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Zustände des deutschen Volkes
Von nicht geringer Bedeutung für das bürgerliche Leben war auch das Fortleben der Singschulen, in denen der Meistergesang weiter gepflegt wurde. Diese Vereine von schlichten Bürgern und Handwerkern haben das unbestreitbare Verdienst, daß sich die Bewohner der Städte in jener Zeit sehr vor dem rohen und zum Teil zuchtlosen Adel auszeichneten. Jeder Meistersänger war zum frommen, sittlichen Leben, zu strengster Rechtlichkeit verpflichtet, und es ist natürlich, daß, jemehr das Ansehen der Genossenschaft zunahm, desto größer auch der Einfluß ihres reinen Lebens auf ihre Mitbürger werden mußte. Auch auf die geistige Bildung der Städte wirkte die Genossenschaft vorteilhaft, die Beschäftigung mit der Kunst, war sie auch noch so handwerksmäßig, mußte den schlichten Handwerker geistig erheben, seinen Verstand schärfen und vor allen ihn für höhere Verhältnisse des Lebens empfänglich machen.
Der fprachgewaltigste und neben Hans Sachs der bedeutendste deutsche Dichter des 16. Jahrhunderts war Johann Fischart in Straßburg, der seinen Spott gegen alles richtete, was ihm ungesund und verderblich erschien. In seinen Satiren ist das ganze Volksleben seiner Zeit mit allen hervorragenden Namen und Erscheinungen abgespiegelt.
5. Die Wissenschaft. Unter dem Einfluß der Humanisten, der Reformatoren wie auch der Jesuiten nahmen die Hochschulen einen bedeutenden Aufschwung, und das Bildungsbedürfnis in weiteren Kreisen führte zur Gründung einer Anzahl neuer. So entstanden und zwar auf protestantischem Boden Marburg, Königsberg, Jena, Helmstädt. Altdorf bei Nürnberg und Gießen. Auch Söhne adeliger Familien suchten jetzt häufiger als früher eine gelehrte Bildung sich anzueignen, und groß war die Zahl derer, die trotz des Glaubensunterschiedes die italienischen Hochschulen oder die in Paris besuchten.
Auch wurden im 16. Jahrhundert auf Betreiben der Reformatoren wie der Jesuiten Schulen verschiedener Art gegründet, auch Mädchenschulen, letztere wurden von Witwen oder früheren Nonnen geleitet.
Eine wahre Umwälzung brachte die neue Bildung auf dem Gebiete der Astronomie hervor, indem Nikolaus Eoppernicus aus Thorn (1473—1543) nachwies, daß die Sonne unbeweglich im Mittelpunkt der Welt steht und die Erde sich um sie dreht. Mit dieser Ansicht hatte er die ganze mittelalterliche Weltanschauung aus den Angeln gehoben und wurde deshalb von seiner eigenen, der katholischen Kirche, nicht weniger als von der strenggläubigen protestantischen
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Extrahierte Personennamen: Hans_Sachs Johann_Fischart Johann Nikolaus_Eoppernicus Nikolaus
Extrahierte Ortsnamen: Straßburg Marburg Königsberg Jena Altdorf Nürnberg Paris Thorn
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Zustände im deutschen Reich
wurden sie gekauft und gebraucht. Der Sammeleifer war allgemein geworden, man fing Käfer und Schmetterlinge und trug Erze und Versteinerungen nach Hause.
3. Aberglauben. Es ist bei dem geringen Grade von naturwissenschaftlicher Erkenntnis nicht zu verwundern, daß der Glaube an Gespenster, die in alten Häusern, auf den Gräbern, in den Kirchen-thüren, sogar im Spritzenhause spucken sollten, noch fortlebte. Alte Katzen wurden als Hexen betrachtet und die Erscheinungen Verstorbener, Ahnungen und bedeutsame Träume wurden mit angstvoller Gläubigkeit erörtert. Immer noch war das Aufsuchen verborgener Schätze eine wichtige Angelegenheit, keiner Stadt fehlten glaubwürdige Berichte über Funde, die in der Nähe gemacht oder durch unzeitig gesprochene Wörter vereitelt waren.
Der unselige Hexenwahn, der, wie wir gehört haben, noch im 17. Jahrhundert in weiten Schichten der Bevölkerung blühte, war durch den Hallenser Gelehrten Christian Thomasius erfolgreich bekämpft worden, so daß die deutschen „Malefizgerichte" nach und nach ihre Arbeit eingestellt hatten; in Preußen hatte Friedrich Wilhelm die Beseitigung dieser Gerichte verfügt.
Iii. Kirchliches Leben.
1. Pietismus und Strenggläubigkeit. Die von Spener ausgegangene Richtung hatte im protestantischen Teile der deutschen Bevölkerung immer weitere Kreise gezogen und von Jahr zu Jahr mehr Anhänger gewonnen, weil sie dem Volke bot, wonach es verlangte, nach Erbauung an der Predigt und an der Auflegung des Wortes Gottes. Denn noch immer hielten die strenggläubigen Geistlichen an dem Buchstaben der Bibel fest, um die Bedürfnisse des Volkes aber kümmerten sie sich nicht, verstanden sie wohl auch nicht. Wie erst Spener, so hatte später August Hermann Francke in Halle, wo der Hauptsitz der Pietisten war, den größten Einfluß ausgeübt. Aber so segensreich diese kirchliche Richtung nach der einen Seite gewirkt hat, ebenso schädlich wurde er nach einer andern. „Denn seitdem er die Gunst der Vornehmen und die Herrschaft gewonnen hatte, war er auch ein lohnendes Geschäft, eine Modesache, ein Hülfsmittel für sehr weltliche Zwecke geworden. Der Handwerker drängte sich in die Gesellschaft Vornehmer, um sein Fortkommen zu sichern, und zu den Erbauungsstunden großer Herren, welche am liebsten in besonders eingerichteten Gemächern ge-
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Extrahierte Personennamen: Christian_Thomasius Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Spener Spener August Hermann_Francke
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Konsumanstalten, Speisesälen, Krankenhäusern, Kranken- und Pensions?
lassen, Badeanstalten, Schulen, Bibliotheken n. s. w. für das Wohl der
Arbeiter und ihrer Familien große Sorge getragen ist.
Wenn wir das Werk in seinem heutigen Umfange betrachten,
so können wir es nnr mit Bewunderung für die Männer, die an seinem
Ausbau mit unermüdlicher Thatkraft und mit einer seltenen Umsicht
gearbeitet haben, vor allem für Alfred Krupp, der zuerst deu Welt-
ruf der Fabrik begründet hat. Den Lebensgang, das Schaffen und
Kruppsche Fabrik. Im Panzerplatten-Walzwerk.
Wirken dieses hervorragenden Mannes können wir nicht besser kennen
lernen als aus deu weihevollen Worten, mit denen sein Denkmal
vor der Technischen Hochschule zu Charlottenburg bei Berlin
enthüllt wurde. Kommerzienrat Servaes feierte als Vertreter des
Vereins deutscher Eisenhüttenleute das Gedächtnis Alfreds Krupp, nach-
dem kurz vorher das Denkmal von Werner Siemens enthüllt worden
war, durch folgende Rede:
„Wenn wir die Entwicklung der Industrie in Deutschland, be-
sonders der Eisen- und Stahlindustrie, in den letzten 40 bis 50 Jahren
betrachten, dann drängt sich uns mit unwiderstehlicher Gewalt die
Ueberzeuguug auf, daß iu derselben mächtige geistige und materielle
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