— 177 —
fuhrartikel sind: Seide und Seidenwaren, Thee, Reis, Kampfer,
Kupfer, Porzellan, Lack- und Papierware!?.
Japan zählt auf einem Flächenraum von 417 000 qkm 45 Mil
lionen E., ist also dichter bevölkert als das Deutsche Reich. — Die
Japaner (Bild 58) sind -— im Gegensatze zu den stammverwandten
Chinesen — dem europäischen Einflüsse leicht zugänglich, sehr gut
begabt und ungemein strebsam, die Errungenschaften der christlichen
Bild 58. Heiden in Japan bei einer religiösen Feier.
Civilisation sich anzueignen. Darum haben sich in Japan so schnell
wie in keinem andern asiatischen Staate europäische Sitten und Ein-
richtungen eingebürgert. Eisenbahnen und Telegraphen durchziehen
das Land; überall erstehen Fabriken; die Staatsverfassung und
Verwaltung, das Heer- und Unterrichtswesen sind nach europäischem
Muster eingerichtet. In ihrem Wesen freundlich und zuvorkommend,
doch mit Würde und Selbstbewußtsein, können die Japaner durch ein
ausgesprochenes Gefühl für Anstand und Schicklichkeit manchem
Europäer zuin Vorbild dienen.
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— 203
Portugal besitzt einen Teil von Senegambien sowie Angola,
das große Gebiet südlich der Kongomündung.
Der uuter der Souveränität des Königs der Belgier stehende
Kongo st aat (auf 2 250 000 qkm und 14 Mill. E. geschätzt)
reicht nur mit einem schmalen Streifen bis an die Mündung des
Kongo, breitet sich aber in Centralasrika über den größten Teil
seines Stromgebietes aus.
(Bodenbeschaffenheit, Klima und Produkte der aufgezählten Ge-
biete sind zumeist ähulich wie in Kamerun, siehe unten.)
Deutsche Schutzgebiete sind: 1. Togo, 2. Kamerun,
3. Deutsch-Südwestafrika.
Togo (82 000 qkm und 21/4 Mill. E., darunter etwa
100 Deutsche) liegt in Oberguinea zwischen der englischen Goldküste
und dem französischen Dahome. Die Küste, nnr etwa 60 km lang,
ist wegen der heftigen Brandung schwer zugänglich. Nach innen
steigt das Land allmählich zu einer fruchtbaren, wohlbebanten Hoch-
ebene und gut bewaldeten Gebirgszügen an. Die wichtigsten Er-
zeugnisse sind Palmöl, Palmkerne und Kautschuk. Haupthafen ist
Klein-Popo (5000 E.), Regierungssitz Lome (4000 E.).
Kamerun (zu 495 000 qkm, also fast so groß wie das Deutsche
Reich, und 3 Mill. E. geschützt, unter denen 250 Deutsche) liegt
am innersten Teil des Guiueabusens zwischen Französisch-Kongo und
Britisch-Nigerland. Die Ostgrenze bildet im allgemeinen der 15.°
östl. L. von Greenwich bis zum Tsadsee. Nach seiner Oberflächen-
gestalt besteht Kamerun aus einem schmalen, sumpfigen, feucht heißen
und ungesunden Küstengebiet, das von einem Urwaldgürtel umschlossen
wird. Jenseits desselben erhebt sich ein grasreiches, ziemlich gesundes
Hochland, das im Norden zu dem Gebirge von Adamaua ansteigt.
Doch steigt auch aus dem Küstenlande das vulkauische Kamerun-
gebirge (4000 in) empor. Die zahlreichen Flüsse sind wegen der
Stromschnellen nur streckenweise schiffbar. Die wichtigsten Ausfuhr-
artikel sind Kautschuk, Palmöl, Palmkerne und Elfenbein. In neuester
Zeit sind mit wachsendem Ersolg Kakao- und Kaffeepflanzuugen an-
gelegt worden. Handelsmittelpunkt und Regierungssitz ist Kamerun.
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— 207
Nördlich schließt sich daran das deutsche Schutzgebiet Deutsch-
Ostafrika (941000 qkm, also fast zweimal so groß als Deutschland,
und 3 Mill. E., darunter etwa 700 Deutsche). Das Gebiet erstreckt
sich an der Küste vom Rovuma bis zum Wangafluß und landeinwärts
über den Kilima-Ndscharo quer durch den Victoriasee und entlang
dem Tauganyika- und Nyassasee. Die politischen Grenzen sind:
Im Norden Britisch-Ostasrika, im Westen der Kongostaat, im Süden
Britisch-Centralasrika und der portugiesische Freistaat von Ostafrika.
Bild 75. Abessinier (König Menelik Ii.). und reichlichen Ertrag. Bei dem
lichen Verkehrsweges in das Innere kann der in Aussicht genommene
Bau einer Eisenbahn für die Erschließung des Landes und Förderung
des Handels von großer Bedeutung werden. Ausfuhrartikel siud: Elfen-
bein, Kautschuk (verdickter Saft einer Schlingpflanze), Kopal (bernstein-
artiges Harz) und Tabak. Der Regierungssitz ist Dar-es-Saläm
mit 6000 E. (Bild 74). Größere Handelsplätze sind: Tanga (4000 E.),
Pangani (4000 E.) und vor allem Bagamoyo (10000 E.).
Britisch-Ostasrika (über 1 Mill. qkm mit angeblich
6 Mill. E.) umschließt das Saud nördlich von Deutsch-Ostafrika bis
zum Jubfluß. Hauptort ist Mombasa (15 000 E.).
Das Kaiserreich Abessinien (Habesch) (508 000 qkm, 41f2 Mill.
E.) auf dem mächtigen, schwer zugänglichen Hochland gl. N. ist ein
Wie Kamerun, so hat auch
Deutsch-Ostafrika einen schmalen,
stark bewässerten, fruchtbaren,
aber ungesunden Küstenstrich, dem
sich nach innen ein grasreiches,
von Gebirgen durchzogenes Hoch-
land anschließt. An der Nord-
grenze erhebt sich die vulkauische
p fruchtbar. Die Anpflanzung von
Kaffee und Tabak verspricht guten
Masse des Kilima-Ndscharo bis
zu 6130 m. Das Gebiet ist
vollständigen Mangel eines natür-
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Tauganyika- Süden
Britisch-Centralasrika Ostafrika Britisch-Ostasrika Deutsch-Ostafrika Mombasa Abessinien Kamerun Deutsch-Ostafrika
— 200 —
zerstörten frühern Hauptstadt Chartum gegenüber angelegte Omdnr-
man, nnweit des Znsammenflusses des Weißen und Blauen Nils.
Das eigentliche Ägypten breitet sich am Mittel- und Unter-
lause des Nils aus; es reicht östlich bis zum Roten Meere, westlich mit
unbestimmter Grenze bis in die Libysche Wüste. Den Kern des Landes
bildet das Nilthal, das in Oberägypten nur eine Breite von 15 bis
20 km hat, in Unterägypten aber mit der Spaltung des Stromes sich
bedeutend erweitert. Nur das Nilthal (ungefähr 30 000 qkm)
ist anbaufähig; die regelmäßigen jährlichen Überschwemmungen
Bild 72. Pyramiden.
erzeugen eine außerordentliche Fruchtbarkeit. Die wichtigsten Pro-
dnkte sind: Baumwolle, Getreide, Reis und Zucker. Der Handel
hat dnrch die Erbauung von Eisenbahnen wie auch durch Eröffnung
des Sueskanals in neuester Zeit einen lebhaften Aufschwung genommen.
Die Bevölkerung — an 10 Millionen auf 1 Million
qkm — ist in Unterägypten am dichtesten, wo auf 1 qkm un-
gefähr 250 Menschen treffen. Mehr als 3/4 der Bewohner bilden
die Fellachen (— Pflüger), größtenteils Taglöhner. — Herrschende
Religion ist der Islam; doch giebt es über 1/2 Million Christen,
zumeist Kopten, daneben an 60 000 Katholiken.
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— 202 —
welche in früher Jahreszeit nach Europa versandt werden, ferner von
Getreide, Wein, Olivenöl, Vieh, Korkholz und Halfa, d. i. Steppen-
gras, welches zur Papierbereitnng verwendet wird. — Die Haupt-
stadt Algier (alsche, arabisch El-Dschesair) mit 92 000 E. steht in
lebhafter Handelsverbindung mit Marseille. — Andere größere Orte
sind: Oran mit 81 000 und Konstantine mit 48000 E.
Marokko
(812 009 qkm und 8 Millionen E.)
ist ein Snltanat, dessen mohammedanische Einwohner dnrch ihren
wilden Haß gegen die Christen berüchtigt sind. Das Land ist mit
Ausnahme des südlichsten Teiles sehr fruchtbar, wird aber schlecht ver-
waltet. — Hauptort ist das gewerbereiche Fes. zugleich wichtigster
Handelsplatz des Innern, mit etwa 150 000 E. Von dieser Stadt
haben die roten türkischen Mützen ihren Namen. — Die alte Haupt-
stadt Marokko (ca. 50 000 E.) liegt prächtig am Fuße des schnee-
bedeckten Atlas. — Tanger (20 000 E.), unfern der Straße von
Gibraltar, ist der bedeutendste Seehandelsplatz.
West- und Südafrika.
Mit Ausnahme der Negerrepnblik Liberia an der Pfeffer-
küste (85 000 qkm und 2 Mifi. E.) ist das ganze Gebiet in den
Händen europäischer Mächte.
Frankreich besitzt: 1. Senegambien und dessen Hinterland
am Niger bis zu der bedeutenden Karawanenhandelsstadt Timbnktu,
2. die Elfeubeiuküste und Dahoine in Oberguinea, 3. Französisch-
Kongo in Niederguinea.
Zu Großbritannien gehört: 1. das Land am untern
Gambia, 2. Sierra Leone, 3. die Goldküste, 4. Lagos mit der
lebhasten Handelsstadt gl. N. (37 000 E.) und das Gebiet des
untern Niger, 5. die Kapkolonie und Natal, endlich 6. Britisch-
Süd- und Centralasrika, das sich vom Kapland nordwärts bis
Deutsch-Ostafrika und dem Kongostaat erstreckt.
1
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Extrahierte Personennamen: Sierra_Leone Lagos
Extrahierte Ortsnamen: Europa Algier Marseille Marokko Marokko Tanger Negerrepnblik_Liberia Frankreich Niger Karawanenhandelsstadt_Timbnktu Oberguinea Niederguinea Gambia Niger Deutsch-Ostafrika
213
französische Hof wurde für viele deutsche Höfe tonangebendes Muster mit
seiner Etikette und Pracht, seinen kostspieligen Bauten, von denen Versailles
{Baumeister Le Vau und dann Mansart) allein, ohne die von fronenden
Bauern oder Soldaten geleistete Arbeit, etwa 500 Millionen Mark heutigen
Geldwertes kostete, und mit seiner offen zur Schau getragenen Unsittlichkeit
neben der peinlichsten Kirchlichkeit (Maitressen Ludwigs zuerst Fräulein de la
Vallière, dann zwei Jahre noch neben dieser seit 1667 die nicht verwitwete
Madame de Montespan, die bis 1690 am Hofe blieb; nach dem Tode seiner
Gemahlin [1688] heiratete Ludwig 1684 die Erzieherin seiner und der Montespan
Kinder, die seit 1660 verwitwete Mme. Scarron [geh. d’Aubigné, f 1719], die
er zur Marquise von Maintenon erhob). Im Dienste des Königs, seines Ruhms
und seiner alles bedeutenden Hoheit kam die akademisch-klassicistische (römisch-
italienische) Richtung der bildenden Künste vollends zur Herrschaft (in
der Architektur der Barockstil s. S. 186). Zentralisierend und uniformierend
wirkte die Schaffung der Académie royale de peinture et sculpture 1664,
deren erster Leiter der Maler L ehrun (1619—1690) die Säle von Versailles
schmückte und die Vorlagen für die königliche Gohelinsfabrik schuf. Die 1666
geschaffene Académie de France à Rome lieferte die malerische und plastische
Dekoration der königlichen Gärten und Gebäude. Der glänzendste Vertreter
der klassicistisch-römischen Richtung der Malerei war Nicolas Poussin
(1594—1665), der Meister der heroischen Landschaft Claude Gelée, genannt
Lorrain (1600—82). Original-national blieb nur die Porträtmalerei. Den
Park von Versailles schuf der geniale Gartenkünstler Le Nôtre
(1618-1700).
Auch die französische Litteratur, insbesondere das Drama,
erlebte unter Ludwig Xiv. ihr goldenes Zeitalter. Auf die
formelle Seite übte die 1635 gegründete Académie française immer
grösseren Einfluss. Die klassische französische Tragödie mit ihrer Beob-
achtung der drei aristotelischen Einheiten, ihrem Alexandriner, ihren aus
fremden Völkern und fernen Zeiten, vor allem dem Altertum entnommenen
Stoffen begründete schon Pierre Corneille (1606—81), dessen vom Hof
nicht beeinflusste Wirksamkeit vor die Epoche Ludwigs fällt. Höfischer
Dramatiker der Glanzperiode Ludwigs war Jean Racine (1639—99), der
sich vor Corneille durch grössere psychologische Vertiefung auszeichnete. Er
schuf 1667—77 Dramen antiken, und 1690, von Frau von Maintenon veran-
lasst, biblischen Stoffes. Er war bei seiner Thätigkeit vielfach beraten von
dem Meister des französischen (Sitten- und Charakter-) Lustspiels
Jean Baptiste Molière (ursprünglich Poquelin, 1622—73). Noch mehr als
Molière war ein echter Vertreter französischen Geistes der nicht in der Hof-
luft lebende Jean de la Fontaine (1621—95), dessen bedeutendstes Werk
seine Fabeln sind. Als Kritiker und Theoretiker wurde für die Kunst-
dichtung massgebend Boileau-Despréaux (1636—1711), der jedoch inseinén
Satires und Epitres, noch mehr in seinen Oden hinter seinem Vorbild Horaz zu-
rückblieb. In den letzten Jahrzehnden seines Lebens begünstigte Ludwig die
Oper. — Die rhetorische Richtung und Begabung des französischen Wesens
verkörperte sich auch in bedeutenden Kanzelrednern u. a. Bossuet
(1627—1704), 1669—1681 Erzieher des Dauphin, der 1711 starb (Verfasser
einer Uebersicht der Weltgeschichte und einer Politik, sowie Veranstalter
von Klassikerausgaben „in usum Delphini“), der seine kirchengeschichtlichen
Kenntnisse zu der Bekämpfung des Protestantismus verwandte. François
Fénelon, 1651—1715 Erzieher des hoffnungsvollen „petit Dauphin“ Louis
von Bourgogne, der 1712 starb, schrieb u. a. für seinen Zögling die aventures
de Télémaque, welche über die Aufgaben der Regierung wesentlich andere
Anschauungen enthalten als die des Sonnenkönigs. Der bedeutendste
der Prosaiker war aber Blaise Pascal, 1623—52, einerseits Bekämpfer
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig Ludwig Scarron Nicolas Claude_Gelée Lorrain Le_Nôtre Ludwig_Xiv Ludwig Pierre_Corneille Ludwigs Ludwigs Ludwigs Jean_Racine von_Maintenon Jean_Baptiste_Molière Jean_de_la_Fontaine Ludwig Ludwig François
Fénelon Louis
von_Bourgogne Blaise_Pascal
265
Sprache und Litteratur und huldigte teils schöngeistigen und philosophischen
Neigungen teils einem durch Musik und Theater verfeinerten Lebensgenuss.
So zerfiel er mit dem einseitigen Vater, der durch seine zuweilen
barbarische, feineres Empfinden und Selbstbewusstsein des Jünglings (auch
mit dem Stock) schwer verletzende, Strenge das Gegenteil dessen, was er
wollte, erzielte, immer mehr, zumal da Friedrich im Widerspruch mit dem
Vater an dem Gedanken, eine Tochter Georgs Ii. von England zu heiraten,
festhielt. Der gescheiterte Fluchtversuch (1730) hatte zur Folge, dass
Friedrichs Vertrauter Lieutenant Katte hingerichtet, er selbst der Kriegs- und
Domänenkammer in Küstrin zugeteilt wurde, wo er arbeiten und die Ver-
waltungsgeschäfte gründlich kennen lernte. Durch Einwilligung in die Ver-
heiratung mit der Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern,
einer Nichte der Kaiserin (1788), erkaufte er die Aussöhnung mit dem
Vater, dessen Zufriedenheit und Vertrauen er sich in wachsendem Mass,
namentlich als Oberst in Ruppin durch Bethätigung militärischen Interesses
und Verständnisses, erwarb. Die Teilnahme an dem Rheinfeldzug des Jahres
1734 lehrte ihn die militärische Schwäche des Reichs und Oesterreichs kennen.
In Rheinsberg (bei Ruppin), wo er, von geistesverwandten Freunden, z. T.
Franzosen, umgeben, seit 1736 Hof hielt, studierte er den Philosophen der
„Aufklärung“ Wolff, stand mit deren geistreichstem Vertreter Voltaire in
Briefwechsel und verfasste zwei für seine Auffassung von den Aufgaben der
preussischen Politik und des Herrschers bezeichnende Schriften, die „Betrach-
tungen über den gegenwärtigen Zustand des europäischen Staatensystems“ und
den „Antimachiavell“ (Widerlegung der Anschauungen einer durchaus bedenken-
losen Gewalt- und Machtpolitik, die der Florentiner Nicolo Machiavelli [1469
bis 1527] in seinem Buch „vom Fürsten“ dargelegt hatte, beeinflusst von der
politischen Praxis seiner Zeit und eigener pessimistischer Beurteilung der
Menschen und geleitet von dem sehnsüchtigen Verlangen nach einem italieni-
schen Nationalstaat, zu dessen Schaffung er jede zweckdienliche Verletzung
von Treue, Recht und Humanität für zulässig hielt).
Friedrich Ii. (1740—86) übernahm am 31. Mai 1740
die Regierung, die er als „erster Diener des Staates“,
aber absoluterherrscher führte. Seine ersten Regierungs-
handlungen waren Abschaffung der Folter, Sorge für eine freie
Presse und die Erklärung „die Religionen müssen alle toleriert
werden; hier muss ein jeder nach seiner Facon selig werden.“
Der Versuch zur Geltendmachung der Ansprüche seines Hauses
auf Jülich-Berg, an deren Unterstützung Preussen seine An-
erkennung der pragmatischen Sanktion geknüpft hatte, begegnete
der ablehnenden Haltung des Kaisers, sowie Frankreichs und
Englands. Da bestimmte ihn der Tod Kaiser Karls Vi. (Ok-
tober 1740), die alten Ansprüche seines Hauses auf Teile
Schlesiens (s. S. 220) a u f z u n e h m e n. Karls Erbin war seine
23jährige Tochter, Maria Theresia, Gemahlin des Grossherzogs
von Toskana, Franz Stephan von Lothringen (s. S. 249), kraft der
pragmatischen Sanktion, die aber der von Ferdinands I. ältester
Tochter abstammende Kurfürst Karl Älbrecht von Bayern, Schwieger-
sohn Josephs Ii., unter, thatsächlich nicht zutreffender, Berufung
auf Ferdinands I. Testament (s. S. 71) nie anerkannt hatte; auch
Kurfürst Friedrich August Ii. von Sachsen (1733—63, seit 1734 als
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrichs_Vertrauter_Lieutenant_Katte Friedrichs Elisabeth_Christine_von_Braunschweig-Bevern Wolff Nicolo_Machiavelli Friedrich_Ii Friedrich Karls Karls Maria_Theresia Maria Theresia Franz_Stephan_von_Lothringen Franz Ferdinands_I. Karl_Älbrecht_von_Bayern Karl Ferdinands_I. Friedrich Friedrich August
Extrahierte Ortsnamen: Georgs England Ruppin Oesterreichs Rheinsberg Ruppin Jülich-Berg Preussen Frankreichs Englands Karls Schlesiens Karls Toskana Josephs Ferdinands Sachsen
381
Zweiter Abschnitt.
Die Zeit der Kämpfe um Verfassung und National-
staat in Mittel-, Süd- und Westeuropa (1815—1871).
Kapitel Xxxi.
Europa 1816—1847.
§117. Das geistige Leben Deutschlands im Zeitalter der Romantik.
Die Aufklärung war durch die Entwickelung der Philosophie und schönen
Litteratur in der zweiten Hälfte des Xviii. Jahrhunderts überwunden, ihr
rationalistisches Ideal durch das der „Humanität“ ersetzt worden: die
Aufgabe des geistigen Lehens wurde jetzt in einer der Eigenart jeder Er-
scheinung gerecht werdenden Würdigung und innerlichen Aneignung aller in
der Menschheitsgeschichte wirksamen Kräfte gefunden. Ihren Ausdruck fand
diese Richtung in der Begründung einer Weltlitteratur durch
Herder und Goethe, in dem ästhetischen Idealismus Schillers
und Goethes, in der „spekulativen“ Philosophie J. G. Eichtes
(1762—1814), Schellings (1775—1854) und Hegels (1770—1831), die
das gemeinsam haben, dass sie die begriffliche Grundlage, die Kant für die
Bewältigung des Ideenstoffs geschaffen hatte, benützten, um die Welt als ein
mit immanenter Notwendigkeit sich entwickelndes System der Vernunft zu
begreifen, und in der Religionsphilosophie Schleiermachers (1768
bis 1834), der in seinen „Reden über die Religion“ (1799) diese als „unbe-
dingtes Abhängigkeitsgefühl“ fasste und in ihr selbständiges Recht neben den
andern Grundrichtungen menschlichen Geisteslebens einsetzte. Der schöpfe-
rischen Richtung ging eine kritische, teilweise auflösende, der spekulativen
eine empfindsame zur Seite. In der Philosophie wiesen Schleiermacher und
Herbart (1776—1841), der Begründer einer auf philosophischen, bzw. psycho-
logischen Grundannahmen ruhenden ivissenschaftlichen Pädagogik, auf die
Grenzen des menschlichen Erkennens hin, und dem optimistischen Panlogismus
Hegels („alles Wirkliche ist vernünftig“) trat Schopenhauers (1788 bis
1838) Pessimismus entgegen, der den nie zu wahrer Befriedigung ge-
langenden Willen als schöpferisches Prinzip betrachtet. In der schönen
Litteratur übertrieb die „ältere Romantik“ der Brüder Schlegel
(August 1767—1845 und Friedrich 1772—1829) und Tiecks (1773—1853)
den Grundsatz, dass jede Erscheinung aus ihren eigenen Bedingungen be-
urteilt werden müsse, in ungesunder Weise bis zum Verzicht auf jede objektiv
gültige Norm, was sich auf ethischem Gebiet in der'unterscheidung zwischen
bürgerlicher und „genialer“ Sittlichkeit, auf ästhetischem Gebiet in einem bei
Jean Paul (Friedrich Richter 1763—1825) humoristisch-sentimentalen, bei den
eigentlichen Romantikern gegen alles und alle ironischen, vermeintlich über-
legenen Spielen mit geistreichen Einfällen aussprach.
Die schweren Zeiten der Napoleonischen Herrschaft brachten eine V e r-
tiefung und Erstarkung der sittlich -religiösen Motive; diese
fand einen unmittelbaren Ausdruck in der patriotischen Erhebung der Frei-
heitskriege und übte eine dauernde Nachwirkung durch den viel grösseren
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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Extrahierte Personennamen: Goethe Schillers Goethes Schleiermacher Hegels Schopenhauers Schlegel August Friedrich_1772—1829 Friedrich Tiecks Jean_Paul Friedrich_Richter Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Westeuropa Europa Deutschlands Schellings Schleiermachers
— 382 —
Nachdruck, mit dem jetzt wieder das kirchlich-religiöse Leben
sich in wissenschaftlichen und praktischen Hervorbringungen wie im Gegen-
satz der verschiedenen Richtungen zur Geltung brachte (Begründung
der modernen protestantischen Theologie durch Schleiermacher; Anfänge der
„inneren Mission“, zunächst besonders in Form von Bibelgesellschaften; Or-
ganisation der Heidenmission; 1817 Begründung der [dann nicht ohne Gewalt-
samkeit durchgeführten] „ Union“ zwischen Lutheranern und Reformierten
und im Gegensatz dazu der starre Konfessionalismus der „Alllutheraner“;
Gustav-Adolfs-Verein. In der römisch-katholischen Kirche der von Wessenberg
[s. S. 377], Sayler und Seldnitzky vertretenen irenischen Richtung innerhalb
des deutschen Katholizismus gegenüber das immer entschiedenere Ueberwiegm
der „ultramontanen“ Richtung, d. h. der praktischen Bethätigung und wissen-
schaftlichen Begründung des Gegensatzes zu dem modernen Staat und zu
dem Protestantismus). Die schöne Litteratur wandte sich unter dem Einfluss
der nationalen und religiös-positiven Strömung in der „jüngeren Romantik“
einer liebevollen, aber ‘auch einseitigen Pflege und Nachahmung der Kultur
des Mittelalters zu, während in den bildenden Künsten durch die auch hier
aufkommende Vorliebe für die mittelalterliche Kunst, insbesondere die „Gothik“,
der Einfluss der Antike und Renaissance beschränkt, aber nicht verdrängt
wurde. Für die weitere Entwickelung des deutschen Kunstlebens
wurde es bedeutungsvoll, dass dessen Pflege jetzt verschiedene selbständige
Mittelpunkte erhielt: ausser Berlin und Dresden besonders Düsseldorf und
München. — Die deutsche Musik blühte in Wien, wo Haydn (1732—1809),
Mozart (1756—91), Beethoven (1770—1827) ihre klassischen Werke schufen.
Von den Universitäten gingen verschiedene alte ein, dagegen wurden
einige grössere durch Neugründung oder Umwandlung geschaffen: Berlin
1810 (s. S. 366), Breslau 1811, Bonn 1818, München 1826. Sie gestalteten sich
zu Werkstätten und Pflanzschulen der wissenschaftlichen
Forschung auf allen Gebieten („universitates scientiarum“) um,- be-
wahrten aber ihre korporative Verfassung. In der ivissenschaftlichen Arbeit
verdrängte eine sich immer steigernde Spezialisierung den früheren encyklo-
pädischen Zug. Im Zusammenhang mit dem Emporkommen des Bürgerstands,
zunächst in Litteratur und Kunst noch während des Xviii. Jahrhunderts, und
dann mit dem starken nationalen, vor allem gegen französisches Wesen ge-
richteten, Zug wurde das neuhumanistische Bildungsideal mit seiner Betonung
des Griechischen massgebend, auch für die staatliche Ordnung des Schulwesens.
Die Herrschaft derhegel’schenphilosophieim zweiten bis vierten
Jahrzehnd des Xix. Jahrhunderts übte eine doppelte Wirkung: in einseitiger
Anwendung des Satzes, dass alles Wirkliche vernünftig sei, führte sie zu einer
mechanischen Rechtfertigung des Bestehenden und lieferte so die theoretische
Begründung für die herrschende, den wahren Bedürfnissen der Zeit sich ver-
scliliessende Politik des Beharrens und Rückschritts (Karl Ludwig von Haller,
1768—1854: „Restauration der Staatswissenschaften“, und Stahl, 1802—61:
„Philosophie des Rechts“); andererseits enthielt sie in ihrem Anspruch, die Ver-
nünftigkeit des Seienden beweisen zu können, den Antrieb zum Streben
nach tieferem und allseitigem geschichtlichem Verständnis.
Durch die, auch von der Romantik geförderte, Erweckung und Schulung des
Sinns für geschichtliche Auffassung wurden den „Geisteswissenschaften“ teils
neue Gebiete eröffnet, teils neue Wege und Ziele gewiesen. Savigny (1779—1861)
wurde der Begründer der „historischen Rechtsschule“. Stein stiftete 1819 die
„Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde“ (1826 erster Band der „Monu-
menta Germaniae historica“); der naturrechtlichen Geschichtschreibung Rottecks
(1775—1840) und der moralisierenden Schlossers (1776—1861) gegenüber begrün-
dete Niebuhr (1776—1831) in seiner römischen Geschichte die kritische Geschicht-
schreibung, deren Methode, insbesondere Quellenkritik und Quellenbenutzung,
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Extrahierte Personennamen: Schleiermacher Mozart Beethoven Karl_Ludwig_von_Haller Karl Ludwig Savigny Rottecks
Extrahierte Ortsnamen: Wessenberg Berlin Dresden Wien Berlin Breslau Bonn
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Regierung gegenüber nur den Erfolg, dass eine revolutionäre jungirische
Partei unter Ü’Brien sich von O’Connell lossagte.
Dem materiellen Aufschwung Englands (1851 in London erste Welt-
ausstellung) entsprach die vielseitige und fruchtbare Entwicke-
lung des geistigen Lebens in der Dichtung (Walter Scott, 1771—1832,
Schöpfer des historischen Romans; die weiteren Meister des Romans Buhver,
Dickens, Thackeray; Tennyson Lyriker, Epiker und Dramatiker), in der
Geschichtschreibung (Macaulay, Carlyle, Buckle), in der Philosophie und Volks-
wirtschaft (Stuart Mill), vor allem in der Naturwissenschaft: Darwin, 1809
bis 1882, wurde der wissenschaftliche Begründer der Ent-
wickelungslehre; Herbert Spencer, geboren 1820, baute auf dem Boden
der Erfahrung durch Anwendung der beiden Grundsätze der „Evolution“ und
„Dissolution“ eine philosophische Weltanschauung auf und erwarb sich be-
sondere Verdienste um die „Soziologie“. — 1826 wurde in London von einer
whiggistisclien Aktiengesellschaft die erste englische Universität auf der
Grundlage der Religionsfreiheit gegründet. Seit 1840 machte sich auf kirch-
lichem Gebiet eine der katholischen Kirche günstige Strömung geltend in dem
Puseyismus, der die Zugehörigkeit der anglikanischen zur katholischen Kirche
behauptete und auch im Ritual zur Geltung brachte, und in zahlreichen Ueber-
tritten von Adeligen und Geistlichen (Newman 1845, Manning 1850). Dem
gegenüber vertraten den entschieden protestantischen Standpunkt mit beson-
derem Nachdruck und mit kraft- und verständnisvollem Eintreten für die
Bedürfnisse des Arbeiterstands Männer wie Robertson, Kingsley, Spurgeon.
Carlyle bemühte sich vom Standpunkt eines neuen „sozialen Geistes“ aus
durch Bekämpfung des Individualismus, insbesondere des Mammonismus, eine
Eintracht zwischen Kapital und Arbeit zu erzielen.
§ 122. Mitteleuropa in der Zeit von 1840—47.
Anfänge Friedrich Wilhelms Iv. Friedrich Wilhelm Iv. (1840—61)
war ein geistvoller und witziger Redner und wollte „das Volkstümliche, die
Religiosität und die Persönlichkeit wieder zur Herrschaft bringen“, das
„Papier“ und die Schablone unterdrücken, verwandte aber dazu selber bureau-
kratische Zwangsmittel und höfische Beeinflussung und war in seinem wider-
spruchsvollen Wesen selbst nicht frei von Doktrinarismus und Papierweisheit
(„der Romantiker auf dem Throne“). Er begann seine Regierung mit Auf-
hebung der gegen die „Demagogen“ getroffenen M assreg ein
und mit der Beilegung des Kirchenzwists durch Nachgiebigkeit in
der Mischehen-Frage, Verzicht auf das Placet und Schaffung einer katholischen
Abteilung im Kultministerium. Während die für das Verlangen einer National-
vertretung eintretenden Schriften des Ministers v. Schön „Woher und Wohin?“
und Joh. Jacobys „ Vier Fragen“ (1841) den allgemeinsten Anklang fanden, ent-
täuschtefriedrich Wilhelm die auf ihngesetztenhoffnungen,
indem er nur zweijährige Periodicität der Provinziallandtage mit beschränkter
Oeffentlichkeit und die Bildung von Ausschüssen gewährte, die zu einem ver-
einigten Ausschuss erstmals 1842 zusammentraten; die Milderung der Zensur
hatte keinen Bestand; das Gesetz über das Disziplinarverfahren gegen Beamte
(1844) und Massregelungen nicht willfähriger Richter gefährdeten die Un-
abhängigkeit und Integrität des Richterstands; auch in die Unterrichtsver-
waltung war mit dem Minister Eichhorn (1840—48) ein rückschrittlicher Zug
gekommen. — Die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier gab Anstoss zur
Gründung der „deutsch-katholischen Kirche“ durch Ronge und Czerski (1844);
doch verlief die anfangs anscheinend aussichtsreiche Bewegung bald im Sande.
Preussen und Deutschland vor 1848. Da ein preussisches
Eisenbahnnetz nicht ohne Aufnahme eines staatlichen Anlehens
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Extrahierte Personennamen: Walter_Scott Dickens Thackeray Macaulay Buckle Herbert_Spencer Manning Robertson Kingsley Spurgeon Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Englands London London Mitteleuropa Jacobys Trier Deutschland