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2. Oranienburg. Luise Henriette war eine gebildete, kluge Frau und stand ihrem Gemahl mit ihrem Rate treu zur Seite. Er mochte sie deshalb gar nicht entbehren und nahm sie fast auf allen Reisen mit sich. Es kam auch vor, daß er die Sitzung seiner Räte verließ, um sich erst Rat von seiner Luise einzuholen. Einst begleitete sie ihren Gemahl zur Jagd nach Bötzow, einem Städtchen an der Havel. Die Umgebung dieses Ortes — Wasser, Wiese und Feld — erinnerte sie so lebhaft an ihre Heimat, daß sie wünschte, hier wohnen zu können. Der Kurfürst erfüllte sehr bald ihren Wunsch, schenkte ihr den Ort, baute ihr ein Schloß und nannte es ihr zu Ehren Oranienburg. Wie ein guter Engel waltete sie hier in den Hütten der Armen und Elenden, und oft stand sie am Sterbebette, um einem Sterbenden mit ihrem Gebete das letzte Stündlein zu erleichtern. In Oranienburg stiftete sie auch ein Waisenhaus, worin 12 Knaben und 12 Mädchen Aufnahme finden sollten.
3. Liebe zum Gartenbau. Luise Henriette brachte von Holland her eine große Vorliebe für Blumen und Gartenbau mit. Diese Vorliebe übertrug sie auch auf ihren hohen Gemahl, und nicht selten sah man das fürstliche Paar im Küchen-
Kurfürst und Kurfürstin im Küchengarten.
garten zu Oranienburg, wie es mit eigner Hand säte, pflanzte und begoß. In dem Garten wurden Spargel, Blumenkohl und andre seltene Gemüse gezogen. Auch war Luise die erste, die Kartoffeln in der Mark anbaute.
4. Frömmigkeit. Tod. Luise Henriette war eine sehr fromme Frau. Sie hat auch ein Lieder- und Psalmenbuch herausgegeben. Ihr Lieblingslied war: „Jesus, meine Zuversicht." Früher nahm man an, daß sie dieses Lied selber gedichtet hätte, doch wird das jetzt bezweifelt. — Zum größten Schmerze des Kurfürsten stellte sich bei ihr in der Blüte ihres Lebens ein schweres Brustleiden ein, und schon im Alter von 39 Jahren wurde sie ihm durch den Tod entrissen. (Die zweite Gemahlin des großen Kurfürsten hieß Dorothea.)
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im Schatten der Bäume oder auf blumigen Wiesen. Wir brauchen dann
nicht mehr solche Handschuhe von Pelz, wie wir sie im Winter hatten;
denn die liebe Sonne scheint warm genug. O, wie schon ist der Früh-
ling! Wir wollen unsern Vater im Himmel lieben, der ihn zur Freude
der Menschen schuf.
Der Frühling schenkt Wonne und Leben
der wiedererwachten Natur;
es grünen die Bäume, die Reben,
die Saaten, die Wiesen, die Flur.
85. Das ar
(Hoffmann y.
Ein Vogel ruft im Walde,'
ich weiss es wohl, wonach?
Er will ein Häuschen haben,
ein grünes laubig Dach.
Er rufet alle Tage
und flattert hin und her,
und in dem ganzen Walde
hört keiner sein Begehr.
Es singet Da
für das, was e
und singt, so 1
ihm jeden Tag
tue Vöglein.
Fallersleben.)
Und endlich hört’s der Frühling,
der Freund der ganzen Welt,
der giebt dem armen Vöglein
ein schattig Laubgezelt.
Wer singt im hohen Baume
so froh vom grünen Ast?
Das thut das arme Vöglein
aus seinem Laubpalast,
ik dem Frühling
beschied,
ng’ er weilet,
ein Lied.
86. Die Bachstelze.
(Masius.)
Welch ein flinkes, allerliebstes Wesen ist die Bachstelze! Wie
schlicht und doch wie sauber und kleidsam ist ihre Tracht! Bläulich-
grau das Röckchen, weiss das Mieder, schwarz der Haubenstreif, der
den Nacken hinabgeht, schwarz die Pantöffelchen und schwarz mit
weissem Saume hinten die lange Schleppe. Oben am Dachgiebel steht
ihr Nest, kunstlos aber reinlich. Von da aus singt sie ihre einfachen
Melodien, mit. denen sie die dünneren Stimmen der Grasmücke und
des Hänflings übertönt. Plötzlich stöfst sie hinab. Nun trippelt sie
mir mitten dm Hofe vor den Füssen umher, jagt im zierlichen, schnel-
len Lauf der Fliege nach, immer mit dem Köpfchen nickend und mit
dem rastlosen Schwänzchen auf- und abschnellend. Nicht lange,
dann schiefst sie in kurzen, wellenförmigen Schwingungen über den
Teich dem Blachfelde zu und folgt emsig und nie gesättigt dem
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82
Das Lerchenpärchen durchstreift nun die Flur. Jede Scholle
wird sorgsam gemustert, jedes Körnchen geprüft. Da liegt ein Samen
von Raps unbedeckt, dort ein Samen von Feldmohn. Da schaut ein
Würmchen hervor, dort sprossen saftige Keimblättchen. Das giebt
ein leckeres Frühstück.
Mitten im Felde, dem Blick der lüsternen Katze und der Nase
herumspürender Hunde verborgen, findet sich eine Vertiefung. Dorthin
tragen die muntern Vögel dürre Halme, welke Grasblättchen, Fasern
und verlorene Federn. Auch des Hasen Pelz muss manches Härchen
liefern, das ihm beim Wechseln des Winterrocks ausfiel.
Die Tage sind länger geworden, die Sonne scheint wärmer, die
Saat treibt höher. Frau Lerche sitzt auf den rötlich - weifsen Eiern,
die mit grauen Punkten und Strichen geziert sind. Nach einigen
Tagen piepen im Nestchen die Jungen, und beide Alten haben vom
frühen Morgen bis zum späten Abend vollauf zu thun, ihnen die
hungrigen Schnäbel zu stopfen.
Im Sommer, wenn die wilden Blumen verblühen und die Ähren
reifen, ist gute Zeit für die Vögel des Feldes. Ein umgeknickter
Mohnstengel mit reifen Köpfen wird für die ausgeflogenen jungen
Lerchen zum Festschmause, das Hirsefeld mit seinen herabhängenden
Rispen ist ein wahres Schlaraffenland für sie. Dann brüten die Alten
zum zweiten, ja zuweilen zum dritten Mal, so dass in einem Sommer
die Familie sich um zehn bis zwölf Schnäbel vermehrt.
88. Wandersmann und Lerche.
(Hey.)
W. Lerche, wie früh schon fliegest du
jauchzend der Morgensonne zu!
L. Will dem lieben Gott mit Singen
Dank für Leben und Nahrung bringen;
das ist von alters her mein Brauch;
Wandersmann deiner doch wohl auch?
Und wie so laut in der Luft sie sang,
und wie er schritt mit munterm Gang,
war es so froh, so hell den zwei'n
im lieben, klaren Sonnenschein,
und Gott der Herr im Himmel droben
hörte ja gern ihr Dünken und Loben.
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— 85 —
Aber welche Hitze herrscht auch oft den Tag über! Viele Tiere
liegen in ihren schattigen Erdlöchern; selbst die Vögel bergen sich int
Schatten des dunkelblauen Waldes, ihrer: Gesang einstellend, und auch
die Menschen suchen die kühlsten Plätzchen ihrer Wohnung ans. Nur die
meisten kaltblütigen Geschöpfe, Eidechsen und Insekten, sind jetzt am ver-
gnügtesten. Schmetterlinge flattern von Blume zu Blume, Bienen summen,
Grillen zirpen, und Heuschrecken schwirren in der Mittagszeit durch die
Wiese.
Diese prangt jetzt in ihrem höchsten Schmucke; seine Blütenrispen
nicken über dem fußhohen Grase und streuen Blütenstaub aus; Blumen
prangen in allen Farben und versenden weithin ihre Wohlgerüche. Bald
aber wird all dieser Herrlichkeit durch die Sense des Mähers ein Ende
gemacht, und dann wird nur kurze Zeit noch das bnftenbe Heu an die
vergangene Pracht erinnern.
Glühend brennt die Mittagssonne im weiten Saatfelde zur Freude
des Landmannes; denn durch ihre Strahlen wird in wenigen Wochen
das Getreide reif sein. Dann giebt es ein fröhliches, wenn auch müh-
sames Ernten. Sind unter unzähligen Schweißtropfen die schweren Gar-
den endlich ans den Wagen gebracht, dann schmücken sich Schnitter und
Schnitterinnen mit Feldblumen und ziehen mit heiterem Gesänge abends
in das Dorf ein.
Da sendet wohl noch der Himmel eine erfrischende Gabe. Dunkle
Wolken steigen empor, am fernen Horizonte flammt es hell auf, näher
und näher kommt das Gewitter. Unter Donner und Blitz strömt ein
herrlicher Regen nieder, und sanft ruhen Menschen und Tiere in der
kühlen, würzigen Nachtluft.
94. Der Sperling.
lwalther.)
Wer hat wohl noch keinen Spatzen gesehen? Jedes Kind kennt ihn.
Der Spatz gehört zu den Gassenbuben unter den Vögeln. Er sieht auch
gerade so aus. In seinem dicken Kopse stecken ein Paar rote, freche
Angen, denen man sogleich ansieht, daß er sich um keinen Menschen
bekümmert. Zu diesem dicken Kopfe paßt ganz sein plumper Schnabel
und sein freches Geschrei. Er giebt sich nicht die geringste Mühe, ver-
ständig zu sprechen, sondern schreit in den Tag hinein, wie es ihm tu
beit Hals kommt. Seinem Anzuge sieht man es sogleich an, daß Eitel-
keit nicht sein Fehler ist. Gewöhnlich trägt er eine grobe, graue Jacke,
ans welcher man nicht gleich Schmutzflecken sehen kann. Er treibt sich
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
nach unten in die finstere Erde; denn es weiß, daß es da Speise und
Trank findet. Dabei teilt es sich in kleine Fasern, die man Wurzel-
sasern heißt, und mit diesen saugt es die Nahrung ans. Die andere
Spitze, das Federchen, welches zu Stengeln und Blättern emporwachsen
soll, N'endet sich jedesmal von der Erde weg und steigt himmelwärts,
um Licht und Lust zu suchen.
Während sich unten in der Erde das Würzelchen ausbreitet, heben
sich die grünen Grasblätter über die Erde empor. Das Licht und die
Wärme bereiten in den feinen Röhrchen einen so süßen, nahrhaften Saft,
daß Kühe, Schafe, Ziegen und Pferde kein Gras lieber verzehren als
das Korngras. Das ist so kräftig und hat solche Lust, nach oben zu
wachsen, daß es nur desto fröhlicher wieder in die Höhe treibt, wenn die
Tiere es abgeweidet, oder wenn die Menschen es abgeschnitten haben;
denn es will in seiner Ähre den Menschenkindern das tägliche Brot
bescheren.
Es dauert nicht lauge, so zeigt sich schon das junge Ährchen. Das-
selbe ist von einem Blatte wie von einem grünen Mantel umhüllt. Die
Ähre darf nicht so nahe am Erdboden bleiben, damit die feuchten Dünste
desselben sie nicht verderben. Darum steigt sie immer höher und höher
empor. Zwar schwankend und dünn ist das Rohr, auf dessen Spitze die
Ähre steht; doch hat es auch starke Knoten, daß es der Wind nicht zer-
knickt. Diese Knoten lassen durch viele kleine Löcher den Saft ans der
Wurzel emporsteigen.
Die' langen, schmalen Blätter am Stengel haben keinen besonderen
Stiel wie die Blätter des Birn- und Apfelbaums, sondern sie laufen
unten in eine Scheide aus, welche den Halm nmgiebt. Sie wehen in der
Luft, um den Tau des Himmels zu sammeln und das Sonnenlicht nub
die frische Luft einzusaugen. Ist aber die Ähre bald reif, dann welken
die Blätter; denn sie haben ihre Arbeit vollbracht, und die Nahrung,
welche von der Wurzel aufsteigt, soll nun ganz den Körnern zu gute
kommen.
Nun siehe, wie künstlich der liebe Gott die Ähre gebaut hat! Sie
besteht aus vielen einzelnen Ährchen, die so an einen gemeinschaftlichen
Stiel geheftet sind, daß immer ihrer zwei einander gegenüberstehen. Zu
einem Ährchen gehören aber zwei Blüten, die iu einem Kelche brüderlich
zusammen wohnen. Der Kelch ist ans zwei schmalen, spitzigen Blättern
gebildet; er ist die Hülle für die eigentliche Blüte, welche auch aus zwei
Blättern zusammengesetzt ist. Von diesen ist das äußere mit einer langen
Spitze oder Granne versehen, so daß man glauben konnte, das Körnlein
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109. Der Herbst.
(Kellner.)
Die Tage werden nun immer kürzer, und der Herbst naht heran.
Das Laub der Bäume wird gelb und fällt nach und nach auf die Erde.
Die munteren Singvögel ziehen in wärmere Länder und kommen erst im
Frühlinge wieder. Nur der Sperling, die Goldammer, der Rabe und
wenige andere Vögel bleiben in unserer kälteren Gegend zurück. Einige,
wie Rotkehlchen und Drosseln, werden in künstlichen Sprenkeln von listigen
Knaben oder Jägern gefangen. Die Beeren des schwarzen Holunders und
der Vogelkirsche dienen zur Lockspeise, und kommt das hungrige Vögelchen,
um zu naschen, setzt es sich auf das kleine Springholz, so fällt dieses zur
Erde, und der Näscher ist in der Schlinge gefangen.
Nur wenige Blumen, wie die Aster und Goldrute, blühen noch; das
Gras auf den Wiesen ist längst abgemüht; die Blätter, alle Kräuter
welken und verdorren.
Birnen, Äpfel, Nüsse und anderes Obst sind nun reif und werden
abgepflückt oder geschüttelt. Fröhlich klettern die Knaben auf die Bäume,
brechen die rotwangigen Äpfel und legen sie in Körbe. Das Obst wird
aufgehoben bis zum Winter. Man legt es ans Stroh, wo es mürbe wird
und dann noch besser schmeckt.
Der Winzer sammelt jetzt die reifen Trauben. Er schüttet sie freudig
in die Kelter; sie werden gepreßt, und dann quillt jener süße Most heraus,
der sich später in Wein verwandelt.
Wie tot ist bald alles ans dem Felde! Hafer und Gerste sind gemäht
worden, und der rauhe Wind weht nun über die Stoppeln. Hier und da
pflügt der Landmann oder säet Korn und Weizen fürs künftige Jahr,
und'auf verborgenen Wegen schleicht der Jäger, um das sorglose Wild
zu überraschen.
Alles ist jetzt eingeerntet; der Mensch hat nun für den Winter zu
leben. Er soll aber nicht vergessen, Gott zu danken für alles, was er
ihm so reichlich wachsen ließ.
110. Der große Birnbaum.
(Schmidt.)
Der alte Rupert saß im Schatten des großen Birnbaums vor seinem
Hause. Seine Enkel aßen von den Birnen und konnten die süßen Früchte
nicht genug loben.
Da sagte der Großvater: Ich muß euch doch erzählen, wie der
Baum hierher kam. Vor mehr als fünfzig Jahren stand ich einmal hier,
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100
wo damals ein leerer Raum war, und wo jetzt der Baum steht, und
klagte dem reichen Nachbar meine Armut. „Ach," sagte ich, „ich wollte
gern zufrieden sein, wenn ich mein Vermögen nur ans hundert Thaler
bringen könnte."
Der Nachbar, der ein kluger Mann war, sprach: „Das kannst du
leicht, wenn du es recht anzufangen weißt. Sieh, hier auf dem Plätz-
chen, wo du stehst, sind mehr als hundert Thaler in dem Boden versteckt.
Mache nur, daß du sie herausbringst." Ich war damals noch ein unver-
ständiger junger Mensch und grub in der folgenden Nacht ein großes
Loch in den Boden, fand aber zu meinem Verdrusse keinen einzigen
Thaler. Als der Nachbar am Morgen das Loch sah, lachte er, daß er
sich beide Seiten hielt, und sagte: „O du einfältiger Mensch, so war es
nicht gemeint! Ich will dir aber einen jungen Birnstamm schenken. Den
setze in das Loch, das du gemacht hast, und nach einigen Jahren werden
die Thaler schon zum Vorschein kommen."
Ich setzte den jungen Stamm in die Erde. Er wuchs und wurde
der große herrliche Baum, den ihr hier vor Augen seht. Die köstlichen
Früchte, die er nun seit vielen Jahren getragen hat, brachten mir schon
weit mehr als hundert Thaler ein, und noch immer ist er ein Kapital, das
reichliche Zinsen trägt. Ich habe deshalb das Leibsprüchlein des klugen
Nachbars nicht vergessen; merkt es euch auch:
Den sichersten Gewinn
bringt Fleiß und kluger Sinn.
111. Wie der Apfelbaum entsteht.
(Jordan.)
In einem Dorfe wohnte ein reicher Mann, der saß einmal in seinem
großen Garten auf einer Rasenbank. Neben ihm stand ein Korb mit
schönen, goldgelben Äpfeln. Er griff in den Korb hinein, nahm einen
Apfel und aß ihn. Mitten in dem Apfel war ein Häuschen mit niedlichen
Stübchen. In jedem dieser Stübchen saßen schöne, schwarze Kerne.
Einen von diesen Kernen nahm der Mann in die Hand, tupfte neben sich
in das Gartenbeet ein Loch mit dem Finger, steckte den Kern hinein und
bedeckte ihn mit der Erde.
„Was soll jetzt aus mir werden?" dachte für sich der Kern.
„Wäre ich doch noch im Apfel in dem schönen blanken Stübchen!"
Mit allerlei Gedanken schlief er endlich ein. Da zog eine finstere Ge-
witterwolke über den Garten, es donnerte, und warme Regentropfen fielen
auf die Erde. Einige davon sanken dem Kerne gerade in den Mund,
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großen Augen an. „Liebe Justine," sprach der Nachbar, „dn hast mein/
Bienen int vorigen Jahr so freundlich ans deine Linde eingeladen: heut
habe ich Honig geschnitten, und die Bienen, die sich in deinem Baume so
oft ein Leckermäulchen gemacht haben, haben mir es strenge befohlen, dir
diese Scheiben zu bringen, damit, wenn die Linde wieder blüht, sie wieder
kommen dürfen!" Justine dankte dem Nachbar freundlich, und den Bienen,
die so dankbar und klug waren, wurde die Erlaubnis gegeben, immer zu
kommen, wenn der Baum blühe.
Justine bat die Mutter, den Honig unter alle zu teilen. Die Mutter-
that es und gab Semmel dazu. Die Kinder aßen den lieblichen Honig —
drei Tage hatten sie genug daran — und lobten den Baum und die
Bienen und vor allem die gütige Schwester, die so willig geteilt hatte.
„Wir haben deinem Baum unrecht gethan," sprach Eduard; „er trägt
wohl etwas, Honig trägt er, wir wollen ihn den Honigbanm nennen!"
„Ja," riefen alle, „den Honigbaum wollen wir ihn nennen, wenn es
Justine so will!" Justine wollte es gern. — „Das freut mich," sagte sie,
„daß mein Baum doch etwas trägt, was ihr gern eßt!"
4.
Mit jedem Jahre wuchs der Baum zusehends. Wie die Kinder bei-
nahe erwachsen waren, war er schon ein großer Baum geworden. Der
Vater hatte eine Bank um den Stamm desselben machen lassen. Man
saß unter dem Schatten des Baumes; man erfrischte sich in seiner Küh-
lung bei der Hitze des Tages, und man aß des Abends unter seinen
Zweigen Milch und Butterbrot; man sog den Duft seiner Blüten ein;
man horte mit Wohlgefallen die Bienen auf seinen Blüten summen, und
die^Vögel in seinem dichten Laube zwitschern. Alle Gartennachbarn freuten
sich auf die Zeit seiner Blüte, denn sie genossen auch den lieblichen Duft,
welcher sich weit umher verbreitete. Eduard, Christian, Amalie und Ju-
stine sprachen nach vielen Jahren noch oft von den vorigen Zeiten, wo
der Baum gepflanzt war, wo Justine von ihnen war geneckt worden,
und wie gut der Honig des Nachbars geschmeckt hatte; und allen war
der Baum sehr wert, der doch nichts trug.
114. Die Kartoffeln.
(Schubert.)
Dieses nützliche Gewächs kam erst vor etlichen hundert Jahren ans
Amerika zu uns. Und fast hätte sie der Freund von Franz Drake, dem
dieser aus Amerika Kartoffeln zur Aussaat schickte und dazu schrieb, „die
Frucht dieses Gewächses sei so trefflich und nahrhaft, daß er ihren An-
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Extrahierte Personennamen: Justine Justine Justine Eduard Eduard Justine Eduard Eduard Christian Amalie Justine Schubert Franz_Drake Franz
Da kommt mit vollem Euter
die alte Geiß gesprungen;
sie sucht sich Gras und Kräuter
für ihre Jungen;
sie sieht das Laub und fragt nicht viel,
sie frißt es ab mit Stumpf und Stiel.
Da war das Bäumleiu wieder leer,
es sprach nun zu sich selber:
Ich begehre nun keine Blatter mehr,
weder grüner, noch roter, noch gelber!
Hätt' ich nur meine Nadeln,
ich wollte sie nicht tadeln.
Und traurig schlief das Bäumleiu ein,
und traurig ist es aufgewacht;
da besieht es sich im Sonnenschein
und lacht und lacht!
Alle Bäume lachen's aus;
das Bäumleiu macht sich aber nichts draus.
Warum hat's Bäumlein denn gelacht,
und warum denn seine Kameraden?
Es hat bekommen in einer Nacht
wieder alle seine Nadeln,
daß jedermann es sehen kann;
geh' naus, sieh's selbst, doch rühr's nicht an.
Warum denn nicht?
Weil's sticht.
162. Die Eiche.
(Nach Wagner.)
Die Eiche ist der stattlichste und kräftigste Baum unsrer Laubholz-
wälder, ein wahrer Riese des Waldes. Tief in die Erde schlägt sie ihre
starken, knorrigen Wurzeln. Ihren Stamm können oft mehrere Männer
kaum umfassen, er erreicht einen Umfang von 10 Meter. Ihre kräftigen
Äste reckt sie wie riesige Arme schirmend ans. Unzählbare schon geschweifte
Blätter bilden des Baumes große, grüne Krone. Grüne Blütenkätzchen
hängen im Frühjahr dazwischen und im Herbste viele niedliche Eicheln,
die in Schüsselchen sitzen. Ihre dicke, rissige Rinde bietet die Eiche dem
Moose und den Flechten als Nahrung dar.
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ihren Baum und half mit allem Eifer ihn pflanzen. „Ei," rief ste,
„mein schöner Baum!"
„Bist dn nicht ein kleiner Narr!" sagte Eduard, „der Baum trügt
dir im Leben kein Obst!" „Du giebst uns wohl von deinen Äpfeln und
Birnen," neckte sie Christian und Amalie, „wenn dein Baum wird groß
sein?" „Was habt ihr doch?" antwortete Justine. „Wenn der Baum
auch kein Obst bringt, wenn er nur groß und grün wird, so bin ich zu-
frieden." Der Baum wuchs zusehends. Die Geschwister neckten immer
noch Justine über den unfruchtbaren Baum, aber der Baum blieb ihr
sehr lieb.
2.
Einige Jahre hatte der Baum gestanden, als Justine mit ihren
Eltern und Geschwistern an einem Sommerabende noch spat im Garten
war. „Was riecht denn hier so lieblich?" sagten die Kinder und zogen
den süßen Duft mit Wohlgefallen ein. Sie fragten den Vater, woher
der schöne Geruch käme? „Geht nur au Justinens Linde," antwortete
dieser, „da werdet ihr's sinden!" Die Kinder gingen zur Linde. Je näher
sie kamen, je lieblicher und stärker roch es. Es war Justinens Linde,
von welcher der Geruch ausging! Der junge Baum hing überall voll
Blüten; während des Tages waren die Blüten aufgebrochen, uitb jetzt
durchdufteten sie den ganzen Garten! „O mein schöner, lieber Baum!"
rief Justine entzückt; — „seht ihr, er trägt wohl auch etwas, was euch
gefüllt."
Am zweiten Tage war der Nachbar da. Justine führte ihn zu ihrem
Lindenbäumchen, und ihre Geschwister begleiteten sie. „Sehen Sie," sagte
Justine, „das ist der Baum, den Sie mir einmal geschenkt haben!" Der
Nachbar freute sich, daß der Baum schon so voll blühte. Jetzt aber hörten
die Kinder auch ein Summen und wußten nicht, woher das kommen
möchte. „Ihr wißt's nicht?" sagte der Nachbar. „Seht doch nur in den
Lindenbaum hinein!" Die Kinder sahen in den Baum. Es war eine ganze
Welt voll Bienen im Baume, die aus den Blüten den süßen Saft aus-
sogen. Den Kindern gefiel das fröhliche Leben, das Summen und Arbeiten
der kleinen Geschöpfe, und Justine wurde ihr Bäumchen noch lieber.
„Ja kommt nur, ihr lieben Bienen," rief sie, „und holt euch allen Saft
aus den Blüten; wir hören euch gern so summen!"
3.
Im nächsten Jahre, im Herbste, kam der Nachbar mit einem Teller,
auf welchem zwei Honigscheiben lagen; die Kinder sahen den Honig mit
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TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
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Extrahierte Personennamen: Eduard Eduard Christian Amalie Justine Justine Justine Justine Justine Justine