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1. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 185

1904 - Cöthen : Schulze
— 185 — Hälfte des 17. Jahrhunderts die Teilnahme an den Reichstagen erstrebten, ohne dieselbe zu erlangen, ist schon zur Erwähnung gekommen. Pufeudors urteilt, daß ihnen an der Reichsstandschaft nicht so viel gelegen sei, offenbar um den Leistungen für das Reich sich leichter entziehen zu können. In Sachen der Reichsanschläge haben sie stets eine bevorzugte Stellung eingenommen; zu freiwilligen Leistungen haben sie sich zumeist verstanden. Um sich gegenseitig Zu stützen, schlossen sie sich zu Kreisen zusammen, zum fränkischen, schwäbischen und rheinischen Kreise; diese Kreise zerfielen wieder in Bezirke oder Viertel. Sie hielten Versammlungen, auf denen gemeinsame Angelegenheiten zur Sprache kamen, stellten eigene Gesetze und Gewohnheitsrechte auf und bildeten einen Staat für sich. Sie erfreuten sich derselben Hoheitsrechte wie die übrigen Reichsstände, auch der Segnungen des Religionsfriedens. Die kirchlichen Pfründen wurden vielfach mit Angehörigen der Reichsritterschaft besetzt. Auf die Dauer haben sie den Fürsten so wenig wie die Städte widerstehen tonnen, trotzdem die Kaiser sich ihrer immer wieder annahmen. Bei den Umwälzungen der napoleonischen Zeit erlagen sie. Gewisse Standesvorrechte haben einige vom ehemaligen Reichsadel auch fernerhin gerettet. Die Mannigfaltigkeit der Gerichte, die schon im vorigen Zeitraum zu beobachten war, findet sich auch in diesem. Von den Gerichten in den Dörfern und in den Städten, mögen dieselben in den Händen der Fürsten, des Adels oder der Kommunen Instanzen. x • , , Jr Obere und 1etn, ergeht die Berufung an dte fürstlichen Hofgerichte, von diesen @njre.b«= an die Reichsgerichte, soweit nicht bestimmte Privilegien entgegen- ^ ^ Rüge-siehen (vgl. Landesherr und Gerichtshoheit). Die fürstlichen Hof-gerichte bekommen also immer mehr die Bedeutung von höheren oder Appellationsgerichten. Unter der oberen oder hohen Gerichtsbarkeit wird aber auch noch wie in dem Mittelalter die Gerichtsbarkeit zu Hals und Hand verstanden, im Gegensatz zur niedrigen oder Erbgerichtsbarkeit, die es mit geringeren Rechtsfällen zu tun hat. Das Centgericht wird auf bestimmte Fälle, auf Mord, Brand, Notzucht und Diebstahl beschränkt; unter dem Namen der Centgerichte — ehemalig Landgerichte — versuchen die mächtigeren Reichsstände in die richterlichen Befugnisse der schwächeren einzugreifen. Auf dem Lande erhalten sich wenigstens in einzelnen Teilen Deutschlands bis in die Neuzeit die alten Rügegerichte, von den Landesherren oft absichtlich geschützt. Lehen-und Landfriedens-

2. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 186

1904 - Cöthen : Schulze
— 186 — gerichte verlieren sich; die stüher an diese Gerichte gezogenen Rechtssachen werden von den Landesherren den ordentlichen Gerichten Reichs- ruaewiesen. — Das Reichskammergericht behauptet bis 1806 das kammer- 0 # • gericht. Ansehen des obersten Gerichts mit ständischem Cyarakter. Die Einsetzung der meisten Beisitzer war Sache der Reichsstände. Immer größer wurde die Zahl der Assessoren; im westfälischen Frieden wurde dieselbe auf fünfzig vermehrt, zugleich auch, wie schon im Jahre 1555, eine paritätische Besetzung dieses höchsten Gerichts bestimmt. Freilich ist die Zahl niemals vollständig vorhanden gewesen; Pufendorf berichtet, daß zu seiner Zeit nicht einmal die Hälfte der Assessoren zur Stelle gewesen sei. Auch sonst gibt das Reichskammergericht zu Klagen Vielsache Veranlassung, namentlich über Ungerechtigkeit und Langsamkeit in der Prozeßführung. Die geringe Zahl der Beisitzer, der schleppende Gang des ganzen Verfahrens, die große Anzahl der Prozesse erklären die Verzögerung zur Genüge. Um die Mißbräuche abzustellen, wurden ordentliche und außerordentliche Visitationen angeordnet, doch Visitationen und Revisionen kamen regelmäßig in Verfalls. Die Kosten zur Aufrechterhaltung des Kammergerichts nahmen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die Reichsstände allein auf sich; doch spärlich gingen die Kammerzieler ein. Der Sitz des Gerichts wurde nach Reichshofrat öfterem Wechsel Speyer, dann Wetzlar. - Der Reichshofrat behielt das Gepräge eines kaiserlichen Gerichts. Die Besetzung desselben stand dem Kaiser allein zu (doch vgl. Sz. 72a); ihm vor allem waren die Reichshofräte eidlich verpflichtet. Sie mußten dem Reichsoberhaupte folgen, wohin immer dasselbe sich begab. Alle möglichen Reichssachen wurden vor dieses Gericht gebracht, besonders auch Lehnssachen, sodaß der Reichshofrat die Bedeutung^eines obersten Reichslehns-hoses bekam. In schwierigen Fällen bei Stimmengleichheit behielt sich der Kaiser die Entscheidung vor. Bei dem kaiserlichen Charakter des Gerichts ist es nicht zu verwundern, daß die Stände auch hier viel Anlaß zur Klage haben. Bald klagten die Reichsstände, daß der Reichshofrat mit fremden, nichtdeutfchen Räten besetzt würde, bald darüber, daß die am Reichskammergerichte anhängig gemachten Prozesse durch den Kaiser an den Reichshofrat abberufen wurden, bald wieder, daß der Kaiser Angelegenheiten, welche vor i) Auch Josephs Ii. Bemühung war vergebens. (Vgl. S. 81).

3. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 187

1904 - Cöthen : Schulze
— 187 — den Reichshofrat gehörten, durch seinen Geheimen Rat entscheiden ließ, wobei dann nicht rein rechtliche, sondern allerlei politische Gesichtspunkte maßgebend sein mochten. Der westfälische Friede suchte in diesen und anderen Beschwerden Abhilfe zu schaffen durch Einführung der Kammer-Gerichts-Ordnung auch im Reichshofrate, durch Anordnung von Visitationen und Zulassung von Revisionen, durch Forderung paritätischer Besetzung; durchschlagende Verbesserungen sind jedoch nur wenig angebracht. — Für die Zeit des h^Acht Interregnums, wenn die Reichsvikare ihres Amtes walteten, wurden auch Vikariatshofgerichte eingesetzt. — Die Reichslandgerichte bestehen mit merkwürdiger Zähigkeit bis in die letzten Zeiten des Reiches. Sie bewahren den Charakter von kaiserlichen Gerichten, wie denn das Rottweiler Landgericht „Kaiserliches Hofgericht" heißt und der Richter „Kaiserlicher Hofrichter". Zahlreich sind die Privilegien, in denen die Kaiser einzelne Reichsstände von diesen Gerichten befreien. Die Rottweiler beklagen sich dann wohl über derartige Exemtionen und kehren sich nicht an dieselben. Daher dann wieder die Eximierten Grund zur Klage haben. Diese und andere Übelstände durch Visitationen oder anderswie abzustellen, verspricht der Kaiser; doch es bleibt alles beim alten. Die Reichsstände appellierten von diesen Gerichten an das Reichskammergericht oder an den Reichshofrat. — Auch die Vemegerichte fristeten ein kümmerliches Dasein weiter. Wiederholt nahmen Reichsgesetze gegen dieselben Partei, ja sie verboten sie gänzlich. Wirksamer waren die Maßregeln einzelner Landesherren, wie z. B. des Großen Kurfürsten, der das heimliche Gericht in Herford aufhob. — Die Austrägalgerichte erfreuten sich einer ^ufttägai. immer größeren Beliebtheit. Die Wahlfürsten machten es sich zur Pflicht, ihre Streitigkeiten unter einander stets in solchen Austrägen zur Entscheidung zu bringen. Die Kammer-Gerichts-Ordnung vom Jahre 1555 erweiterte die Austräge unter anderem auch durch die Bestimmung, daß jetzt die Fürsten und Fürstenmäßigen von jedem, wer auch immer der Kläger sei, in solchen Gerichten belangt werden sollten. Da die Räte der Fürsten diese Austrägalgerichte besetzten, und da infolgedessen leicht der Vorwurf der Parteilichkeit erhoben werden konnte, so wurde bestimmt, daß mit Bewilligung beider Parteien eine Universität um ihr Urteil angegangen werden durfte. Auch der westfälische Friede sicherte die ganze Einrichtung der Austräge. Sogar in die Verfassung des Deutschen Bundes ist dieselbe

4. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 188

1904 - Cöthen : Schulze
— 188 — übertragen worden. — Zu immer größerem Ansehen kamen, wie jokstl schon bemerkt, die fürstlichen Hofgerichte als Berufungsinstanzen, auch Land- oder Kammergerichte genannt. Wenn in der Anhaltischen Landesordnung die Appellation an die „Regierung" geschieht, so ist das ein Beweis dafür, daß in kleineren Ländern das Regierungskollegium vom Hofgerichte gar nicht getrennt war. Die Reichskammergerichtsordnung sollten sich die Hofgerichte zum Muster nehmen. Wo die Landesherren sich der Einmischung in ihre Hofgerichte begaben, wie in Preußen Friedrich der Große, da wurden diese Gerichte die sicherste Grundlage einer gerechten Rechtssprechung. Gericht — Während in den evangelischen Territorien die bischöfliche Gerichtsbarkeit auf die Landesherren überging, welche sie in ihren Konsistorien ausüben ließen, blieb sie in den geistlichen Ländern in den Händen des Klerus. Die Klagen über Übergriffe geistlicher Gerichtsbarkeit dauerten sort, namentlich auch über Abberufung der Prozesse durch päpstliche Gesandte oder gar an g«tcht£ ^ römische Kurie. — Das Söldnerwesen bildete ein eigentümliches Heergericht aus. Der Feldmarschall *) berief ein solches Gericht aus militärischen Personen. In altertümlichen Formen bewegte sich dasselbe. In der Not des dreißigjährigen Krieges drangen die Reichsstände darauf, daß unter gewissen Umständen ihnen die Verhaftung militärischer Verbrecher zustehen sollte und ebenso auch die Aburteilung, doch daß der nächste Kommandant zu dem Prozeß eingeladen werden sollte. In den Territorialstaaten ist dieses Kriegsgericht zugleich mit dem stehenden Heere immer mehr ausgebildet worden. — Seit dem 15. Jahrhundert vergrößerte »Sgjj* sich die Zahl der des römischen Rechts kundigen Männer von Jahr zu Jahr. Auch auf deutschen Hochschulen wurde jetzt das fremde Recht gelehrt. Luther nennt das weltliche Recht seiner Zeit eine Wildnis; den Leuten würden durch die Weitläufigkeiten desselben viel Beschwerungen gemacht. Auf der Reichshofratstafel mußte das römische Recht ausliegen, als Richtschnur für die Gesetzgebung. Überhaupt kam es zu immer größerem Ansehen, nicht nur in den obersten Gerichten. Das im 17. Jahrhundert in Deutschland gütige Recht ist nach dem Urteil Pusendorfs ein Gemisch von römischen und kanonischen Rechtssätzen und deutschem, Vgl. Blume, Quellensätze, Bd. Iii, 2. Abt. S. 129. Sz. 217.

5. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 198

1904 - Cöthen : Schulze
— 198 — waren fast völlig dahin. Reichsgüter gab es nicht mehr. Die Eingänge aus den Territorien hörten ans. Erträge aus den Zöllen oder anderen nutzbaren Hoheitsrechten kamen den Landesherren allein zu gute, so auch die Judensteuer; denn, wenn auch die österreichischen Juden gelegentlich sich noch immer des Kaisers Kammerknechte nennen, so erhält doch die Judensteuer nicht der Kaiser als solcher, sondern in seiner Eigenschaft als Landesherr von Österreich; in die österreichische Hofkammer wurde das Geld abgeliefert. Die Abgaben bei Lehensempfang gehen der Kanzlei zu, vielfach suchten sich die zu Belehnenden denselben zu entziehen, sonstige, aus dem Reiche eingehende Mittel, etwa für Standeserhöhungen oder für Erteilung von Privilegien, werden zur Besoldung der Reichsbeamten verwendet. Die Erhaltung des Kammergerichts erforderte stehende Einnahmen, die sogenannten Kammerzieler; aber freilich liefen dieselben ziemlich unregelmäßig ein. In der Usual-Matrikel oon 1745 wurde die Veranschlagung für die einzelnen ©lieber der Kreise noch einmal genau festgelegt. Anbere Reichs-bebürfnisse, z. B. für das Heer, würden durch Römermonate ober Territorien. ^urc§ ^en allgemeinen Pfennig bestritten. — Währenb die Einnahmen des Kaisern immer geringer würden, ja völlig versiegten, würden in den Territorien der Landesherren fortwährend neue Einnahmequellen eröffnet, aus Slccife, Domänen, Zöllen, Post, Forst, Salz, Bergwerk, Kontribution, Stempelpapier u. a., dazu die mancherlei Steuern. Den reichen Einnahmen standen aber auch vielerlei Ausgaben gegenüber. Im Interesse eines geordneten Rechnungswesens wurden genaue Etats schon vor dem kommenden Jahre ausgestellt und das ganze Kassenwesen zentralisiert. Zweitem Abschnitt: Won 1806 bis heute. 1- tunngtci' römische Reich deutscher Nation war 1806 zusammen- butsb gerochen, nachdem ein Teil der deutschen Staaten sich zu dem Bundesstaat-unter Napoleons Protektorate stehenden Rheinbünde vereinigt und

6. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 221

1904 - Cöthen : Schulze
— 221 — eigentümer oder auch die höhere Beamtenschaft einen privilegierten Gerichtsstand. Das Revolutionsjahr drängte auf die Beseitigung auch dieser Vorrechte eines persönlich oder dinglich befreiten Gerichtsstandes. Heute bestehen nur noch einige Ausnahmen bezüglich der Gesandten und Konsuln fremder Staaten und bezüglich der Landes-und Standesherreni). — Die Gliederung der Gerichte nach Instanzen 3n^Jien* hatte sich schon im alten Reiche herausgebildet. Die Bundesakte bestimmte die Errichtung von drei Instanzen, doch konnten sich Staaten mit geringer Bevölkerungsziffer zu gemeinsamen obersten Gerichten zusammentun. So entstand z. B. in Zerbst ein gemeinsames oberstes Gericht für die drei anhalüschen und die beiden schwarz-bnrgischen Häuser2). Preußen führte 1815 mit der Provinzial-ordnung auch die Ober-Landes-Gerichtsordnung durch. In der preußischen Verfassung (1850) wurden die beiden obersten Gerichtshöfe zu einem zusammengezogen. Mit benachbarten kleineren Staaten schloß Preußen Justizkonventionen, wonach diese der Gerichte dritter oder gar zweiter Instanz entledigt wurden. Im Gerichtsverfassungsgesetz wurde die Gliederung nach drei Instanzen für das ganze Reich einheitlich geregelt: danach wird heute die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit durch Amts-, Land-, Oberlandesgerichte und durch das Reichsgericht ausgeübt. — Die Einrichtung eines Reichsgerichts geriet, wurde erst 1877 wieder angeordnet. Mit dem Aufhören des alten Reiches waren auch die Reichs- und kaiserlichen Gerichte, das Reichskammergericht, der Reichshofrat, die Reichslandgerichte aufgelöst worden. Der Deutsche Bund errichtete kein dem alten Reichskammergericht entsprechendes oberstes Bundesgericht. Vom Norddeutschen Bunde wurde ein Oberhandelsgericht in Leipzig eingesetzt, das dann zum Reichsgericht erweitert wurde. Auch dieses Reichsgericht hat seinen Sitz gegen Preußens Wunsch in Leipzig bekommen. Die Besetzung desselben hängt vom Kaiser ab, doch auf Vorschlag des Bundesrates, wie einstens im alten Reiche die Reichsstände die Einsetzung eines Teiles der Richter am Reichskammergericht sich vorbehalten hatten. Zwei Abteilungen, Civil- und Strafsenate, werden beim Reichsgericht gebildet. In erster und letzter Instanz entscheidet dasselbe in Fällen des Hoch- und Landesverrats, „insofern *) Vgl. Labarid, a. a. O. S. 215 unten und S. 216 oben. 2) Vgl. Klüber, Dffentl. Recht b. Teutschen Bunbes u. b. Bunbesstaalen, 2. Auflage, 1822, S. 352, Anm. g.

7. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 156

1904 - Cöthen : Schulze
— 156 — Ionen zu Kreisen zusammengeschlossen. In der Folgezeit wird diese Kreiseinteilung immer weiter ausgebaut. Kreisoberste, in der Regel Fürsten, werden durch die Kreise selbst an die Spitze gestellt, und es werden ihnen angesehene Männer zugeordnet. Sie sollten in erster Linie, entsprechend dem ursprünglichen Zweck der ganzen Kreisordnung, den Landfrieden wahren und die Vollziehung richterlicher Urteile gegen widerspenstige Reichsstände bewirken. Kreisausschreibende Fürsten riesen die Kreisstände zu Kreistagen zusammen, aus denen über wichtige Fragen zum Wohle des Kreises und Reiches beraten und Beschluß gefaßt wurde: über den Landfrieden, über eine gleichmäßige Verteilung der Reichsanschläge, über Zölle oder Münzangelegenheiten oder sonstige, zur sogenannten Polizei-Ordnung gehörige Fragen, wie Kauf und Ausführung der Wolle u. a. Auch zur so notwendigen Verbesserung der Reichskriegsverfassung versuchte man die Kreise zu benutzen, indem u. a. Kreis-Kriegs-Kasseu eingerichtet wurden, aus denen die nötigen Kreistruppen geworben werden sollten. Je nachdem die katholische oder die evangelische Religion in einem Kreise vorherrschte, wurde ein katholischer oder evangelischer Fürst mit dem Kreisobersten- oder Kreisausschreibeamte betraut. Um den Kreisbeschlüssen und ihrer Vollziehung kräftigeren Nachdruck zu geben, schlossen sich benachbarte Kreise zu „korrespondierenden" zusammen; am Ende des 17. und Anfange des 18. Jahrhunderts geschah dieses angesichts der Kriegsgefahr in den Raubkriegen und im spanischen Erbfolgekriege namentlich seitens der oberdeutschen, der „vorderen" Kreise. Der Versuch des Kaisers, auf die Berufung und die Geschäfte der Kreisversammlungen Einfluß zu gewinnen, wurde von den Kreisständen mit Erfolg abgewehrt. Mit der Zeit entzog sich doch mancher Kreisstand seinen Kreisverpflichtungen, oder es wurden einzelne Stände durch mächtigere von ihrem Kreise eximiert. Auch die Kreisverbände hat die erstarkende Macht der größeren Reichsstände gesprengt, sodaß der wirkliche Erfolg der ganzen Einrichtung immer geringer wurde. Pufendorf sieht die Kreise ihren ursprünglichen Zweck nicht erreichen; er sieht die ganze Kreiseinteilung gar zur Zersplitterung Deutschlands beitragen. runge: Dem Namen nach hat sie bis 1806 bestanden. — Die Wahl z^mkönkgedes Reichs Oberhauptes blieb ein Vorrecht der Kurfürsten. Das Re/erungs-Kursürstenkollegium erfuhr mancherlei Veränderungen bezw. *W6hler. Erweiterungen. Der Verrat Moritz' von Sachsen brachte die

8. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 166

1904 - Cöthen : Schulze
— 166 — erflärung gegen Bayern im spanischen Erbfolgekriege verhalf der Rubolfinischen Linie des Hauses Wittelsbach wieber zu ihrem alten Erzamte, und Kur-Braunschweig erhielt nun das Erzschatzmeister-amt, nachbem ihm vorher schon einmal vom Kaiser das Erz-Banner-Amt versprochen worben war. Als dann aber Kur-Bayern wieber zu Ehren kam, ging das Erztruchseßamt an bieses Haus zurück, und die Pfalz begehrte wieber ihr Erzschatzmeisteramt. Da der Vorschlag, Kur-Braunschweig das Erz-Stallmeister- ober Erz-Postmeister-Amt zu geben, auf Wiberstanb stieß, so behielt der Kurfürst von Braunschweig den Titel eines Erz-Schatz-Meisters; boch sehen wir 1764 Kurpfalz in Wirklichkeit die Verrichtungen bieses Amtes ausüben. Kur-Braunschweig ist nie in den Besitz eines neuen Erzamtes gelangt. — Unter den alten, weltlichen Erzämtern ist das Marschalls-Amt im 17. und 18. Jahrhundert besonbers in Funktion getreten. Der Erbmarschall besorgte im Namen des Erzmarschalls Quartier für die zum Reichstage nach Regensburg kommenben reichsstänbischen Gesanbten; auch ließ er über der Wohnung eines jeben Reichsstanbes zu Regensburg eine Tafel mit dem Namen des Betreffenben anbringen. Die Gesanbten unterstanben dem Schutze und der Gerichtsbarkeit des Erbmarschalls. Neue Reichstagsmitglieber hatte dieser mit Hilfe des Reichsquartiermeisters in die Versammlung einzuführen und ihnen ihren Sitz anzuweisen. Zu den Reichstagssitzungen hatte er, nach vorhergehenber Benachrichtigung durch Kur-Mainz, jebem Gesanbten „zu Rat anzusagen". Bei Reichs- und Wahltagen besorgt er die Polizei- und Tax-Orbnung (bezüglich der Verbrauchsgegenstänbe der Gesanbten und ihres Gefolges), worüber es freilich oft zu Reibereien mit den stäbtischen Behörben kam, ähnlich wie bei der Ausübung der Jurisbiktion. Bei Wahl- und Krönungstagen muß er für Unterbringung der Fremben sorgen. — Von den geistlichen Erz-Ämtern hat der Kurfürst von Mainz als Erzkanzler in Germanien immer mehr Arbeit und baburch auch immer größere Bebeutung erlangt. Er führte das Reichs-Direktorium auf den Reichstagen; bei ihm werben die Beglaubigungen der Reichstags-®efanbten eingereicht; von dem Reichs-Direktorium müssen die Reichstagsbeschlüsse rebigiert werben. Bebenken der Stäube aus den Reichsversammlungen werben bei Kur-Mainz angebracht, das bieselbeu benn auch zur Proposition

9. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 176

1904 - Cöthen : Schulze
— 176 — Güter, nicht immer nur zu frommen Zwecken, wurde nicht allem von den evangelischen Reichsständen, sondern auch von den katholischen genügend besorgt; überhaupt haben auch die katholischen Fürsten in der Reformationszeit das Kirchenregiment zum Teil an sich gerissen; wie ja auch das ins reformandi beiden Religionsteilen zuerkannt wurde. Mit dem Verfügungsrecht über die geistr lichen Besitzungen hängt das „Recht der ersten Bitten" zusammen, das jetzt ebenfalls von den Landesherrn geübt wird; doch ist übrigens schon in früheren Jahrhunderten auch von den Landesherrn Wenigstens bei mittelbaren Stiftern dieses Recht gehandhabt worden.2) undschul?— Mit der Sorge für die Kirche übernahmen die Landesherren in und seit der Reformationszeit zugleich auch die Sorge für die Schule, als „ein nicht geringes Kleinod" des Landes. Luther erhob verschiedentlich seine Stimme für die Verbesserung des Schulwesens, der hohen und niederen Schulen. Seine ernsten Mahnungen sind nicht aus unfruchtbaren Boden gefallen. Er kann seinen Kurfürsten rühmen, daß derselbe sich persönlich um seine Universität kümmere; er hat seine Freude an dem Aufblühen so mancher Schule. Aus dem Kirchengute wurden die Kosten für das Schulwesen zumeist bestritten, so für jene Fürstenschulen im Herzogtum Sachsen. Wie die Schäden des Schulwesens durch die Kirchen-Visitation im Jahre 1527 und 1528 im Kurfürstentum Sachsen aufgedeckt wurden, so schärften die Landesherrn auch ferner den Superintendenten und Obrigkeiten ein, die Schulen zu visitieren. Durch Stipendien sorgten die Fürsten und nichtfürstliche Personen ebenfalls für ein weiteres Gedeihen der Schulen. Allmählich wurde seitens der Landesherren auch der Schulzwang eingeführt, ?au2err ^en schon unser Reformator angelegentlichst empfahl?) — Das im vorigen Zeitraume einzelnen Landesherrn durch besondere Privilegien zugestandene Recht, daß ihre Untertanen nicht vor fremde Gerichte gezogen werden dürfen (privil. de non evocando), wird in der Kammergerichtsordnung vom Jahre 1521 allgemein zum Grundsatz erhoben; unter fremden Gerichten werden solche innerhalb und außerhalb des Reiches ausdrücklich !) Vgl. Eichhorn. . 1885, T. Ii, § 328. 2) Der Schulzwang wurde 1619 in Weimar, 1642 in Koburg-Gotha, 1649 in Württemberg, 1737 für Ostpreußen, 1763 für den ganzen preußischen Staat eingeführt. —

10. Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes - S. 179

1904 - Cöthen : Schulze
— 179 — Landesherren räumte mit den Landständen gründlicher auf. In -einigen preußischen Provinzen erhielten sich Provinzialstände bis 1815, sodaß an diese noch bestehenden Stände die weitere ständische Entwickelung in Preußen sich anschließen konnte. Während die Besetzung der Stände im ganzen dieselbe blieb, wurde es üblich, aus der Landschaft einen Ausschuß auszuwählen, sodaß von einem größeren und engeren Ausschuß die Rede sein kann, ähnlich dem großen und kleinen Rate in mittelalterlichen Städten; je länger je mehr wurde nur mit dem steinen Ausschuß der Stände verhandelt. Bei jedem Regierungswechsel gewährleistete der neue Regent der „getreuen Landschaft" feierlich ihre Gerechtsame. Die Bedeutung der Landstände ist zu verschiedenen Zeiten und in den verschiedenen Ländern eine verschiedene. Im 16. Jahrhundert nehmen sie an dem staatlichen Leben lebhaften Anteil; sie wirken bei der Aufstellung von Polizei- und Landesordnungen mit, regen bei den Landesherrn Verbesserungen aus kirchlichem oder gerichtlichem Gebiete an. Doch ist immer nur von dem „Rate" oder „untertäniger Beliebnng" der Landschaft die Rede; wie weit der Fürst bei der Regierung seines Landes und bei der Gesetzgebung an die Mitwirkung seiner Stände gebunden ist, ist bis 1806 nirgends bestimmt ausgesprochen. Anders verhält es sich mit den Steuern; hier waren die Landesherren auf den guten Willen der Landschaft angewiesen, hier hatten die Stände das Bewilligungsrecht. Namentlich wenn es sich um die Bezahlung der Schulden des Landesherrn handelte, machten die Stände ihre Bewilligung von Gegenforderungen abhängig, die der Fürst nicht verweigern konnte. Das Streben der Stände ging dahin, über die Land-Stenern mit Ausschluß des Landesherrn völlig eigenmächtig zu verfugen und sich nach Gutdünken zu versammeln. Doch vielerlei wirkte zusammen, daß seit dem 17. Jahrhundert das Ansehen der Stände in vielen Territorien immer mehr zurückging. Schon Pnfendorf kennt Fürstentümer mit unbeschränkter Gewalt. Der Große Kurfürst macht sich frei von Len Fesseln ständischer Regierung. Friedrich Wilhelm I. von Preußen ftabiliert die Souveränität und setzt die Krone fest wie einen rocher von bronce gegenüber ständischem Gebühren. Seinen höchsten Beamten gegenüber spricht er es in seiner Weise ans: ^,Wir bleiben doch Herr und König und thun doch, was wir 12*
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