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Das Kunstgewerbemuseum in Berlin.
könnte ja vorschnell Veränderungen an wertvollen Kunstwerken vornehmen,
die dadurch verunstaltet und entwertet würden, wir mußten daher die
Kunstwerke erst so darstellen, wie sie nach der Umarbeitung aussehen würden,
und erst als man die Gewißheit hatte, daß das vorhandene in seiner jetzigen
Gestalt erhalten bliebe, ließ man uns gewähren." „Euer Unternehmen,
dünkt mich, hat eine große Bedeutung," warf ich ein. „Ohne Zweifel,"
erwiderte mein Begleiter, „und ich hoffe, daß einmal eine Zeit kommen wird,
in welcher auch der Staat solchen Bestrebungen seine Aufmerksamkeit zu-
wenden und sachverständige Männer berufen wird, welche die Verunstaltung
alter Kunstwerke verhindern und für ihre Miederherstellung Sorge tragen
werden." Nach Adalbert Stifter.
*89. Das Kunstgewerbemuseum in Berlin.
H Das Kunstgewerbe bringt Erzeugnisse hervor, welche zwar für
den praktischen Gebrauch bestimmt sind, jedoch durch schöne Formen
und künstlerische Ausführung einen gewissen Kunstwert erlangen. Zm
Mittelalter war der Künstler nur ein höher entwickelter Handwerker, und
auch jetzt noch bedarf jeder Künstler gar mancher handwerksmäßigen Fertig-
keit und Geschicklichkeit. Umgekehrt hatte der mittelalterliche Handwerks-
meister gewöhnlich eine künstlerische Ader; er bemühte sich, die Erzeugnisse
seines Fleißes künstlerisch zu verschönen, und das bereitete ihm innere Be-
friedigung und Genuß. Zu solchem künstlerischen Schaffen fand er auch
mancherlei Anregung. Kirchen und Schlösser besaßen reiche Schätze von
prächtig gestickten Teppichen und von köstlichen Goldschmiedearbeiten, z. B.
Kelche und Neliquienschreine. Das Znnere der Kirchen enthielt eine Fülle
von geschmackvollen Bronzearbeiten, Holzschnitzereien und Glasmalereien.
Es gab kaum eine Stadt, die nicht auf einen Schatz von silbernen Pracht-
gefäßen hätte stolz sein können, ja keine Zunftstube entbehrte prächtiger
Geräte und kunstvoller Ausstattung. Sie vererbten sich von Geschlecht zu
Geschlecht und bildeten einen Stamm von Vorbildern, der jedermann zu-
gänglich war, immer wieder anregend auf den Handwerker wirkte und'
ihm die Ehre seines Berufes zum Bewußtsein brachte.
Durch den verheerenden 30-jährigen Krieg wurde auch das deutsche
Handwerk schwer geschädigt. Der Mohlstand des deutschen Volkes war
gänzlich vernichtet, und die Freude am künstlerischen Schaffen war dem
Handwerkerstande abhanden gekommen. Dagegen blieben die alten und
veralteten Formen des Zunftwesens bestehen und erschwerten den freien
Wettbewerb. Zunge, tüchtige Kräfte wurden in ihrem Streben zurück-
gehalten. Die Einführung der Gewerbefreiheit im Zahre s8s0 (s. Nr. s^0),
durch welche die hemmenden mittelalterlichen Schranken niedergerissen
wurden, vermochte dem Handwerk zunächst nicht aufzuhelfen; denn es
stellte sich ihm eine neue Schwierigkeit durch das Maschinenwesen in den
weg. Da die Zndustrie ihre Erzeugnisse schneller und billiger herstellen
konnte, als das Handwerk die seinigen, so mußte auch der Handwerker
billig arbeiten und deshalb auf Tüchtigkeit seiner Arbeit und auf ihren
künstlerischen Schmuck verzichten. „Billig und schlecht!" das waren die
Kennzeichen der Handwerksware.
Bester stand es in England und Frankreich. Hier hielt man weit
mehr auf Tüchtigkeit der Ware und auf ihre gefällige, geschmackvolle Aus-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
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TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
Extrahierte Personennamen: Adalbert_Stifter
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Berlin England Frankreich
294
Die deutsche Auswanderung.
käufern, welche die ahnungslosen Ansiedler zu übervorteilen suchen. Wie mancher
Einwanderer kauft für gutes Geld eine Bodenfläche, deren Besitz streitig ist,
oder die sich hinterher als wertlos erweist, weil sie außer aller Verbindung mit
einer Absatzstätte steht! Leider geht die große Zahl deutscher Auswanderer dem
deutschen Volksstamm ziemlich rasch verloren. Zwar hat die hohe Achtung,
welche das deutsche Volk seit seiner Einigung in aller Welt genießt, auch da-.nu
manches geändert; aber noch immer wird deutsche Sprache und deutsches Wessen
in den Vereinigten Staaten nur zu bald abgestreift.
Anders ist es in Südamerika. Dort verspricht Brasilien das wichtigste
Land für die deutsche Ansiedelung zu werden. Unter den 20 Millionen Be-
wohnern dieses Landes, das fast so groß ist wie ganz Europa, zählen die Deutschen
schon jetzt nach Hunderttausenden.
In neuester Zeit bemüht sich die Hamburgisch-Hanseatische Besiedelungs.
gesellschaft, die deutsche Auswanderung nach den Südstaaten Brasiliens zu lenken.
In der Provinz Rio Grande do Sul ist das Deutschtum am meisten vertreten,
und hier entstehen die Ansiedelungen gleich im großen und nach bestimmtem
Plane. Durch den Urwald wird zunächst ein schmaler Pfad bis zu der Stelle
gehauen, von wo aus die Kolonie angelegt werden soll. Alsdann legt man
mitten im Wald ein etwa 400 ha großes Gebiet frei, welches den Raum, für
eine später zu erbauende Stadt bietet. Von diesem Platze aus steckt der Land-
messer eine 10 m breite, gerade Straße ab, von welcher nach rechts und links
in einem Abstande von je 1000 m 10 bis 20 Seitenstraßen rechtwinklig aus-
gehen. An den Querstraßen werden die 250 m breiten Gevierte oder Lose ab-
geteilt, welche die Landesregierung einzeln an Ansiedler gegen das Versprechen
abgibt, daß nach zwei Jahren ein Teil des Loses urbar gemacht und ein Wohn-
haus darauf errichtet sei. Dieselbe Anlage wird nach der entgegengesetzten Seite
vom Stadtplatze aus gemacht. So entsteht in wenigen Jahren mitten im Ur-
walde eine Stadt, in welcher die Kolonisten ihre Landeserzeugnisse absetzen und
Waren einkaufen können. In den älteren Siedelungen sind stattliche Kirchen
und Schulen, hier und da sogar Druckereien vorhanden, in denen deutsche
Sonntagsblätter und Zeitungen gedruckt werden; deutsche Gesang-, Turn- und
Kriegervereine stehen in erfreulicher Blüte. Überall wird deutsche Sitte und
Sprache und echt deutsche Gesinnung gepflegt, und einen Deutschen, der zum
erstenmal solch eine Ansiedelung besucht, erinnern nur die schlanken Palmen
zwischen den heimischen Obstbäumen, die Bananen und Apfelsinen und der
Winter ohne Eis und Schnee daran, daß er weit von der alten Heimat ent-
fernt ist.
Die deutsche Auswanderung hat erfreulicherweise stark abgenommen. Sie
betrug 1872 über 1280'00, i. I. 1881 fast 221 000, ging dann aber bis 1904
auf 28 000 zurück, von denen 26 085 nach Amerika, 355 nach Brasilien zogen.
Früher kamen zwei Dritteile des Gesamtznflusses ans germanischen Ländern;
allmählich ist dieser Prozentsatz auf ein Zehntel gesunken.
Neuerdings ist sogar eine Rückwanderung eingetreten, indem 1907 über
eine halbe Million, 1909 und 1910 je über 200 000 Leute aus Amerika
nach Europa zurückkehrten. Nach Adolf Tromnan Mid Friede. Beckmann.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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Extrahierte Personennamen: Adolf_Tromnan Adolf Beckmann
Extrahierte Ortsnamen: Südamerika Brasilien Europa Brasiliens Deutschtum Amerika Brasilien Amerika Europa
Das neue bürgerliche Recht.
411
aber auch damit wurde nicht dauernd Abhülfe geschaffen. Endlich
nahm man ein fremdes Recht, das römische, zum Ersätze des hei-
mischen an.
Warum das römische Recht? — Die Römer hatten es wie
kein anderes Volk verstanden, mit Hülfe von klugen Gesetzgebern
und geistvollen Rechtsgelehrten ein planmäßig durchdachtes und
besonders für die Geschäfte des bürgerlichen Verkehrs praktisches
Recht auszugestalten. Dieses Recht, welches in dem weiten Ge-
biete des römischen Weltreiches galt, hatte der Kaiser Justinian I.
(527—565) in einem bürgerlichen Rechtsbuch aufzeichnen lassen. Die
damaligen Rechtsschulen, namentlich die berühmten italienischen,
legten nun dieses Buch ihrem Unterrichte zu Grunde, und auch die
zahlreichen Deutschen, die in Italien die Rechtswissenschaft studierten,
wurden im römischen Rechte unterwiesen und suchten es dann in
der Heimat als Amtsleute, Sachwalter und Richter anzuwenden.
Allmählich wurde es auch an den deutschen Hochschulen gelehrt.
Dazu kam die im Mittelalter herrschende Anschauung, daß das
„heilige römische Reich deutscher Nation“ eine Fortsetzung des
römischen Reiches, der deutsche Kaiser also Nachfolger des römischen
sei, und so gewöhnte man sich daran, auch das Rechtsbuch Justinians,
obwohl es in lateinischer und griechischer Sprache verfaßt war, als
deutsches Reichsrecht zu betrachten, und im 15. Jahrhundert begann
das römische Recht an den deutschen Gerichten die Oberhand zu
gewinnen. Wohl machte sich noch lange das Widerstreben weiter
Volkskreise gegen die Neuerung bemerkbar; aber da Fürsten, Ge-
lehrte und Staatsmänner das römische Recht schirmten, so war
seine Aufnahme um die Mitte des 16. Jahrhunderts vollendete Tat-
sache.
Nun hatte man ein „gemeines“ (d. h. gemeinsames), aber
dennoch weder ein einheitliches noch ein gewisses Recht.
Kein einheitliches Recht; denn das besondere Recht der einzelnen
Gebiete ging dem gemeinen vor, und nach dem Spruche „Landrecht
bricht Reichsrecht“ konnte jeder Landesherr für sein Land, jede
Stadt für ihr Weichbild besondere Gesetze geben. Kein gewisses
Recht; denn die fremden Vorschriften paßten nicht immer für das
deutsche Leben; die Streitfragen über Auslegung und Anwendung
des fremdsprachigen Rechtsbuches mehrten sich deshalb, und die
Prozesse wurden oft viele Jahre lang verschleppt.
2. In Preußen wurden zur Zeit der letzten Kurfürsten und unter
den beiden ersten Königen mehrere ziemlich erfolglose Anläufe zur
Abfassung eines Gesetzbuches gemacht; erst eine im Jahre 1780
eingesetzte Kommission brachte das Werk zu stände, und im Jahre
17y4 trat das „Allgemeine Landrecht“ in Kraft. Dieses Gesetz-
buch bedeutete einen großen Fortschritt, da es durch vielfache Annähe-
rung an volkstümliche Rechtsanschauungen und durch Beobachtung
des praktischen Lebens das gemeine Recht in deutschem und
modernem Sinne weiterbildete. Indessen wurde es nicht in allen
Gebieten eingeführt, die Preußen seitdem erwarb. In den Ländern
links vom Rhein und in Baden erlangte während der Napoleonischen
Fremdherrschaft das französische „Bürgerliche Gesetzbuch“ Geltung,
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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44
daher die bedeutsame Rolle, welche die Tiere in der Entdeckungsgeschichte der
Erde, bei den Völkerwanderungen, sowie in der Handels- und Kriegs-
geschichte spielen.
Ohne die Tiere wären die Menschen für ewige Zeiten unter den Palm-
bäumen, an der Scholle ihres anfänglichen, einzigen Paradieses kleben geblieben
und nicht imstande gewesen, die Wüsten zu durchdringen und die ändert:
auch nicht verächtlichen Paradiese, welche hinter jenen lagen, aufzuspüren.
Nur mit ihrer Beihülfe wurden die entlegensten Gegenden erreichbar und
bewohnbar, alle Weltteile in Zusammenhang gesetzt uitd erhalten.
Das Wild lief dem Menschen vorauf; die Vögel flatterten vor ihm her,
zu den Felsen oder zu den Gewässern sich flüchtend. Ihnen folgend, übte er
sich im dauernden Lauf, im Klettern und Schwimmen. Fische fangend, den
wandernden Forellen und Lachsen nacheilend, breiteten sich die Fischervölker
längs der Ströme ihres Landes aus bis zu ihren Quellen aufwärts und bis
zu ihren Mündungen abwärts. Die Gemsen und Steinböcke jagend, sind die
Alpenbewohner bis zu den verstecktesten Teilen und zu den höchsten Gipfeln
ihrer Gebirge empor gelaugt nnb haben dort dem Hirteit manche schöne Wiese
gezeigt und manches heimliche Plätzchen zum Anbau und Wohnen erspäht.
Ja, noch aus der Geschichte der Neuzeit kann man von utanchen großen
Ländern behaupten, daß ihre ganze Erforschung, Besiedlung oder Eroberung
nichts anderes gewesen sei, als eine durch eine lange Reihe von Jahren hin
fortgesetzte Jagd auf eine wertvolle Tiergattung. So ist z. B. der kleine, aber
seines schönen Pelzes wegen so kostbare Zobel in der neuen Geschichte Sibiriens
von so entscheidender Bedeutung, daß man ihn als die eigentliche verborgene
Triebfeder aller Unternehmungen der Bewohner dieses Landes betrachten kann.
In Kamtschatka und am Stillen Meere bei den alöutischen Inseln und
längs der ganzen Westküste Amerikas bis nach Kalifornien hinab haust ein
fast noch selteneres Tier, die in China so berühmte Seeotter, deren Pelz
noch höheren Preis davonträgt, als der des Zobels. Kaum hatten die Russen
unter dem ersten europäischen Entdecker jener Küsten, Behring, dieses höchst
wertvolle Tier aufgespürt und die ersten Felle desselben ans die Märkte
Europas und Chinas gebracht, so entstand gleichsam ein allgemeines Wett-
rennen der seefahrenden Völker Europas zu jeuen damals noch völlig unbe-
kannten Küsten, und dieses Tier hat Veranlassung zur Entdeckung eines
großen Teils der Umrisse des westlichen Amerikas und des östlichen Asiens
gegeben. Durch die Seeotter wurde zuerst auch Kalifornien in der Welt
berühmt, erst später durch sein Gold.
Den Biber mögen wir als eines derjenigen geschichtlich wichtigen Jagd-
tiere nenneil, die Bebentenb zur Wanderung und Ausbreitung der Menschen
beigetragen haben. Die Biberjäger Nordamerikas sind fast im ganzen weiten
Missouri- und Mississippilande die ersten europäischen Eindringlinge und Ent-
decker, die Bahnbrecher der Bildung gewesen. Fast jeder Fluß, fast jedes
Thal des Felsengebirgs ist durch irgend einen Biberjäger zuerst erspäht, durch
ihn bekannt und benannt worden, und viele der in den westlichen Staaten
der Union blühenden und volkreichen Städte haben ihren Ursprung von einer
ergiebigen Biberfangstelle oder von einem bequemen Biberfell-Marktplatze.
Auf dem Meere hat uns kein Tier weiter hinaus geführt, als der große
Walfisch. Eigentlich hat die ganze, große, neuere überseeische Entdecknngs-
geschichte mit dem Walstschfange begonnen. Schon vor Kolumbus wurden
von ihm die Spanier, namentlich die kühnen Biscayer, weit nach Westen
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt]]
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Extrahierte Personennamen: Kolumbus
Extrahierte Ortsnamen: Sibiriens Kamtschatka Amerikas Kalifornien China Europas Chinas Europas Amerikas Asiens Kalifornien Nordamerikas
48
Das Meer erweckt in denen, die auf ihm fortwährend die Stätte ihres
Strebens und Schaffens haben, das Gefühl der Freiheit und der Kraft,
das sie trotz der tausend Gefahren und Entbehrungen aus den Kreisen des
sichern und geordneten Lebens immer wieder hinaus auf die wogende Flut
zieht. Dieses Gefühl und das Bewußtsein der im Kampfe mit den Elementen
erstarkten Kraft ist es, was dem Seeleben für viele den Hauptreiz giebt,
alle Männer des Meeres mehr oder minder durchdringt.
Alle Seevölker zeichnen sich durch Rüstigkeit und Mut aus; denn
das Leben zur See ist ein Leben der Kraft und des Kanipfes, das auch
während einer langen Zeit des Friedens fortwährend anregt, stählt und stärkt.
Sie zeigen den Landvölkern gegenüber einen großen Vaterlandsstolz ohne
Vaterlandsdünkel — vergleiche die Engländer und Franzosen —, gegen andere
Seevölker aber häufig Eifersucht. Das Seeleben nährt bei seinen Anwohnern das
Romantische; die Seekriege erregen das Wohlgefallen am Abenteuerlichen und
den praktischen Sinn, mehr als das kriegerische Leben auf dem Festlande.
So ist das Meer der Ursitz und eine der Hauptquellen des Lebens, ja das
Herrschende auf der Oberfläche des Erdballs; es ist die große Straße der
Welt. Es bringt größere Mannigfaltigkeit in die Eutwickelung der Völker,
wirkt mächtig auf ihre weckselnden Geschicke ein.
Der Küstenbewohner schaut mehr hinaus und hinüber über das weite
Meer, als nach den im Innern gelegenen Ländern. Das Meer ist ihnen
ein lieberes Element als der Ackerboden. Zuerst sind die Küstenbewohner
Fischer; später werden Schiffer und Handelsleute aus ihnen; letztere
sind kühner, unternehmender, regsamer und rüstiger, als die Handelsleute des
Binnenlandes. Das Meer ist die große Handelsstraße zwischen den ent-
legensten Ländern; es macht die ganze Welt znm Markt für ihre Anwohner.
Gedenke an Phönizien, an die italienischen Seestädte des Mittelalters, an
die deutsche Hansa, an Portugal, an Spanien, an England! Es ist die
breite Weltstraße der Völker, welche sich bestrebt, alle Völker der Erde zu
einer großen Fanülie zu verbiudeu, und dazu dient, die Güter und Genüsse
aller Menschen auf der Erde auszugleichen, indem auf ihr die Erzeugnisse
eines Erdreichs zum andern schwimmen.
Die tief vom Ocean durchdrungenen Länder sind stets die Wiegen der
Bildung gewesen; Ägypten, Griechenland, Rom im Altertmn und Westeuropa
mit England an der Spitze in der Neuzeit thun dies durch schlagende
Beispiele dar.
Das Meer endlich, freundlich und schön, wenn bei heiteren: Himmel und
leichtem Luftzuge feine Fläche sich kräuselt oder unabsehbar leuchtende Funken
aussprüht, und grauenhaft furchtbar, wenn Stürnie es aufwühlen, ist stets,
gleich dem Himmel, der sich in ihm spiegelt, das große, erhabene Abbild der
Unendlichkeit, das die Seele des fühlenden und denkenden Menschen mit
Gedanken füllt, die erhaben, geheimnisvoll und unergründlich sind, wie
der Ocean. Kühner, nach Kriezk.
38. I>er Lotse.
„Siehst du die Brigg dort aus den Wellen? Ich muß hinaus, daß ich sie leite!" —
Sie steuert falsch! sie treibt herein,
Und muß am Borgebirg zerschellen,
Lenkt sie nicht augenblicklich ein.
„Gehst du ins offene Wasser vor.
So legt dein Boot sich auf die Seite
Und richtet nimmer sich empor."
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Extrahierte Personennamen: Fischer
Extrahierte Ortsnamen: Portugal Spanien England Griechenland Rom Westeuropa England Borgebirg
128
Im nahen Zusammenhange mit der schiefen Ebene steht die Schraube.
Die Last wirkt bei derselben in der Richtung der Achse der Schraubenspindel,
die Kraft aber an dem Ende eines Hebelarmes. Wird dieser einmal umge-
dreht, so wird die Last um den Abstand zweier Schraubengänge fortbewegt.
Die Kraft verhält sich daher zur Last, wie der Abstand zweier
Schraubengänge zu dem Umfange des Kreises, welchen bei der
Umdrehung das Ende des Hebelarmes durchläuft. Wenn nun auch
die wirkliche Leistung hinter der so berechneten Wirkung wegen der sehr großen
Reibung um ein beträchtliches zurückbleibt, so gehört doch die Schraube zu
denjenigen mechanischen Vorrichtungen, durch welche ein besonders großer
Gewinn an Kraft erzielt wird.
Die im vorhergehenden behandelten Maschinen, der Hebel, die Rolle,
die schiefe Ebene und die Schraube, werden einfache Maschinen genannt.
Alle anderen Maschinen sind entweder auf dieselbe zurückführbar oder aus
ihnen zusammengesetzt. Für alle Maschinen ohne Ausnahme aber gilt das
Gesetz: Was an Kraft gewonnen wird, ebensoviel geht am Wege
verloren. Nach Dorn und Koppe.
71. I)er gotische Stil.
überall, wo Völker eine bleibende Stätte aufgeschlagen, ein dauerndes
Heim errichtet, finden sich auch Reste ihrer Bauweise, die je nach deren ge-
ringerem oder höheren: Kulturzustande entweder auf der niedrigen Stufe der
Zweck- und Nützlichkeitsbauten stehen blieb, oder bei höherer Ausbildung zu
einer organisch entwickelten Baukunst sich gestaltete.
Diese Neste sind häufig die beredtsten Zeugen der Geschichte dieser Völker
und spiegeln aufs treueste das Leben und Treiben derselben ab. Oft, und
in den späteren Zeiten meist, machten sich die in der Kulturentwickelung be-
griffenen Völker die Errungenschaften der Baukunst ihrer Vorgänger oder
benachbarten Völkerstämme mit zu eigen, bildeten sie in ihrer Weise um, und
vervollkommneten dieselben nach dem Stande ihres eigenen Wissens und Könnens.
Auf diese Weise ist das Bauwesen ein in stetiger Umbildung und Vervoll-
konnnnung begriffenes Erzeugnis der menschlichen Hand und des Geistes. Zunächst
hat das Bauwesen die Ausgabe, uns Schutz vor den nachteiligen Einwirkungen
der Naturkräfte zu gewähren, uns Wohnungen zu verschaffen, die Verkehrswege
zu Wasser und zu Land herzustellen, Wagen und Schiffe zu bauen rc. Weiterhin
als Kunst fällt ihm die Aufgabe zu, das an sich zunächst bloß Nützliche und
Zweckentsprechende wohlgefällig und schön zu gestalten; ihm durch die Wahl
der Form einen höheren Ausdruck, gewisserinaßen eine Art Sprache zu leihen,
mittelst deren das Bauwerk uns unmittelbar seine Bestimmung erkennen läßt.
Diese vielseitigen Anforderungen verursachten mit der fortschreitenden
Entwickelung von Industrie und Kunst allmählich eine Scheidung der Baukunst
im engeren Sinne von demjenigen Teile des Bauwesens, welcher sich vorzugs-
weise mit den Nützlichkeitsbauten beschäftigte.
Während diese letztere Seite des Bauwesens ihre höchsten Triumphe in
den kühnsten Brücken, mit leichtem Gitterwerke über die größten Flüsse
gespannt, feiert, stellt sich die Baukunst ihre würdigste Aufgabe in der
Errichtung der dem Gottesdienst gewidmeten Bauwerke, als Tempel und
Kirchen mit ihren Altären. In ihrer Form drückt sich der Geist eines Volkes
deutlich ans, an ihnen erkennt man den Stand seines künstlerischen Könnens
und Wissens, seiner höchsten Leistungen und Fertigkeiten.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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214
ländischer Pracht wurden Geschmack und Sitten verfeinert. Einen wohlthätigen
Einfluß hatten die Kreuzzüge auch auf den damals sehr gedrückten Stand
der Bauern. Die Leibeigenen, welche das Kreuz nahmen, wurden frei. Wer
also seine Knechte gern behalten wollte, war freundlich und behandelte sie
menschlich. Und weil in den: fremden Erdteile mancher Herr, der keine
näheren Erben hatte, sein Grab fand, so gelangte oft bei der Verwirrung
und dem Streite der Erbfolge der Leibeigene zu der ersehnten Unabhängigkeit,
und so entstand allmählich ein freier Bauernstand. Ebenso verdankt auch der
Bürgerstand den Kreuzzügen seine schnellere Ausbildung. Die Dränger der
Bürger gingen weg, und die Vögte, welche sie zurückließen, hatten nicht Macht
und Ansehn genug, die Städtebewohner^ die sich immer mehr fühlen lernten,
niederzuhalten, und so wuchs mit ihren: Freiheitssinn ihre Thätigkeit und ihr
Reichtum. Endlich bildeten die Kreuzzüge den weltlichen Ritterstand, die
schönste Erscheinung des Mittelalters, aus und veranlaßten die Stiftung der
drei geistlichen Ritterorden: der Johanniter, der Tempelherren und der Deutsch-
ordensbrüder.
So^ waren also die Kreuzzüge für die Bildung und Veredelung Europas
von großem Nutzen und es läßt sich nicht leugnen, daß sie Keiine in sich
trugen, welche in ihrer Entwickelung die Neuzeit herbeiführen mußten.
107. Z>as Städteweserr im Mittelalter.
Heinrich I., der den Beinamen des Städtebauers führt, errichtete Burgen
mit Wohn- und Vorratshäusern und umgab sie mit Mauern und Gräben.
So entstanden die Städte. Als Baumittel' diente besonders Holz und Lehm»
nur die Ringinauer der Stadt war von Stein. Erst später, nachdem öftere
Fenersbrünste die leichten Häuser verzehrt hatten, fing man im 13. Jahr-
hundert an, fester zu bauen. Aber lange dauerte es, bis nian die Häuser
bequemer einzurichten lernte. Gewöhnlich enthielt das Haus nur einew
Raum. Vorn standen die Viehställe, die samt der Düngerstätte viel Raum,
wegnahmen. Rauchfänge kannte man nicht. Kein Wunder, daß die freien
Landbewohner lieber in ihrer reinen frischen Luft wohnen, als in die dumpfigen
Städte ziehen wollten. Um an den: teuern Steinwerke der Stadtinauer zu.
sparen, standen die Häuser dicht beisammen, die Gassen waren nur schmal.
Straßenpflaster kan: sehr spät auf. Im 15. Jahrhundert zeichneten sich zwar
die deutschen Städte vor allen anderen durch Sauberkeit und Wohlstand aus,
gleichwohl fehlte es noch an allen Einrichtungen zur Straßenreinigung, an
Schleusen, Kanälen und Abzügen. Oft wurden sie durch stinkende Süinpfe
verunziert und verpestet.
Wer waren nun die Bewohner der Städte? Zunächst eine Anzahl
freier Leute, die Bürger genannt wurden, und die die Stadt mit den Waffen
verteidigen mußten, wenn es not that. Sodann bestand aber die Bevölkerung
aus einer sehr großen Menge unfreier, höriger oder freigelassener Leute, die
man nicht Bürger, sondern nur Einwohner nannte. Entweder hatten nämlich
die freien Leute ihre Leibeigenen mit in die Stadt genonnnen, um sich vow
ihnen bedienen zu lassen, oder diese waren vor den Bedrückungen ihrer Herren
in die Stadt geflüchtet, wo sie eine Freistätte fanden, oder sie hatten (meist
in den Kreuzzügen) durch den Tod ihrer Herren die Freiheit erlangt. In
der Stadt blieben sie verschont von Herrendiensten und lebten sicherer als auf
dem Lande. Hatten sie früher allerlei Arbeiten gefertigt, so konnte setzt
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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277
eine einzige Stromschnelle weit ab von der Mündung unterbrochen. Seine
große Bedeutung erhellt auch aus den vielen Ansiedelungen an seinen Ufern.
Er ist der städtereichste Fluß der Welt. Da liegen unmittelbar an seinen
schönen Ufern Konstanz, Basel, Speier, Mannheim, Worms, Mainz, Koblenz,
Bonn, Köln, Düsseldorf, Wesel u. s. w. Ja, das Bedürfnis nach einer
Ansiedelung im Rheingebiet ist so groß gewesen, daß eine zweite ebenso große
Städtekette in seiner Nähe sich gebildet hat, wie: Straßburg, Freiburg,
Rastatt, Karlsruhe, Heidelberg, Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, Elberfeld,
Barmen, Krefeld. Und das sind Städtenamen von gutem Klange.
Der Rhein ist recht eigentlich der Strom des nnttleren Europas. An
seinen alpinischen Quellen begegnen sich Burgund, Italien, das südliche
Deutschland. Seine oceanische Niederung schiebt sich zwischen den Norden
Frankreichs und die Ebenen des alten Sachsenlandes ein und führt zu den
britischen Inseln hinüber. Aus der schönen Stromebene des mittleren Rheines,
einem bergummauerten Thalgebiet, führen natürliche Wasserstraßen durch lange,
enge Felsenthore zu reichen, herrlichen Landschaften, tief in das innerste Deutschland
und Frankreich hinein. Die Mosel auf der linken, der Main auf der rechten
Seite verbinden Franken und Lothringen. Der Rhein selber aber und seine
Ufer sind die große Handels- und Reisestraße zwischen Süden und Norden,
zwischen Holland und der Schweiz, England und Italien, die eine immer größere
Bedeutung erhält, je inniger und lebendiger die Berührungen aller Art zwischen
den verschiedenen Gliedern des europäischen Staatenverbandes werden.
Mit dem greifbaren Nutzen, den der Rhein bringt, als eine treffliche
Verkehrsstraße für ganz Westdeutschland, streitet die Schönheit des Stromes
und seiner Umgebung um den Preis. Die klare, grüne Flut, vielfach bedeckt
von Kähnen und Schiffen, umkränzt von Rebenhügeln, schön bewaldeten
Berghöhen mit Schlössern und Burgen, umgeben von vielen freundlichen
Dörfern und reichen Städten mit hochragenden Zinnen und Domen, dazu
die Fülle von Sagen und geschichtlichen Begebenheiten, die sich an diese
Orte knüpfen, üben sozusagen einen Zauber aus auf alle, die für die Reize
der Natur und die Kunde der Vorzeit empfänglich sind.
Da ist fast keine Stelle, an der nicht die Sage weilte. Von großen
Königen und tapferen Helden, von holden Jungfrauen und schrecklichen
Drachen, von guten und bösen Geistern weiß dir ihr Mund zu melden und
Berg und Thal, Burgen und Kirchen, Städte und Dörfer in ihre Dichtung
zu verweben. In Worms glänzte der kühne Siegfried mit den Nibelungen
am Hofe der Burgunden in allen ritterlichen Thaten, bis er meuchlings
erschlagen ward. Wer kennt nicht die Sagen vom Mäuseturm bei Bingen
und von der Lorelei mit dem goldenen Haar? Auch Karls des Großen Helden-
gestalt trat an vielen Orten des Rheinlandes auf; in Ingelheim hatte er
seinen Palast, in Rüdesheim, in Frankfurt, Köln, Aachen weilte er gern.
In alter und neuer Zeit hat sich am Rheine Großes begeben. Er sah den
römischen Cäsar, den Schwedenkönig, den französischen Kaiser und den
Marschall Vorwärts mit Heereszügen über sich schreiten. Von den römischen
Niederlassungen am Rheine breitete sich das Christentum und höhere Bildung
über die Nackbarlande aus, und die Geschicke von Deutschland wurden oftmals
an seinen Ufern entschieden.
Der Rhein ist unser schönster und wichtigster Strom. Er ist uns
ebenso heilig wie der Ganges dem Indier. Darum ist es unsere heilige
Pflicht, Gut und Blut einzusetzen, sollte sein Besitz uns streitig gemacht werden.
Nach Grube.
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Extrahierte Ortsnamen: Basel Mannheim Worms Mainz Koblenz Bonn Wesel Rheingebiet Freiburg Rastatt Karlsruhe Heidelberg Darmstadt Frankfurt Wiesbaden Elberfeld Barmen Krefeld Rhein Europas Burgund Italien Deutschland Frankreichs Deutschland Frankreich Main Lothringen Rhein Holland Schweiz England Italien Rhein Westdeutschland Worms Rheinlandes Rüdesheim Frankfurt Aachen Rheine Rheine Deutschland Rhein
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sondern auch- trt anderen Staaten; der Haupterfolg muß aber darin gesehen
werden, daß auf Kaiser Wilhelms Anregung überhaupt der Beginn einer
internationalen Einigung auf sozialpolitischem Gebiete gemacht ist. — So ist
Kaiser Wilhelm Ii. nicht nur der Abstammung, sondern ebenso auch dem
Geiste nach der Erbe seiner Vorfahren, ein sorgender Vater seiner Laudes-
kinder. Ihm gehört darum die Liebe und das Vertrauen aller, die treu zum
Hohenzollernhause, treu zu Kaiser und Reich stehen. Sein kraftvolles Wirken
giebt uns die Gewißheit, daß das preußische und deutsche Vaterland in guten
wie in bösen Tagen an ihm den sichersten Steuermann besitzt. <na& W. Heinz«.
E. Aus der Länder- und Völkerkunde.
130. Die chinesische Kultur.
China bietet das Bild einer rein sinnlichen Kultur, die sich mit dem
äußeren Leben abfindet, so gut es gehen will, ohne alles höhere Streben,
somit ohne allen wahren lebendigen Fortschritt. Religion, Kunst und Wissen-
schaft bleiben im Sinnlichen stecken; selbst die Lehre eines Konfutse (e^oa
500 Jahre vor Christus) war keineswegs eine für hohe Ziele begeisternde
Religion, sondern eine praktische Sammlung sittlicher Regeln, zu Nutz und
Frommen des Lebens in beschränktem Kreise. Die Sorge für ein angenehmes
äußeres Leben entwickelt wohl den Verstand, aber sie macht ihn spitzfindig,
abgefeimt, wenn die edlere Seite des Lebens abstirbt. Eine Hauptursache
der Versumpfung chinesischer Kultur liegt in der Abgeschlossenheit dieses großen
Reiches. China ist ein sehr fruchtbares, an Erzeugnissen aller Art ungemein
reiches Land, aber dennoch kaun sich nie ein Land zum eigenen Vorteil
von der übrigen Welt abschließen. Nicht einem Volke, und zähle es auch
400 Millionen, ist es gegeben, alles zu erfinden, alles zu vervollkommnen.
Im Menschenleben ist die Geselligkeit nicht allein eine Quelle der Freude
und des Glückes, sondern auch gebieterische Notwendigkeit, eine heilige Pflicht.
Kein Volk hat mehr Erfindungen gemacht, als die Chinesen; aber es ist ein
Gesetz, daß eine Erfindung durch die Welt gehen muß, um sich zu vervoll-
kommnen. Abgeschlossen auf der Landseite durch eine berühmte Mauer und durch
Wüsteneien, abgeschlossen auf der Meerseite durch willkürliche Verordnungen,
hat China einen großen Teil seiner Erfindungen in ihrem ursprünglichen
Zustande behalten, ja manche wieder eingebüßt. Der Konipaß, den uns die
Araber im Mittelalter aus China zuführten, war hier schon 1700 Jahre vor
Christus bekannt. Schießpulver und andere brennbare Zusammensetzungen
zu glänzendem Feuerwerk hatten in China schon längst Anwendung gefunden,
bevor das Schießpulver in Europa auf das Kulturleben umgestaltend ein-
wirkte; aber die chinesischen Feuergewehre sind Kinderspielzeuge geblieben, die
vor europäischer Artillerie auseinander stieben. Die Chinesen haben sich
von jeher aus das Schneiden und Glätten von Steinen und Metallen ver-
standen; aber zu großen Maschinen, wie sie das europäische Fabrikwesen kennt,
haben sie es nicht gebracht. Ihre mechanischen Mittel beschränken sich aus
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Extrahierte Personennamen: Wilhelms Wilhelms Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: China China China China China Europa
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Nicht jeder Gottesdienst hat bei den ihm dienenden Völkern in gleichem
Maße das heilige Feuer der Kunst anzufachen gewußt, auch ist der Sinn für
das Schöne in der Kunst wohl kaum bei allen Völkerstämmen gleich verteilt.
Wenigstens lehrt uns die Geschichte, daß in der alten Welt vorzugsweise die
Ägypter und vor allen die Griechen in ihren Tempeln Bauwerke von vollendeter
Schönheit schufen. Ihnen zunächst stehen in der neuen Welt als Träger des
Christentums die germanischen Völker; auch bei diesen hat die Begeisterung
für das Erhabene in der unseren nordischen Verhältnissen entsprechenden Kirchen-
bauweise einen ureigenen Ausdruck gefunden, welcher mächtig genug war, zur
Zeit seiner höchsten Blüte weit über die Grenzen germanischen Völkergebiets
auch die Baukunst fremder Völker zu beherrschen.
Während das Wesentliche des heidnischen Tempelbanes darin bestand,
das Bildnis der Gottheit, der die Stätte geweiht war, aufzunehmen, und es
in der Regel nur den: Priester erlaubt war, das Innere der Tempel zu be-
treten, indes das Volk vor den Tempechallen des Opfers harrte, geboten die
Vorschriften des Christentums, daß die Gemeinschaft der Gläubigen sich inner-
halb des Gotteshauses versammle und Andacht übe. Hierdurch waren von
Anfang an zwei hochwichtige Unterschiede zwischen dem heidnischen Tempel und
der christlichen Kirche gegeben.
1. mußte der innere Raum der Kirche wesentlich größer sein, um die
Gläubigen aufnehmen zu können, und
2. war dieser größere Raum vollständig zu überdecken, während bei den
Völkern des Altertunis der innere Tempelraum nur teilweise überdeckt und
in der Mitte oben offen war.
Auf der Lösung dieser beiden Aufgaben beruht hauptsächlich die Entwickelung
und das Eigentümliche des christlicher: Kirchenbanes, dessen Errungerffchaften
später auch auf die weltliche Baukunst des Mittelalters übertragen wurden.
Die ersten Baumeister christlicher Kirchen gingen zur Erreichung ihres
Zieles von römischen Bauwerken aus, in denen sie sowohl was die Grund-
form, als auch was die Bauart der Decken anlangte, Vorbilder fanden, mittelst
deren sie den ersten räumlichen Bedürfnissen genügten. In dem Maße nun
wie sich das Christentum ausbreitete und die Zahl der Gläubigen vermehrte,
mußten auch die kirchlichen Anlagen vergrößert werden. Als das Christentum
die herrschende Religion geworden, galt es nunmehr nicht bloß Bauwerke her-
zustellen, welche ihren zwecklichen Bedürfnissen genügten, sondern auch das Wesen
des Christentums in seinem erhabenen Grundgedanken versinnbildlichen sollten.
So erhielt nach und nach die Grundforn: der Kirchen die Gestalt eines
Kreuzes, bei welchem das Chor ausschließlich den gottesdienstlichen Handlungen
diente, während das Schiff zur Aufnahme der Gläubigen bestimmt war.
Später erhielt das Chor einen weiteren Schmuck durch Umbauung mit
Kapellen, in welchen bestimmte Heilige verehrt wurden.
In gleicher Weise, vergrößerte sich nach und nach das Schiff, und da
die Schwierigkeit des Überdeckens weit gespannter Räume der weiteren Ver-
größerung Grenzen setzte, ging man dazu über, das Schiff durch Säulen-
reihen der Länge nach zu teilen, jedoch so, daß das Mittelschiff von überwiegender
Breite gegen die Seitenschiffe blieb und unterschied nun je nach dem so geteilten
Raume drei- oder fünfschiffige Anlagen. Zur Weite dieser Teilungen stand
ihrerseits die Höhe des umschlossenen Raumes in bestimmten Verhältnissen. Die
Decken bestanden entweder nur aus dem auch von innen sichtbaren Dach, oder
aus geraden, in Felder eingeteilten Holzdecken, oder aus Gewölbebildungen ver-
Schürmann u. Windmöller, Lehr- u. Leseb. f. Fortbildungs- u. Gewerîesch. I. g
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