§ 130. Die Kinder und ihre Erziehung.
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solches in dasjenige der Venus Libitina (Totengöttin) und bei Anlegung der toga virilis eines in den Tempelschatz der luventus zu geben, woraus man vielleicht auf den Stand der Bevölkerung schlofs. Erst Kaiser Mark Aurel verordnete, dafs der Vater eines Neugeborenen innerhalb 30 Tagen die Geburt im Ärar des Saturn melde (profiteri, professio), worauf ein amtlicher Eintrag erfolgte; in den Provinzen geschah die Meldung bei den tabularii pub-hci (Archivbeamten). Diese Listen hiefsen tabularia populi. Seit Julius Cäsar wurden die Geburten vornehmer Kinder auch im „römischen Tagblatt“ (acta populi diurna) veröffentlicht.
2. Erziehung. Das römische Kind erhielt seine Erziehung durchaus nur im elterlichen Hause, und zwar fiel der Mutter der Hauptteil der körperlichen und geistigen Erziehung zu. Ammen (nutrices) wurden erst in der Kaiserzeit allgemein. Die echte mütterliche Erziehung nennt Tacitus dial, de or. c. 28 ,in gremio et sinu mo.tris educari‘ im Gegensatz zu ,in cella emptae nutricisi und er schildert, wie in der bessern Zeit die Mutter ,sanctitate quadam ac verecundia‘ über die Spiele und Erholungen der Kinder v achte und ihren höchsten Ruhm (jjraecipua laus) darein setzte, das Haus zu besorgen und der Erziehung der Kinder obzuliegen. Erst später wurde die Erziehung besonders griechischen Gouvernanten, gewöhnlich Sklavinnen, überlassen (Tcic. 1. c. c. 29: at nunc natus infans delegatur Graeculae alicui ancillae). Überhaupt kannte man vor der Kaiserzeit fast nur Privaterziehung. Der Staat bekümmerte sich durchaus nicht um Erziehung oder Schule. „Die Römer,“ sagt Cic. republ. 4, 2, „haben gewollt, dafs die Erziehung weder durch Gesetze bestimmt und geregelt werde, noch dafs man sie öffentlich und einförmig für alle gleich ein-lichte. Die Mutter leitete nicht blofs die körperlichen Beschäftigungen, Erholungen und Spiele, sondern lehrte die Kinder anständiges Benehmen gegen das Alter, Ehrfurcht (pietas) gegen die Götter, strenge Sitte und Zucht in Wort und Betragen, Mäfsigkeit und Einfachheit (frugalitas), so dafs, wie Tacitus an obiger Stelle "w eitei sagt, die echte, wahre und unverdorbene Kindesseele sich gerne den guten Künsten (bonis artibus) weihte. Der Mutter fiel also recht eigentlich der religiös-sittliche Teil der Erziehung zu, und es mufste ihr Einflufs bei der ehrfurchtgebietenden Stellung, welche die mater familias einnahm, mächtig auf die jugendlichen Gemüter wirken.
Nicht selten indes vertrat auch eine ältere Verwandte die Stelle der
Mutter (aliqua maior natu propinqua, cuius probitati spectatisque moribus
omnis eiusdem familiae soboles committeretur, coram qua neque dicere fas
erat, quod turpe dictu neque facere, quod inhonestum factu videretur Tac a. a. St.).
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266
§ 130. Die Kinder und ihre Erziehung.
Der Vater dagegen nahm den heranwachsenden Knaben mit zur Feldarbeit und lehrte ihn allerlei Hantierungen, wohl auch reiten, schwimmen, die Waffen handhaben, führte ihn zu geselligen Zusammenkünften und aufs Forum und erteilte in älterer Zeit ebenso den ersten Unterricht im Schreiben, Lesen, Rechnen, so gut er vermochte (Cic. rep. 1, 22; 2, 21. Tac. ann. 6, 15). Xoch Cicero zog es vor, seine Kinder selbst zu unterrichten (ad Attic. 8, 4; ad Quint, fr. 2, 13), wie auch Atticus von seinem Tater in allen Zweigen der Jugendbildung unterrichtet wurde (Cornel. Nep. Att. 1), vor allen aber der alte Cato.
In der ganzen älteren Erziehung herrschte die praktische Richtung vor; der Knabe sollte ein in Haus und Staat brauchbarer Mann, also ein verständiger Hausvater und guter Bürger werden. Alle guten Eigenschaften lagen dem Römer in der virtus und der frugalitas: jenes charakterisiert den wahren Staatsbürger, dies den wahren, biedern Hausvater. Beide Tugenden aber zeigte der Mann, wenn er tauglich war für Ackerbau und Krieg; daher alles Erziehen und Lehren auf beides abzielte und darin war — suus cui-que parens pro magistro (Plin. ep. 8, 14); dies die severa patris disciplina {Tac. ann. 6, 15). Öfters wurden die Kinder, vor allem die Knaben, bei des Vaters Bruder (patruus) erzogen. Im ganzen war die Erziehung rauh und auf Abhärtung gerichtet, eine Erziehung, die Horaz so gerne zurückgerufen hätte 1; nicht zu reden von der strengen Gesinnung Kalos, der mit ,parsimonia, duritia et industria — in agro colendo, saxis Sabinis, silicibus repasti-nandis atque conserendis‘ seine Jugend hinbrachte.
Höher jedoch noch stellte man die Sittlichkeit bei den Kindern, weswegen alles vermieden wurde, wtas ihnen sittlichen Anstofs geben könnte; es galt der Grundsatz, den Juvenal (14, 45) aufstellte 2. — Einen besondern Teil der häuslichen Belehrung bildete auch die Erzählung ruhmvoller Thaten der römischen Vorzeit. Nicht nur wurde bei Tische, wo die Knaben ihren Platz hatten,
Sed rusticorum mascula militum Proles Sabellis docta ligonibus Versare glebas et severae Matris ad arbitrium recisos . . .
Od. Iii. 6, 37.
Nil dictu foedum visuque haec limina tangat,
Intra quae puer est ....
Maxima debetur puero reverentia. Si quid Turpe paras, ne tu pueri contempseris annos.
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336
161. Die Dichter des silbernen Zeitalters.
hinter jenem zurück. Sein Heldengedicht hat darum wenig poetischen Wert.
6. P. Papinius Statius (41—96), aus Neapel, schrieb aufser den Epen Achilleis (unvollendet) und Thebais (12 Bücher), 32 Gelegenheitsgedichte, Silvae betitelt, auf Todesfälle, Geburten, Abschiede u. s. w., worin er hohe dichterische Begabung verrät.
7. P. Calpurnius Siculus, dichtete zur Zeit Neros 7 eclogae in der Weise Theokrits und Yergils nicht ohne Geschick und mit manchen anmutigen Schilderungen.
Diese Zeit brachte noch drei Satiriker hervor: Persius, Iuve-nal und Petr on und den Epigrammatiker Martial.
8. A. Persius Flaccus (34—62), aus Yolaterrä in Etrurien. A on edler Gesinnung und in der stoischen Schule gebildet, war er erbittert über die Sittenlosigkeit seiner Zeit und griff wie Lu-cilius und Horaz zur Satire. Erhalten sind sechs Satiren, die indes eher rhetorisierende Abhandlungen über Selbsterkenntnis, über die Freiheit des Weisen u. s. w. in gebundener Form genannt werden müssen. Persius war im Mittelalter wegen seines sittlichen Charakters viel gelesen.
9. Dec. lumus Iuvenalis (42—120), aus Aquinum, der begabteste Satiriker der Kaiserzeit. Er lebte und starb wahrscheinlich in Verbannung. Hinterlassen sind 16 Satiren in 5 Büchern, in denen er seiner sittlichen Entrüstung über die Laster seiner Zeit offen die Zügel schiefsen läfst. Er besitzt ein bedeutendes Dichtertalent, überschreitet aber alle Schranken in der Freiheit seiner Sittenmalerei.
10. Petronius Arbiter (vielleicht der Tac. ann. 16, 17 sq. genannte Vertraute Neros) verfafste einen satirischen Sittenroman: Satiricon libri Xx, wovon aber nur gröfsere Fragmente erhalten sind, die Geist und Witz, aber auch die Gesinnung eines vollendeten Epikureers verraten. Er schildert mit grellen Farben die Verkommenheit der damaligen Gesellschaft.
11. M. Valerius Martialis (40—102), aus Bilbilis in Spanien, lebte lange in Rom und ist ein Dichter von sehr grofser Bega-bung, voll Leben, Geist und Witz, aber von niedriger Gesinnung. Erhalten sind 14 Bücher Epigramme, teils in elegischem Mafse, teils in Jamben und Hendekasyllaben; dazu ein liber spectaculorum. An Formgewandtheit kommt er den besten römischen Dichtern, selbst einem Ovid, nahe; seine Sinngedichte sind unerschöpflich an Witz, aber auch frivol und abstossend durch Kriecherei gegen die Kaiser.
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66
Sprichwotte sinnreich ausgesprochen fände. ■— Gerade in dem
Denken und Verhalten, welches sich im Leben und Treiben am
öftersten wiederholt, erzeigt sich das Sprichwort am tiefsten,
witzigsten, bilderreichsten. — Wie mancher moderne Denker hat,
ohne es zu wissen, der Sprichwörter gediegenes Gold nur zu
Schaumgold verarbeitet oder seinen Mantel damit aufgeputzt.
Es gehet ungesehen und unbeachtet gar sehr viel Weisheit und
Klugheit im Lande umher von Mund zu Munde.
Jetzt nun gehört es zum Wesen des Sprichworts, daß es
im Munde des Volks und im Jdeenkreise desselben lebt, sich
eines unvertilgbaren Ansehens erfreut und sich vor aller anderer
Lehrweisheit auszeichnet durch gelstreiche Kürze, gescheidten In-
halt, alterthümliche Würde und durch jene selbstbewußte Ent-
schiedenheit, welche ihm noch von seiner hohen Geburt her eigen
ist. Denn jedes Sprichwort ist nur ein Ausdruck dessen, was
sich durch viele Fälle bewährt gefunden hat. Daher tritt es
auch nicht als Lehre, sondern als Rath und Erfahrung
auf, ist witzig, vielseitig, deutungsreich, und, wie man zu sagen
pflegt, hat's hinter den Ohren.
Wie an seinen angeerbten Sagen, sehen wir das Volk
auch an seinen Sprichwörtern unverbrüchlich hangen, die ihm
immer in rechter Nähe bleiben und sich allen seinen vertrautesten
Begriffen anschließen. Niemals können sie ihm langweilig wer-
den, weil sie ihm kein eitles Spiel sind, das man einmal wieder
fahren läßt, sondern ein Nothwendiges, das mit ins Haus
gehört, sich von selbst versteht und nicht anders, als mit einer
gewissen, zu allen rechtschaffenen Dingen nöthigen, Andacht beim
rechten Anlaß zur Sprache kommt.
Das Sprichwort ist voll Geist und Gemüth. Nichts ist
ihm fremd, was den Menschen betrifft. Es nimmt an Allem
Theil, nicht ohne bewunderungswürdigen Scharfsinn und mit tiefer
Empfindung. Es mischt sich in alle menschliche Händel, bringt
alles zur Sprache, sieht überall nach dem Rechten. — Wie
ein Echo der Geisterwelt thut es sich den weit auf der Erde
verbreiteten Völkern kund, daß sie sich geistig verschwistert
erkennnen. —
Vor ihm ist, wie vor dem echten Gesetz, Alles gleich; jeder
Stand, jeder Glaube, jede Klugheit und Einfalt, kurz Alles
wird von ihm gleich derb, kurz und gut, neckisch und rund her-
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77
armer Knabe hatte er fein Geschäft mit zwei Gulden angefangen.
Er war ein Sohn Israels im edelsten Sinne des Worts: ohne
Falsch, fromm im Glauben ferner Väter, ein echter Mensch.
Nie vergesse ich das offene, redliche, freie Blicken seines schönen,
großen Auges, welches erlittene Unbill nie getrübt hat.
15. Borgen macht Sorgen. Hüte dich vor Borgen, so
schläfst du ohne Sorgen. Viel Borgen verdirbt den Credit.
Wer gern borgt, bezahlt nicht gern. Wer gern borgt, lügt
gern.
Borgen hat eine Stiefmutter, die heißt: Verkauf dein
Gut; die hat eine Tochter, die heißt: Gib's wohlfeil;
die hat einen Bruder, der heißt: Zum Thor hinaus.
Borgen ist eine harte Strafe der Unmäßigkeit. Plutarch. - -
Borgen zum Wohlleben ist Eins; Borgen aber zum
Geschäft ist ein Anderes. Jenes ist toll, nichtswürdig, ja schänd-
licher denn stehlen, wenn man voraus weiß, daß man nicht wie-
derbezahlen kann. — Borgest du aber, um dem Geschäft
zu fördern, in deiner Thätigkeit mehr Stoff und Raum zu
gewinnen, so ist dieß Borgen ehrenwerth; denn es facht deinen
Fleiß an, daß du mit dem Erborgten zwanzig fachen Zins
gewinnest. — Dieses Borgen macht heilsame Sorgen, und
die scheue nicht.
41. Fortsetzung.
15. a. Geld jagt die Welt. Geld regiert die Welt. Geld
behält das Feld. Geld ist Meister. —- Geld ist ein Mann,
der's kann. Was sott Geld, das nicht wandert durch die Welt.
Geld gehört der Welt. — Geld verdirbt die Welt. Geld
macht Schälke. Geld hat Manchen an den Galgen gebracht.
Geld jchließt auch die Hölle auf — (auch den Himmel?) Man
muß dem Gelde gebieten, nicht dienen.
Unser Geld, wenn wir
Nicht seiner Meister sind, ist über uns,
klnd zieht das Seil, woran's gezogen werden sollte. Horaz.
Das Geld, zu rechter Zeit veracht'!,
Hat groß Gewinnen schon gebracht.
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115
Der Selbstsüchtige hat keinen Freund, und kann keinen haben,
weil Niemand vor ihm sicher ist. — Die Menge der Stolzen
ist deßhalb so groß, weil aller Stolz aus der Eigenliebe fließt.
— Die Kindheit und das Alter kommen mir gleich ehrwürdig
vor; jene, weil sie so eben erst aus den Händen Gottes zu
kommen scheint; dieses, weil es dahin zurückkehrt. Jacobs. —
Der Wille soll unsern Einsichten unterworfen sein, weil wir
Nichts ohne Grund wollen können. -— Viele herrschen,
weil sie nicht regieren können. Seume. — Menschlich
sind eure Gefühle gegen Andere selbst dann noch nicht, wenn
ihr zwar mitleidig und gütig, zwar nachgiebig und
freundlich verfahret, aber nicht aus Grundsatz, sondern aus
Weichherzigkeit; nicht weil es Pflicht ist, sondern weil ihr euch
von jedem Eindrücke überwältigen lasset; nicht weil ihr mit
Überlegung handelt, sondern weil ihr Schwächlinge seid, aus
denen man machen kann, was man will. Reinhard. — Weil
nichts Bestehendes vollkommen ist, so ist das höchste Darstell-
bare der Fortschritt. Dahlmann.
6. Da Gott das Leben gegeben, so wird er auch das
dazu Nöthige geben.
6. Man heizt den Ofen nur, damit er wieder wärme. —
Gott hat die Geheimnisse der Zukunft für den Menschen in
undurchdringliche Schatten gelegt, damit der Raupe in ihrer
Hülle wohl sei. Pestalozzi.
Etwas fürchten und hoffen und sorgen
Muß der Mensch für den kommenden Morgen,
Daß er die Schwere des Schicksals ertrage
Und das ermüdende Gleichmaß der Tage,
Und mit erfrischenden Windesweben
Kräuselnd bewege daö stockende Leben. Schiller.
Man muß die Tugend üben, um sie zu kennen. Enthülle
nie auf unedle Art die Schwächen deiner Nebenmenschen, um
dich zu erheben! Ziehe nicht ihre Fehler und Verirrungen an
das Tageslicht, um auf ihre Kosten zu schimmern. Knigge. —
Lebe, um zu lernen, lerne, um zu leben. Vom Himmel müssen
wir das Licht erlangen, um unser Geschlecht zu humanisiren, um
zu den höheren Zuständen der Bildung die verborgenen Pfade
zu finden. — Wir sterben, um zu leben. Hölderlin.
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5g5
benachbarten Völkern erschollen, also daß sorichwortsweise
Holsten Lowe, d. L der Holsteiner Treu und Glauben
pflegte angezogen zu werden. Sonsten seien die jetzigen Hol-
steiner wie gemeinlich die Ost-Sachsen natura grsves, ernsthafte,
gravitätische Leute, und dannenhero zu wichtigen Geschäften so
geschickt als einige andere Nation in Teutschland; sie halten sich
nett und reinlich, lieben ausländischen Habit, und die Weiber
halten gemeinlich viel auf allerlei schönen Hausrath." Der
mir Holstein so sehr vertraute Statistiker Hansen bemerkt in
seiner Vorlesung: „Die Holsteiner sind von ruhiger Haltung,
< sinnig, derbe und kräftig, mehr Verstandes- als Gefühlsmenschen,
selbstständig im Denken und Handeln, und daher fremden Wor-
ten und Werken nicht leicht zugänglich. Vor allen gebührt
ihnen das Lob der treuherzigen und biedern Gesinnung, daher
sie auch mit Recht die Deutschen unter den Deutschen
genannt worden sind. — Die Dithmarscher haben sich
durch ihre Vaterlands- und Freiheitsliebe, ihre außerordentliche
Thätigkeit und ihr politisches Leben einen unvergänglichen ge-
schichtlichen Ruhm erworben, und erinnern noch jetzt in manchen
Zügen an ihre Vorfahren. Sie lieben noch immer ihr Land
und ihre Verfassung mit fast provinzieller Abgeschlossenheit. —
Die Probsteier sind ein eigener, fester, kerniger Menschen-
schlag von offenem Wesen, lebenslustig, .Kraft in Mienen und
Gang verrathend, und unermüdet thätig, mit Einsicht ihr Land
bebauend und für geistige Bildung empfänglich."
Die Volkszahl des Herzogthums ist im Vergleich mit den nahe
liegenden übrigen deutschen Staaten ziemlich bedeutend, und betrug nach
der Zählung im I. 1810: 455.093 — (im I. 1769 etwa 278,963 und
im I. 1803: 325,748), so daß fast 3000 Menschen auf der Quadrat-
meile wohnen (im I. 1800 reichlich 2000.) Der sandige Mittelrückeu
des Landes ist natürlich am wenigsten bewohnt, die Ostsee am stärksten.
In der Wilstcr-Marsch wohnen 3500, im Amte Rethwisch 3900, im
Amte Cronshagen 3700 und im Amte Cismar 3200 Menschen auf der
Quadratmcile. Die Bevölkerung ist also sehr im Zunehmen, und ver-
mehrte sich jährlich um fast 8000 Menschen.
Holstcin's Zeichen und Sinnbild oder Wappen ist ein mit der
Spitze nach unten gekehrtes Ncsselblatt in rothem Felde, an jeder
der drei Ecken mit einem silbernen Nagel. Es stammt von den alten
holsteinischen Landesherren her, den Grafen zu Schauenburg, deren
Stammburg wahrscheinlich aus dem Nesselbcrgc lag. Auffallend ift's,
daß die Gestalt des Wappens zugleich ein Ab- und'ansdruck der Ge-
stalt Holstcin's zu sein scheint. — Später wurde zum Andenken an den
Kreuzzug Adolf 111. das Neffelblatt mit 3 silbernen Nägeln vom
Kreuze Christi verziert. Stormarn's Wappen führt einen silbernen
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Extrahierte Personennamen: Holsten_Lowe Hansen Adolf
Extrahierte Ortsnamen: Holstein Ostsee Wilstcr-Marsch Christi
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das Resultat, gleichsam der Nationalschatz des beobachtenden
Menschen- und Volksverstandes. — Wie jeder Mensch, so
hat auch jedes Volk seinen eigenen Genius; diesen repräsen-
tiren die Sprichwörter in ihrer Gesammtheit.
Man schreibt: „Sprich-" und „ Spruch werter," beides
nicht ohne guten Grund; ersteres, insofern sie im Munde des
Volks sind, während „ Sprüchwörter" mehr auf die Herkunft
deutet, da sie dem Volke zuerst als Sprüche zukamen.
Die Sprichwörter rühmen sich des ältesten, ja eines gött-
lichen Ursprungs; ihr Geschlechtsregister beginnt mit den Ora-
kel n oder göttlichen Offenbarungen durch den Mund
der Dichter, Weisen, Patriarchen, Könige, Sibyllen und Pro-
pheten. — Als Kinder aller Zeiren und aller Stände stehen sie
dem Heute so nahe wie dem grauen Alterthume, dem Fürsten
so nahe wie dem Sonnenbruder; sie sprositen und sprießen plötz-
lich auf bei guter Gelegenheit; selten nur weiß man, wo und
wann zuerst? — Die ältesten sind indeß Aussprüche jener ural-
ten Weisen, welche von ihren Zeitgenossen für Söhne der Göt-
ter und Götter-Vertraute gehalten wurden. Die Weisheit der
alten Welt theilte nämlich die Früchte ihres Nachdenkens lange
Zeit hindurch nur in solchen einfachen Sprüchen mit. Jeder
Ausspruch eines klaren Bewußtseins, eines tiefen Verstandes,
treffenden Witzes, welcher entweder Aufschluß gab über das, was
man bisher nur gedankenlos geübt hatte, oder welcher eine Re-
gel für das ganze Leben darbot, ward ohne weiteres Hinzuthun
zum Sprichwort. — Einer sah, hörte, fühlte, dachte, sprach;
sein Nachbar fühlte, dachte mit und sprach's auch, und so ward's
ein Wort in aller Leute Munde, ein Sprichwort.
Im Anfang waren sie die weltregierende Dynastie; als
Kernaussprüche einer zur Lebensweisheit veredelten Erfahrung,
regierten sie lange Zeit die sich ihnen willig unterwerfenden Völ-
ker. Während sie noch allein regierten und die Weisheit noch
nicht aus dem Leben in die Speculation geflüchtet war, beglückte
die von der Nachwelt so selig gepriesene goldene Zeit:
die Menschen gehorchten, in Einfalt und Unschuld, nur der
Väter Weisheit; des göttlich erachteten Sängers Lied, der
Weijen Svruch galten als Gesetz, und vererbten sich als hei-
liges Gut auf die Nachwelt.
Schwerlich möchte das tiefste Denken in dieser Richtung
etwas ersinnen können, was sich nicht schon in irgend einem
5
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so rastlos, wie für das „ freiheitswürdige Volk. — Alle Par-
teiung scheint ihm ein Übel; nur Einigkeit, so lehrt es, sichert
das Glück der Völker in alle Wege. — So große Ehrfurcht
das Sprichwort vor dem Gesetze hat, so greulich ist ihm die
ewige Gesetzgeberei, da man das Recht am Ende vor lauter
Gesetzen nicht mehr sieht; es hat sich ihm nun schon seit Jahr-
tausenden bewährt: „Je mehr Gesetz, je mehr Sünde. >•
Dem Haushalt widmet das Sprichwort die lebhafteste
Theilnahme; es versteht sich trefflich auf Erziehung der Kinder,
auf Ordnung und Recht in Betracht des Gesindes, in Küche
und Keller, Stall und Scheuer. Es weiß aus dem Grunde,
daß Ordnung haushalten hilft, daß des Herrn Auge das Pferd
und des Herrn Fuß den Acker am besten in Stand erhält; daß
die Magd, je wie die Frau, thätig ist oder faul; und daß
Sparen ein großer Zoll ist. Es erinnert gern daran, daß Frau
Sparmunde dem Herrn Wohlleben schon öfter das ver-
schuldete Haus abgekauft hat, und daß nur Sanct Halrzurath
im Stande ist, den Sanct Mildgeber auf die Dauer bei
guter Lust und Kraft in seinem schönen Wirken zu erhalten.
Im geselligen Leben erweiset sich das Sprichwort eben
so unterhaltend als belehrend; es ist freilich zuweilen etwas nase-
weis, vorlaut, oft spitzig; allein im Ganzen ist es redlich, arglos
im Umgänge, behutsam, treu, beständig in der Freundschaft und
nie geschwätzig. Auf seine Menschenkenntnis; kann man sich ziemlich
verlassen, denn es hat überschwängliche Erfahrung. — So
kurz angebunden es auch meistens ist, verdirbt es doch kein
Spiel und hält überall auf das rechte Maß, emfiehlt sehr
die Höflichkeit gegen Jedermann und geht mit dem Hut in der
Hand durchs ganze Land, unangefochten und wohlgelitten, indem
es nicht etwa seine Weisheit auskramr, sondern es trefflich ver-
steht, zu rechter Zeit auch närrisch zu sein, ja sogar auch, wenn
es sein muß, mit den Wölfen zu heulen. — In der äußern
Tracht sieht das Sprichwort vorzüglich auf Reinlichkeit, Gemäch-
lichkeit und Landessitte. „Schlecht und recht" ist ihm am liebsten.
So erweiset das Sprichwort sich ungemein nützlich und
brauchbar: es lehr't praktische Lebensweisheit klar und deutlich,
wie ein immer gegenwärtiger, allseitig gebildeter Freund, der
ohne viel Hin- und Herfackelns den Nagel gleich auf den Kopf
trifft, und der über Manches Aufschluß „gibt, wovon die Ge-
lehrten und Lehrbücher schweigen. — Überhaupt aber erweiset
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gelobt und geschmeichelt. Manche hält man für fett und sind
nur geschwollen. Höfliche Worte vermögen viel und kosten wenig.
— Genus; mit Andern erhebt und begeistert. Herder. — Die
Hoffnung stärkt und erhebt den Muth und bahnet zu Thaten
den Weg. Ders. — Die Sonne des wahren Christenthums
leuchtet und erwärmt. Ders. — Die moralische Kraft eines
Volkes ersetzt oder erhöhet die physische. Ders. — Für die Un-
abhängigkeit seines Daseins lebt und stirbt ein freies Volk.
I. v. Müller. — Selten wird das Treffliche gefunden, sel-
tener geschätzt. Göthc- — Gegen euch seid immer streng und
fest. Herder. —
44.
c. Die Sprache ist eine wundervolle und kostbare Gabe
des Himmels. — Gerade die besten und zuverlässigsten, die ehr-
würdigsten Menschen haben nicht immer die vortheilhafteste
Außenseite. Reinhard. — Die Besserung unsres Herzensund
Lebens ist unter allen Umständen die unerläßlichste. Ders. —
Krankheiten, besonders langwierige, sind Lehrjahre der Lebens-
kunst und der Gemüthsbildung. Novalis. — Die ganze Na-
tur durchdringt ein Geist der ehrwürdigsten Weisheit, Güte und
Milde. Wirth. — Ehre in jedem Menschen den Liebling
Gottes und Christi. Lavater. — Es lebt ein Gott zu strafen
und zu rächen. Schiller.—
d. Der Fuchs ändert den Balg und behält den Schalk.
Der Wolf ändert das Haar und bleibt wie er war. Traue
nicht den lachenden Wirthen und den weinenden Bettlern.
Neuen Freunden und einem alten Hause ist nicht wohl zu trauen.
Gott, Eltern und Lehrer kann man nicht Gleiches vergelten.
Die Eigenliebe gebiert die Eitelkeit, den Hochmuth, den Stolz,
die Hoffart und die Aufgeblasenheit. Zimmermann. — Die
Natur bedachte nicht nur unsere Bedürfnisse, sondern auch unsere
Freuden. Krnmmacher. — Die zweifache Natur des Menschen
bezeichnet von der einen Seite die innige Verwandtschaft des Men-
schen mit Gott, von der andern seinen großen Abstand und seine Ab-
hängigkeit von demselben. Ders. — Bei den verwickelten Gän-
gen des Schicksals weiß man weder Zweck noch Ziel. — Mit
seltner Kunst flichtst du der Götter Rath und deine Wünsche
klug in Eins zusammen. Göthe. —
6. Am Euphrat und Nil zeigten sich die ersten kultivirten
Reiche. Pölitz. — Nur im Schoße der Gesellschaft, nur in
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