Ii. Aus Sage und Geschichte.
70. Der gehörnte Siegfried.
In den Niederlanden wohnte vor vielen hundert Jahren ein König,
mit Namen Sieghard, dessen Gemahlin einen einzigen Sohn hatte,
Siegfried geheißen.
Der Knabe Siegfried war groß und stark, gab nichts auf Vater
und Mutter, sondern dachte nur daraus, wie er ein freier Mann werden
möchte. Damit machte er seinen Eltern große Sorge. Der König hielt
mit seinen Vertranten Rat, ob man den Knaben in die Fremde ziehen
lassen könnte, damit er ein tapferer Held würde. Aber Siegfried sonnte
die Zeit nicht erwarten, bis ihn der Vater ausgestattet hatte. Er ging
ohne Urlaub davon, sein Abenteuer zu versuchen. Indern er nun durch
Gehölz und Wildnis zog, sah er ein Dorf liegen. Er richtete seine
Schritte nach demselben. Zunächst vor dem Dorfe wohnte ein Schmied;
ihn sprach Siegfried an, ob er einen Jungen oder Knecht nötig habe,
denn er hatte zwei Tage nichts gegessen und war zu Fuß eine große
Strecke gegangen. Als der Schmied sah, daß Siegfried ein wackeres
und gesundes Aussehen hatte, ließ er sichs gefallen. Er gab dem
Knaben zu essen itnb zu trinken, dessen Siegfried wohl bedurfte. Weil
es nun spät am Tage war, ließ er ihn zu Bett weisen.
Am anderen Morgen stellte er ihn als Jungen an und führte ihn zur
Arbeit, denn er wollte sehen, ob er sich auch zum Handwerk schicke. Als
er ihm aber den Hammer in die Hand gegeben, da schlug Siegfried mit
so grausamer Stärke auf das Eisen, daß dieses entzweiging und der
Amboß beinahe in die Erde sank. Der Meister erschrak darüber und
wurde ärgerlich. Er nahm den jungen Siegfried beim Haare und zausete
ihn ein wenig. Dieser aber, der solches Dinges nicht gewohnt war,
nahm den Meister beim Kragen und warf ihn auf Gottes Erdboden
nieder, daß er sich geraume Zeit nicht besinnen konnte. Sowie er aber
».Iv. n.
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67
5. Und als er ging im finstern Wald,
kam er zu einer Schmiede bald.
6. Da sab er Eisen und Stabl genug;
1 ein lustig Feuer Flammen schlug.
7. „0 Meister, liebster Meister mein,
lass du mich deinen Gesellen sein!
8. Und lehr du mich mit Fleiss und Acht,
wie man die guten Schwerter macht!“
9. Siegfried den Hammer wohl schwingen kunnt,
er schlug den Amboss in den Grund ;
10. er schlug, dass weit der Wald erklang
und alles Eisen in Stücke sprang.
11. Und von der letzten Eisenstang
macht er ein Schwert, so breit und lang:
12. ,,Nun hab ich geschmiedet ein gutes Schwert,
nun bin ich wie andre Ritter wert;
13. nun schlag ich wie ein andrer Held
die Riesen und Drachen in Wald und Feld.“
Uhland.
72. Siegfried zieht nach Worms.
Zu der Zeit, da Siegfried herangewachsen und zum Ritter ge-
schlagen worden war, herrschte zu Worms am Rheine König Günther
über das Reich der Burgunden. An seinem Hofe wuchs unter der
Pflege der Mutter die Schwester Kriemhilde zu einer Jungfrau heran,
so schon, daß in allen Landen keine schönere zu finden war, und so
züchtig, daß sie jedermann lieb hatte. Die Kunde von ihrer Schönheit
kam auch Siegfried zu Ohren, und er ward willens, um die herrliche
Maid zu werben. Begleitet von zwölf starken Helden zog er in
Worms ein. Es war keiner in der Stadt, der jemals so herrliche
Recken in so schönem Gewände und lichter Rüstung auf starken Rossen
gesehen hatte. Weil niemand wußte, woher sie kamen und wer sie
waren, schickte Günther nach seinem stärksten Ritter, Hagen von Tronje;
denn diesem waren alle fremden Reiche wohl bekannt. Er trat an das
Fenster und ließ seinen Augen nach den Gästen freien Lauf, aber sie
waren ihm fremd. Doch sprach er: „Zwar habe ich Siegfrieden in meinem
Leben nie gesehen, aber ich glaube, daß er es ist, der dort so herrlich
5*
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73
in die Hand, man solle ihn nicht eher wieder unter den Fröhlichen
treffen, als bis Kriemhildens Mann den Schimpf mit dem Leben gebüßt
habe. Von dieser Zeit an sann er auf nichts anderes, als Siegfried
zu toten. Die Helden der Bnrgunden, zuletzt auch König Günther,
stimmten dem Mordanschlage zu. Nach dem Nibelungenliede.
75. Wie Siegfried erschlagen wird.
Am vierten Morgen, nachdem die Helden einig geworden waren,
daß Siegfried sterben müsse, ritten zweiunddreißig verkleidete Bnrgunden
in Worms ein. Sie gaben sich für Boten des Sachsen- und des Dänen-
königs aus und kündeten Günther den Krieg an. Als dieser zum
Scheine sich zur Heerfahrt rüstete, versprach Siegfried, mit allen seinen
Mannen ihm zu helfen. Ehe sie anszogen, ging Hagen zu Kriemhilden,
um von ihr für die Zeit des Krieges Abschied zu nehmen. Sie bat
ihn, er möge ihren lieben Mann nicht entgelten lassen, was sie an
Brnnhilden getan, sondern als ihr Verwandter in allen Treuen ihn
beschirmen. Da sprach Hagen: „Ich will es gern tun. Nur saget mir,
wie ich Euch an Siegfried, Eurem Herrn, dienen kann." — „Ich wäre ohne
alle Sorge," antwortete Kriemhilde, „wenn er nicht so oft seinem Über-
mnte folgte. Wohl ist er tapfer und stark und bisher hat keine Waffe
im Streite ihn versehrt, weil er im Blute des Drachen sich gebadet
hat; aber als er dies tat, siel ihm zwischen die Achseln ein Lindenblatt;
so breit dies war, so breit ist er nicht hörnern. Wenn er nun ins Ge-
dränge kommt und aus den Händen der Helden mancher Speerwurf
geht, so könnte doch einer diese Stelle treffen und ihn verwunden. Da
soll deine Hand mir den Mann behüten." Hagen sprach: „So nähet
auf sein Gewand mir ein kleines Zeichen, daran ich ersehen mag, wo
ich ihn schützen muß." Arglos nähte Kriemhilde mit feiner Seide auf
Siegfrieds Gewand ein kleines Kreuz.
Als tags darauf die Helden ausritten, war Hagen froh, das Kreuz
zu sehen. Sogleich schickte er zwei seiner Mannen weit voraus. Sie
kehrten um und stellten sich, als kämen sie vom Sachsenkönige, um
Frieden zu entbieten. Statt des Kriegszuges unternahmen nun die
Recken eine große Jagd im Odenwalde. Kriemhilde wollte Siegfried
zurückhalten. „Laßt euer Jagen sein! Mir träumte diese Nacht, wie
dich zwei wilde Schweine über die Heide jagten, da wurden die Blumen
alle rot von Blut. Und zum andern Male träumte mir, wie über dir
zwei Berge zu Tal fielen, daß ich dich nicht mehr sah."
Die Jagd ging ohne Unfall zu Ende. Als die Jäger auf dem
schönen Anger sich niedergesetzt hatten, sprach Siegfried „Mich wundert
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77
so laut, daß seine Stimme wie ein Büffelhorn erhallt und die weite
Feste von ihrer Kraft erzittert. Eine Weile hört der Kampf auf, aber
er tobt um fo wütender, nachdem Dietrich mit Etzel und Kriemhilden
und 500 seiner Recken sowie auch Rüdiger von Bechlarn mit 500 Mannen
den Saal verlassen haben. Alle Hunnen, die darinnen sind, werden
erschlagen; wie Bäche strömt das Blut in den Hof.
Da läßt Kriemhilde Feuer an den Saal legen. Von einem starken
Winde angefacht, lodern die Flammen bis zum Himmel hinan. Als die
kurze Sommernacht zu Ende ist, liegen die meisten Burgunden im Qualme
erstickt, vom Feuer verbrannt oder von den herabstürzenden Balken er-
schlagen; nur 5oo sind der Not entgangen, an die Steinwände gelehnt,
hatten sie sich mit ihren Schilden gedeckt. Gegen sie bietet Kriemhilde
Rüdiger von Bechlarn auf. Sie erinnert ihn an den Eid, den er ihr vor
dreizehn Jahren geschworen hat. Treu seinem Worte, aber unter Tränen
zieht er in den Kampf gegen seine Freunde, die Burgunden. Er füllt und
mit ihm viele von Günthers Helden. Als die Goten den Leichnam Rüdigers
fordern, aber von Hagen mit Hohn zurückgewiesen werden, greifen auch
sie zu den Waffen. Der Tod ist ihrer aller Los, aber auch von den
Burgunden lebt niemand mehr als Günther und Hagen. Sie zu be-
stehen im letzten Kampfe, macht sich der mächtige Gotenkönig auf. Er
schlägt Hagen eine tiefe Wunde und führt ihn gebunden zu Kriem-
hilden. In gleicher Weise bezwingt er den König Günther. „Hehre
Königstochter," spricht Dietrich, „so gute Helden, wie ich sie in Eure Hand
gebracht habe, sah man niemals als Geiseln. Lasset meine Freund-
schaft den Heimatlosen zugute kommen und schenket ihnen das Leben!"
Solches versprach Kriemhilde. Sie ging zu Hagen in den Kerker. „Ihr
sollt lebendig heim zu den Burgunden kommen," sprach sie, „wenn Ihr
mir wiedergeben wollt, was Ihr mir genommen habt." Hagen erwiderte:
„Eure Rede ist verloren. Ich habe geschworen, niemandem den Schatz
zu zeigen, solange noch einer meiner Herren am Leben ist." — „Ich will
die Sache zu Ende bringen," versetzt das Weib. Sie läßt dem Bruder
das Haupt abschlagen und bringt es bei den Haaren zu Hagen. Als
dieser trüben Mutes seines Herrn Haupt erblickt, ruft er aus: „Nun
weiß niemand den Hort als Gott und ich allein; dir aber, grimmes
Weib, soll er stets verborgen bleiben." — „Hab ich den Schatz nicht," spricht
sie, „so hab ich doch das Schwert, das mein lieber Siegfried zuletzt ge-
tragen hat." Sie zieht es aus der Scheide, und wie sie gelobt hat:
Ich will dich an dem Mörder rächen! so geschieht es. Sie schwingt
das Schwert und schlägt ihm den Kopf ab. Da sprach des Goten-
königs Waffenmeister: „Es soll ihr nicht zugute kommen, daß sie ihn
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gefangen und nur gegen hohes Lösegeld freigegeben wurden. Der
Handel der Städte lag ganz danieder, und das Volk war verarmt,
zumal mehrere Mißernten verbunden mit Hungersnot, das Land heim-
gesucht hatten.
Am 14. Dezember 1289 hielt Kaiser Rudolf seinen feierlichen
Einzug in Erfurt, von Rittern, Geistlichen und Bürgern freudig be-
grüßt. Schon in den nächsten Tagen ließ er 29 Räuber, welche sich
in der Umgegend von Ilmenau festgesetzt hatten, gefangen nehmen und
vor den Toren von Erfurt enthaupten. Im März 1290 sandte er
seine Ritter mit den Bürgern von Erfurt und thüringischem Volke aus,
um die Burgen der Räuber und Landfriedensbrecher zu erobern. Nicht
weniger als 66 derartige Raubnester wurden in kurzer Zeit zerstört,
und noch heute zeugt manche Ruine auf Bergeshöhen von dem tat-
kräftigen Handeln Kaiser Rudolfs. Dann richtete er den Landfrieden
auf und verhängte die Acht über jeden, der diesen Frieden brechen
würde.
Fast ein Jahr hielt Rudolf in Erfurt Hof und versammelte hier
die meisten geistlichen und weltlichen Fürsten um sich. So glanzvolle
Tage hat die Stadt Jahrhunderte hindurch nicht wieder gesehen. Das
Volk aber verehrte den Kaiser wegen seiner Gerechtigkeit und erzählte
viele Geschichten von seinem leutseligen Wesen. Erst im November 1290
verließ er Erfurt. Nach O. Dobenecker.
113. Kaiser Rudolfs Ritt zum Grabe.
1. Auf der Burg zu Germersheim,
stark am Geist, am Leibe schwach,
sitzt der greise Kaiser Rudolf,
spielend das gewohnte Schach.
2. Und er spricht: „Ihr guten Meister,
Ärzte, sagt mir ohne Zagen:
Wann aus dem zerbrochnen Leib
wird der Geist zu Gott getragen?"
3. Und die Meister sprechen: „Herr,
wohl noch heut erscheint die Stunde!"
Freundlich lächelnd spricht der Greis:
„Meister, Dank für diese Kunde!" —
4. „Auf nach Speyer! auf nach
Speyer!"
ruft er, als das Spiel geendet,
„wo so mancher deutsche Held
liegt begraben, sei's vollendet!
5. Blast die Hörner! Bringt das Roß,
das mich oft zur Schlacht getragen!"
Zaudernd stehn die Diener alst
doch er ruft: „Folgt ohne Zagen!"
6. Und das Schlachtroß wird gebracht.
„Nicht zum Kampf, zum ewgen
Frieden,"
spricht er, „trage, treuer Freund,
jetzt den Herrn, den lebensmüden!"
7. Weinend steht der Diener Schar,
als der Greis auf hohem Rosse,
rechts und links ein Kapellan,
zieht, halb Leich, ans seinem Schlosse.
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Extrahierte Personennamen: Rudolf Rudolf Rudolfs Rudolf Rudolf Rudolfs Rudolf Rudolf
Ha
selbst war dieser Meinung und trug fast zu spät die wertvollsten Sachen
des heiligen Gallus in die Burg. Die Feinde zogen nicht gesammelt,
sondern brachen in Schwärmen über Städte und Dörfer, weil niemand
widerstand, raubten und brannten ans und sprangen unerwartet gegen
Sorglose, wo sie gerade wollten. Auch in den Wäldern lagen ihrer
zuweilen hundert oder auch weniger, um hervorzubrechen. Nur der
Rauch und der rote Feuerschein am Himmel verrieten, wo gerade die
Haufen waren.
Es war aber damals unter den Unsern ein recht einfältiger und
närrischer Bruder, dessen Rede und Tun oft belacht wurde, mit Namen
Heribald. Ihn mahnten die Brüder, als sie nach der Burg flohen, daß
auch er fliehe. Er aber sprach: „Meinetwegen fliehe, wer will; ich aber
werde niemals fliehen, denn mir hat der Kämmerer in diesem Jahre
kein Leder zu Schuhen gegeben." Da ihn aber die Brüder in der letzten
Not mit Gewalt zwingen wollten, mit ihnen zu weichen, so sträubte er
sich sehr und erklärte, niemals den Weg zu machen, wenn ihm nicht
sein jährliches Leder in die Hand gegeben würde. Und so erwartete
er furchtlos die eindringenden Ungarn. Endlich flohen fast zu spät die
Brüder mit anderen Zweiflern, durch den Schreckensruf gescheucht: „Die
Feinde dringen heran." Heribald aber spazierte müßig aus und ab.
Da brachen die köchertragenden Ungarn ein, mit Wurfspeer und Lanze
drohend. Eifrig suchten sie überall, kein Geschlecht oder Alter hatte auf
Erbarmen zu hoffen. Da fanden sie den Bruder allein, der furchtlos
in ihrer Mitte stand. Sie wunderten sich, was er hier wolle und warum
er nicht geflohen war. Die Führer befahlen den Mördern, seiner noch
mit dem Eisen zu schonen, und fragten ihn durch Dolmetscher; und als
sie merkten, daß er ein großer Narr war, schonten sie lachend seiner.
Endlich fragten sie den Narren, wo der Schatz des Klosters biege. Er
führte sie rüstig zu dem verborgenen Türlein des Schatzhauses, sie er-
brachen es, fanden aber darin nur Leuchter und vergoldete Kronleuchter,
welche die Eiligen bei der Flucht zurückgelassen hatten, und gaben
Heribald Ohrfeigen, weil er sie getäuscht hatte. Zwei von ihnen bestiegen
den Glockenturm, denn sie hielten den Hahn auf der Spitze für golden.
Und als sich einer weit vorbeugte, um ihn mit der Lanze abzustoßen,
fiel er von der Höhe in den Vorhof und kam um. Der andere stieg
ans den Gipfel der östlichen Zinne, fiel rückwärts herunter und ward
ganz zerschmettert. Diese beiden verbrannten sie, wie Heribald später
erzählte, zwischen bcn Türpfosten, und obgleich der flammende Scheiter-
haufen den Türbalken und die Decke heftig ergriff und mehrere von
ihnen um die Wette mit Stangen den Brand schürten, vermochten sie
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255
Was braust dort im Thale die laute Schlacht?
Was schlagen die Schwerter zusammen?
Wildherzige Reiter schlagen die Schlacht,
Und der Funke der Freiheit ist glühend erwacht
Und lodert in blutigen Flammen.
Und wenn ihr die schwarzen Reiter fragt:
Das ist Lützow's wilde verwegene Jagd.
Wer scheidet dort röchelnd vom Sonnenlicht,
Unter winselnde Feinde gebettet?
Es zuckt der Tod aus dem Angesicht,
Doch die wackern Herzen erzittern nicht,
Das Vaterland ist ja gerettet.
Und wenn ihr die schwarzen Gefallenen fragt:
Das war Lützow's wilde verwegene Jagd.
Die wilde Jagd und die deutsche Jagd
Auf Henkersblut und Tyrannen!
Drum die ihr uns liebt, nicht geweint und geklagt;
Das Land ist ja frei, und der Morgen tagt,
Wenn wir's auch nur sterbend gewannen!
Und von Enkeln zu Enkeln sei's nachgesagt:
Das war Lützow's wilde verwegene Jagd.
263. Die Schlacht hei Leipzig.
16.-19. Oktober 1813.
Es ist Sonnabend den 16. Oktober 1813 um die Mittagszeit.
In Leipzig heisst es, die Verbündeten seien vollständig geschlagen,
ihrer 40,000 gefangen. Die französische Garde marschirt auf und
ruft ihr Hoch auf den Kaiser; die Leibgrenadiere des Königs von
Sachsen halten vor seiner Wohnung Parade ab; rauschende Ja-
nitscharenmusik spielt, während draussen die Geschütze Tod und
Verderben speien. Es ist gegen 4 Uhr. Da sprengt ein von Na-
poleon an den König von Sachsen abgeschickter Bote in die Stadt
mit einem wehenden weissen Tuche und unter dem beständigen
Buse: Sieg! Sieg! Es schlägt von den Thürmen 4 Uhr, und
gleich darauf läuten alle Glocken Leipzigs den Sieg ein. Napoleon
hatte den Verbündeten alle Vortheile, welche sie im Laufe des
Vormittags erstritten hatten, mit furchtbaren Schlägen wieder ent-
rissen. Eben hatte sein linker Flügel den Kolmberg genommen,
sein rechter war im Vorrücken begriffen, und mit 12,000 Beitern
sollte auf die Mitte der Verbündeten ein Stoss ausgeführt werden,
wie er noch nicht da gewesen war „Die Welt dreht sich noch
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Die
Deutsche Keschichte
in der
Volksschule.
Urparalionen und Entwrfe nach Grundstzen der neueren Pdagogik
> *
fr dag 38. Zchnljahr .
Veq^<m'
bearbeitet von
Pichard Irihsche,
Brgerschullehrer.
iisp
I Teil:
Don ilmitt bis zum Augsburger Nekigionsfrieden.
Georg-Eckert-lnstftist
fr internationale
Schulbuchforschung Leitsatz.
. Denn wer nur das Vergangene recht mannt,
Braunschweig Wird auch das Gegenwrtige durchschauen:
Er wird getrost mit doppelt sichrer Hand Schulbuchbibliothek Ilm groen Bau der Zukunft bauen." r0^~~
j-d Sshui
3 a> --- -'
Attcnburg 1893.
Verlagshaudlung H. A. Pierer.
Ml
irne,,
(il win. pr/
Sr"om, tr/
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Patroklus von Hektors Hand gefallen war, da verga er allen Groll und dachte nur auf Rache. Er strmte hinaus in die Schlacht, und viele tapfere Troer sanken, von seinem Speere ge-ttoffen. Er aber suchte nur den Hektor, der ihm den ganzen Tag auswich. Erst am Abend traf er ihn, aber Hektor ergriff die Flucht. Dreimal jagte ihn Achilleus um die Stadt herum endlich bl:eb Hektor stehen und rief: Nicht lnger entfliehe ich dir. Mein Herz treibt mich, dir Stand zu halten; aber zuvor la uns schworen, da der Steger den Getteten nicht mihandeln wolle." Doch Achilleus wollte davon nichts wissen und schlenderte den Speer nach ihm, da derselbe weit der ihn weg in den Sand flog. Hektor fhrte nun einen gewaltigen Sto 'gegen den Schild Achills, doch der Speer prallte ab. Er wollte mit dem Schwerte Wetter kmpfen, aber Achill ergriff den Speer und stie ihm den-selben durch die Kehle, da er zu Boden sank. Sterbend flehte chn der Held nochmals an, er mchte seinen Leichnam nach Troja senden, aber Achill kannte kein Erbarmen. Er durchstach ihm die Sehnen des Fues, zog einen Riemen hindurch, band ihn an seinen Streitwagen und schleifte ihn der das Gefilde nach dem Lager, wo er ihn den Hunden zur Speise liegen lie. Dann ver-anstaltete er dem Patroklus zu Ehren ein feierliches Leichenbe-gngnis. Mit dem Leichnam desselben zugleich wurden zwlf ge-fangene Trojaner verbrannt, die Achill ihm zu Ehren geopfert hatte. Darauf folgten Festspiele; die Asche des Patroklus aber wurde in emer goldenen Urne beigesetzt, und in der Nacht schleifte Achilleus noch dreimal den Leichnam des Hektor um das Grab.
Priamus und die anderen Troer, die von der Mauer herab den Tod Hektors mit angesehen hatten, brachen in laute Klage aus; der greise König aber konnte die Schmach seines Sohnes nicht ertragen. Mit reichen Geschenken kam er in der Nacht in das Zelt des Achilleus, warf sich ihm zu Fen und flehte ihn um Rckgabe des Toten an. Des eigenen Vaters gedenkend mge er sich seiner erbarmen. Die Bitten des Greises rhrten das Herz des Achilleus. Er gab ihm den Leichnam zurck und entlie ihn, nachdem er sich durch Speise und Trank erquickt und durch Schlaf gestrkt hatte, am Morgen aus dem Lager. Neun Tage lang trauerten die Troer um den gefallenen Helden, und am zehnten wurde er feierlich bestattet. Auch den Achill ereilte bald darauf das Verhngnis. Paris, der ihm nie im offenen Kampfe zu begegnen gewagt htte, ttete ihn von ferne durch einen Pfeilschu.
1184 9. Eroberung Trojas. 1184. Endlich wurde Troja durch eine von Odysseus ersonnene List erobert. Die Griechen bauten nmlich ein groes hlzernes Pferd, in welchem jener sich mit den Tapfersten bewaffnet verbarg, und segelten dann zum Scheine fort. Die Troer zogen das Pferd in die Stadt, obgleich Lakoon, der Priester des Apoll, sie warnte, und ob-gleich des Priamus Tochter Kafsandra Unheil weissagte. Bei Nacht kamen nun die im Pferde Verborgenen hervor, ffneten
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schwärzlicher Farbe, bald größer, bald kleiner, hier und da noch Wohl er-
halten, meistens aber in lauter Scherben zerbrochen. Gewöhnlich stehen sie
zu den Füßen oder zu den Häuptern der Begrabenen. Die großen, meint
man, haben zur Aufbewahrung der Asche und der vom Brande übrig geblie-
benen Knochen gedient; in den kleinen scheint man Speise und Trank auf-
gehoben zu haben, welche die Verstorbenen auf ihrer Reise in das Todten-
land als Wegzehrung brauchen sollten. Von Schmucksachen hat man Arm-
ringe aus Bronze, einer Verbindung von Kupfer und Zinn, und kupferne
Schmucknadeln gefunden, von Hausgeräthen Messer aus Feuer- und Schie-
ferstein, von Waffen steinerne Streithämmer und Pfeilspitzen von Erz oder
Feuerstein, nirgends aber eine Spur von Eisen und eisernen Sachen, so daß
die Errichtung dieser Hügel in eine Zeit fallen muß, in welcher das Eisen
und seine Bearbeitung unseren Vorfahren noch ganz unbekannt gewesen ist.
Die Art und Weise, in welcher die alten Deutschen ihre Todten be-
gruben, hängt genau mit den Vorstellungen zusammen, welche sie sich von
dem Leben nach dem Tode machten. Alle Braven und im ehrlichen Kampfe
Gefallenen kamen nach Walhalla, einer großen, schönen Stadt mit 548 Tho-
ren. In ihrer Mitte steht ein glänzender Goldpalast, der bis in die Wolken
reicht. Täglich reiten die Helden hinaus vor die Thore der Stadt und
haben ihre Freude an großen Kämpfen. Sie durchbohren sich mit den
Spießen, spalten sich die Köpfe und hauen so gewaltig aufeinander los, daß
Arme und Beine umherfliegen. Ist der Kampf zu Ende, so holt sich jeder
seinen Arm oder sein Bein oder seinen halben Kopf wieder, und alle reiten
gesund und munter nach Walhalla zurück. Hier ergötzen sie sich an dem
festlichen Mahle, bei welchem aus den Hörnern des Ur und aus den Schädeln
der auf Erden erschlagenen Feinde Meth getrunken und das Fleisch eines
riesigen Ebers gegessen wird, an welchem das Beste ist, daß über Nacht
alles wieder an- und nachwächst, was bei dem Mahle von ihm abge-
schnitten wurde.
Auf den Steinen und Kreuzen der Christengräber lesen wir den einen
oder den anderen Bibelspruch. Was steht in unsichtbarer und doch leserlicher
Schrift auf diesen Hünengräbern? Alles Fleisch ist wie Heu und alle Herr-
lichkeit der Menschen wie des Grases Blume, und: Christus hat dem Tode
die Macht genommen und Leben und unvergängliches Wesen an das Licht
gebracht, und: Herr lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß
wir klug werden.
299. Wie die Leute in unserem Lande Christen geworden sind.
Ungefähr sechs hundert Jahre nach Christi Geburt zogen sich die Deut-
schen aus dem Landstriche zwischen Saale und Elbe zurück. Derselbe wurde
von den Wenden in Besitz genommen, einem Slawischen Volksstamme,
von welchem wahrscheinlich die Bauern im Ostkreise abstammen. Die
Wenden waren, wie die alten Deutschen, Heiden. Einer ihrer vornehmsten
Götter war Zernebog, der schwarze Gott, von welchem alles Übel und alle
Sünde in der Welt herrührt, der Herr der Finsterniß; an ihn erinnern noch
heute die Dörfer Zschernitzsch bei Altenburg und bei Schmölln. Swan-
tewit war der Gott des Glückes und der Fruchtbarkeit, sein Bild hatte vier
Köpfe und sein Zeichen war ein großes Horn voll Meth, nach ihm ist das
Dorf Schwanditz benannt. Der Gott der Sonne und des Krieges war
Radegast. Die Brust dieses Götzen bedeckte ein Schild, auf welchem sich
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