneten, unveränder-
lichen Gesetzen gehen muß, und der Landeöfürst den meisten
Antertbanen ein ferner, unsichtbarer Gewalthaber ist. Die
Menge der größeren und tlerneren Fürstensitze ferner, welche
durch Förderung von Äun t und Wissenschaft mit einander
wetteiferten ^ erhielten das vielseitige Leben in ihnen, so
daß wovl bald kein Volk der Erde in umfassender Bil-
dung sich mit dem deutschen vergleichen mogte. Bei andern
Völkern gab die allgemeine Hauptstadt, in weicher sich Alle
zusammendräugten, für das, was als wahr und schön und
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Allgemeine Bemerkunaen. . 149
anmutyig gelten loute, >ür Du- Werte der Wissens-'->att und
Kunst, und für die Sprache, ihre allgemeinen Gesetze. gn
Deutschland aber erhielt sich darin das rege Leben eines Frei-
staats; es ga.'t kein Ausehn der Person, sondern nur das in
sich Gediegene und Vollendete, weiches die meisten ergriff,
konnte sich den Steg versprechen. Dadurch dat Deutschland
einen herrlichen Wettelfep-der Geister gesehen, der nicht ohne
Fruchte- geblieben ist."
Dawider stellen die Gegner mit vielem Nachdruck die
Schwache des Vaterlandes gegen jeden äußeren Feind aus,
welche eben aus der Vielheit der Herrschaft entsprang, und
durch die Geschichte der letzten anderthalb hundert Jahre
nur allzu traurig bestätigt wird, Und ferner rügen sie es
bitter , daß die vielen kleinen Hofhaltungen auf den Ernst
des Lebens und die Strenge der Sitten sehr nachtbeitlg ge-
wirkt haben. „Es ist schwer, — so lautet ihr Wort, —
die feine und schwärmerische Empfänglichkeit des Geistes ,
welche die Kunst erfordert und wiederum nährt, wie der
ernsten Enthaltsamkeit und Nüchternheit zu vereinigen, ohne
welche die männliche Tugend nicht seyn kann; jedoch haben
die schönsten, wenn auch sehr kurzen, Augenblicke der grie-
chischen Freistaaten im Alterthum und der italischen und
deutschen freien Städte im Mittelalter, gezeigt, daß es ei-
nen Einigungöpunkt für Beides giebt. Die späteren Für-
stenhöfe haben ihn aber nicht gefunden; und er kann wohl
überhaupt nur da gefunden werden, wo ein ernstes, sehr
gehaltreiches Tagewerk das Gegengewicht gegen den Ueber-
muth der Einbildungskraft geben kann, und wie mag ein
solches mit dem gewöhnlichen Hofleben bestehen? Dieses hat
im Gcgentheil die deutsche Sitte von vorn herein durch das
Jagen nach dem Ausländischen vergiftet. Von ihm aus be-
gann die Abgötterei mit dem Französischen, das Verachten
der eigenen, guten, treuen Sprache gegen das leichte
fremde Ge schwach; die Reisen des deutschen Adels nach
Frankreich, das Nachahmcn der Moden und Sitten,
so wie der Unsittlichkeit; das Verehren endlich französischer
Lehrmeister und Erzieherinnen, welches Alles zu der Entar-
tung der höheren Stände tiefer gewirkt hat, als sich irgend
berechnen und sagenläßt. Ein großes Glück für unser Volk,
daß die Niedern und Mittleren in ihm aus Arrnuth diesem
Wege nicht folgen konnten, und so den Kern von Ehr-
barkeit , Treue und Geradheit bewahren mußten Den-
noch ist nicht zu nennen, wie viel versäumt und selbst
verloren ist. # Was die Deutschen in den hundert Fahren nach
dem dreißigjährigen Kriege gebildet baden, ist aus dürrem
nniruchtbarem Acker emporgewachsen, weil die schaffende
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Extrahierte Personennamen: Ernst
Extrahierte Ortsnamen: Du- Deutschland Deutschland Frankreich
Siebenjähriger Krieg. 2w
Weser und Rhein, einräumtc. Der Herzog von Richelieu,
der dem Marschall d'etrecs im Oberbefehl folgte, ein über-
müthiger, verschwenderischer und gewissenloser Mann, sog
diese Länder durch unerhörte Erpressungen aus; uno wie
in der Nahe des Heerführers Alles sich nur der Geld-
gier und den Wollüsten überließ, so verbreitete sich bald der
ruchloseste Sinn durch das ganze Heer; er machte es zu ei-,
ncr räuberischen Horde, schlimmer als die Schaareu der
Kosacken und Kalmücken, die zu gleicher Zeit in dem König-
reiche Preußen hauseten. Das Verderbuiß der Sitten ist
in einem äußerlich gebildeten Volke gefährlicher, als in dem
rohen, weil es durch den Reiz der Verführung ein fressen-
des Gift in Städten und Dörfern, und mitten im Schooße
des häuslichen Lebens, zurückläßt. Der böse Ruf des fran-
zösischen Heeres , und der Haß der besseren deutschen Natur
gegen das glatte, geschminkte Laster, hat indeß nicht we-
nig dazu beigetragcn, fast überall in den deutschen Landen
die Gcmüther für König Friedrichs Sache zu gewinnen.
Wunderbar war es, wie ein Sieg von ihm von dem Volke
jubelnd vernommen wurde, während vielleicht der Fürst als
Reichsstand gegen ihn im Kriege w.ar. Viel war es die Ge-
walt, die überall der außerordentliche Geist über sein Zeit-
alter übt; viel die Theilnahme, welche das Gemüth dem-
jenigen schwerlich versagen kann, der allein durch seinen
Muth und seine Kraft gegen ein übermächtiges Geschick
kämpft; viel indeß auch, daß Friedrich allein mit Deutschen
gegen barbarische Horden aus Osten, und gegen die ver-
haßten Feinde aus Westen dastand, und daß selbst in dem
öftreichischen Heere Haufen von fremder Sprache, Gestalt
und Sitten, und mit verderblicher Raubsucht, Kroaten und
Panduren, fochten. Hätte Friedrich allein gegen Oestreicher
und andere Deutsche den Krieg geführt, das vaterländische
Gemüth hätte nur Raum gehabt für das Gefühl der Klage
und des Unmuthes über die Verirrung derer, die sich brü-
derlich die Hand reichen sollten. Am meisten war es das
nördliche Deutschland, größtentheils dem Könige verbündet,
welches sich zu den Seinigen rechnete, und Freude und
Leid mit ihm theilte; weil hier der Kampfplatz gegen die
Franzosen war, so galt hier Friedrichs Sache als die deut-
sche Sache.
Die Konvention zu Kloster-Seevcn öffnete den Fran-
zosen den Weg bis an die Elbufer und bis-uach Magdeburg
ihr anderes Heer, mitten deutscher.'Reichstruppen verei-
nigt, stand schon in Thüringen, und bereitete sich, das
sächsische Land, der Preußen Stütze und Lorrathskammer,
ihnen zu entreißen.
Kohlr.d.g. 2r Lh. 5le liufi.
14
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Extrahierte Personennamen: Richelieu Friedrichs Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrichs Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Friedrichs Deutschland Magdeburg Thüringen
170 Vh» Ztr. Vom westph. Fried, bis jetzt. 1648. — 1823.
Kaiser Leopold beschloß, ohne Verzug ein Heer nach Italien
zu senden, um die dortigen spanischen Länder Mayland und
Neapel, in Besitz zu nehmen. Zum Anführer desselben be-
stimmte er den Prinzen Franz Eugen von Savoyen,
einen der ersten Feldherrn und Staatsmänner seiner Zeit,
so wie der ganzen Geschichte. Er stammte asss einer Sei-
tenlinie des savoyischen Hauses her, und war in seiner
Zugend zum geistlichen Stande bestimmt; aber sein Geist
zog ihn zu der Betrachtung der Geschichte und ihrer großen
Muster, und sie wieder trieden ibn in den raschen Strom
des th ätigen Lebens, wo die Kraft sich erprobt und dem
nach Ruhme begierigen Manne der Lorbeer winkt. Als
zwanzigjähriger Jüngling bot er ferne Dienste dem König
Ludwig an; dieser, der ihn wegen seiner Kleinheit nicht
der Beachtung werth fand, wies ihn ab, und rieth ihm im
geistlichen Stande zu bleiben. Eugen wandte sich nach Oest-
reich, wo der Türkenkrieg ihm eine Bahn zu öffnen schien,
und zeichnete sich bald sosehr aus, daß der Kaiser ihm nach
der Befreiung von Wien 168-3, 'wobcr er tapfer mit gejoch-
ten hatte, ein Reurer-Regiment verlieh. Der Herzog Karl jr
von Lothringen erkannte den Helden schon damals in ihm
und sagte es voraus, was er dem Kaiserhause einst scyn
werde. Leopold ernannte ihn 1693 zum Feldmarschall, und
nun hätte ihn der König Ludwig gern wieder für sich ge-
wonnen; er ließ ihm die Statthalterschaft von Champagne
und dre Würde eines Marschalls von Frankreich andreren;
aber Eugen antwortete dem Abgeordneten: „Sagen Sie
Ihrem Könige, daß ich kaiserlicher Feldmarschall bin, wel-
ches eben so viel werth ist, als oer französische Marschalls-
' stab." — öligen war darin als Feldherr so groß, daß er
mir seinem Geilte sowohl oas Große als das Kleine umfaßte,
für den Plan der Schlacht so gut als für die kleinsten Be-
dürfnisse seines Heeres sorgte, uno daß sein Fatkenauge
mit der größten Schnelligkeit die Gunst des Augenblicks
und die Fehler des Gegners zu ergreifen wußte. Als Mensch
war er groß, weil er die Künste des Friedens höher achtete,
als den blendenden Ruhm, welchen der Krieg giebt, und
weil dabei solche Bescheidenheit in seiner Seele war, daß
er einen jeden neben sich duldete, -sogar andern sich gern
unterordnete, wenn nur dre ^ache selbst dadurch gefördert
wurde. Solche, ächt deutsche, Sinnesart macht, daß wir
den Mann, welcher sein ganzes Leben für Unser Vatcrkand
verwendet hat, sehr gern zu den Unsrigen zählen. *-■ Von
Körper war Eugen klein, und wenn er in seinen grauen
Mantel gehüllt, durch die Gaffen des Feldlagers ging, so
erkannte woyr ruemaud leicht den weltberühmten Heerführer
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Leopold Leopold Franz_Eugen_von_Savoyen Franz Eugen Ludwig Ludwig Eugen Karl_jr
von_Lothringen Karl Leopold Leopold Ludwig Ludwig Eugen Eugen Eugen Eugen
Extrahierte Ortsnamen: Italien Neapel Wien Frankreich
235 Vil. Ztr. Dom westph. Fried, bis fetzt. 1648 — 1823.
vor dem Hubertsburger geschlossen wurde, nicht so viel, als
mau nach dem Kriegsglück der Engländer zur See erwar-
tet hatte; allein dieser Friede war durch den wenig scharf-
sichtigen Bute geschlossen / uud Pitt dagegen hatte wäh-
rend des Krieges auf glänzende Weise gezeigt, welche au-
ßerordentliche Kraft in dem englischen Volke liege und der
vollen Entwicklung warte.
53- Das Zeitalter Friedrichs des
Großen.
In der fast dreißigjährigen Ruhe nach dem Huberts-
burger Frieden entwickelten sich viele Keime, die früher in
Deutschland gepflanzt waren, zur vollen Reife. Um diese
Zeit mit ciuem Namen zu bezeichnen, hat man sie das Zeit-
alter Friedrichs des Großen genannt, weil sein Geist und
sein Vorbild allen voranleuchtete, und das Gute wie da-
Fehlerhafte des mit ihm lebenden Geschlechts in ihm nach groß-
ßem Maaßstabe ausgebildet erscheint. Ihre' Eigenthümlich-
keit wird klarer ins Auge treten, wenn wir zuvor, wie
wir den König im Kriege sahen, ihn auch im Frieden be-
trachten.
Friedrichs nächste Sorge war die Wiederherstellung sei-
nes Heeres, damit kein Feind Höffen dürfe, vom plötzli-
chen Wiederanfange des Krieges Gewinn zu ziehen. Um die
Neuangeworbenen Haufen balo den alten, geübten, deren
noch wenige waren, gleich zu bringen, wurden die Uebungcn
mit Ernst und großer Strenge betrieben; aber es geschah
hier, wie mit den meisten menschlichen Angelegenhaiten, wenn
das, was sich in dem Augenblicke seines kräftigsten Lebens
als vortrefflich gezeigt hat, festgehalten werden soll. Die
Form gilt bald als die Hauptsache: der Geist; welcher in
Einer bestimmten Gestalt nur Einmal seine Wohnung neh-
men kann, verläßt dieselbe und bildet sich unbemerkt eine
neue; die Menschen aber verehren die Hülle noch lauge,
als besäßen sie das Wesen. Der große König selbst, der
seine Kriegsübungcn in ganz Europa nachgeahmt sah, tauschte
sich in der Ueberschätzung ihres Werthes. Das System der
stehenden Heere wurde auf seinen Gipfel getrieben, es wurde
die Hauptsorge aller Staatsverwaltung; der Ernst wurde
wieder zum Spiele, bis eine große Welterschütterung des
Spieles Nichtigkeit offenbar machte.
Um vieles wohlthätiger und dauernder wirkend war
Friedrichs Sorge für das Wiederaufleben seines zertrete-
nen Landes, diese Sorge ist das unverwelklichste Blatt feine-
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrichs Friedrichs Ernst Ernst Friedrichs Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Friedrichs Europa
Das Zeitalter Friedrichs des Großen.________239
Lorbeerkranzes. ^ Das Korn, welches schon zum nächsten
Feldzüge.anfgekauft war, wurde den am meisten verarm-
ten Landleuten als Saatkorn geschenkt, und die überflüs-
sigen Pferde unter sie vertheist. In Schlesien wurden die
Abgaben auf sechs Monate, in Pommern und der Neumark,
wo die Nüssen zerstört hatten, auf zwei Jahre erlassen. Ja
der König schenkte, zur Aufhelfung des Ackerbaues und
der Gewerbe, noch baare Geldsummen, nach der Größe
des Bedürfnisses, und diese Geschenke betragen in den
24 Jahren seiner Regierung nach dem Hnbcrtsbnrger Frie-
den über 24 Millionen Thaler. Solche Großmuth durfte
sich König Friedrich deshalb zum eigene« Ruhme anrechnen,
weil sie nur durch seine große Sparsamkeit möglich war;
und mit dieser fing er, mit großartiger Gesinnung, zunächst
bei sich selbst an. Sein Grundsatz war, daß sein Schatz nicht
ihm, sondern dem Staate gehöre, durch den er zusammen-
gebracht fey; und während manche andere Fürsten, die
Schweißtropfen, die an jedem Geldstückehingen, nicht ach-
tend, in unmäßiger Verschwendung prunkten, lebte er so
einfach, daß er von der zu seiner Hofhaltung ansgesctztcn
Summe fast eine Million Thaler jährlich ersparte.
Durch des Königs vorzügliche Sorge für den Ackerbau
lebte dieser schnell wiederauf. Große Strecken Landes wur-
den urbar gemacht, neue Anbauer aus andern Länder her-
übergezogen, und wo vorher Sumpf oder Moor war, blüh-
ten bald fruchtbare Kornfelder. Der Anblick solches Fort-
fchreitens that dem Könige beiseinen jährlichen Musterungs-
reisen außerordentlich wohl, und sein lebhafter Geist be-
kümmerte sich selbst um das Kleinste, so daß wohl wenige
Fürsten ihre Staaten so kennen mögen, als Friedrich die
steinigen kannte. Wie sehr aber diese Sorgfalt des Wieder-
herstellens Noth that, geht schon aus dem Einen hervor,
daß die Zahl der im Kriege abgebrannten Häuser in sei-
nen Staaten 14,500 betrug, von denen die meisten, nach
des Königs Zengniß, von den Russen in Brand gesteckt wa-
ren. — In -Oberschlesten allein wurden von 1763—-79, 213
neue Dörfer angelegt. Dieses Land, welches so viel ge-
littenhatte, lag dem Könige besonders am Herzen, und als
er es nun wieder aufleben sah, als im Jabr 1777 bei einer
allgemeinen Zählung 180,000 Menschen mehr in Schlesien
gefunden wurden, wie im Jahre 1756, als der Kneg an-
sing; da ans solche Weise der Verlust des Krieges mit Ge-
winn ersetzt war, und Ackerbau, Gewerbe und Leinwand-
handel blühten, schreibt er selbst in einem Briefe, mit inni-
ger Zufriedenheit, welche Freude er darüber fühle, eine so tief
heruntergekommene Provmz wieder emporgehoben zu haben
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich