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1. Erdkunde - S. 177

1900 - Freiburg im Breisgau : Herder
— 177 — fuhrartikel sind: Seide und Seidenwaren, Thee, Reis, Kampfer, Kupfer, Porzellan, Lack- und Papierware!?. Japan zählt auf einem Flächenraum von 417 000 qkm 45 Mil lionen E., ist also dichter bevölkert als das Deutsche Reich. — Die Japaner (Bild 58) sind -— im Gegensatze zu den stammverwandten Chinesen — dem europäischen Einflüsse leicht zugänglich, sehr gut begabt und ungemein strebsam, die Errungenschaften der christlichen Bild 58. Heiden in Japan bei einer religiösen Feier. Civilisation sich anzueignen. Darum haben sich in Japan so schnell wie in keinem andern asiatischen Staate europäische Sitten und Ein- richtungen eingebürgert. Eisenbahnen und Telegraphen durchziehen das Land; überall erstehen Fabriken; die Staatsverfassung und Verwaltung, das Heer- und Unterrichtswesen sind nach europäischem Muster eingerichtet. In ihrem Wesen freundlich und zuvorkommend, doch mit Würde und Selbstbewußtsein, können die Japaner durch ein ausgesprochenes Gefühl für Anstand und Schicklichkeit manchem Europäer zuin Vorbild dienen.

2. Erdkunde - S. 203

1900 - Freiburg im Breisgau : Herder
— 203 Portugal besitzt einen Teil von Senegambien sowie Angola, das große Gebiet südlich der Kongomündung. Der uuter der Souveränität des Königs der Belgier stehende Kongo st aat (auf 2 250 000 qkm und 14 Mill. E. geschätzt) reicht nur mit einem schmalen Streifen bis an die Mündung des Kongo, breitet sich aber in Centralasrika über den größten Teil seines Stromgebietes aus. (Bodenbeschaffenheit, Klima und Produkte der aufgezählten Ge- biete sind zumeist ähulich wie in Kamerun, siehe unten.) Deutsche Schutzgebiete sind: 1. Togo, 2. Kamerun, 3. Deutsch-Südwestafrika. Togo (82 000 qkm und 21/4 Mill. E., darunter etwa 100 Deutsche) liegt in Oberguinea zwischen der englischen Goldküste und dem französischen Dahome. Die Küste, nnr etwa 60 km lang, ist wegen der heftigen Brandung schwer zugänglich. Nach innen steigt das Land allmählich zu einer fruchtbaren, wohlbebanten Hoch- ebene und gut bewaldeten Gebirgszügen an. Die wichtigsten Er- zeugnisse sind Palmöl, Palmkerne und Kautschuk. Haupthafen ist Klein-Popo (5000 E.), Regierungssitz Lome (4000 E.). Kamerun (zu 495 000 qkm, also fast so groß wie das Deutsche Reich, und 3 Mill. E. geschützt, unter denen 250 Deutsche) liegt am innersten Teil des Guiueabusens zwischen Französisch-Kongo und Britisch-Nigerland. Die Ostgrenze bildet im allgemeinen der 15.° östl. L. von Greenwich bis zum Tsadsee. Nach seiner Oberflächen- gestalt besteht Kamerun aus einem schmalen, sumpfigen, feucht heißen und ungesunden Küstengebiet, das von einem Urwaldgürtel umschlossen wird. Jenseits desselben erhebt sich ein grasreiches, ziemlich gesundes Hochland, das im Norden zu dem Gebirge von Adamaua ansteigt. Doch steigt auch aus dem Küstenlande das vulkauische Kamerun- gebirge (4000 in) empor. Die zahlreichen Flüsse sind wegen der Stromschnellen nur streckenweise schiffbar. Die wichtigsten Ausfuhr- artikel sind Kautschuk, Palmöl, Palmkerne und Elfenbein. In neuester Zeit sind mit wachsendem Ersolg Kakao- und Kaffeepflanzuugen an- gelegt worden. Handelsmittelpunkt und Regierungssitz ist Kamerun.

3. Erdkunde - S. 207

1900 - Freiburg im Breisgau : Herder
— 207 Nördlich schließt sich daran das deutsche Schutzgebiet Deutsch- Ostafrika (941000 qkm, also fast zweimal so groß als Deutschland, und 3 Mill. E., darunter etwa 700 Deutsche). Das Gebiet erstreckt sich an der Küste vom Rovuma bis zum Wangafluß und landeinwärts über den Kilima-Ndscharo quer durch den Victoriasee und entlang dem Tauganyika- und Nyassasee. Die politischen Grenzen sind: Im Norden Britisch-Ostasrika, im Westen der Kongostaat, im Süden Britisch-Centralasrika und der portugiesische Freistaat von Ostafrika. Bild 75. Abessinier (König Menelik Ii.). und reichlichen Ertrag. Bei dem lichen Verkehrsweges in das Innere kann der in Aussicht genommene Bau einer Eisenbahn für die Erschließung des Landes und Förderung des Handels von großer Bedeutung werden. Ausfuhrartikel siud: Elfen- bein, Kautschuk (verdickter Saft einer Schlingpflanze), Kopal (bernstein- artiges Harz) und Tabak. Der Regierungssitz ist Dar-es-Saläm mit 6000 E. (Bild 74). Größere Handelsplätze sind: Tanga (4000 E.), Pangani (4000 E.) und vor allem Bagamoyo (10000 E.). Britisch-Ostasrika (über 1 Mill. qkm mit angeblich 6 Mill. E.) umschließt das Saud nördlich von Deutsch-Ostafrika bis zum Jubfluß. Hauptort ist Mombasa (15 000 E.). Das Kaiserreich Abessinien (Habesch) (508 000 qkm, 41f2 Mill. E.) auf dem mächtigen, schwer zugänglichen Hochland gl. N. ist ein Wie Kamerun, so hat auch Deutsch-Ostafrika einen schmalen, stark bewässerten, fruchtbaren, aber ungesunden Küstenstrich, dem sich nach innen ein grasreiches, von Gebirgen durchzogenes Hoch- land anschließt. An der Nord- grenze erhebt sich die vulkauische p fruchtbar. Die Anpflanzung von Kaffee und Tabak verspricht guten Masse des Kilima-Ndscharo bis zu 6130 m. Das Gebiet ist vollständigen Mangel eines natür-

4. Erdkunde - S. 200

1900 - Freiburg im Breisgau : Herder
— 200 — zerstörten frühern Hauptstadt Chartum gegenüber angelegte Omdnr- man, nnweit des Znsammenflusses des Weißen und Blauen Nils. Das eigentliche Ägypten breitet sich am Mittel- und Unter- lause des Nils aus; es reicht östlich bis zum Roten Meere, westlich mit unbestimmter Grenze bis in die Libysche Wüste. Den Kern des Landes bildet das Nilthal, das in Oberägypten nur eine Breite von 15 bis 20 km hat, in Unterägypten aber mit der Spaltung des Stromes sich bedeutend erweitert. Nur das Nilthal (ungefähr 30 000 qkm) ist anbaufähig; die regelmäßigen jährlichen Überschwemmungen Bild 72. Pyramiden. erzeugen eine außerordentliche Fruchtbarkeit. Die wichtigsten Pro- dnkte sind: Baumwolle, Getreide, Reis und Zucker. Der Handel hat dnrch die Erbauung von Eisenbahnen wie auch durch Eröffnung des Sueskanals in neuester Zeit einen lebhaften Aufschwung genommen. Die Bevölkerung — an 10 Millionen auf 1 Million qkm — ist in Unterägypten am dichtesten, wo auf 1 qkm un- gefähr 250 Menschen treffen. Mehr als 3/4 der Bewohner bilden die Fellachen (— Pflüger), größtenteils Taglöhner. — Herrschende Religion ist der Islam; doch giebt es über 1/2 Million Christen, zumeist Kopten, daneben an 60 000 Katholiken.

5. Erdkunde - S. 202

1900 - Freiburg im Breisgau : Herder
— 202 — welche in früher Jahreszeit nach Europa versandt werden, ferner von Getreide, Wein, Olivenöl, Vieh, Korkholz und Halfa, d. i. Steppen- gras, welches zur Papierbereitnng verwendet wird. — Die Haupt- stadt Algier (alsche, arabisch El-Dschesair) mit 92 000 E. steht in lebhafter Handelsverbindung mit Marseille. — Andere größere Orte sind: Oran mit 81 000 und Konstantine mit 48000 E. Marokko (812 009 qkm und 8 Millionen E.) ist ein Snltanat, dessen mohammedanische Einwohner dnrch ihren wilden Haß gegen die Christen berüchtigt sind. Das Land ist mit Ausnahme des südlichsten Teiles sehr fruchtbar, wird aber schlecht ver- waltet. — Hauptort ist das gewerbereiche Fes. zugleich wichtigster Handelsplatz des Innern, mit etwa 150 000 E. Von dieser Stadt haben die roten türkischen Mützen ihren Namen. — Die alte Haupt- stadt Marokko (ca. 50 000 E.) liegt prächtig am Fuße des schnee- bedeckten Atlas. — Tanger (20 000 E.), unfern der Straße von Gibraltar, ist der bedeutendste Seehandelsplatz. West- und Südafrika. Mit Ausnahme der Negerrepnblik Liberia an der Pfeffer- küste (85 000 qkm und 2 Mifi. E.) ist das ganze Gebiet in den Händen europäischer Mächte. Frankreich besitzt: 1. Senegambien und dessen Hinterland am Niger bis zu der bedeutenden Karawanenhandelsstadt Timbnktu, 2. die Elfeubeiuküste und Dahoine in Oberguinea, 3. Französisch- Kongo in Niederguinea. Zu Großbritannien gehört: 1. das Land am untern Gambia, 2. Sierra Leone, 3. die Goldküste, 4. Lagos mit der lebhasten Handelsstadt gl. N. (37 000 E.) und das Gebiet des untern Niger, 5. die Kapkolonie und Natal, endlich 6. Britisch- Süd- und Centralasrika, das sich vom Kapland nordwärts bis Deutsch-Ostafrika und dem Kongostaat erstreckt. 1

6. Neue Zeit - S. 213

1897 - Stuttgart : Neff
213 französische Hof wurde für viele deutsche Höfe tonangebendes Muster mit seiner Etikette und Pracht, seinen kostspieligen Bauten, von denen Versailles {Baumeister Le Vau und dann Mansart) allein, ohne die von fronenden Bauern oder Soldaten geleistete Arbeit, etwa 500 Millionen Mark heutigen Geldwertes kostete, und mit seiner offen zur Schau getragenen Unsittlichkeit neben der peinlichsten Kirchlichkeit (Maitressen Ludwigs zuerst Fräulein de la Vallière, dann zwei Jahre noch neben dieser seit 1667 die nicht verwitwete Madame de Montespan, die bis 1690 am Hofe blieb; nach dem Tode seiner Gemahlin [1688] heiratete Ludwig 1684 die Erzieherin seiner und der Montespan Kinder, die seit 1660 verwitwete Mme. Scarron [geh. d’Aubigné, f 1719], die er zur Marquise von Maintenon erhob). Im Dienste des Königs, seines Ruhms und seiner alles bedeutenden Hoheit kam die akademisch-klassicistische (römisch- italienische) Richtung der bildenden Künste vollends zur Herrschaft (in der Architektur der Barockstil s. S. 186). Zentralisierend und uniformierend wirkte die Schaffung der Académie royale de peinture et sculpture 1664, deren erster Leiter der Maler L ehrun (1619—1690) die Säle von Versailles schmückte und die Vorlagen für die königliche Gohelinsfabrik schuf. Die 1666 geschaffene Académie de France à Rome lieferte die malerische und plastische Dekoration der königlichen Gärten und Gebäude. Der glänzendste Vertreter der klassicistisch-römischen Richtung der Malerei war Nicolas Poussin (1594—1665), der Meister der heroischen Landschaft Claude Gelée, genannt Lorrain (1600—82). Original-national blieb nur die Porträtmalerei. Den Park von Versailles schuf der geniale Gartenkünstler Le Nôtre (1618-1700). Auch die französische Litteratur, insbesondere das Drama, erlebte unter Ludwig Xiv. ihr goldenes Zeitalter. Auf die formelle Seite übte die 1635 gegründete Académie française immer grösseren Einfluss. Die klassische französische Tragödie mit ihrer Beob- achtung der drei aristotelischen Einheiten, ihrem Alexandriner, ihren aus fremden Völkern und fernen Zeiten, vor allem dem Altertum entnommenen Stoffen begründete schon Pierre Corneille (1606—81), dessen vom Hof nicht beeinflusste Wirksamkeit vor die Epoche Ludwigs fällt. Höfischer Dramatiker der Glanzperiode Ludwigs war Jean Racine (1639—99), der sich vor Corneille durch grössere psychologische Vertiefung auszeichnete. Er schuf 1667—77 Dramen antiken, und 1690, von Frau von Maintenon veran- lasst, biblischen Stoffes. Er war bei seiner Thätigkeit vielfach beraten von dem Meister des französischen (Sitten- und Charakter-) Lustspiels Jean Baptiste Molière (ursprünglich Poquelin, 1622—73). Noch mehr als Molière war ein echter Vertreter französischen Geistes der nicht in der Hof- luft lebende Jean de la Fontaine (1621—95), dessen bedeutendstes Werk seine Fabeln sind. Als Kritiker und Theoretiker wurde für die Kunst- dichtung massgebend Boileau-Despréaux (1636—1711), der jedoch inseinén Satires und Epitres, noch mehr in seinen Oden hinter seinem Vorbild Horaz zu- rückblieb. In den letzten Jahrzehnden seines Lebens begünstigte Ludwig die Oper. — Die rhetorische Richtung und Begabung des französischen Wesens verkörperte sich auch in bedeutenden Kanzelrednern u. a. Bossuet (1627—1704), 1669—1681 Erzieher des Dauphin, der 1711 starb (Verfasser einer Uebersicht der Weltgeschichte und einer Politik, sowie Veranstalter von Klassikerausgaben „in usum Delphini“), der seine kirchengeschichtlichen Kenntnisse zu der Bekämpfung des Protestantismus verwandte. François Fénelon, 1651—1715 Erzieher des hoffnungsvollen „petit Dauphin“ Louis von Bourgogne, der 1712 starb, schrieb u. a. für seinen Zögling die aventures de Télémaque, welche über die Aufgaben der Regierung wesentlich andere Anschauungen enthalten als die des Sonnenkönigs. Der bedeutendste der Prosaiker war aber Blaise Pascal, 1623—52, einerseits Bekämpfer

7. Neue Zeit - S. 265

1897 - Stuttgart : Neff
265 Sprache und Litteratur und huldigte teils schöngeistigen und philosophischen Neigungen teils einem durch Musik und Theater verfeinerten Lebensgenuss. So zerfiel er mit dem einseitigen Vater, der durch seine zuweilen barbarische, feineres Empfinden und Selbstbewusstsein des Jünglings (auch mit dem Stock) schwer verletzende, Strenge das Gegenteil dessen, was er wollte, erzielte, immer mehr, zumal da Friedrich im Widerspruch mit dem Vater an dem Gedanken, eine Tochter Georgs Ii. von England zu heiraten, festhielt. Der gescheiterte Fluchtversuch (1730) hatte zur Folge, dass Friedrichs Vertrauter Lieutenant Katte hingerichtet, er selbst der Kriegs- und Domänenkammer in Küstrin zugeteilt wurde, wo er arbeiten und die Ver- waltungsgeschäfte gründlich kennen lernte. Durch Einwilligung in die Ver- heiratung mit der Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, einer Nichte der Kaiserin (1788), erkaufte er die Aussöhnung mit dem Vater, dessen Zufriedenheit und Vertrauen er sich in wachsendem Mass, namentlich als Oberst in Ruppin durch Bethätigung militärischen Interesses und Verständnisses, erwarb. Die Teilnahme an dem Rheinfeldzug des Jahres 1734 lehrte ihn die militärische Schwäche des Reichs und Oesterreichs kennen. In Rheinsberg (bei Ruppin), wo er, von geistesverwandten Freunden, z. T. Franzosen, umgeben, seit 1736 Hof hielt, studierte er den Philosophen der „Aufklärung“ Wolff, stand mit deren geistreichstem Vertreter Voltaire in Briefwechsel und verfasste zwei für seine Auffassung von den Aufgaben der preussischen Politik und des Herrschers bezeichnende Schriften, die „Betrach- tungen über den gegenwärtigen Zustand des europäischen Staatensystems“ und den „Antimachiavell“ (Widerlegung der Anschauungen einer durchaus bedenken- losen Gewalt- und Machtpolitik, die der Florentiner Nicolo Machiavelli [1469 bis 1527] in seinem Buch „vom Fürsten“ dargelegt hatte, beeinflusst von der politischen Praxis seiner Zeit und eigener pessimistischer Beurteilung der Menschen und geleitet von dem sehnsüchtigen Verlangen nach einem italieni- schen Nationalstaat, zu dessen Schaffung er jede zweckdienliche Verletzung von Treue, Recht und Humanität für zulässig hielt). Friedrich Ii. (1740—86) übernahm am 31. Mai 1740 die Regierung, die er als „erster Diener des Staates“, aber absoluterherrscher führte. Seine ersten Regierungs- handlungen waren Abschaffung der Folter, Sorge für eine freie Presse und die Erklärung „die Religionen müssen alle toleriert werden; hier muss ein jeder nach seiner Facon selig werden.“ Der Versuch zur Geltendmachung der Ansprüche seines Hauses auf Jülich-Berg, an deren Unterstützung Preussen seine An- erkennung der pragmatischen Sanktion geknüpft hatte, begegnete der ablehnenden Haltung des Kaisers, sowie Frankreichs und Englands. Da bestimmte ihn der Tod Kaiser Karls Vi. (Ok- tober 1740), die alten Ansprüche seines Hauses auf Teile Schlesiens (s. S. 220) a u f z u n e h m e n. Karls Erbin war seine 23jährige Tochter, Maria Theresia, Gemahlin des Grossherzogs von Toskana, Franz Stephan von Lothringen (s. S. 249), kraft der pragmatischen Sanktion, die aber der von Ferdinands I. ältester Tochter abstammende Kurfürst Karl Älbrecht von Bayern, Schwieger- sohn Josephs Ii., unter, thatsächlich nicht zutreffender, Berufung auf Ferdinands I. Testament (s. S. 71) nie anerkannt hatte; auch Kurfürst Friedrich August Ii. von Sachsen (1733—63, seit 1734 als

8. Neue Zeit - S. 381

1897 - Stuttgart : Neff
381 Zweiter Abschnitt. Die Zeit der Kämpfe um Verfassung und National- staat in Mittel-, Süd- und Westeuropa (1815—1871). Kapitel Xxxi. Europa 1816—1847. §117. Das geistige Leben Deutschlands im Zeitalter der Romantik. Die Aufklärung war durch die Entwickelung der Philosophie und schönen Litteratur in der zweiten Hälfte des Xviii. Jahrhunderts überwunden, ihr rationalistisches Ideal durch das der „Humanität“ ersetzt worden: die Aufgabe des geistigen Lehens wurde jetzt in einer der Eigenart jeder Er- scheinung gerecht werdenden Würdigung und innerlichen Aneignung aller in der Menschheitsgeschichte wirksamen Kräfte gefunden. Ihren Ausdruck fand diese Richtung in der Begründung einer Weltlitteratur durch Herder und Goethe, in dem ästhetischen Idealismus Schillers und Goethes, in der „spekulativen“ Philosophie J. G. Eichtes (1762—1814), Schellings (1775—1854) und Hegels (1770—1831), die das gemeinsam haben, dass sie die begriffliche Grundlage, die Kant für die Bewältigung des Ideenstoffs geschaffen hatte, benützten, um die Welt als ein mit immanenter Notwendigkeit sich entwickelndes System der Vernunft zu begreifen, und in der Religionsphilosophie Schleiermachers (1768 bis 1834), der in seinen „Reden über die Religion“ (1799) diese als „unbe- dingtes Abhängigkeitsgefühl“ fasste und in ihr selbständiges Recht neben den andern Grundrichtungen menschlichen Geisteslebens einsetzte. Der schöpfe- rischen Richtung ging eine kritische, teilweise auflösende, der spekulativen eine empfindsame zur Seite. In der Philosophie wiesen Schleiermacher und Herbart (1776—1841), der Begründer einer auf philosophischen, bzw. psycho- logischen Grundannahmen ruhenden ivissenschaftlichen Pädagogik, auf die Grenzen des menschlichen Erkennens hin, und dem optimistischen Panlogismus Hegels („alles Wirkliche ist vernünftig“) trat Schopenhauers (1788 bis 1838) Pessimismus entgegen, der den nie zu wahrer Befriedigung ge- langenden Willen als schöpferisches Prinzip betrachtet. In der schönen Litteratur übertrieb die „ältere Romantik“ der Brüder Schlegel (August 1767—1845 und Friedrich 1772—1829) und Tiecks (1773—1853) den Grundsatz, dass jede Erscheinung aus ihren eigenen Bedingungen be- urteilt werden müsse, in ungesunder Weise bis zum Verzicht auf jede objektiv gültige Norm, was sich auf ethischem Gebiet in der'unterscheidung zwischen bürgerlicher und „genialer“ Sittlichkeit, auf ästhetischem Gebiet in einem bei Jean Paul (Friedrich Richter 1763—1825) humoristisch-sentimentalen, bei den eigentlichen Romantikern gegen alles und alle ironischen, vermeintlich über- legenen Spielen mit geistreichen Einfällen aussprach. Die schweren Zeiten der Napoleonischen Herrschaft brachten eine V e r- tiefung und Erstarkung der sittlich -religiösen Motive; diese fand einen unmittelbaren Ausdruck in der patriotischen Erhebung der Frei- heitskriege und übte eine dauernde Nachwirkung durch den viel grösseren

9. Neue Zeit - S. 382

1897 - Stuttgart : Neff
— 382 — Nachdruck, mit dem jetzt wieder das kirchlich-religiöse Leben sich in wissenschaftlichen und praktischen Hervorbringungen wie im Gegen- satz der verschiedenen Richtungen zur Geltung brachte (Begründung der modernen protestantischen Theologie durch Schleiermacher; Anfänge der „inneren Mission“, zunächst besonders in Form von Bibelgesellschaften; Or- ganisation der Heidenmission; 1817 Begründung der [dann nicht ohne Gewalt- samkeit durchgeführten] „ Union“ zwischen Lutheranern und Reformierten und im Gegensatz dazu der starre Konfessionalismus der „Alllutheraner“; Gustav-Adolfs-Verein. In der römisch-katholischen Kirche der von Wessenberg [s. S. 377], Sayler und Seldnitzky vertretenen irenischen Richtung innerhalb des deutschen Katholizismus gegenüber das immer entschiedenere Ueberwiegm der „ultramontanen“ Richtung, d. h. der praktischen Bethätigung und wissen- schaftlichen Begründung des Gegensatzes zu dem modernen Staat und zu dem Protestantismus). Die schöne Litteratur wandte sich unter dem Einfluss der nationalen und religiös-positiven Strömung in der „jüngeren Romantik“ einer liebevollen, aber ‘auch einseitigen Pflege und Nachahmung der Kultur des Mittelalters zu, während in den bildenden Künsten durch die auch hier aufkommende Vorliebe für die mittelalterliche Kunst, insbesondere die „Gothik“, der Einfluss der Antike und Renaissance beschränkt, aber nicht verdrängt wurde. Für die weitere Entwickelung des deutschen Kunstlebens wurde es bedeutungsvoll, dass dessen Pflege jetzt verschiedene selbständige Mittelpunkte erhielt: ausser Berlin und Dresden besonders Düsseldorf und München. — Die deutsche Musik blühte in Wien, wo Haydn (1732—1809), Mozart (1756—91), Beethoven (1770—1827) ihre klassischen Werke schufen. Von den Universitäten gingen verschiedene alte ein, dagegen wurden einige grössere durch Neugründung oder Umwandlung geschaffen: Berlin 1810 (s. S. 366), Breslau 1811, Bonn 1818, München 1826. Sie gestalteten sich zu Werkstätten und Pflanzschulen der wissenschaftlichen Forschung auf allen Gebieten („universitates scientiarum“) um,- be- wahrten aber ihre korporative Verfassung. In der ivissenschaftlichen Arbeit verdrängte eine sich immer steigernde Spezialisierung den früheren encyklo- pädischen Zug. Im Zusammenhang mit dem Emporkommen des Bürgerstands, zunächst in Litteratur und Kunst noch während des Xviii. Jahrhunderts, und dann mit dem starken nationalen, vor allem gegen französisches Wesen ge- richteten, Zug wurde das neuhumanistische Bildungsideal mit seiner Betonung des Griechischen massgebend, auch für die staatliche Ordnung des Schulwesens. Die Herrschaft derhegel’schenphilosophieim zweiten bis vierten Jahrzehnd des Xix. Jahrhunderts übte eine doppelte Wirkung: in einseitiger Anwendung des Satzes, dass alles Wirkliche vernünftig sei, führte sie zu einer mechanischen Rechtfertigung des Bestehenden und lieferte so die theoretische Begründung für die herrschende, den wahren Bedürfnissen der Zeit sich ver- scliliessende Politik des Beharrens und Rückschritts (Karl Ludwig von Haller, 1768—1854: „Restauration der Staatswissenschaften“, und Stahl, 1802—61: „Philosophie des Rechts“); andererseits enthielt sie in ihrem Anspruch, die Ver- nünftigkeit des Seienden beweisen zu können, den Antrieb zum Streben nach tieferem und allseitigem geschichtlichem Verständnis. Durch die, auch von der Romantik geförderte, Erweckung und Schulung des Sinns für geschichtliche Auffassung wurden den „Geisteswissenschaften“ teils neue Gebiete eröffnet, teils neue Wege und Ziele gewiesen. Savigny (1779—1861) wurde der Begründer der „historischen Rechtsschule“. Stein stiftete 1819 die „Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde“ (1826 erster Band der „Monu- menta Germaniae historica“); der naturrechtlichen Geschichtschreibung Rottecks (1775—1840) und der moralisierenden Schlossers (1776—1861) gegenüber begrün- dete Niebuhr (1776—1831) in seiner römischen Geschichte die kritische Geschicht- schreibung, deren Methode, insbesondere Quellenkritik und Quellenbenutzung,

10. Neue Zeit - S. 399

1897 - Stuttgart : Neff
399 Regierung gegenüber nur den Erfolg, dass eine revolutionäre jungirische Partei unter Ü’Brien sich von O’Connell lossagte. Dem materiellen Aufschwung Englands (1851 in London erste Welt- ausstellung) entsprach die vielseitige und fruchtbare Entwicke- lung des geistigen Lebens in der Dichtung (Walter Scott, 1771—1832, Schöpfer des historischen Romans; die weiteren Meister des Romans Buhver, Dickens, Thackeray; Tennyson Lyriker, Epiker und Dramatiker), in der Geschichtschreibung (Macaulay, Carlyle, Buckle), in der Philosophie und Volks- wirtschaft (Stuart Mill), vor allem in der Naturwissenschaft: Darwin, 1809 bis 1882, wurde der wissenschaftliche Begründer der Ent- wickelungslehre; Herbert Spencer, geboren 1820, baute auf dem Boden der Erfahrung durch Anwendung der beiden Grundsätze der „Evolution“ und „Dissolution“ eine philosophische Weltanschauung auf und erwarb sich be- sondere Verdienste um die „Soziologie“. — 1826 wurde in London von einer whiggistisclien Aktiengesellschaft die erste englische Universität auf der Grundlage der Religionsfreiheit gegründet. Seit 1840 machte sich auf kirch- lichem Gebiet eine der katholischen Kirche günstige Strömung geltend in dem Puseyismus, der die Zugehörigkeit der anglikanischen zur katholischen Kirche behauptete und auch im Ritual zur Geltung brachte, und in zahlreichen Ueber- tritten von Adeligen und Geistlichen (Newman 1845, Manning 1850). Dem gegenüber vertraten den entschieden protestantischen Standpunkt mit beson- derem Nachdruck und mit kraft- und verständnisvollem Eintreten für die Bedürfnisse des Arbeiterstands Männer wie Robertson, Kingsley, Spurgeon. Carlyle bemühte sich vom Standpunkt eines neuen „sozialen Geistes“ aus durch Bekämpfung des Individualismus, insbesondere des Mammonismus, eine Eintracht zwischen Kapital und Arbeit zu erzielen. § 122. Mitteleuropa in der Zeit von 1840—47. Anfänge Friedrich Wilhelms Iv. Friedrich Wilhelm Iv. (1840—61) war ein geistvoller und witziger Redner und wollte „das Volkstümliche, die Religiosität und die Persönlichkeit wieder zur Herrschaft bringen“, das „Papier“ und die Schablone unterdrücken, verwandte aber dazu selber bureau- kratische Zwangsmittel und höfische Beeinflussung und war in seinem wider- spruchsvollen Wesen selbst nicht frei von Doktrinarismus und Papierweisheit („der Romantiker auf dem Throne“). Er begann seine Regierung mit Auf- hebung der gegen die „Demagogen“ getroffenen M assreg ein und mit der Beilegung des Kirchenzwists durch Nachgiebigkeit in der Mischehen-Frage, Verzicht auf das Placet und Schaffung einer katholischen Abteilung im Kultministerium. Während die für das Verlangen einer National- vertretung eintretenden Schriften des Ministers v. Schön „Woher und Wohin?“ und Joh. Jacobys „ Vier Fragen“ (1841) den allgemeinsten Anklang fanden, ent- täuschtefriedrich Wilhelm die auf ihngesetztenhoffnungen, indem er nur zweijährige Periodicität der Provinziallandtage mit beschränkter Oeffentlichkeit und die Bildung von Ausschüssen gewährte, die zu einem ver- einigten Ausschuss erstmals 1842 zusammentraten; die Milderung der Zensur hatte keinen Bestand; das Gesetz über das Disziplinarverfahren gegen Beamte (1844) und Massregelungen nicht willfähriger Richter gefährdeten die Un- abhängigkeit und Integrität des Richterstands; auch in die Unterrichtsver- waltung war mit dem Minister Eichhorn (1840—48) ein rückschrittlicher Zug gekommen. — Die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier gab Anstoss zur Gründung der „deutsch-katholischen Kirche“ durch Ronge und Czerski (1844); doch verlief die anfangs anscheinend aussichtsreiche Bewegung bald im Sande. Preussen und Deutschland vor 1848. Da ein preussisches Eisenbahnnetz nicht ohne Aufnahme eines staatlichen Anlehens
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