Kriegswesen.
187
Kriegswesen.
§. 15.
Ueberhaupt. System der Micthtruppen und stehenden Heere.
Mehr und mehr verlor sich im Kriege der veraltete, ausgeartete, den
neuen Verhältnissen ungenügende Lehen dien st, und machte den beiden an-
deren Systemen Raum, welche wir schon am Ende des vorigen Zeitraumes
aufkommen sahen.
Das erste derselben war jenes der Bürgermiliz oder des dem alten
nachgebildeten Heerbannes, welcher jedoch in den königlichen und in Fürsten-
ländern nur ausnahmsweise, in Fällen der höchsten Noth, ausgeboten ward,
ja selbst in Freistaaten und Städten, je nach dem Ncichthume, der Bcgucm-
lichkcit, den friedlichen Neigungen der Bürger, oft durch Micthtruppen ersetzt
ward. Nur in der Schweiz gedieh der Heerbann zu voller Kraft, und ent-
faltete sie so nachdrücklich, daß der Ruhm seiner Tapferkeit ganz Europa er-
füllte. Selbst die stolzen Schaaren der Ritter, schwerbewaffnet, kampfgcübt
und hcldenkühn, wichen dem Stoße der zu Fuß streitenden Alpensöhne.
Von da an erkannte man wieder die Wichtigkeit des Fußvolkes, des
wahren Kernes der Heere, und im großen Kriege — nach dem Naturgescze
der europäischen Länder — fast nothwendig entscheidend. Man suchte den
Schweizern nachzuahmen. Aber der Geist des Lehcnwescns —• der stolze, rit-
terliche — hielt fest am Dienst zu Pferd; das Lehens-Fußvolk war nur schlech-
ter Troß. Daher warb man Fußknechte, bewaffnete, ordnete, übte sie sorg-
fältig; wodurch das zweite System, jenes der Miethtrup p cn mehr Aus-
dehnung und Festigkeit gewann.
Ilm dieselbe Zeit war unter den osmanischen Türken, durch Sultan
Murat I., die furchtbare Kriegsschaar der Jen-Jtschieri (Janitscharen)
errichtet worden (s. oben S. 144). Diesem trefflich geordneten Fuß-Corps
verdankten die Sultane fortan ihre meisten Triumphe. Durch den Schrecken
wurde die Christenheit anfzemahnt zu ähnlichen Einsezungen.
Aber am meisten trugen dazu die steigende Hoheit der Fürsten, die auf-
strebenden Herrscherplane der Könige bei. Gemiethete Truppen schienen
zuverlässiger, als die Schaaren troziger oder träger Vasallen. Stehende
Truppen, oder welche den Krieg zum Gcwcrü«, zum Lebensgeschäfte machten.
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Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand.
konnten gewandter, zum verbesserten Waffendienst geschickter, ausdauernder, als
Neulinge oder des Friedens gewohnte Männer seyn. Daher warb man jczt
Truppen in zunehmender Menge, und suchte zumal schon geübte Krieger
zu werben. Unternehmende, kriegslustige Männer benüztcn diese Zcitverhält-
nisse, bildeten auf eigene Rechnung größere oder kleinere Schaaren, und ver-
mietheten sich mit denselben den kriegführenden Mächten. In Italien zu-
mal ward diese Sitte herrschend. Man nannte solche Häuptlinge Condot-
tieri, und mehrere derselben haben durch Tapferkeit, Glück und Verbrechen
höchst merkwürdige Rollen gespielt. Auch in anderen Ländern kam dieselbe
Gewohnheit ans; aber sic litten — besonders Frankreich in seinen Kriegen
wider England — unsägliche Bedrückung von solchem verwilderten, raublusti-
gen, auch im Frieden gewaltthätigcn Kriegsvolke.
Hierauf vermehrte Karl Vii. die stehenden Truppen durch die neu
errichteten Ordonanz-Kompagnien und Freischüzcn (Franc Archers). Seine
Nachfolger, das Königthum innerlich zu stärken, und bald auch zur Vergröße-
rung des Reiches, sezten Solches fort; und sofort sahen die anderen Staaten
sich zur Nachahmung gezwungen.
In welchem Zusammenhange die Erweiterung dieses Heerwesens — bei
dem damals hohen Solde der Truppen und noch höheren Preise der Con-
dottieri — mit der Erhöhung der Steuern und mit der Entwicklung der
ständischen Verfassung gewesen, haben wir oben gesehen. Aber schon fingen
auch die unseligen Folgen der stehenden Heere, zumal als Ermuthigung und
Stärkung des Despotismus und als Ermunterung zu Eroberungskriegen
fühlbar zu werden an. Nur der jugendlich kräftige Geist der gleichzeitig er-
wachten Volksfreiheit hielt das Uebel zurück, oder leistete Ersaz dafür.
§. 16. Erfindung des Schießpulvers.
Die Vervollkommnung der Waffen, so wie ihres Gebrauches schritt
voran. Die Ordnung der Schlachten, die Kunst der Belagerung erhielt nicht
unbeträchtliche Verbesserungen. Nicht ungestüme Tapferkeit allein, auch Vor-
sicht, List, Schonung des unter schweren Kosten gesammelten, mühsam gebil-
deten Kriegsvolkes wurden von dein Führer verlangt. Ungern entschloß man
sich zur großen Schlacht, welche Alles aufs Spiel sezt. Der kleine Krieg
war die Regel. In sieben Feldzügen zwischen Ludwig dem Baicr und
Friedrich von Oestreich, bis zur entscheidenden Schlacht bei Mühldorf,
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Extrahierte Personennamen: Karl_Vii Karl Ludwig_dem_Baicr Ludwig Friedrich_von_Oestreich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Italien Frankreich England Mühldorf
189
Kriegswesen.
kommt nicht ein größeres Treffen vor. Doch solche haushälterische Schonung
der Krieger verlängerte die Plagen des Volkes.
In dieser Lage war das Kriegs- und Heerwesen, als durch die Er-
findung des Pulvers eine allgemeine Veränderung, doch nicht plözlich,
sondern in langsamen Uebergängcn bewirkt ward. Um das Jahr 1330 soll
der Franziskaner-Mönch Berthold Schwarz, aus Freiburg im Breisgau,
diese folgenreiche Erfindung gemacht haben. Aber die näheren Umstände
davon sind so streitig, als die Zeit der ersten Anwendung des Pulvers im
Kriege. Daß schon Roger Baco die chemische Zusammcnsezung desselben
gekannt habe, ist aus seinen Schriften klar; daß die Sinesen noch weit
früher, daß auch die Araber und Perser vor den Abendländern eine dem
Pulver ähnliche Mischung, selbst im Kriege, gebraucht haben, wird aus
Gründen behauptet. Mehrere, mit Hoher, meinen, daß solche Mischung
auch zum griechischen Feuer gekommen. Aber, wenn nicht erster Erfinder,
so ist Schwarz doch wohl Verbesserer und hiedurch Urheber des verbreiteten
Gebrauches des Pulvers im Kriege gewesen, von welchem nach den Verzeich-
nissen verschiedener Schriftsteller bereits 1342 bei der Belagerung von Alge-
ziras durch die Mauren, 1346 bei der Schlacht von Crech*), dann
allmälig deutlicher und häufiger die Spuren vorkommen. Wir überlasten den
Kricgsgeschichtschreibcrn die Auszählung der stufcnwciscn Fortschritte in Ver-
vollkommnung des großen und kleinen Geschüzcs, neben welchem jedoch noch
lange die alten Waffen gebraucht wurden; so auch die Darstellung der durch
das Gcschüz veranlaßten Abänderung in der Schlachtordnung, zumal aber in
der Befestigungs- und Belagerungskunst. Die Italiener gingen
den übrigen Nationen in dieser furchtbaren Kunst voran. Die Spanier
folgten wetteifernd nach.
8- 17. Folgen davon.
Unermeßlich waren die Folgen von der Einführung des Schießpulvers
doch meist traurig. Denn wohl hat es manchen herrlichen Dienst theils in
friedlicher Anwendung oder in Besiegung feindseliger Naturkrästc, Fels-
masten u. s. w., theils auch als Kriegswaffe in Schuz und Truz, zumal
*) Welches jedoch Temler (im Istcn Bde. der histor. Abhandl. der Gesch. der Welt tu
Kopenhagen) bestreitet: wogegen Hoyer das Pulver schon 1331 gebraucht findet.
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Von Italien.
131
der Untergang gewiß. Denn es nahmen der Papst und Neapel die ange-
sprochenen Städte, Ludwig und Maximilian fast die ganze Terra
firma ein; der Lezte verwarf — aus Zuversicht oder Treue — die demuths-
vollc Friedensbitte der Bedrängten.
In so großer Noth ermannte sich Venedig zum äußersten Widerstande.
Die Weisheit seines Senates, die Tapferkeit seiner Feldherren, die Treue sei-
ner Unterthanen boten mächtige Hilfsquellen. Mehr noch that für sie die
Entzweiung der Alliirten. Die Ligue war nicht die Frucht eines großen
und gemeinsamen Hauptzweckes, sondern des blosen Zusammentreffens von
besonderen Interessen gewesen. Nach Erreichung solcher besonderen Zwecke,
oder bei deren Ausgebung um höherer Interessen willen, blieb kein Band mehr
für ihre Glieder. Ferdinand, als er die neapolitanischen Häfen erhalten,
begehrte nichts Weiteres. Der Papst war befriedigt durch Abtretung der zum
Kirchenstaat gehörigen Städte. Alle Fürsten Italiens haßten das Glück der
Ausländer, und von diesen war nur Ludwig thätig, Maximilian in Al-
lem durch Geldmangel gehemmt. Also schloß jezt der Papst Friede und Bünd-
niß mit demselben Venedig, wider welches er die Mächte aufgeregt hatte, und
trat feindlich auf wider Frankreich, welches das Erste und am kräftigsten
an seiner Seite gestanden. Der Haß gegen den Kardinal von Amboise,
des Königs Rathgeber (und früher Bewerber um das Papstthum), trug zu
solchem Umschwünge bei. Zu dem Bunde — den man die heilige Ligue
nannte (1311) — traten auch Ferdinand der Katholische von Spa-
nien und Heinrich Vih. von England; und die Schweizer verließen
den Dienst Frankreichs, um unter der heiligen Fahne zu streiten. Nur Maxi-
milian blieb noch der Allianz mit Ludwig getreu, aber cs fehlte ihm Energie
oder Glück.
Frankreich gegen so überlegene Feinde focht gleichwohl standhaft und selbst
glorreich. Zumal errang der junge Gaston de Foix, Herzog von Ne-
mours (des Königs Neffe), bei Ravenna glänzenden Sieg über das Heer
der Verbündeten (1312); aber der Tod traf ihn, als er die Geschlagenen ver-
folgte. Um dieselbe Zeit fiel auch Maximilian ab von Ludwig, und trat
zum Papste, ohne jedoch mit Venedig sich auszusöhnen. Der Papst aber
führte den Krieg mit solcher Erbitterung, daß er selbst eine türkische Hilfs-
schaar wider den allerchristlichstcn König aufbot, und daß Er — der sicbenzig-
jährigc Greis und Oberpriester — in eigener Person zu Felde zog, in derr
8'
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
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Extrahierte Ortsnamen: Italien Neapel Italiens Frankreich Amboise England Frankreichs Frankreich Ravenna
34
Zweites Kap. Entdeckung Amerika's
Handel, Anbau und Raub, Unterricht und Abenteuer lag vor ihm ausge-
breitet; alle Gattungen der Ernte winkten ihm. Die thatkräftigsten, talent-
vollsten Männer des Zeitalters — allernächst wohl aus Spanien und Por-
tugal, doch, dahin gelockt, auch viele des Auslandes — drängten sich auf
dem hoffnungsreichen Wege; Schaaren gemeiner Abenteurer, wie jede Zeit
sie erzeugt, arbeitscheuc Waghälse oder welche den Zwang der bürgerlichen
Ordnung scheuten, Auswürflinge der Gesellschaft zogen Jenen nach, unwür-
dige, doch nicht selten wohlbcnüzte Werkzeuge großer Unternehmungen. Spä-
ter suchten auch stille, emsige Bürger, die in der Heimath das Mißgeschick
verfolgte, deren Thätigkeit etwa der Zunftzwang oder die Leibeigenschaft
hemmte, im fernen Amerika ein besseres Glück; Mißvergnügte aller Art,
Flüchtlinge vor Despoten-Arm, vor kirchlicher oder politischer Faktiouen-
Wuth. Das Leztc geschah zumal von der Zeit an, als neben Spanien und
Portugal auch andere Staaten, Holland, England, Frankreich u. a.,
verlangende Blicke nach der neuen Hemisphäre warfen, und Niederlassung da-
selbst aus ihrem Schooße zu gründen suchten, Reisen und Auswanderungen
dahin veranlaßten, begünstigten, oder duldeten.
Vorerst jedoch behaupteten Spanien und Portugal auf alle neu zu ent-
deckende Länder ein ausschließendes Recht. So wie früher Portugal zur
Begünstigung seiner Unternehmungen nach Osten (s. oben §. 3.), so hatte
auch Spanien, als es nicht minder stolze Bahn nach Westen brach, vom
heiligen Stuhle sich eine Schenkungsurkunde erbeten. Diesmal war cs P.
Alexander Vi., welcher, als Stellvertreter Christi aus Erden, an Fer-
dinand den Katholischen und an Isabelle, seine königliche Gemahlin,
alle Länder und Völker vergabte, die sie entdecken würden, großenthcils solche,
von deren Daseyn der Papst nicht nur weder Kenntniß, noch Ahnung hatte,
sondern an deren Daseyn zu glauben (Gegenfüßler) ein früherer Papst bei
Strafe des Banns verboten hatte. Damit aber diese reiche Schenkung nicht
in Widerspruch gerathe mit derjenigen, welche früher Papst Eugen Iv. den
Portugiesen gemacht; so zog Alexander (1493) in seiner Machtvollkommen-
heit eine Linie von Pol zu Pol, hundert Stunden westlich an den Azoren,
und sprach aus: daß welches Land und Meer östlich an dieser Linie liege,
das solle der Portugiesen, und welches westlich, das solle der Spa-
nier seyn. Einige abweichende Bestimmungen wurden nachmals in Spczial-
verträgen zwischen den beiten Kronen der Demarkationsbulle noch beigefügt.
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Extrahierte Personennamen: Alexander_Vi Alexander Christi Isabelle Eugen_Iv Eugen Alexander_( Alexander
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Amerika Spanien Portugal Holland England Frankreich Spanien Portugal Portugal Spanien
38
Zweites Kap. Entdeckung Amerika's
Gefahr und dreijähriger heldenmüthiger Ausdauer blos die bestiinintcre Kennt-
niß vom wirklichen Daseyn und von dem Neichthume des von Balboa nur in
dunkler Ferne gezeigten Landes war. Der Statthalter von Panama verbot
jedoch Pizarro die Fortsczung des allzukühnen Werkes. Dieser eilt nach
Spanien, erhält von Karl V. die Gutheißung des Unternehmens und die
Bestallung als Statthalter des zu erobernden Landes, und fährt zum zweitcn-
male aus von Panama (1830), mit 3 kleinen Schiffen und 180 Streitern
(worunter 36 zu Pferd), welchen später einige kleine Verstärkungen folgten.
Der Streit zweier Brüder, Huafcar und Atahualpa, um die Herr-
schaft über das väterliche Reich — Jener beherrschte Cusko, Dieser Quito
— gab den Thron der Jnea's so verächtlicher Schaar von Angreifern preis.
Atahualpa hatte zwar gesiegt in der Schlacht, und hielt seinen Bruder in
Cusko gefangen: aber er fürchtete von jeder Bewegung den Umsturz seiner
noch schlecht befestigten Gewalt, und bewarb sich deßhalb ängstlich um die
Freundschaft der Spanier. Pizarro, nachdem er den vertrauenden Ata-
hualpa bei Caxamalka durch den schändlichsten Verrath in Gefangenschaft
gebracht (1332) und die Edelsten der Nation geschlachtet, nachdem er als Nan-
zion für den gefangenen Jnca unermeßliche Schäze erpreßt und endlich doch
den unglücklichen Monarchen unter den schlechtesten Vorwänden hingerichtet
hatte, eroberte mit leichter Mühe Quito, so wie das prächtige Cusko und
mit denselben das ganze weite Reich.
Die Leiden Peru's endeten hiemit nicht. Pizarro, welcher den Siz der
Herrschaft nach dem neu erbaute» Lima verlegte (1333), betrog seinen Mit-
verbundencn Alm agro um deu ihm gebührenden Antheil an Schäzen und
Land. Er sollte erst in Chili sich erkämpfen, was Pizarro in Peru sich
zugeeignet. Während er daselbst mit Hcldenmuth, doch ohne entscheidenden
Erfolg gegen die kriegerische Bevölkerung jenes Landes stritt, erhob sich in
Peru ein allgemeiner Ausstand gegen die tyrannischen Eroberer. Manco-
Capac, Huasear's Bruder, hatte sich an die Spize seiner getreuen Nation
gestellt. Viele zerstreute Haufen der Spanier wurden aufgerieben, Cusko und
Lima von unübcrsehlichen Heerhaufcn belagert. Der zurückkehrende Alniagro
zieht zwar als Sieger in Cusko ein; aber er behält cs für sieb, ans den kö-
niglichen Gewaltsbriefen beweisend, daß die Stadt in den Grenzen seiner
und nicht Pizarro's Statthalterschaft liege. Pizarro, nachdem er die Be-
lagerer Lima's geschlagen, trägt feindliche Waffen gegen den oft betrogenen.
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240
Sechstes Kap. Die Zeiten
tularcn, theils durch des Kaisers und des Papstes Machtwort verliehen wur-
den. Aber die Vergrößerungssucht blieb hier nicht stehen.
Wallenstein, die gewonnenen Siege nur als Stufen zu noch glänzende-
rer Höhe betrachtend, vermehrte sein jczt schon furchtbar überlegenes Heer bis
auf hundert tausend Streiter, eine unerhörte Kriegsmacht für die damalige
Zeit und von ganz unerträglicher Last für die Länder. Der Freibeuter-Krieg
Maunsfeld's und H. Christian's wurde von Wallenstein im Großen
geführt, und allerdings auf diese Art weit sicherer und im Erfolge entschei-
dender. Je größer das Heer, je unwiderstehlicher seine Gewalt, desto freier
die Forderung, desto leichter nicht nur die Erhaltung, sondern auch die belie-
bige Verstärkung der Kriegsmacht. Nur auf diese Weise war möglich, die
alte Nömcrmaxime, aus dem Kriege selbst die Mittel des Krieges zu ziehen,
in Erfüllung zu sezen. Doch so wie Wallenstein hierin über Mannsfeld, also
sind die neuesten Kriegshäupter weit über Jenem. Er, durch regellosen glaub,
erschöpfte die Hilfsquellen der Gegenwart in kurzer Frist, ließ zur Befriedi-
gung von Einzelnen das Mark der Provinzen aussaugen, und ging, gleich-
wohl aus Unkunde oder Leichtsinn manchem klug verborgenen Reichthum vor-
über. Heute, da noch ungeheurereheeresmassen zu ernähren sind, ist bessere
Ordnung in der Erpressung und mehr Sparsamkeit in der Verwendung nö-
thig. Der Soldat wird auf Wenigeres beschränkt und gleichwohl vom Bür-
ger weit Mehreres gefordert. An die Stelle unnüzer Zerstörung ist planmäßiges
Anssaugen getreten, minder schrecklich in der unmittelbaren Erscheinung, aber
tiefer gehend und allgemeiner in seiner Wirkrmg. Auch die geheimsten Hilfs-
quellen werden erspäht, und nicht nur jene der Gegenwart, sondern auch die
einer fernen Zukunft werden durch künstliche Operationen in Beschlag ge-
nommen. Nicht nur das jezige Geschlecht, sondern auch eine Reihe von nach-
folgenden müssen die Anwesenheit einer — gleich viel ob befreundeten oder
feindlichen — Armee bezahlen, und man weiß, was den wirklich Lebenden
unerschwinglich wäre durch die anticipirte Kraft der Nachkommenschaft zu
bestreiten.
Walle »stein, dessen schwellender Macht Nichts unerreichbar schien, begann
unter dem Vorwände des dänischen Krieges festen Fuß an der Ostsee zu
fassen. Er besezte die wichtigeren Städte an deren Küste, und belagerte das
wohlverwahrte, von Dänemark und Schweden, welche Beide desselben
Wichtigkeit erkannten, eifrigst vertheidigte Stralsund. Schon früher war
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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einiger einzelnen Staaten.
311
I. Europäische Staaten.
§. 1. Die Schweiz.
Den lebhaften Antheil, welchen die Eidgenossen an den Kriegen über
Italien, somit an den großen europäischen Verhältnissen genommen, haben wir
oben in der allgemeinen Geschichte dieser Verhältnisse zu Karl's V. Zeit (siehe
oben Kap. Iv.) und schon früher in der italischen Geschichte des vorigen
Zeitraumes (Bd Vi. Abschn. H. Kap. Iii.) erzählt. Mit dem Blute vie-
ler Tausende ihrer Söhne, mit dem Verluste der Sitten-Einfalt, mit man-
nigfaltiger Verschlechterung ihrer einheimischen Verfassung hatte dabei die
Schweiz den Besiz einiger mailändischen Landschaften, als Palanza. Bel-
linzona, welche den dreiurkantonen, Lugano, Locarno, Valmaggia,
welche den 12 alten Orten gemeinsam zufielen, erkauft, und hatten auch die
Bündtner die Thäler von Veltlin, Chiavenna und Bormio erworben.
Aber sie hatten Deß schlechten Gewinn. Langwierige, verwüstende Kriege
vertheuerten den Graubündtnern ihre Erwerbung, und die Eidgenossenschaft
überhaupt verlor an äußerer Achtung und an innerer Freiheit weit mehr durch
ihre Eroberungen, als dieselben werth waren.
Durch viele traurige Erfahrungen belehrt, entsagten endlich die Schwei-
zer der thätigen Einmischung in die europäischen Händel. Aber das System
der Verdingung ihrer Jugend in fremde — zumal französische, doch auch
in holländische, spanische u. a. — Kriegsdienste dauerte fort, und brachte un-
nennbares Verderben. Zwar diente es zur fortwährenden Probe schweizeri-
scher Tapferkeit und zur fruchtbaren Pflanzschule kricgsgewandter Männer;
aber es tödtete zugleich den ächtrepublikanischen Geist. Die Söhne eines
freien Vaterlandes gaben sich hin um einen schlechten Geldpreis zu Waffen-
knechten fremder Fürsten; sie vergaßen die einheimische Sitte, vergaßen die
reinen Begriffe von Ehre und Tugend, und tauschten den Stolz des freien
Mannes an die Eitelkeit einer glänzenden Knechtschaft. Heimkehrend aus dem
fremden Kriegsdienste waren sie — je nach ihrem Range — entweder blos
sklavisch gesinnt, oder sklavisch und herrisch zugleich, in jedem Falle für Repu-
blikaner verdorben Zudem erhielten hierdurch fremde Mächte einen gefähr-
lichen Einfluß auf die Regierungen und auf das Volk in der Schweiz;
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TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend]]
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312
Achtes Kap. Geschichte
selbst erbärmliche Ordensbänder und Adelsbriefe machten die sonst frei-
heitstolzen Schweizer zu Sklaven des Auslandes Die Verödung mancher
Felder, die Verlassung mancher Werkstätten der ftemden Trommeln willen war
noch das kleinere der aus diesem Werbesystem fließenden Nebel. Die erste
vollständige „Kapitulation" über solchen Kriegsdienst schlossen im J. 1333
die katholischen Orte mit K. Heinrich Ii. von Frankreich, welchem sie
in einem Jahre 10,000 Söldner stellten. (Doch schon von 1489 an waren
von Zeit zu Zeit und mit verschiedenen Mächten ähnliche Verträge, nur min-
der bestimmt und regelmäßig geschlossen worden).
Auch der Glaubensneuerung in der Schweiz, der folgenreichen
Lehren Zwiugli's und Calvin's, haben wir bereits (oben Kap. H.)
an geeigneter Stelle gedacht. Nicht unblutig, wie leider überall, geschah in
Kantonen und Orten die Reform, und behauptete sich in anderen der alte
Glaube. Das Band auch der politischen Einigkeit ward zerrissen durch den
Glaubensstreit. Aber eine ansehnliche Vergrößerung der Macht wurde unmit-
telbar durch denselben bewirkt. Die reiche, gewcrbsame, den Künsten freund-
liche Stadt Genf entzog sich der Oberherrlichkeit ihres Bischofs, so wie der
angemaßten Hoheit Savoyens, und erklärte sich zum Freistaate (1336),
mit welchem sofort Bern und später die übrigen Eidgenossen sich verbündeten,
ein durch Geist, Verfassnug und Lage höchst merkwürdiger, bei seiner Klein-
heit doch weit geachteter, einflußreicher, durch ächt republikanischen Sinn sei-
ner Bürger und durch Vieler aus denselben Genie und Charaktergröße aus-
gezeichneter Freistaat. Bei dieser Gelegenheit war es, daß Bern im Krieg
wider Savoyen die herrliche Waadt eroberte. Auch blieb diesem stolzen
Kanton das ganze gesegnete Land mit Ausnahme einiger Stücke, welche
Wallis und Frei bürg an sich rissen.
Bei fortschreitender Erbitterung der Genossen der alten und neuen Kirche
schlossen endlich, durch den päpstlichen Nuntius aufgefordert, die sieben katho-
lischen Orte, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Solo-
thurn und Frciburg, einen eigenen Bund unter sich, der goldene oder
der borromäische geheißen (1386). Jezt hielten auch die Evangelischen
enger zusammen. Es wurden zwei feindliche Staatensysteme in der einen
Schweiz. Frankreich und Spanien, die Hugenotten unddieguisen
schlugen je in dem einen oder in dem anderen ihre Werbpläze auf, und das
Blut der Schweizer, durch Schweizer vergossen, floß häufig auf fremder Erde.
TM Hauptwörter (50): [T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Ii Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Schweiz Genf Savoyens Luzern Schwyz Unterwalden Frankreich Spanien
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Viertes Kap. Die Zeiten Karl's V.
gcwaffneter Hand Karl zu gemäßigten Bedingungen nöthigen; die Ligne wurde
die heilige genannt. Doch der König, kleinmüthig geworden durch sein
früheres Unglück, unterhandelte anstatt zu kämpfen, während seine italischen
Alliirtcn des Kaisers Nebermacht erlagen, der abgefallene Herzog von Mai-
land seines Landes beraubt und der Papst — auch durch die einheimische
Feindschaft der Colonna's geängstigt — zum harten Vergleiche gezwungen
ward.
Indessen hatte der Kaiser, die kommenden schweren Gewitter voraus-
sehend, durch neue Rüstungen seine Heere verstärkt. Bourbon, nach Pes-
cara's Tod, führte den Oberbefehl. Es war ciij bunter Haufe von Spa-
niern, Italienern und Teutschen, insgesammt Miethlingen, ohne
Verpflichtung oder Liebe für die Sache, sondern blos des Soldes und der Beute
willen dienend, wahre Kricgsknechte, dem eigenen Meister gleich lästig
und gefährlich, als dem Feinde. Bourbon vermochte nicht, ihnen den Sold
zu bezahlen — derselbe Kaiser, vor dessen Macht Europa zitterte, hatte nicht
Geldes genug, um 23,000 Mann zu besolden —; da empörten sie sich, und
nöthigten dadurch den Feldherrn zu einem vcrzweiflungsvollen Schritt. Er
führte das Heer gegen Nom, dessen Bischof abermals vom Kaiser abgefallen,
und verhieß den Truppen die Plünderung der weltherrschenden Stadt. Ver-
gebens rief der Papst kniccnd vor St. Peters Altar die Hilfe der Himmlischen
an, vergebens stritt seine eilig zusammengeraffte Kriegsschaar tapfer gegen den
stürmenden Feind: die nnlde Leidenschaft siegte über die kältere Dienstpflicht,
und die von Raublust glühenden und die durch de» Tod des geliebten Führers
(Bourbon, den Scinigcn voraneilend, war durch einen Schuß gefallen)
mit Wuth erfüllten Horden eroberten die Stadt, und erfüllten sie mit Blut-
vergießen und mit allen Gräueln der Habsucht, der Grausamkeit und der
thierischen Lust. Die edelsten Geschichtschreiber jener Zeit behaupten einstim-
mig, daß, was Rom tausend Jahre früher durch seine barbarischen Feinde, die
Gothen und Vandalen, erlitten, weit minder schrecklich gewesen, als was
jezt durch die Streiter des katholischen und römischen Kaisers Karl V.
über sein unglückliches Volk erging.
§. 7. Betrachtungen.
(53 ist unmöglich, diese Geschichten zu betrachten, ohne durch den schnei-
denden Kontrast der Verhältnisse von damals und jezt sich betroffen zu fühlen.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Peters Karl_V. Karl_V.