148
Zeit der Gärung. — § 49. Pariser Julirevolution.
Unzufriedenheit mit den neuen Zuständen, zumal bei nationalem Gegensatz zu den herrschenden Russen. Eine nationale Dichtung (Mickiewicz) weckt mit der Erinnerung an die verklungene Herrlichkeit des alten Polenreiches die Hoffnung auf dessen Wiederherstellung.
Nach Alexanders Tode (1825) strenges Überwachungssystem und Einschreiten gegen Presse und Volksmänner. Der Vicekönig, Grossfürst Konstantin, trägt durch rauhe, soldatische Zucht und Tyrannenlaunen die Unzufriedenheit auch in die Armee. Geheimbünde zur Befreiung von russischer Herrschaft bilden sich. Das Beispiel Frankreichs, auf dessen Hilfe man sich trügerische Hoffnung macht, bringt den Aufstand zum Ausbruch. Der Grossfürst muss (Novbr. 1830) Warschau räumen. Uneinigkeit und Ungeschick der Führer lähmt die Kraft des Widerstandes. Die Gemässigten müssen sich mit wachsendem Misserfolg zürückziehen; leidenschaftlich erhitzte Führer treten an ihre Stelle. Trotz mancher Einzelerfolge erliegen die Aufständischen den geordneten Heeren eines Diebitsch-Sabalkansky (Schlacht bei Ostrolenka, n-ö. von Warschau am Narew, im Mai 1831) und seines Nachfolgers* Paskiewitsch Eriwanski, der das hartnäckig verteidigte Warschau nimmt. Ein furchtbares Strafgericht erstickt die letzten Funken des Aufstandes.** Massenhafte Auswanderung , Eingreifen der polnischen Flüchtlinge in alle folgenden Umsturzbewegungen.
Das „Organische Statut“ macht Februar 1832 Polen zu einer russischen Provinz (mit getrennter Verwaltung)
Iv Deutschland. A. Aufstände, i) In Braunschweig wird Herzog Karl, der sich durch anstössiges Leben und Nichtachtung ständischer Rechte verhasst gemacht, vertrieben; sein Bruder Wilhelm folgt. 2) Volksbewegungen finden auch in Sachsen, Kurhessen, Hannover statt und leiten zu verfassungsmässigen Zuständen über.
B. Revolutionäre Strömungen. Erwachen revolutionären Geistes mit republikanischem und teilweis internationalem Gepräge. 1) Die Litteratur macht sich der von Frankreich hereinbrechenden Strömung dienstbar. Börne, Heine u. a.
S. § 52, Ii.
* Diebitsch starb an der Cholera.
** Mitgefühl mit dem Schicksal der Polen, wie früher mit dem der Griechen, auch in Deutschland. Der Dichter Nikolaus Lenau, der den Polen seine feurigen „Polenlieder“ gesungen hatte, wandert schmerzerfüllt nach Amerika aus.
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Extrahierte Personennamen: Alexanders Konstantin Ostrolenka Paskiewitsch_Eriwanski Karl Karl Wilhelm Heine Nikolaus_Lenau Nikolaus
Extrahierte Ortsnamen: Alexanders Frankreichs Warschau Warschau Narew Warschau Deutschland Braunschweig Sachsen Kurhessen Hannover Frankreich Polen Deutschland Polen Amerika
259
wie gegenber den Unabhngigkeitstendenzen der Italiener, der Czechen und der Magyaren. Bei den Czechen erweckten sprachwissen-schaftliche und historische Studien das Bewutsein ihres Volkstums (Dobrowsky, Palacky, Kollar, der Urheber des Panslavismns); die Magyaren arbeiteten seit 1825, gefhrt von ihrem Adel, auf Wie-derherstellung ihres Staatsrechts hin, schufen eine Litteratur in der Volkssprache (Petfi, Jokaj, 1842 die ungarische Akademie) und ersetzten 1844 die lateinische Amtssprache durch die magyarische. Die Bewegung, beschleunigt durch die Finanznot, begann im niedersterreichischen Landtage und richtete sich zunchst auf die ^ Gewhrung einer Konstitution. Ihr weichend trat Metter- Mrz nich am 13. Mrz 1848 zurck und der Kaiser verhie eine 1848 Reichsversammlung. Daraus forderte die czechifche National-Partei die Wiederherstellung des bhmischen Gesamtstaats und bildete einen Nationalausschu (Graf Thun); in Ungarn wurde der Palatiu Erzherzog Stephan zur Berufung eines neuen libe-ralen Ministeriums (Franz Dek, Ludwig Kossuth) gentigt,
neben dem aber in Pest schon ein Sicherheitsausschu auftrat; in Lombardo-Venezien brach der offne Aufstand aus (s. unten S. 268). So war sterreich auer stnde, in die deut-schen Wirren einzugreifen.
3. In Preußen schien trotz der groen Aufregung, die sich in Tumulten und zahllosen Adressen kundgab und durch die Nachricht von der Erhebung in Wien noch gesteigert wurde,
alles in geordnete Bahnen geleitet zu sein, da der König am lg 18. Mrz die Berufung des Landtags fr den 2. April und Mrz Antrge auf die Begrndung eines deutschen Bundesstaates ver-hie. Allein aus der begeisterten Huldigung fr den König ging durch Miverstndnis und Aufhetzung ein wtender Barrikaden-kmpf hervor, der, obwohl von den Truppen siegreich gefhrt,
doch den König so erschtterte, da er das Militr zurckzog, ein neues Ministerium (Graf Arnim, Schwerin, Auerswald) berief und am 20. Mrz eine allgemeine Amnestie erlie; Prinz Wilhelm ging nach England (am 22. Mrz Begrbnis der Gefallenen). Seine Verheiung aber, sich an die Spitze Deutsch-lands zu stellen, blieb wirkungslos, denn die Kraft des preu-ischen Knigtums war gelhmt, der König selbst von tiefster Abneigung gegen die ganze Bewegung erfllt. So fiel ihre Leitung nicht an die preuische Krone, sondern an den sddeutschen Liberalismus, dem der preuische Staat ganz antipathifch war.
17*
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Extrahierte Personennamen: Palacky Stephan Franz_Dek Franz Ludwig_Kossuth Ludwig Auerswald Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Petfi Jokaj Ungarn Wien Schwerin England
lichen Wrde nur den Titel bestehen lie, die eingezogenen Kirchengter meist dem Adel preisgab und somit dessen Bedeu-tung steigerte (1537). In dessen Interesse war auch wesentlich die Unterwerfung der Ditmarschen durch K. Friedrich Il (15591588). Gleichzeitig erfolgte die Kirchenreformation in Norwe gen, in Island erst 15401550.
4. In Schweden drngten die Volksstimmung und finan-zielte Not zu gleichem Vorgehen. Im Rece von Westeras 1527 bewilligten die weltlichen Reichsstnde dem König die Ein-ziehung des Kirchenguts, von dem der Adel nur einen Teil erhielt, und die freie Predigt. Die Kirchenversammlung zu rebro 1529 unter Lorenz Andersons Vorsitz nahm den 1529 lutherischen Lehrbegriss an, behielt aber die bischfliche Verfassung bei. Das so auf reiche und sichere Einknfte gestellte und von der bermacht des Klerus befreite Knigtum wurde 1544 1544 erblich im Hause Wasa. Das Bemhen, den Volkswohl-stand zu srdern, brachte den König in Konflikt mit der Hansa.
2. Der Fall der Hansa.
1. Der Gegensatz zwischen den nordischen Mchten und der Hansa, die damals faktisch nur noch die fnf sogenannten wen-dischen Städte und einige andere umfate, beruhte auf deren Streben, ihre alten Seewege und Privilegien (Zollfreiheit und Alleinhandel) trotz der vernderten Zeitverhltnisse zu behaupten, namentlich die abgefallenen Niederlnder von der Ostsee auszu-schlieen. Nach fortgesetzten Konflikten verbndeten, sich deshalb Dnemark, Norwegen und Schleswig - Holstein mit den Nieder-lndern und Karl Y. September 1533 auf 30 Jahre zur ffnung der Ostsee. Dem gegenber plante die demokratische Partei in Lbeck, seit 1529 in Verbindung mit der reformato-rischen Bewegung ans Ruder gelangt, an ihrer Spitze Jrgen Wullenw ever (1533 Brgermeister), die Eroberung der wich-tigsten Pltze am Sunde, Gothlands und Bornholms, mit Hilfe einer dnischen Volksbewegung zur Wiederherstellung Christians Ii.
(nach dem Tode Friedrichs I. 1533), der bei einem Versuche auf Norwegen 1531 in dnische Gefangenschaft geraten war. ^uni
2. Im Juni 1534 mit lbifchen Sldnern auf Seeland ge- 1534 landet, brachte Graf Christoph von Oldenburg und Marx Mayer Kopenhagen und Malm zum Anschlu, die Bauern in
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Il Friedrich Lorenz_Andersons Karl_Y Karl Jrgen_Wullenw Christians Friedrichs_I. Christoph_von_Oldenburg
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denn neben der Botanik, der er den größten Theil seiner freien Zeit
widmete, neben dem Studium der Geschichte und Erdbeschreibung war
es vorzüglich die Liebe zu den zeichnenden Künsten, welche ihn bis an
seinen Tod wahrhaft begeisterte.
Am 24. April 1833 vermählte er sich zum zweiten Male mit der
noch lebenden Königin Maria (Anna Leopoldine), einer Tochter des
Königs Marimilian Joseph von Baiern (geb. den 27. Januar 1805),
die ihm bis an seinen frühen Tod in allen Verhältnissen treu und
liebevoll zur Seite gestanden hat.
Sein ganzes Leben war buchstäblich nur darauf gerichtet, das
Gute zu befördern und für das Wohl des Landes zu sorgen; streng
gegen sich selbst, war er nachsichtig und mild gegen Andere, im Fa-
milienleben ein Musterbild des ganzen Landes, unermüdlich in Bold
ziehung seiner Regierungsgeschäfte und gegen Jedermann huldreich
und liebevoll, wie schon seine wohlwollende, väterliche Miene anzeigte.
Er bot ohne Unterlaß die Hand zu allen und jeden vom Lande ge-
wünschten Reformen, und wenn er selbst, was man ihm vorgeworfen hat,
zu Zeiten unentschlossen gewesen wäre, so würde er es höchstens zum
Strafen, aber niemals zum Wohlthun gewesen sein, mit einem Worte,
er war einer der edelsten Menschen, die je gelebt haben.
Gleichwohl haben auch ihn trübe Erfahrungen nicht verschont.
Trotz allen seinen Bemühungen, jeglichen billigen Wunsch seines Landes
gern zu erfüllen, konnte er doch nicht verhindern, daß nicht schon seit
dem Anfänge des letzten Jahrzehents Freigeisterei und gefährliche
Neuerungssucht in Sachsen einzogen. Auf den Landtagen zeigte sich
eine gewisse Parthei, die in frevelhaftem Leichtsinn alle Maßregeln
der Regierung verdächtigte, tadelte und verbessern wollte, und die schwach '
vollen Auftritte des 12. und 13. August 1845 ließen einen tiefen
Blick in den Abgrund jener frevelhaften Verderbniß thun, welche die
nächste Zukunft zu Tage fördern sollte.
Denn diese Ereignisse und einige andere unbedeutendere Begeben-
heiten gingen nur als Sturmvögel jener allgemeinen Umwälzung
voran, welche das Jahr 1848 bringen sollte. Nach dem Sturze der
französischen Monarchie (22.-24. Febr. 1848) entbrannte der Auf-
ruhr in Wien (13. März) und Berlin (den 18. und 19.), ging aber
noch an Sachsen vorüber, wo der König ein neues sogenanntes
Volksminifterium (16. März) gewählt hatte. Ob die von demselben
vorgenommenen totalen Veränderungen der bisher bestehenden Gesetze
und Ordnung (Einführung der Preßfreiheit, Schwurgerichte, des all-
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Extrahierte Personennamen: Maria_(Anna_Leopoldine) Maria Königs_Marimilian_Joseph_von_Baiern August
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Wien Berlin Sachsen
Italien. Neapel.
301
Die V erfassun g. Es scheint, als ob Neapel in neu-
ern Zeiten einer bessern Zukunft entgegen gehe. Der Zu-
stand des Landes hat sich schon jetzt, bei vernünftigerer Ver-
waltung, merklich gebessert. Das Volk fühlte das Drücken-
de seiner Lage und erzwang (1820) durch eine Empörung
sich eine konstitutionelle Verfassung. Diese wurde zwar
durch ein östreich. Heer wieder unterdrückt (1821), indessen
doch eine Verfassungsurkunde gegeben, wonach der König die
vollziehende Gewalt hat, die gesetzgebende aber gewisserma-
ßen mit der Nation theilt. Dem Herrscher zur Seite ste-
hen die Staatsversammlungen in Neapel und Sicilien (con-
sulta di Stato). Werden gemeinschaftliche Angelegenheiten
verhandelt, so bilden beide Consulten eine Generalconsulta,
zu welcher Neapel 16, Sicilien 8 Deputirte sendet. Die
Deputirten bestehen freilich bloß aus Mitgliedern der be-
vorrechteten Klassen. Ein Hauptschritt zum Bessern ist aber
die allgemeine Aufhebung des Feudalsystems. Die Verwal-
tung Siciliens ist von der Neapels getrennt. In Sicilien
leitet ein Vicekönig als Statthalter die Geschäfte. — Der
Kronprinz führt den Titel Herzog von Calabrien.
Eintheilung und Wohnplatze. Die ältere Ein-
theilung ist die in 4 Landschaften, nämlich: 1) Terra di
Lavoro, nördl. am Mittelmeer; 2) Calabrien, südl. an
demselben Meere; 8) Abruzzo, nördl. am adriat. Meere,
und 4) Apuglia (Apulien), südlich an demselben Meere.
Die gegenwärtige Eintheilung ist in 15 Provinzen, deren
jede in ihrer Hauptstadt eine besondere Verwaltung hat.
I. Die Landschaft Terra di Lavoro,
die fruchtbarste^ angebauteste und merkwürdigste des gan-
zen Reichs. Sie zerfällt in 4 Provinzen, nämlich:
1) Prov. Neapel mit der Hauptst. gl. N. (Napoli,
sonst Neapolis); 376,000 (?.; am Meerb. gl. N., der von
Landhäusern, Dörfern und Weinbergen umgeben ist, amphi-
theatralisch gelegen. Es ist die Haupt- und Residenzstadt
des Landes und die größte und belebteste Stadt Italiens.
Die Häuser sind im Allgemeinen schön gebaut, die Stra-
ßen nur zum Theil eng, meist breit und mit Lava gepfla-
stert. Nichts geht über die Regsamkeit der Hauptstraße To-
ledo, besonders Abends, wenn die zahlreichen Kaffeehäuser
und Eisbuden erleuchtet sind. Alle Gewerbe werden in
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§. 5. Der Staat. 177
gesichert, wird alles Gute gefördert durch die höchste gesell-
schaftliche Verbindung, den Staat.
§. 5.
3) Die höchste gesellschaftliche Verbindung, der Staat.
Für die Wilden und Nomaden bedarf es keines großen
gesellschaftlichen Vereins; ihre Verfassung ist patriarcha-
lisch, d. h. der Stammvater ist auch Stammfürst. Ganz
anders gestaltet sich aber die Sache bei den Ackerbau trei-
benden, sich fester Wohnplatze erfreuenden Menschen; sie be-
dürfen des Schutzes für ihr Leben und Eigenthum, und
deßhalb traten sie schon vor grauen Jahren zum gegensei-
tigen Schutz in größere Verbindungen, die im Laufe der
Zeiten sich immer mehr und mehr regelten, bis unsere Staa-
ten oder Staatsvereine ihre völlige Ausbildung erlangten.
Man stellte die gegenseitigen Rechte und Pflichten durch
Gesetze fest und übergav die Aufrechthaltung derselben,
so wie die Leitung des Ganzen, Einem oder Mehreren, in
welche man ganz vorzügliches Vertrauen setzte. So ent-
standen Obrigkeiten und Unterthanen, Regenten und Re-
girte. Der Staat ist demnach eine Vereinigung aller Be-
wohner eines bestimmten Landes unter einerlei Gesetze
und oberste Gewalt. Das Bedürfniß hat den Staat er-
zeugt, das Bedürfniß erhält ihn; denn er ist die äußere
vernunftgemäße Form, in welcher die Menschheit besteht.
Selbst der roheste Naturmensch befindet sich nicht wohl,
wenn er nicht wenigstens in einer Art von Staatsverbin-
dung lebt.
1) Die Form der Staatseinrichtung ist sehr verschie»
den und sie wird bedingt durch die Geschichte eines Volks,
durch Sitte und Gewohnheit. Hat sie sich in gewisse Re-
geln geordnet, so heißt dieß die Verfassung oder Kon-
stitution des Staates. Diese ist entweder monarchisch
(Monarchie) oder republikanisch (Republik). 1) Re-
girt ein Einzelner nach bestimmten Gesetzen, denen er aber
selbst unterworfen ist, so haben wir eine Monarchie oder
Alleinherrschaft. Diese kann erblich sein, wenn die
höchste Gewalt in der Familie des Regirenden bleibt, oder
ein Wahlreich, wenn nach dem Tode des Herrschers ein
Andrer an seine Stelle gewählt wird. Herrscht ein Einzel-
ner nach Willkühr, ohne sich den Gesetzen zu unterwerfen,
12
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erkaufen (in Baden bei Wien), und der Übertritt auch des Kurprinzen (1717) entschied den Glaubenswechsel des ganzen albertinischen Hauses. Doch brachte dieser keine Veränderung für die lutherische Landeskirche, wenngleich jetzt den Katholiken und Reformierten eine beschränkte Religionsfreiheit zugestanden wurde. Denn der Kur fürst übertrug seine landesbischöflichen Befugnisse an „die in evan-gelicis beauftragten Geheimräte" (jetzt Staatsminister). Aber das fortdauernde kursächsische Direktorium des Corpus evangelicorum (f.§ 65) verlor alle praktische Bedeutung, und die thatsächliche Vertretung der protestantischen Interessen ging zum Nachteile Sachsens an Preußen über. Vor allem aber wurde Sachsen durch die Personalunion mit Polen in den nordischen Krieg (1700 —1721) verflochten.
§ 76. Friedrich August hatte nämlich den Polen versprochen, die ihnen früher von Schweden entrissenen Länder (Livland) wieder zu erobern. Er verbündete sich daher mit Rußland (Peter d. Großen) und Dänemark gegen den jugendlichen Schwedenkönig Karl Xii. und knüpfte mit dem unzufriedenen livländischen Adel (Reinhold Patkull) Verbindungen an. Da die Polen anfangs gar nichts für den Krieg leisteten, so mußte ihn der König mit sächsischen Truppen und Geldmitteln führen. Aber Karl Xii. eroberte in wenigen Jahren ganz Polen (Schlachten bei Kliffow 1702 und Pultusk 1703), setzte Stanislaus Leszcziusky 1704 znm König ein, rückte nach der völligen Niederlage des sächsisch-russischen Heeres bei Fraustadt am 13. Februar 1706 durch Schlesien in dem wehrlosen Sachsen ein und i706. zwang den Kurfürsten im Frieden von Altranstädt (bei Leipzig) am 24. September 1706, der polnischen Krone zu entsagen und Patkull auszuliefern. Erst 1707 räumten die Schweden das hart mitgenommene Sachsen, auf sächsische Kosten bis auf 43 000 Mann verstärkt, besoldet, verpflegt und neu ausgerüstet. Allein nach der vernichtenden Niederlage Karls Xii. bei Poltawa 1709 und seiner 1709. Flucht nach der Türkei bildete sich der Kriegsbund gegen Schweden aufs neue Friedrich August nahm schon 1709 die polnische Krone wieder und ließ seine Truppen gegen die schwedischen Besitzungen an der deutschen Ostseeküste vorrücken, die damals von Dänen und Russen bedroht wurden. Um diese fremden Mächte an der Festsetzung in Deutschland zu verhindern, trat auch Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1713 in den Krieg ein. Mit den Preußen zusammen eroberten die Sachsen 1714 Stettin, 1715 Stralsund. Nach dem Falle Karls Xii. vor Friedrichshall 1718 ging der nordische Krieg zu Ende (Abtretung des südlichen Vorpommern an Preußen, Bremens und Verdens an Hannover), und Friedrich August behauptete die polnische Krone. Nach dem Kriege nahm Friedrich August an den großen europäischen Verwicklungen keinen Anteil weiter, bemühte sich vielmehr besonders, wenngleich vergeblich, seinem Sohne die Nachfolge in Polen zu sichern und trat deshalb in ein freundliches Verhältnis zu Friedrich Wilhelm I.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_August Friedrich August Peter_d Karl_Xii Karl Reinhold_Patkull Karl_Xii Karl Stanislaus_Leszcziusky Karls Friedrich_August Friedrich August Friedrich_Wilhelm_I._von_Preußen Friedrich Wilhelm_I. Karls Friedrich_August Friedrich August Friedrich_August Friedrich August Friedrich Wilhelm_I.
Extrahierte Ortsnamen: Baden Wien Sachsens Sachsen Livland Sachsen Leipzig Schweden Sachsen Karls Poltawa Deutschland Sachsen Stettin Karls Bremens Hannover Polen
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Hauses (f. § 29). Erst im 2. Raubkriege (1672—79) ließ er seine Truppen gegen Frankreich fechten; aber nach dem Frieden von Nymwegen 1678 verbündete er sich mit dem Kaiser und Bayern gegen Brandenburg, um dies zur Herausgabe des eroberten schwedischen Vorpommern zu zwingen und schloß 1679 einen neuen Vertrag mit Frankreich.
8 71. Eine andere Politik schlug sein Sohn Johann Georg m.
(1680 — 91, geb. 1647) ein, der sich im französischen Kriege als Soldat bewährt und als Landvogt der Ober Lausitz auch mit der Verwaltung vertraut gemacht hatte. In klarer Erkenntnis der Notwendigkeit wurde er der Begründer des stehenden kursächsischen Heeres nach dem Vorbilde Brandenburgs und mit Unterstützung seines Landtags 1682. Nach außen hin schloß er schon 1681 ein 1682. Bündnis mit Brandenburg gegen die Übergriffe Frankreichs (die „Reunionen", Raub Straßburgs 1681), und führte 1683, als die Türken 1683. Wien zum zweiten Male bedrohten, persönlich gegen 11000 Mann feiner Truppen dorthin, die an der glänzenden Enlsatzschlacht 2./12. Septbr. unter dem Oberbefehle des Königs Johann Sobieski von Polen glorreichen Anteil nahmen (die Beutestücke im Historischen Museum zu Dresden). Später wirkten die Sachsen an der Erstürmung von Ofen Septbr. 1686 mit und halfen im venezianischen Solde Morea erobern. Beim Ausbruche des 3. Raubkrieges (1688 — 97) war Johann Georg Iii. der erste Reichsfürst, der mit 14 000 Mann seiner Truppen am obern Rheine erschien. Doch starb er 1691 als Oberbefehlshaber der Reichstruppen in Tübingen. — Sein ältester Sohn Johann Georg Iv. (1694-94, geb. 1668) setzte die Politik des Vaters fort, verschied aber schon 1694 im Feldlager, wenige Wochen nach seiner Geliebten Sibylle Magdalene von Neitzschitz kinderlos.
Staats- und Kulturleben.
§ 72. Die Staatsverfassung blieb in Sachsen unverändert, denn ein äußerer Zwang, alle Kräfte durch die unumschränkte Monarchie zusammenzufassen, wie in Brandenburg, bestand nicht, die Macht der Stände war sehr ausgebildet und die Selbständigkeit der Lausitzen vertragsmäßig verbürgt (§ 67). Daher verschmolz nur der meißnische Stiftslandtag mit den erbländischen Ständen. An Stelle der vollständigen Landtage wurden meist Deputationstage einberufen. Dagegen geschah innerhalb der alten Verfassung mancher Fortschritt. Johann Georg Iii. schuf die stehende Armee (s. § 71); die kursächsische Post wurde unter Johann Georg Iii. (l 661 Postordnung für Personen- und Briefbeförderung; die „Leipziger Zeitung" 1656) und Johann Georg Iv.
(1693 Oberpostdirektion in Leipzig) organisiert.
§ 73. Die Kulturarbeit richtete sich wie überall zunächst auf die Wiederherstellung des zerstörten Wohlstandes. In Sachsen wurde diese beschleunigt durch die starke Zuwanderung protestantischer
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Brandenburgs Frankreichs Dresden Sachsen Rheine Tübingen Sachsen Brandenburg Leipzig Sachsen