1893 -
Altona
: Uflacker
- Autor: Ehlers, Hans
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Regionen (OPAC): Hamburg
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
— 57 —
114034 kommen. Ovelgönne zählt 533, Othmarschen 937
und Bahrenfeld 2203 Einwohner. (Für die Schüler genügen
abgerundete Zahlen).
In den Dörfern sind die Häuser klein und liegen zer-
streut; in der Stadt sind sie groß und stattlich und liegen
nahe beieinander in geraden Reihen. Manche Häuser in
den Dörfern haben Strohdächer. Solche Bedachung kommt in
der Stadt nicht vor; nur im Stadtteil Ottensen giebt es noch
mehrere alte Häuser mit Strohdach. Dies kommt daher, daß
Ottensen noch vor mehreren Jahrzehnten ein Dorf war. (S. 43).
Die Hauptbeschäftigungen der Dorfbewohner, der
ländlichen Bevölkerung, sind Ackerbau und Viehzucht. Soll
der Ackerbau gedeihen, so ist dreierlei erforderlich: fruchtbarer
Boden, hinreichende Feuchtigkeit und genügende Wärme. Der
Sandboden des Höhenzuges nördlich von Bahrenfeld ist zu
trocken, um Getreide erzeugen zu können. Das übrige Gebiet
vou Bahrenfeld und Othmarschen ist guter Ackerboden, der
reiche Ernten liefert; daher der Wohlstand der Bewohner dieser
Dörfer. Wo der Ackerbau blüht, da wird auch Viehzucht
getrieben; am besten gedeiht diese in solchen Gegenden, wo sich
viel Wiesenland findet, wie in Othmarschen.
Von den Bewohnern der Stadt gehören viele dein Beamten-
stände an (Bürgermeister, Senatoren, Post-, Eisenbahn-, Zoll-
beamte, Prediger, Lehrer u. s. w.). Andere bereiten und ver-
fertigen aus dem, was die Erde hervorbringt (aus den
Produkten der Erde) vielerlei Gegenstände. Aus dem Ge-
treide mahlt der Müller das Mehl; aus diesem bereitet der
Bäcker das Brot. Die Haut des Rindes wird vom Gerber
zu Leder verarbeitet, und aus diesem verfertigt der Schuh-
macher das Fußzeug und der Sattler andere Lederwaren.
Tischler, Zimmerleute, Maurer, Töpfer, Schmiede, Schlosser
u. s. w. Die Thätigkeiten aller dieser Leute bezeichnet man
als Gewerbe. Wenn sie bloß mit den Händen oder mit
Hülfe einfacher Werkzeuge verrichtet werden, so nennt man
das Gewerbe ein Handwerk. Werden jedoch Maschinen da-
1843 -
Altona
: Schlüter
- Autor: Burgwardt, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
107
56. Die Krone des Alters.
Wen der Schöpfer ehrt, warum sollen den nicht auch die
Menschen ehren? Auf des Verständigen und Tugendhaften
Haupte ist graues Haar eine schöne Krone.
Drei Greise feierten zusammen ihr Jubelfest und erzählten
ihren Kindern, woher sie so alt geworden. Der Eine, ein Leh-
rer und Priester, sprach: „Nie kümmerte mich, wenn ich zu
lehren ausging, die Länge des Weges, nie schritt ich anmaßend
über die Häupter der Jugend hinweg, und hob die Hände nie
auf zum Segnen, ohne daß ich wirklich segnete und Gott lobte;
darum bin ich so alt geworden." Der Andere, ein Kaufmann,
sagte: „Nie habe ich mich mit meines Nächsten Schaden be-
reichert; nie ist sein Fluch mit mir zu Bette gegangen; darum
hat mir Gott die Jahre geschenkt." Der Dritte, ein Richter
des Volkes, sprach: „Nie nahm ich Geschenke; nie bestand ich
starr auf meinem Sinn; im Schwersten suchte ich mich jederzeit
zuerst zu überwinden; darum hat mich Gott mit einem Alter
gesegnet." — Da traten ihre Söhne und Enkel zu ihnen, küß-
ten ihre Hände und kränzten ihr Haupt mit Blumen, llnb
die Väter segneten sie und sprachen:
„Wie Euere Jugend, sei auch Euer Alter! Eure Kinder
seien Euch, was Ihr uns seid: auf unserm greisen Haare eine
blühende Rosenkrone."
Das Alter ist eine schöne Krone; man findet sie nur auf
dem Wege der Mäßigkeit, der Gerechtigkeit und Weisheit!
Herder.
57. Die Pfeife.
Als ich ein Knabe von sieben Jahren war, füllten mir einst,
an einem Feiertage, meine Verwandten die Taschen mit Kupfer-
münze.- Ich wußte nun nichts eiliger zu thun, als damit nach
einem Kaufladen zu gehen, wo man Kinderspielwaaren verkaufte.
Schon auf dem Wege dahin begegnete ich aber einem andern
Knaben mit einer Pfeife, deren Ton mir so wohl gefiel, daß ich
ihm freiwillig all' mein Geld dafür bot. Vergnügt über mei-
nen Handel eilte ich wieder heim, und durchzog pfeifend das
ganze Haus, denn meine Pfeife machte mir eben so viele Freude,
als ich damit die ganze Familie belästigte. Als meine Brüder,
Schwestern, Vettern und Basen von meinem Handel hörten.
1843 -
Altona
: Schlüter
- Autor: Burgwardt, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
373
möge seiner Schwere abwärts senke. Er blch't aus und bildet
auf diese Weise einen länglich runden Körper — eine Blase —
dem er durch Schwenken in der Luft, wie durch Hin- und
Herrollen auf einer Marmorplatte beliebige Formen zu geben
vermag. Darauf wird das in so weit fertige Glas, das noch
lange heisi und verarbeitbar bleibt, durch mancherlei Werkzeuge,
z. B. durch Haken, Zangen, Scheeren rc. in eine gefällige
Gestalt gebracht und von allen Ansätzen und Unregelmäßigkeiten
befreit. So werden Flaschen, Gläser, Fensterglas und selbst
kleine Spiegel geblasen. Der Flasche gibt man einen stachen
oder hohlen Boden, jenachdem man sie auf ein Eisenblech oder
auf einen eisernen Kegel aufdrückt. Die Gläser mit verzierten
Rändern, wie sehr künstliche Glaswaaren überhaupt, werden in
hiezu verfertigten eisernen und thönernen Formen gebildet. Die
Vertiefungen in manchen Trinkgläsern drückt man mit einem
Eisen ein. Die Kelchgläser werden aus drei Theilen zusammen-
gesetzt: aus dem Fuße, aus dem Stiele und Halse und aus
dem Glase. Die schlangenförmigen Windungen in dem Fuße
mancher Gläser entstehen durch Ziehen und Blasen. Die Taschen-
uhrengläser werden mit einem glühenden Eisen aus hohlen Glas-
kugeln geschnitten. — Auch das Tafelglas (zu Fenstern rc.)
machr man aus hohlen, durch das Blasen entstandenen walzen-
oder birnförmigen Tuten, welche mit einem glühenden Eisen
im Streckofen der Länge nach aufgeschnitten und zu Tafeln
ausgebreitet werden. — Das geformte Glas darf nicht an der
freien Luft erkalten, weil es sonst sehr spröde werden und beim
schnellen Wechsel von Hitze und Kälte leicht zerbrechen würde.
Man bringt es daher in einen mäßig geheizten verschlossenen
Ofen, den Kühlofen, und läßt diesen mit dem Glase nach
und nach kalt werden. — Das Spiegelglas ist das reinste und
feinste Tafelglas. Die Bereitung desselben erfordert große Sorg-
falt, und die größeren und besseren Spiegel werden nicht ge-
blasen, sondern gegossen. Man gießt nämlich die geschmolzene
Glasmasse auf eine metallene, durch untergelegte Kohlen zuvor
erwärmte, mit messingenen Leisten eingefaßte Platten, rollt sie
mit einer heißen, metallenen Walze, um sie zu ebnen, und
bringt sie dann in den Kühlofen. Ist sie hier gehörig abgekühlt,
so wird die Tafel, weil sie noch nicht eben und blank genug
ist, geschliffen und polirt. Zum Schleifen nimmt man feinen
Sand und Schmirgel, streut diesen zwischen zwei auf einander
gelegten Tafeln und reibt diese über einander ab. Um die ge-
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Altona
: Schlüter
- Autor: Burgwardt, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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übertreffen, nur mit Erstaunen ansehen können. Die einen kommen vom
Felde mit Materialen und Verrathen beladen, während die andern ans-
fliegen, um dergleichen zu sammeln, und noch andere da drinnen schal-
ten und walten und bauen. Und höher steigt die Bewunderung, wenn
man sie in ihren Stöcken selbst beobachtet, 'ihre Waben, ihre Arbeiten,
wann sie ausruhen, Ketten bilden, indem die eine mit ihren Vorder-
süßen sich an den Hintertheil der andern hängt, wobei man kaum be-
greifen kann, wie die obere im Stande ist, die vielen unter ihr hängen-
den zu tragen, ohne los zu lassen.
Will man aber den Arbeiten zusehen, so muß man statt der Bie-
nenstöcke aus 4 Brettern oder statt der glockenförmigen Bienenkörbe aus
Weiden oder Stroh Glasfenster anbringen, worauf man erst in der
neuern Zeit gekommen ist.
Die meiste Zeit des Jahres wird man nur einerlei Bienen in der
Beschäftigung wahrnehmen, nämlich die sogenanntenarbeitsbienen;
zu Zeiten steht man aber größere mit dickerem und runderem Kopfe, die
sogenannten Drohnen, weil sie lauter summen als die andern. Es
sind Männchen, welche man nur vom Anfang Mai bis Ende Juli be-
merkt, aber in viel kleinerer Zahl, als die Arbeitsbienen. Die Arbeits-
bienen haben keine andere Bestimmung, als nur Honig und Wachs ein-
zutragen und die Zellen zu bauen. Man wußte schon seit alten Zeiten,
daß in den Stöcken eine größere Biene vorkommt, welche man den
Bienenkönig oder Weisel nannte; es ist aber ein Weibchen, und daher
die Königin des Stocks, die alle Eier legt, woraus die verschiedenen
Bienen kommen. Die Königin ist weit länger als die andern, und be-
sonders ragt der Hinterleib bis zur Hälfte über die Flügel hervor;
sie ist übrigens immer dünner als die Drohnen und gleicht an Gestalt
den Arbeitsbienen.
Die Bienen sammeln die Wachsmaterie bloß in den Blumen, nur
im Vlüthenstaub, womit man auch die Bienen oft bedeckt sieht. Wenn
sich die Biene in einer Blume herumtummelt, so bleibt zwischen den
blättrigen Haaren der Blüthenstaub hängen, so daß sie säst unkenntlich
dadurch wird; dann bürstet sie sich mit ihren Füßen ab und bringt ihn
in die Körbchen an den Hinterfüßen in der Gestalt von dicken, länglichen
Ballen, welche man Höschen nennt. Sie bringt den Staub von den
vordem auf die mittleren Füße und von diesen auf die hintern mit
einer Geschwindigkeit, fast wie ein Taschenspieler. Auf dieselbe Weise
sammeln sie auf andern Pflanzentheilen eine harzige Materie, was
ihnen aber mehr Mühe macht. Auch diese Harzballen werden mit den
Füßchen in das Körbchen gebracht. Die Höschen sind meistens gelb;
cs gibt aber auch rothe, weißliche und selbst grüne, weil cs solchen
Bluthenstaub gibt. Im Mai sammeln sie den ganzen Tag, im heißen
Juni und Juli aber nur bis 10 Uhr.
Außerdem sammeln sie noch Honig aus den sogenannten Honig-
drüsen und Honigbehältern der Blumen, verschlucken denselben und tra-
gen ihn nach Hause, in welchem Falle sie ohne Höschen ankommen.
Solche dürfen daher nicht für faul gehalten werden. Zum Sammeln
des Honigs bedienen sie sich des Säugrüssels. (Nach Oken.)
Daö Bienchen ist in vieler Hinsicht ein Lehrmeister für uns.
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- Autor: Burgwardt, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Hörst du die Glocken läuten? Hast du den Kukkuk schon
rufen hören?
Zur Übung im richtigen Sprechen und Schreiben.
Den Menschen achten, den Vcrräthcr ächten, den Edlen adeln,
das Vergehen ahnden (tadeln, rügen, strafen), das Unglück ahnen,
den Furchtsamen ängstigen (ängsten) —:
angeln, äußern, backen, baden, bannen, bauen, befestigen, beginnen,
beißen, beizen, beichten, bergen, berichten, berichtigen, beschwichtigen,
bestatten, bestechen, bestellen, betrachten, beneiden, beschneiden, betrü-
gen, bewegen, beugen, biegen, bieten, billigen, binden, blenden, braten,
brauchen, brauen, brechen, brennen, bringen, büßen, decken, dehnen,
denken, deute», dichten, dingen, dörren, drängen, drechseln, drehen,
dreschen, drücken, drucken, dulden, ehren, empfangen, empfehlen,
empfinden, engen, beengen, erweitern, erküren, erkiesen, erwägen,
entern, erben, erndtcn, essen, anfachen, fahren, fällen, falten, sangen,
färben, fassen, fegen, feilen, fertigen, fesseln, finden, flechten, flicken,
fliehen, folgern, foltern, fordern, fördern, formen, fressen, freuen,
erfreuen, erfrischen, fühlen, führen, füllen, furchen, futtern, füttern,gängeln,
gerben, gätcn, gebrauchen, gefährden, geißeln, geleiten, begleiten,
genießen, gestalten, gewahren, gewinnen, gießen, glauben, graben,
greifen, grüßen, gürten, halten, hängen, Haschen, haspeln, hassen,
hauen, heben, hecheln, heften, heißen, heischen, heizen, henken, her-
zen, Hetzen, hobeln, erhöhen, hoffen, höhnen, holen, hören, hudeln,
hüten, iinpfen, jagen, kappen, kauen, kaufen, kehren, keilen, keltern,
kennen, kerben, ketten, kitten, kitzeln, klemmen, knacken, knebeln, kneifen,
kneten, knicken, knüpfen, kochen, ködern, kräftigen, kratzen, kreuzigen,
kriegen (erhalten, bekommen), kritzeln, krümeln, kühlen, kündigen,
kürzen, küssen, laben, laden, lassen, lähmen, lästern, läugnen, läutern,
lagern, lecken, leeren, legen, lehnen, lehren, leiden, leihen, leimen,
leiten, lenken, letzen (kühlen), lieben, lindern, loben, locken, lockern,
löschen, lösen, löthcn, lüften, machen, mähen, malen, mahlen, mäßi-
gen, mästen, martern, meiden, melken, merken, messen, metzeln,
miethen, mildern, mindern, mischen, misten, morden, mustern, nähen,
nähren, nageln, nagen, narren, naschen, nehmen, nennen, nöthigen,
nutzen (nützen), ordnen, packen, peinigen, pfeffern, pflastern, pflegen,
plündern, polstern, preisen, prellen, pressen, prüfen, prügeln, putzen,
quälen, quetschen, rädern, räuchern, rechtfertigen, reiben, reimen, rei-
nigen, reißen, richten, riechen, pachten, pfänden, pflanzen, pflücken,
pflügen, pfropfen, rösten, rollen, rücken, rühmen, rühren, ründen, rütteln,
rufen, rupfen, rünzeln, säen, sägen, sättigen, säubern, saufen, säugen,
saugen, säuern, sagen, salben, salzen, sammeln, satteln, schaben,
schälen, schänden, schärfen, schätzen, schauen, schaffen, schüren, scheuen,
scheuchen, scheuern, scheiden, schicken, schieben, schießen, schinden, schlach-
ten. schlagen, schleifen, schleppen, schleudern, schlichten, schließen,
schlingen, schlucken, schlürfen, schmähen, schmälern, schmecken, schmelzen,
schmieden, schmieren, schminken, schmücken, schnallen, schneiden,
schnitzen, schnüren, schärfen, schrauben, schreiben, schürzen, schütteln,
1843 -
Altona
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- Autor: Burgwardt, Heinrich
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
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- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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75. Mutter und Kind auf dem Jahrmarkt.
Kind. 0, sieh, Mutter, den schönen Schrein, mit Gold ver-
ziert und Elfenbein, von köstlichem Holze, so glatt und nett! Ach,
wer doch so ein Kästchen hätt'!
Mutter. Von reichem Geräthe kein Glück uns kommt.
Was ist es, das endlich den Menschen frommt? Von allen Bäu-
men, der Wälder Stolz, nur wenig Bretter von schlechtem Holz,
draus zimmert der Tod uns den letzten Schrein, und schließt die
vergänglichen Wünsche ein.
K. Ach, Mutter, die schönen Gewänder schau! eins rosen-
rotst, eins himmelblau! Wer solche Kleider tragen könnt', dem
wär' wol ein schönes Glück gegönnt!
M. Das Glück wohnt tief in des Herzens Grund, den
Leib umflattern die Bänder bunt; nichts haben Gewand und Seele
gemein, drum können Gewänder kein Glück verleihn.
K. Zn jenem Gewölbe schimmert es fein von Perlen und
köstlichem Edelstein; solch Halsgeschmeide zur Festtagszier, das
wünscht' ich vor allen Dingen mir!
M. Mein Kindlein, kennst du die Sage noch nicht, die uns
vom Ursprung der Perle spricht? Der Unschuld Thränen auf
Erden geweint, die sind zu Perlen und Demant versteint; und der
Rubinen funkelnde Gluth entstand aus schmählich vergossenem
Blut. Es birgt die Fabel wol tiefen Sinn, d'rum wünsche dir
nimmer Perl' und Rubin!
K. Sieh' dorthin, Mutter, den schönen Pokal, die zier-
lichen Becher von Hellem Kristall; wär'einer der niedlichen Becher
mein, dann schmeckte Wasser besser als Wein.
M. Ein Wassertrank aus geringem Thon ist Himmels-
gabe dem Durstigen schon. Am Kreuze schmachtete sterbend der
Herr, er wollte trinken, ihn dürstete sehr. Die Mörder reichten
den Schwamm ihm hin, mit bitterem Wermuth und Essig drin.
— Wer lebt auf Erden, der solches hört und noch eines reichen
Bechers begehrt?
K. Was aber, Mutter, kaufst du mir wol? Von schönen
Dingen ist Alles voll; es glänzt und winket mir nah und fern,
und Etwas hätt' ich doch, gar zu gern.
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- Autor: Burgwardt, Heinrich
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- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Und ging es gleich damit langsam, so kamen doch nach Monaten
ansehnliche Bündel unvermerkt znsammen.
Im Herbste nun gar gabs für die drei Knaben vollauf zu thun.
Wo es erlaubt war, suchten sie das wilde Obst zusammen,
woraus verständige Haushaltungen Essig, Most und andere nütz-
liche Sachen bereiteten; im Walde suchten sie eine außerordent-
liche Menge von Samen der Eichen, Buchen, Hagebuchen,
Birken, Erlen, Ulmen und dergleichen zusammen, der ihnen von
den Oberförstern und Samenhändlern theuer bezahlt ward, lin-
ter den wilden Kastanienbäumen lasen sie die Kastanien in ihre
Säcke auf, ließen sie in einer Mühle mahlen, wo man sie zwar
auslachte, weil der Müller meinte, sie wollten das Mehl von
diesen bittern Kastanien essen, die kein Thier und kein Mensch
genießen mag; aber die kleinen Söhne des Hansjörg ließen den
Müller lachen und verkauften ihr Kastanienmehl schön an die
Buchbinder, Tapezierer und andere Handwerker zu Kleister und
Pappe. — Und wenn es nichts zu thun gab, so wuchsen doch
nach einem warmen Regen Pilze und Schwämme für die
Leckermäuler in der Stadt, oder es gab Moos zu scharren, an.
der Sonne wohl auszudörren, und an die Kaufleute zum Packen,
zum Sesselausstopfen und anderen Dinge zu verhandeln.
Im Winter beschäftigten sich die Kleinen damit, Besen zu
binden, aus Weidenruthen zierliche Körbe zu flechten, oder alte
auszubessern, oder von Stroh Teller und Körblein zu flechten
(darin war der alte Hansjörg Meister), oder Sessel zu flechten.
Genug, das Haus des armen Mannes, bei welchem Hans-
jörg wohnte, war wie ein großes Magazin von allerlei Zeug,
daß es kaum Platz hatte. Denn die Knaben schleppten alle
Tage, die Gott werden ließ, von links und rechts zusammen,
wie die kleinen Vögel, welche sich ein frisches 8?est bauen wol-
len. Sie wurden nach und nach mit ihren Kaafleuten immer
bekannter, wußten, wie man die Waaren am liebsten hatte und
wurden dabei immer geschickter.
Als nun das Jahr zu Ende war, rechnete der Vater Hanssörg
zusammen, und siehe, es ergab sich, daß die drei Knaben etwas
mehr als einen Batzen des Tags zusammen gearbeitet hatten;
denn in der Kasse lagen von allem Verkauften, wobei es dann
und wann von den Herren in der Stadl noch ein artiges Trink-
geld gegeben hatte, hundert und vier Gulden, drei und zwanzig
Kreuzer.
1843 -
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zwei gesunde Arme, geh' und schaff! — Du, Veit, bist elf
Jahre alt, hast zwei gesunde Beine, lauf' nach deinem Brot!
Da riefen Alle verwundert: Vater, wo sollen wir Brot
suchen, ohne es zu betteln?"
Hansjörg antwortete und sprach: „Ob wir gleich in der
Welt nicht eigen Haus und Hof haben, eigen Wald und Gär-
ten, so fällt doch Manches hin, was Keinem gehört und was
Keiner will, und daraus machet Geld. Ich will's euch lehren, denn
viele Hundert verstehen dieß Kunststück nicht. Und wenn ihr
euch damit Geld erworben habt, so sammelt es und verzehrt es
nicht. Bringet ihr es nur erst dahin, daß ihr alle Tage ge-
gessen und getrunken habt, und alle Tage nur einen Batzen
erübriget von eurem Verdienste, so hat Jeder von euch in einem
Jahre schon vier und zwanzig Gulden gewonnen. In zehn
Jahren sind das schon zweihundert und vierzig Gulden."
Darauf führte Hansjörg seine drei Söhne durch Dorf und
Stadt und Feld und Wald.
Er ließ sie alle große Beine und Knochen sammeln, die
weggeworfen waren, und an geschickte Dreher verkaufen, die der-
gleichen zu mancherlei verarbeiteten. Desgleichen lasen sie alles
alte Glas in große Säcke zusammen, und verkauften es an die
Glaser. Im Sommer brachten sie große Päcke von gesammel-
ten Wachholderbeeren, Salbei, Rosenblättern, Hollunderblüthen
u. dergl. in die Apotheke und wurden schön bezahlt, und bekamen
frische Bestellung. Alle Kuhhaare sammelten sie und Roßhaare,
wo solche zu finden waren. Hatten sie einen Haufen beisam-
men, so trugen sie die Kuhhaare zu den Tapezierern, die Roß-
haare zu den Sattlern, Stuhl- und Wagenmachern, und das
Alles brachte Geld ein, und war doch nur im Vorbeigehen —
außer der Schulzeit — gesammelt. Ebenso suchten sie Schweins-
borsten zusammen für Bürstenbinder, alles Gedärme von geschlach-
tetem Vieh, so sie fleißig auswuschen, trockneten und den Sai-
tenmachern brachten, die dergleichen gern kauften. Wo man ihnen
Asche gab, schleppten sie solche zusammen. Da waren denn immer
Seifensieder und andere Handwerker, die dieselbe gern hatten.
— Wollene und leinene Lumpen hoben sie sorgfältig auf, je
größer ihr Haufen war, den sie an den Papierer verkauften, je
dicker schossen die Batzen aus dessen Taschen hervor. — Ja,
keine Feder, die zur Bettfeder taugte, keine Feder aus einem
Gansflügel, die zur Schreibfeder taugte, durfte verloren gehen.
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daran, und fragte mit lauter Stimme: „Wohnt hier im Dorfe
der Herr Hans Georg Schmid?«
Die Bauern verwunderten sich und sprachen: „Za freilich,
er trinkt sein Schöppli unter der alten Linde."
Da drehte der Bediente das Roß um, und schnell wieder
zurück im vollen Galopp, llnb die Bauern gingen alle zum
Hansjörg, und erzählten, was sie gehört und gesehen, und mie-
then hin und her, was es bedeuten könne?
Siehe, da kamen zwei prächtige Kutschen in's Dorf und
hielten vor der Wohnung des alten Hansjörg still. Dann stiegen
drei junge Herren und zwei schöne Frauenzimmer in reichen Klei-
dern heraus, und Alle fielen mit offenen Armen an den Hals
des alten Hansjörge, der nicht wußte, wie ihm geschah. „Va-
ter! kennt ihr uns nicht?" rief der Älteste, „ich bin Euer
Peter, und dermalen ein Specerei- und Gewürzhändler in
Warschau, und dieses Frauenzimmer ist meine Frau!"
Darauf sprach der zweite Herr: „Und ich bin Euer Ga-
briel, und dieß ist meine Frau, und ich habe bisher großen Korn-
handel in Warschau getrieben. — Nachher sprach der Dritte:
„Und ich bin Euer Veit und komme aus Ostindien, wohin ich
dreimal mit allerlei Waaren reis'te; ich habe aus den Zei-
tungen den Aufenthalt meiner Brüder erfahren, und mir ein
Landgut bei Warschau gekauft. Nun kommen wir und wollen
Euch mit uns nehmen, und Euer im Alter pflegen."
Da weinte der graue Hansjörg Freudenthränen am Halse
seiner vielgeliebten Kinder, und segnete sie und ihre Weiber.
„Za," riefen die Söhne: „Ihr müßt bei uns wohnen; denn
Euch nur sind wir unser Glück schuldig. Hättet Ihr uns nicht
gelehrt, Moos und Lumpen, Knochen und Haare, Kräuter und
Federn, Baumsamen und Rosenblätter und dergleichen sammeln
und benutzen: so wären wir noch heute arme Bettler. Aber
wir haben Euren Spruch uns oft vorgebetet, wenn's uns sauer
ward:
Bettelb rot ist bitt're Noth;
Diebesbrot bringt Galgentod,
Aber Arbeit segnet Gott!
und dann gings!" Also sprachen die frommen Söhne, und
nahmen ihren hochbeglückten Vater mit sich, und vermachten
das Geld, so er beim Kaufmann hatte, an die Gemeindekasse
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schliffene Tafel zu poliren, bestreut man sie erst mit feingerrebe-
nem Bolus, geschlämmtem Lrippel, auch mit Zinnasche, und
reibt sie sodann mittelst eines mit Filz überzogenen Brettchens.
Nun fehlt aber der Glastafel, um Spiegel zu sein, noch die
Folie. Man nimmt deßhalb eine dünne, zinnerne Platte
(Staniel, Blattzinn), glättet sie auf einem steinernen
Tische, schüttet Quecksilber darauf, welches sich mit dem Zinne
vereinigt (amalgamirt) und legt dann die Glastafel darauf,
die man mit Gewichten, Stein- oder Metallplatten — beschwert.
In 24 Stunden hat sich die Folie an dem Glase festgesetzt —
die Tafel ist foli irt. Hierauf gibt man dem Tische eine schiefe
Lage, damit das überflüssige Quecksilber ablaufe, nimmt sodann
den Spiegel heraus und faßt ihn in einen Rahmen.
Zch glaube Dir nun das Wichtigste über die Glasbereitung
mitgetheilt zu haben, und ich würde mich sehr freuen, wenn
Dich meine Beschreibung nicht gelangweilt hat. Besuchst Du
mich während der nahe bevorstehenden Ferien, so wollen wir
einen Spaziergang nach der Glashütte machen, was Dir gewiß
sehr angenehm sein wird.
Es grüßt Dich Dein
treuer Fritz.
191. Das Buch der Natur.
Wir sind jetzt in der Morgenröthe des künftigen Lebens,
denn wir fangen an, wiederum zu erlangen die Erkenntniß der
Creaturen. Jetzt sehen wir die Creaturen gar recht an, mehr
denn im Pabstthum. Wir beginnen, von Gottes Gnaden, seine
herrlichen Werke und Wunder auch aus den Blümlein zu erken-
nen, wenn wir bedenken, wie allmächtig und gütig Gott sei;
darum loben und preisen wir und danken wir ihm. In seinen
Creaturen erkennen wir die Macht seines Wortes, wie gewaltig
es sei. Da er sprach, so stand es da. ,,Gott redet andere Worte,
denn wir Menschen. Jedes Geschöpf ist ein ausgesprochenes Wort
Gottes.^ Auch in einem Psirsichkern: derselbige, obwol seine Schale
sehr hart ist, doch muß sie sich zu seiner Zeit aufthun, durch den
sehr weichen Kern, so drinnen ist. Viele achten dieß nicht und
sehen die Creaturen an, wie die Kühe das neue Thor.
Luther. (Tischreden.)
Mögen die Menschen demüthig und mit Ehrfurcht das
Buch der Creaturen aufschlagen, in dasselbe ausdauernd sich ver- %