Das Ritterthum.
151
kischen und schwäbischen Kaisern. — Außer den Wappen hatten die Niticr
auch noch besondere Verzierungen an den Helmen, sogenannte „Kleinode".
2. Zur Ausbildung und Befestigung des Nitterthums trugen wesent- Touruiere
lich die Tourniere bei, welche im 12. Jahrhundert (unter Friedrich I.) 12- 8ec'
von Frankreich nach Deutschland kamen. Die Tourniere waren feierliche
Kampfspiele, die man bei der Krönung eines Fürsten, bei der Geburt und
Vermählung eines Prinzen oder bei sonst wichtigen Veranlassungen zu ver-
anstalten pflegte. Sie wurden geraume Zeit vorher durch einen Herold
angesagt. Wer an denselben als „Kämpe" Antheil nehmen wollte, hatte
sich bei den Tourniervögten einschreiben zu lassen.
Waren die Festgenossen eingezogen, so schritt man zur Besetzung der
Tournierämter. Außer den Tourniervögten gab es Herolde, Ehrenrit-
ter und Ehrenknappen, dann Grieswärtel, die auf dem Gries
oder Kampfplatz die allzuheftigen Kämpfer auseinander zu bringen hatten,
und endlich Prügelknechte, um das Volk in Ruhe zu halten, Nach Touruier-
Besetzung der Tournierämter folgte die Helm sch au. Die Tournierer amter.
ließen ihre Helme und Paniere an einem öffentlichen Orte aufstellen, und
Frauen und Jungfrauen nahmen, von Ehrenrittern und Herolden geführt,
die aufgestellten Kleinode in Augenschein.
Verbunden mit der Helmschau war die Prüfung der Tournierfähigkeit. Helmschau
Zu diesem Zwecke mußte jeder Ritter durch die Ahnenprobe nachweisen, u. Ahnen-
daß er mindestens vier ebenbürtige Ahnen habe. Weiter wurden die Tour- probe,
niergesetze verlesen und der Tourniereid geschworen. Durch diesen verpflich-
tete sich jeder Ritter, nicht mit einem bissigen oder schlagenden Pferde in
den Schranken zu erscheinen; keine anderen als landesüblichen Waffen zu
führen; mit dem Schwerte nur zu hauen, nicht zu stechen; die Hiehe stets
gegen den Oberkörper und das Gesicht zu richten.
War dies Alles beendigt, so ward am folgenden Tage das Tournier
selbst vollzogen. Die Zuschauer, unter denen auch Damen waren, nahmen
die für sie bestimmten Plätze ein. Das Schmettern der Trompeten und
das Wirbeln der Pauken verkündete die Ankunft der Ritter. Auf schnau-
benden Rossen, in strahlender Rüstung, mit wehenden Helmbüschen ritten Eigentliches
sie paarweis in die Schranken. Hier hielten sie. Nun war Alles Erwar- Tournier.
ten, Alles Ungeduld. Ein Herold kündigte das Lanzenstechen an und rief
mit lauter Stimme diejenigen bei Namen auf, welche sich zuerst gegen
einander versuchen wollten. Im vollen Galopp und mit eingelegter Lanze
sprengten die Kämpfer auf einander los, und wer durch einen gewaltigen
Stoß seinen Gegner aus dem Sattel hob, galt als Sieger. Oft brachen
die Lanzen, ohne daß einer der Kämpfer den Sand küßte oder bügellos
wurde. Dann mußte das Rennen wiederholt werden, bis ein Sieger her-
vorging. Oft kamen Verwundungen und gefährliche Unglückssälle vor,
\) Im Jahre 1185 verlor Herzog Gottfried von Bretagne, der Sohn König
Heinrichs Ii. von England, in einem Tournier das Leben. Markgraf Johann von
Brandenburg, ein Sohn Ottos Iii., blieb 1169 todt auf dem Platze. Ebenso erhielt
1175 Konrad, Markgraf Dietrichs von Meißen Sohn, einen tödtlichen Lanzenstich.
Zuweilen mischte sich persönlicher Groll in das Spiel, und dann verwandelte sich der
scherz in Ernst. So kamen im Jahre 1175 allein in Sachsen 16 Ritter in Tour-
nieren um, und in einem Tourniere zu Neuß in Niederlothringen blieben einmal 42
Ritter und eben so viel Knappen. Bei einem Tourniere zu Darmstadt 1403 gerie-
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_I. Friedrich_I. Tournier Gottfried_von_Bretagne König
Heinrichs Heinrichs Johann_von
Brandenburg Johann Ottos Konrad Konrad Markgraf_Dietrichs_von_Meißen Ernst
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Deutschland England Ottos Sachsen Niederlothringen Darmstadt
Friedrich Hi.
169
die Niederlage bei Böhmisch-Brod *) (1434), wo sie ihre Anführer,
die beiden Prokope, verloren, zum Gehorsam gebracht werden 2).
Sigismund wurde nun (1436) als König von Böhmen anerkannt,
doch starb er schon im folgenden Jahre. Mit ihm war der luxemburgische
Mannesstamm erloschen.
4. Beginn der österreichischen Kaiser. — Nach Sigismund
erhielt sein Schwiegersohn Albrecht Ii. von Oesterreich (1438 — 39) Albrecht Ii.
die deutsche Kaiserkrone, die sortan bei dem Habsburgischen Hause geblieben 1438 — 39.
ist. Albrecht war ein streng rechtlicher Mann, starb aber zum Leidwesen
der Deutschen schon nach 19 Monaten. Seinem Vetter und Nachfolger
Friedrich Iii. (1439—1493) gebrach es an allen Herrschergaben, nament-Friedrichlll.
lich an Thatkraft und Entschlossenheit, so daß er der Regierung des um-1489—93.
fastenden Reichs nicht gewachsen war. Zunächst vereitelte er die Hoffnun-
gen, welche das Konzil zu Basel für eine Verbesserung der Kirche erregt
hatte. Von demselben waren nicht nur die hustitischen Händel in Betracht
gezogen, sondern auch strenge Gesetze gegen verschiedene Mißbräuche der
Kirche erlassen und von Neuem festgestellt worden, daß eine allgemeine
Kirchenversammlung über dem Papste stehe. Ob dieser Beschlüsse gerieth
der Papst Eugen Iv. so in Sorge, daß er den ersten Vorwand ergriff,
um das Konzil nach Ferrara I (1438) zu verlegen. Allein viele der
Prälaten blieben zurück und beharrten bei den gefaßten Reformationsbe-
schlüsten. Albrecht Ii. hatte die Baseler Bestimmungen gutgeheißen; Fried-
rich Iii. aber ließ sich durch seinen Geheimschreiber, den feinen Italiener
Aeneas Sylvius (nachmaligen Papst Pius Ü.) gewinnen und bewilligte
dem römischen Stuhle das Aschaffenburger *) Konkordat, wodurch Aschaffen-
jenen Verordnungen die Genehmigung entzogen und das Konzil zu Basel bmger Kon-
geschlossen wurde (1448). Zum Lohne hierfür ward er bald darauf vom kordat14t8.
Papste in Rom gekrönt (1452).
Alsdann vermochte Friedrich nicht, in Deutschland Ruhe und Ordnung
herzustellen. Zahlreiche Fehden herrschten zwischen den Großen des Reichs
und zwischen diesen und den Stgdten. In Sachsen entstand zwischen dem
Kurfürsten Friedrich d eni Sanftmüthigen und seinem Bruder W i l-
h e lm der sogenannte Bruderkrieg (1446—1451), der den (am 7. Juli 1455) Sächs. Bru-
von Kunz von Kauffungcn verübten Prinzenraub zur Folge hatte. Der
tapfere Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg-Kulm bach — '
führte eine blutige Fehde gegen die Reichsstadt Nürnberg, Graf Ulrich
von Württemberg gegen die Reichsstadt Eßlingen ^) und so auch
andere Fürsten gegen andere Städte. Ueberall war Willkür und Gewaltthat.
Und endlich wußte Friedrich die großen Erscheinungen seiner Zeit nicht
zu würdigen. Viel ist unter ihm, aber nichts durch ihn geschehen, denn
er steht bereits auf dem Wendepunkte, wo das Mittelalter in die Neuzeit * l)
!) V öhm isch-Br ob, Stadt 12 Meilen südlich von Prag. — Ferrara. Stadt
im Königreich Italien, an einem Arme deö Po.
2) Aus den Resten der Taboriten bildete sich seit der Mitte deö 15. Jahrhun-
derts die böhmische Brüdergemeinde, welche sich trotz vieler Verfolgung bis auf
den heutigen Tag erhalten hat. Die Kalixtiner hingegen sind seit dem 16. Jahr-
hundert aus der Geschichte verschwunden.
l) Aschaffen bürg, Stadt im nordwestlichen Baiern am rechten Ufer deö
Main. — Eßlingen, Stadt am Neckar, oberhalb Stuttgart.
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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TM Hauptwörter (200): [T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T70: [Stadt Donau München Stuttgart Neckar Nürnberg Ulm Schloß Augsburg Regensburg], T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Hi Friedrich Sigismund Sigismund Albrecht_Ii Albrecht Albrecht_Ii Albrecht Albrecht Friedrich_Iii Friedrich Eugen_Iv Eugen Albrecht_Ii Albrecht Aeneas_Sylvius Friedrich Friedrich Friedrich_d_eni_Sanftmüthigen Friedrich Kunz_von_Kauffungcn Albrecht_Achilles_von_Brandenburg-Kulm Albrecht Ulrich
von_Württemberg Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Böhmisch-Brod Oesterreich Basel Ferrara Basel Rom Deutschland Sachsen Prag Ferrara Italien Baiern Main Stuttgart
162
Mittlere Geschichte.
ufer bei Wien), in welcher der Böhmenkönig Sieg und Leben verlor. Bei
diesen Kämpfen fühlte Rudolf jedoch sehr den Mangel einer bedeutenden
Hausmacht und war eben deshalb bemüht, seiner Familie ein größeres
Erbgut zu verschaffen. Und wirklich genehmigten die Reichsfürsten, daß
er seinen Sohn Albrecht mit Ländern aus Ottokar's Hinterlassenschaft —
mit Oesterreich, Steiermark, Kram und der windischen Mark — belehnte,
wodurch die habsburgische Macht in Oesterreich begründet wurde.
2. Als Rudolf starb (1291), wurde, weil man die Macht des habs-
burgischen Hauses bereits zu fürchten anfing, nicht dessen Sohn Albrecht,
Adolf von sondern der Graf Adolf von Nassau zum Kaiser gewählt. Diese Er-
Nassau Höhung war von dem Erzbischof Gerhard von Mainz angeregt und mit
1291—98. großer Klugheit durchgeführt worden. Adolf besaß ritterliche Eigenschaften,
zu solch' hoher Würde aber weder Macht noch Ansehen genug. Nach dem
Beispiel seines Vorgängers suchte auch er die Macht des eigenen Hauses
zu mehren; doch gebrauchte er hierzu Mittel, welche Aller Herzen von chm
abwendeten. Um Geld zu erhalten, versprach er dem Könige von Eng-
land Hilfe gegen Frankreich, und da der Krieg nicht zu Stande kam, so
Erkaufung kaufte er von der beteits erhaltenen Summe das Land Thüringen. Hier
Thüringens, herrschte damals Albrecht der Entartete, welcher seine treffliche Ge-
mahlin Margaretha, Tochter Kaiser Friedrichs Ii., verstoßen und Kuni-
gunde von Effenberg geheiratet hatte. Als die arme Mutter ihre Kinder
verlassen mußte, biß sie im Schmerz des Abschieds ihren ältesten Sohn
Friedrich in die Wange, weshalb er in der Geschichte den Namen: „Fried-
rich der Gebissene" erhalten hat. Der unnatürliche Vater aber verkaufte
die Erbländcr der beiden älteren Söhne Diezmann und Friedrich an Kaiser
Adolf, um das Geld (12,000 Mark Silber) dem aus zweiter Ehe gebor-
nen Lieblingssohn, Apitz, zuzuwenden. Die beiden älteren Söhne kämpf-
ten aber ritterlich für ihr Erbe und fanden an ihren Ständen treue Helfer.
Der Kampf währte fünf Jahre (1293—97). Doch vermochte Adolf nur
einen kleinen Theil des erkauften Gebiets zu erobern.
Durch solch' unwürdiges Verfahren hatte sich der Kaiser verhaßt ge-^
macht; dazu kam, daß der Erzbischof von Mainz, dem er nicht in allen
Stücken willfahrte, mit- ihm unzufrieden war. In einer Fürstenversamm-
lung wurde daher — aus Anregung des Erzbischofs — Adolf abgesetzt:
„Weil er Kirchen verwüstet, von einein Geringeren (dem König von Eng-
land) Sold genommen, das Reich nicht gemehrt, sondern gemindert, und
Albrecht v. den Landfrieden nicht gehandhabt habe"; — und Albrecht von Oester-
Oesterreich reich zum Herrscher erkoren. Die beiden Gegner zogen wider einander
und schlugen bei Göllheim (unweit Worms) die entscheidende Schlacht,
1298™ *n ^cr Adolf Krone und Leben verlor (1298). Nach diesem Siege wurde
Albrecht I. allgemein als König anerkannt. Er war ein stolzer und
strenger, ja harter Mann, was sich auch schon in seinem finstern, einäugi-
gen Gesicht zu erkennen gab. Zwar gegen den Mainzer Erzbischof war
seine Strenge gerecht; denn da er dessen Willen nicht in Allem thun
wollte, sprach derselbe: „Er habe noch mehr Kaiser in seiner Tasche", —
und ging damit um, wirklich einen neuen Kaiser wählen zu lasten; allein
Albrecht trieb ihn schnell zu Paaren, daß er um Gnade bitten mußte.
Aber in anderen Fällen waren seine Anschläge nicht immer dem Rechte
gemäß. Vornehmlich gingen sie darauf aus, viele Länder für sich zu er-
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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TM Hauptwörter (200): [T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T191: [Karl Sohn König Tochter Haus Kaiser Ludwig Herzog Tod Johann], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Rudolf Rudolf Albrecht Albrecht Rudolf Rudolf Albrecht Albrecht Adolf Adolf Graf_Adolf_von_Nassau Adolf Gerhard_von_Mainz Adolf Adolf Erkaufung Albrecht Friedrichs Friedrichs Effenberg Friedrich Friedrich Friedrich_an_Kaiser
Adolf Friedrich Adolf Apitz Adolf Adolf Albrecht_v Albrecht Albrecht_von Albrecht Adolf_Krone Adolf Albrecht_I. Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: Wien Oesterreich Oesterreich Nassau Frankreich Mainz Oester-
Oesterreich Göllheim Worms
208
N e u e Geschichte.
war ein europäischer Krieg dem Ausbruch nähr, da wurde Heinrich Iv.
durch Rav aillac ermordet (1610). Beide Theile legten für diesmal die Waf-
fen wieder nieder, ohne daß die gegenseitige Erbitterung nachgelassen hätte.
Dem Kaiser Rudolf waren übrigens für feine letzten Lebensjahre noch
bittere Kränkungen aufgespart. Voll Haß gegen Matthias suchte Rudolf
ihm Böhmen vorzuenthalten und die Thronfolge dem Erzherzog Leopold
zuzuwenden. Allein Matthias erschien mit einem Heere vor Prag, besetzte
die Stadt und berief die Stände ein. Jetzt verzichtete Rudolf zu Gunsten
feines Bruders, um einer schimpflichen Absetzung zu entgehen, auch auf
Absetzung Böhmen, Schlesien und die Lausitz. Der länderlose Kaiser lebte nun auf
Rudolfs Ii. dxm Hradschin *) und hatte einen so kärglichen Jahrgehalt, daß er die
Kurfürsten um eine Gelduntcrstützung bitten ließ. Allein diese drangen
auf die Wahl eines römischen Königs und hatten bereits einen Wahltag
nach Frankfurt ausgeschriebeu, als Rudolf in seinem 60. Jahre lebenssatt
und unbeweint starb (1612).
Matthias 4. Matthias (1612—19).— Die Neuwahl eines Kaisers fiel auf den
1612— 19. Aeltesten des österreichischen Hauses, auf Matthias. Derselbe wurde zu Frank-
furt mit uie gesehener Pracht gekrönt. Alle Kurfürsten waren zugegen, bis
auf den Brandenburgischen, der durch seinen Sohn vertreten wurde, und
außerdem eine Menge von Fürsten und Grafen. Fest folgte auf Fest; der
neue Herrscher nahm an den Vergnügungen den regsten Antheil. Aber hinter
dem glänzenden Vorhänge lauerten die Geister der Zwietracht. An den
Katholischen konnte man merken, daß sie sich im Geheimen von der Thä-
tigkeit und Entschlossenheit des neuen Kaisers große Vortheile versprachen,
und an den Unirten, daß sie über die anscheinende Kränklichkeit desselben
sich freuten. Merkwürdig ist in dieser Richtung ein Wort des Fürsten
Christian von Anhalt, eines eifrigen Protestanten. Die Zweideutigkeit von
dem Fest hernehmend, soll er geäußert haben: „Wenn es zum rechten
Tanze komme, so werde Se. Majestät keine große Sprünge mehr machen."
In der That war Matthias nicht so thätig, als man erwartet hatte,
und bald zeigte es sich, daß er nicht im Stande war, die Parteien zu zügeln
oder zu versöhnen. Dabei wurde er immer kränklicher und so mußte er
sich's, zumal er kinderlos war, gefallen lassen, daß man ihm bei Lebzeiten
und der Pfalzgraf von Neuburg zuerst Besitz und errichteten einen Vertrag zu Dort-
mund, nach welchem sie das Land, bis zu ausgemachter Sache, gemeinschaftlich ver-
walten wollten. Der Kaiser dagegen, mit dem eigenmächtigen Verfahren der beiden
Fürsten unzufrieden, schickte den Erzherzog Leopold, Bischof zu Passau, ab, um das
Land als verfallenes Neichölehen einzuziehen. Dieser kam auch, konnte jedoch nur die
Stadt Jülich besetzen. Diese Einmischung des österreichischen Hauses regte hinwiederum
die Union aus; sie versprach den beiden bedrohten Fürsten Beistand und fing an zu
rüsten; auch der französische König Heinrich Iv. sagte Hülfe zu. Mit dem Frühling
des Jahres 1610 rückte die Union wirklich in's Feld und zerstreute einige Tausend
Manu, welche der Erzherzog Leopold im Elsaß geworben. Solches Auftreten der
Union wollten die katholischen Fürsten, welche die Ligue geschlossen, sich nicht gefallen
lassen und rüsteten gleichfalls. Unter solchen Verhältnissen wurde Heinrich Iv. er-
mordert und darauf ließen sich die Unirten zu einer gütigen Beilegung der Sache
bewegen. — Brandenburg und Neuburg theilten sich später in das erledigte Land:
Brandenburg nahm Kleve, Mark und Ravensburg; Neuburg nahm Jülich und Berg.
l) Hradschin, das königliche Schloß in Prag, auf der sogenannten kleinen
Seite der Stadt.
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T171: [Heinrich Otto Herzog Kaiser König Friedrich Sohn Konrad Sachsen Schwaben], T49: [König Königin Herzog Peter Hof Elisabeth Minister Tod Graf Regierung], T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Heinrich_Iv Heinrich Rudolf Rudolf Matthias Rudolf Rudolf Leopold Leopold Matthias Rudolf Rudolf Rudolfs Rudolf Rudolf Matthias Matthias_( Matthias Christian_von_Anhalt Matthias Leopold Leopold Heinrich_Iv Heinrich Leopold Leopold Heinrich_Iv Heinrich
222
Neue Geschichte.
folgten, welche ihm beim Aufstehen und Ankleiden behilflich gewesen
waren.
Der Glanz des französischen Hofes erfüllte ganz Europa mit blinder
Verehrung und verleitete fast alle Fürsten, besonders die deutschen, zur
lächerlichsten Nachäffung. Jeder Fürst wollte ein Ludwig im Kleinen sein;
jeder bildete ein besondern Hof, wo in Pracht und Verschwendung, in
Sitten und Moden, in Sprache, Literatur und Kunst der französische
Hof als Vorbild galt. Mit dem Hofe nahm auch der Adel in Deutsch-
land die französische Sprache an und schämte sich der guten alten Mutter-
Bildungs- spräche. Paris galt als Mittelpunkt der europäischen Kultur, der feineren
re|jfu ”ctc^ und höheren Lebensvildung; aus allen Gegenden von Deutschland wurden
>aiu- sogenannte Bildungsreisen dahin gemacht. So verbreitete sich das prunkende
verweichlichende Frauzosenthum immer weiter über die höheren Stände;
kaum noch blieben die unteren Volksklassen dem ernsten und biederen Sinne
ihrer Voreltern getreu und retteten vaterländische Sitten und Gebräuche
vor fremder Ansteckung.
4. Ludwigs Xiv. Eroberungssucht und Un du ldsamkeit.—
Die gebietende Stellung, welche Ludwig im Innern seines Reichs einnahm,
wollte er auch gegen seine Nachbarn, ja gegen ganz Europa durchsetzen.
Nach außen trat er deshalb als Eroberer auf und brachte so unendliches
Weh über sein Land, ja über die ganze Menschheit. In den Kriegen
stand ihm meist das Glück zur Seite, doch wurden die Schlachten nicht
durch ihn, sondern durch seine ausgezeichneten Generale: Luxemburg,
Schomburg, Katinat, Vendomeund Tür enne geführt. Die
Friede zu Friedensschlüsse, welche in Ludwigs Xiv. Regierungszeit fallen, sind
Nimwegen ver w e st fä l isch e Friede (1648), der Friede zu Ni mw e g en *) (1678),
^?in"rhswiki) (1697), Utrecht (1713), Rastadt (1714) und Baden
^Utredst ' dlargau in der Schweiz (1714). Fast eben so sehr wie durch Erobe-
1713 Ra- rungssucht schadete Ludwig Xiv. seinem Land durch Unduldsamkeit gegen
stadl'und die Kalvinisten. Wegen Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) verlor
Baden es mehr denn eine halbe Million betriebsamer Einwohner, die in den
1714. benachbarten Staaten (Schweiz, Rheinpfalz, Brandenburg, Holland,
England) eine freundliche Aufnahme fanden. — Als Ludwig Xiv. am
1. September 1715 starb, da jubelte das Volk, das er während seiner
72jährigen Regierung nicht nur arm gemacht, sondern auch der Sittlich-
keit und alles Vertrauens beraubt hatte laut bei der Nachricht^von seinem
Tode. Der Pöbel verfolgte sogar den Leichenzug des Königs nach St. Denisi)
mit solchem Unwillen, daß man genöthig war, Seitenwege einzuschlagen.
76. Preußen: Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst (1640
—88), und seine nächsten Nachfolger.
1. Belehnung Friedrich's von Hohenzollern mit der Mark Brandenburg (1415).
Verwandlung des Herzogthums Preußen in ein weltliches Besitzlhum (1525). Ueber-
gang des Herzogthums Preußen von der fränkischen Linie der Hohenzollern an die
brandenburgische (1618). Kurfürst Georg Wilhelm (1619—40) und der 30jährige
i) Nimwegen, Stadt im jetzigen Holland, an der obern Waal (südlichem
Arm des Rheins). — Ryswik, holländisches Schloß, 1 Stunde südlich von Haag.
— St. Denis, Stadt unweit des rechten Ufers der Seine, 2 Meilen unterhalb
Paris.
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T74: [Frankreich England Spanien Krieg Frieden Rußland Italien Holland Preußen Deutschland], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann]]
TM Hauptwörter (200): [T79: [Ludwig Xiv Frankreich König Ludwigs Xvi Napoleon Xviii Xv. Philipp], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T93: [Bayern Baden Hessen Württemberg Königreich Sachsen Franken Schwaben Land Rhein], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwigs Ludwigs Ludwig Ludwig Ludwigs Ludwig_Xiv Ludwig Ludwig_Xiv Ludwig Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Georg_Wilhelm Wilhelm Denis
Extrahierte Ortsnamen: Europa Paris Deutschland Europa Luxemburg Schomburg Ludwigs_Xiv Nimwegen Utrecht Baden Schweiz Nantes Rheinpfalz Brandenburg Holland England Brandenburg Nimwegen Holland Rheins Paris
204
Neue Geschichte.
und Schrift den Protestanten, welche sich durch theologische Zänkereien
zersplitterten, entgegen und brachten es endlich dahin, nicht nur der Refor-
mation Halt zu gebieten, sondern auch viele Neugläubige zur alten Kirche
zurückzuführen. Die Hauptsache aber blieb, die Fürsten zu vermögen, daß
sie ihren Unterthanen die Rückkehr zum Katholicismus geboten. Die
Jesuiten bestrebten sich daher, den katholischen Fürsten eine Gegenr esor-
matio n zur Gewissenspflicht zu machen, und behaupteten, der Religions-
sriede habe seit dem Tridentinischen Konzil seine Kraft verloren, da er
nur bis zu Entscheidung durch eine Synode eingegangen worden, und die
Reformirten hätten vollends keine Ansprüche darauf, da sie von der Augs-
burgischen Konfession abgewichen seien. Bei Maximilian Ii. fanden jedoch
solche Lehren keinen Boden. Und was er von den Ketzerverfolgungen un-
ter Katharina von Medicis und Philipp Ii. dachte, zeigt die Aeuße-
rung, welche er 1572 that: „Ich habe keine Macht über die Gewissen
und darf Niemand zum Glauben zwingen. Die tollen Leute sollten bil-
lig in so viel Jahren gesehen haben, daß es mit dem tyrannischen Köp-
fen und Brennen sich nicht will thun lassen. Spanien und Frankreich
machen es, wie sie wollen; sie werden es vor Gott verantworten müssen.
Ich für menre Person will ehrbar, christlich, treu und aufrichtig handeln,
und wenn ich das thue, so bekümmere ich mich nicht um diese böse und
heillose Welt." Maximilian Ii. hat sogar verschiedene Versuche gemacht,
die streitenden Religionsparteien mit einander auszusöhnen, konnte jedoch
bei der Halsstarrigkeit der Gegner seinen Zweck nicht erreichen.
Letzter Aus- Besser gelang es dem Kaiser, einen neuen (und zwar den letzten) Aus-
bruch des bruch des Faustrechts H auszutilgen. Dieser zeigte sich in den Grum-
Faustiechtö. bachschen Händeln. Der fränkische Ritter Wilhelm von Grumbach
glaubte sich durch den Bischof von Würzburg (Melchior von Zobel) in
einer Lehenssache widerrechtlich behandelt, und obwohl ihm das Reichskam-
mergericht die Wiedereinsetzung in seine verlorenen Lehngüter zugesprochen
hatte, so konnte Grumbach doch die Vollziehung des kammergerichtlichen
Urtheils nicht erwirken. Als nun der Bischof von Würzburg 1558 auf
ossenem Wege ermordet wurde, fiel der Verdacht, diese That veranlaßt
zu haben, auf Grumbach, ohne daß man ihn jedoch überweisen konnte.
Dagegen machte sich Grumbach einer anderen That schuldig, welche strenge
Bestrafung forderte. Er überfiel nämlich 1563, in Verbindung mit meh-
reren Reichsrittern und im Vertrauen auf den Schutz des Herzogs Jo-
hann Friedrich von Sachsen-Gotha, die Stadt Würzburg und ver-
schaffte sich mit Gewalt von dem dortigen Domkapitel die Wiedereinsetzung
Unter- in seine Güter. Johann Friedrich von Gotha war der Sohn Johann
drückung der Friedrich des Großmüthigen und hoffte, mit Grumbach's Unterstützung die
Grumbach- verlorene Kurwürde wieder an sein Haus zu bringen. Als Grumbach
Miibet lue9en Landfriedensbruches in die Reichsacht gethan wurde, nahm sich Jo-
^ Hann Friedrich des Ritters an, verweigerte seine Auslieferung und zog
so dieselbe Strafe auf sein eignes Haupt. Der Kurfürst August wurde
mit der Vollziehung der Reichsacht betraut. Johann Friedrich vcrthei-
ft Noch zu Lulherö Zeit hatten mehrere berühmte Edelleute von dem Fehde-
wesen nicht gelassen: so Götz von Berlichiugen, Franz von Sick in gen und
Ulrich von Hnt!cn.
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T73: [Stadt Schloß Augsburg Grafe Nürnberg Reichsstadt Bischof Sitz Regensburg Fürst]]
TM Hauptwörter (200): [T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Maximilian_Ii Maximilian Katharina_von_Medicis Philipp_Ii Philipp Maximilian_Ii Maximilian Ritter_Wilhelm_von_Grumbach Wilhelm Melchior_von_Zobel Grumbach Grumbach Grumbach Friedrich_von_Sachsen-Gotha Friedrich Johann_Friedrich_von_Gotha Johann Friedrich Johann Johann Friedrich Grumbach
Miibet Jo-
^_Hann_Friedrich Friedrich August Johann_Friedrich_vcrthei- Johann Friedrich Götz_von_Berlichiugen Franz_von_Sick Franz Ulrich
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Frankreich Würzburg Würzburg
Preußen: Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst re. 223
Krieg. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst (1640—88). Beschränkung der Land-
stände. Erwerbungen im westfälischen Frieden 1648 (Magdeburg, Halberstadt, Minden,
Kammin). Vertrag zu Weh lau 1657: Entlassung des Herzogthums Preußen aus der
polnischen Lehnsherrlichkeit. Theilnahme Friedrich Wilhelms an dem Kriege gegen
Ludwig Xiv. (1674). Sein «Lieg über die Schweden bei Fehrbellin (1675). Auf-
nahme französischer Flüchtlinge (nach 1685). Versuch zur Gründung einer Seemacht
(1687). Friedrich Wilhelms Charakter. 2. Kurfürst Friedrich Iii. (1688—1713).
Sein Streben nach der Königswürde. Endliche Zustimmung Kaiser Leopolds I.
(1657-^1705). Friedrichs 1. Krönung in Königsberg (18. Januar 1701). Urtheile ,
über diese Erhöhung. Ländererwerb Friedrich I. (Meurs, Liugeu; Tecklenburg;
Neuenburg und Valengin). Stiftung der Universität Halle (1694) und der Societät
der Wissenschaften in Berlin (1700'). Friedrichs I. Tod (1715) Erschöpfung des
Staates. 3. Friedrich Wilhelm I. (1718—40). Seine Sparsamkeit: einfache Bedie-
nung, einfache Kleidung, einfache Vergnügungen. Aufwand für die Wiederbevölke-
rung Litthaueuö. Errichtung, nützlicher Anstalten. Geringschätzung der Wissenschaften
durch Friedrich Wilhelm I. Seine Vorliebe für das Soldateuwesen. Das Pots-
damer Leibregiment. Fürst Leopold von Dessau der Ererciermeister des preußischen
Heeres (80,000 Mann). Deö Königs Heftigkeit und- Prügellust. Erweiterung des
Staatsgebietes im Frieden zu Stockholm 1720 (Vorpommern bis zur Peene). Der
volle Staatsschatz. Friedrich Wilhelm I. f 1740. 4. Friedrich Ii., der Große (1740
—86): Vollender der preußischen Monarchie.
1. Die Grundlage der preußischen Monarchie bildet die Mark Bran-
denburg, welche 1415 der Burggraf Friedrich v. Nürnberg, aus dem Hause
Hohenzollern, nebst der Kurwürde erb- und eigenthümlich erhielt; den Na-
men verlieh ihr das 1618 erworbene Herzogthum Preußen. Dieses Land
haben (s. oben S. 149) wir bis zum Jahre 1525 verfolgt, wo es ein Preußen ein
weltliches Hcrzogthum wurde. Mit dieser Verwandlung ging es zugleich weltliches
in den Besitz des damaligen Hochmeisters, des Markgrafen Albrecht vonherzogthum
Brandenburg (-Kulmbach) über, der es im Frieden von Krakau als 1525,
polnisches Lehen empfing. Unter Albrechts Regierung gewann das Her-
zogthum trotz mehrfacher bürgerlicher Unruhen und Religionsstreitigkeiten
an Wohlstand und Bildung, durch ihn erhielt es 1546 die Universität
Königsberg, gute Schulen, eine polnische Uebersetzung der Bibel und andere
nützliche Bücher in deutscher, polnischer und litthauischer Sprache. Albrecht
starb 1568 und hinterließ das Land seinem gleichnamigen Sohne, welcher Vereini-
aber blödsinnig wurde. Dessin Schwiegersohn, Kurfürst Johann Sigis-gung Preu-
mund von Brandenburg erbte es (1618) und erhielt es als Lehen von mit
Polen; seitdem ist Preußen ununterbrochen bei dem hohenzollerstchen-bran-. àuoen-
denburgischen Hause geblieben. ""rg idi».
Georg Wilhelm folgte seinem Vater 1619. Unter ihm brachen über Georg
den Staat die Gräuel des 3ojahrigen Krieges herein. Ohne innere Kraft Wilhelm
schwankte der Kurfürst zwischen den streitenden Mächten hin und her. 40-
fangs blieb er parteilos, sah aber seine Marken durch dänische Schaaren
und Mansfelds Horden verwüstet. Darauf hielt er es mit dem Kaiser,
bis er von Gustav Adolf genöthigt wurde, sich Schweden anzuschließen.
Nun hatte das Kurfürstenthum von den Brandschatzungen Wallensteins
und Tillys entsetzlich zu leiden, und als endlich Brandenburg, durch den
Minister Schwarzenberg verleitet, dem Prager Frieden beitrat, fielen die
Schweden sengend und brennend in's Land ein und schlugen den unglück-
lichen Bewohnern neue Wunden. Die Mark glich einer Einöde, einer
Wüste voll rauchender Trümmer und Todesangst. Da starb Georg Wil-
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Extrahierte Ortsnamen: Magdeburg Halberstadt Minden Schweden Fehrbellin Friedrichs Königsberg Tecklenburg Neuenburg Berlin Stockholm Nürnberg Krakau Brandenburg Schweden Tillys Brandenburg
134
Mittlere Geschichte.
Regierung; ein Held gewaltig und fromm, wie sein Vorbild Karl der Große.
— Ueber alle Beschreibung war die Bestürzung und Trauer des Heeres.
Jeder glaubte in ihm seinen Vater verloren zu haben. Tiefgebeugt zogen
die Kreuzfahrer *) weiter und beerdigten in Tyrus die Gebeine des großen
Kaisers.
In Deutschland wollte und mochte man lange nicht glauben, daß
der Schirmherr des Reiches, der gefürchtete und geachtete Rothbart wirklich
gestorben sei. Die Volkssage hat ihn nach Thüringen in den Kyffhäuser^)
versetzt. Dort sitzt er im unterirdischen Saale, nachdenkend und sinnend
am marmornen Tisch. Zu Zeiten gelingt es einem Sterblichen in jenes
Gemach zu dringen, dann wacht der Kaiser ans seinem Schluinmer aus,
schüttelt den rothen Bart und begehrt Kunde, ob noch krächzende Raben des
Berges Felsenhöhe umkreisen. So lange die schwarzen Vögel noch um die
öde Felsenkrone flattern und ein Adler sie nicht Hinweggetrieben hat, so
lange, meldet die Sage, verharrt der Kaiser in seiner verfallenen Burg.
Vernimmt er, daß sie noch kreischen, dann blickt er düster vor sich hin, seufzt
tief auf und spricht: „Schlafe wieder ein, müde Seele, noch muß ich hun-
dert Jahre harren, bevor ich wieder unter meinem Volke erscheine."
30. Kaiser Friedrich Ii. 1215- 1250.
1. Heinrich Vi. 1190—97. Philipp von Schwaben 1198—1208 und Otto Iv. von
Braunschweig 1198—1215. Friedrich Ii., gekrönt 1215 zu Aachen als deutscher König
und zu Rom 1220 als römischer Kaiser. Friedrich Ii. in Unteritalien; vierter Kreuz-
zug 1228—29. 2. Friedrich des Ii. Krieg mit den Lombarden 1231—50: Empörung
Heinrich's 1235. Schlacht bei Cortenuova 1237. Mongolenschlacht bei Wahlstatt
1241. 3. Kirchenversammlnng zu Lyon 1245. Die Gegenlonige: Heinrich Raspe,
1246—47. Wilhelm von Holland 1247—56. Friedrich des Ii. Tod 1250.
1, Heinrich Vi. (1190 — 1197), Sohn und Nachfolger Friedrich
Barbarossa's, verband mit den Kronen, welche sein Vater getragen hatte, noch
überdies als Gemahl der Konstantia, die sizilische Königskrone. Als er, kaum
32 Jahre alt, im Jabre 1197 zu Messina gestorben war, fielen seine Erbländer
(Neapel und Sizilien) an seinen dreijährigen Sohn Friedrich, dessen Vor-
mund Papst Innocenz Iii. war; in Deutschland aber wurde von der
hohenstausischen Partei Heinrich's jüngster Bruder, Philipp von Schwaben
(1198 — 1208), von der welfischen Partei der zweite Sohn Heinrich des
Löwen, Otto Iv. von Braunschweig (1198 —1215), zum Könige ge-
wählt. Philipp war im Kampfe mit seinem Gegner meist glücklich, wurde
aber von dem Psalzgrafen Otto von Wittelsbach im Jahre 1208 ermordet,
worauf Otto in Deutschland allgemeine Anerkennung fand und auch zum
An diesem dritten Kreuzznge nahmen auch noch Richard Löwenherz, König
von England und Philipp August, König von Frankreich, Theil; trotzdem endigte
derselbe wie der zweite auch erfolgslos im Jahre 1191. (Kursus 2. S. 136—142.)
2) Der Kyfshäuser ist ein Bergrücken an der Grenze des Thüringer Waldes
und der goldenen Aue, im jetzigen Fürstenthum Schwarzbnrg-Rndolstadt. Auf dein
höchsten Punkt des Kvsfhäuser's stand die Burg Kyffhausen, von der jetzt nur noch
ein mitten von einander geborsteter Thurm, ein gewölbter Gang (Thor), ein Brunnen
und einige Mauerreste übrig sind.
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Extrahierte Personennamen: Karl_der_Große Karl Friedrich_Ii Friedrich Heinrich_Vi Heinrich Philipp_von_Schwaben Philipp Otto Friedrich_Ii Friedrich Friedrich_Ii Friedrich Friedrich Friedrich Heinrich_Raspe Heinrich Wilhelm Friedrich Heinrich_Vi Heinrich Friedrich
Barbarossa's Friedrich Friedrich Friedrich Innocenz_Iii Innocenz Philipp_von_Schwaben Philipp Heinrich_des
Löwen Heinrich Otto Philipp Philipp Otto_von_Wittelsbach Otto Otto Richard_Löwenherz Philipp_August Philipp August
Extrahierte Ortsnamen: Tyrus Deutschland Braunschweig Unteritalien Cortenuova Holland Messina Neapel Sizilien Deutschland Braunschweig Deutschland England Frankreich Burg_Kyffhausen
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Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Christen-
thum Bisthum_Magdeburg Havelberg Merseburg Polen Ungarn Rom Deutschland Rom Unteritalien Deutschland Konstantinopel Polen Sachsen Schlesiens Schleswig Oldenburg Holstein Havelberg Brandenburg Magdeburg Zeitz Sachsen Zeitz Naumbnrg Kapna Neapel
Johann Huß.
149
stand, durch eine Stimmenmehrheit von den drei Nationen gegen die eine
böhmische, die Schriften Wiklefts verdammt wurden. Dies dünkte Huß und
seinen Freunden ein solcher Eingriff in ihre Rechte, daß sie mit Zustimmung
des Königs Wenzel ft die Verfassung der Universität änderten und bei allen
Verhandlungen der böhmischen Nation drei, den Ausländern nur eine Stimme
zuerkannten. Hiermit waren die Ausländer, Professoren und Studenten,
nicht einverstanden, zogen aus und gründeten die Universität Leipzig 1 409* 2 3 4).
Indessen fuhr Huß fort im Geiste Willefs die sittliche Verdorbenheit
der Geistlichen und verschiedene Mißbräuche der Kirche anzugreifen, worauf
ihn der Erzbischof bei dem Papste verklagte, ihm das Predigen verbot und
die Schriften Wiklef's verbrannte. Darüber gericth das Volk in Bewegung,
cs geschahen Mordthaten, man plünderte Kirche und Klöster. Der Erzbischof
wandte sich abermals an den Papst, der Huß nach Roin vorlud, allein die-
ser leistete der Vorladung keine Folge und berief sich auf ein allgemeines
Koncil (Kirchcnversammlung). Als nun gar der Papst für Geld Ablaß
(S. 163. Anm. 2.) ertheilte, griffen Huß und Hieronymus dieses unchristliche
Verfahren schonungslos an. Die Folge davon war, daß der Papst den Bann
über sie aussprach. Huß floh nach Husffnetz, wo er unter freiem Himmel
unter großem Zulauf des Landvolkes predigte und kraftvolle Trost- und Er-
mahnungsbricfe an seine Gemeinde nach Prag schrieb.
2. Als im Jahre 1414 das Koncil ft zu Kostnitz zusammenkam,
verlangte Huß zu seiner Rechtfertigung vor dasselbe gestellt zu werden. Kai-
ser Sigismund ft gab ihm einen Gelcitsbries, in welchem er ihn in seinen
und des heiligen römischen Reiches besonderen Schutz nahm. Auch der Papst
(Johann Xxiii.) gab ihm die Versicherung, cs solle ihm nichts Böses geschehen,
wenn er auch seinen Bruder ermordet hätte. Von mehreren böhmischen Rit-
tern begleitet, langte Huß (am 3. November 1414) in Kostnitz an und er-
wartete drei Wochen vergeblich auf öffentliches Verhör. Erst Ende Nvvem-
bcr (am 28.) wurde er vorgeladen und noch an demselben Abend, obgleich
man ihm keinen Irrthum nachgewiesen, zur Haft gebracht.
1) Wenzel 1378—1400 war Sohn und Nachfolger Karl des Iv. auf dem
deutschen und böhmischen Thron. Doch wurde er 1400 als deutscher König entsetzt,
blieb aber König von Böhmen bis zu seinem Tode 1419.
2) Damals war Markgraf von Meißen, in dessen Gebiet Leipzig lag, Fried-
rich der Streitbare. Derselbe erhielt nach dem Aussterben der Askanier inr
Jahre 1422 das Herzogthum Sachsen mit der Knrwnrde. So kam Sachsen an
das Hans Wettin. (S. 129. Anm. 1. und S. 137. Anm).
3) Das Koncil zu Kostnitz (S. 133. Anm. 2.) 1414—1418 sollte die Kirche
an Haupt (Papst) und Gliedern ^Geistlichkeit) reformiren. 1305 —1378 residirten
die Päpste zu Avignon im südlichen Frankreich. 1378 wurde auch in Rom ein Papst
eingesetzt, so entstand die Kirchenspaltung (das Schisma) 1378—1417. Das Koncil
zu Pisa <1409, setzte den Papst zu Avignon und den zu Rom ab, und wählte einen
neuen Kirchenfürsten. Da aber jene beiden nicht zurücktraten, so gab es nun drei
Päpste. Auf dem Koncil zu Kostnitz wurden zwei zur Niederlegung ihrer Würde
bewogen und der dritte (Johann Xxiii.) abgesetzt.
4) Wad) Wenzel von Böhmen folgt als deutscher Kaiser Ruprecht von der
Pfalz 1400—1410; dann der Bruder Wenzcl's Sigismund 1410—1437. Dieser
war außerdem König von Ungarn, Kurfürst von Brandenburg und seit seines Bru-
ders Tode (1419) auch König von Böhmen mit Schlesien und Lausitz. — Die Mark
Brandenburg (S. 129. Anm. 1.) verkaufte Sigismund 1415 an Friedrich von
Hohen;ollern, den Ahnherrn des jetzt regierenden preußischen Königshauses.
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Extrahierte Personennamen: Johann Sigismund Johann_Xxiii Johann Karl Karl Johann_Xxiii Johann Sigismund Friedrich_von
Hohen Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Husffnetz Prag Kostnitz Sachsen Sachsen Hans_Wettin Avignon Frankreich Rom Avignon Rom Ungarn Brandenburg Brandenburg