24. Spartas Vorherrschaft.
153
nichts weiß." Und doch hatte ihn das Orakel zu Delphi den weisesten aller Menschen genannt.
Sein Ende. Seine freimütige Lehre und in noch höherem Grade die Erfolge seiner Lehrweise hatten ihm Feinde und Neider zugezogen. Der große Haufen stellte ihn ohnedies mit den Sophisten in eine Linie, und so nahm man gern die gegen ihn gerichtete Anklage auf, daß er die vaterländischen Götter verachte und die Jugend verderbe. Der 70jährige Greis verteidigte sich selbst, verwies die Richter auf seine Schüler und zeigte, wie er sein ganzes Leben der Verbreitung der Wahrheit gewidmet habe. Allein obwohl er nachgewiesen hatte, daß die Anklage unwahr sei, wurde er doch mit geringer Stimmenmehrheit zum Schierlingsbecher verurteilt. Er murrte nicht über sein Schicksal, sondern freute sich, in der Unterwelt zu besseren Richtern und zu den gepriesenen Helden der Vorzeit zu kommen. Dreißig Tage mußte er noch bis zur Vollziehung des harten Spruches warten; denn das heilige Schiff, welches seit Theseus jährlich nach Delos gesandt wurde, um dem Apollo die versprochenen Opfer darzubringen, war noch nicht zurückgekehrt, und so lange dasselbe abwesend war, durfte in Athen kein Todesurteil vollzogen werden. Seine Schüler kamen täglich zu ihm, Kriton bestach sogar den Kerkermeister und suchte Sokrates zur Flucht zu bewegen; aber Sokrates war von der Wahrheit seiner Lehre so überzeugt, daß er für sie sein Leben lassen wollte und äußerte, ein braver Bürger müsse in allen Fällen sich den Gesetzen des Staates unterwerfen. So rückte allmählich sein Todestag heran. Seine Schüler waren im Gefängnis um ihn versammelt, und er redete in ergreifender Weise zu ihnen über die Unsterblichkeit der Seele. Dann trank er gegen Abend den Giftbecher. Als ihm die Glieder schwer wurden, begab er sich auf sein Lager; doch nach kurzer Zeit richtete er sich noch einmal auf und sprach, um damit anzudeuten, daß der Tod Genesung bringe, zu Kriton: „Ich bin dem Äskulap (dem Gott der Ärzte) einen Hahn schuldig; vergiß nicht, ihm denselben zu opfern." Hierauf hüllte er sich in seinen Mantel und verschied im 71. Jahre seines Lebens 399.
§. 24. Spartas üoclieccfchaff.
Griechenland Hatte nach Beendigung des peloponnesischen Krieges die ersehnte Ruhe nicht gesunden. Nach Athens Fall war Sparta wieder zur Hegemonie gelangt. Auf seine Veranlassung wurden die demokratischen Verfassungen überall, wo sie noch bestanden, aufgehoben und aristokratische Staatseinrichtungen getroffen, durch welche die
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§. 27, 2. Alexander erobert das Perserreich. 169
daß nicht euch für seine Krieger Wasser vorhanden sei, goß er es auf die
Erde, weil er vor diesen nichts voraus haben wollte. Da riefen seine Sol-
daten voll Bewunderung jubelnd: „Wir sind nicht matt, nicht durstig; wir halten uns nicht für sterblich, so lange wir einen solchen König haben."
Statt dem unglücklichen Darius zu Hilfe zu kommen, hatte sich B e f s u s treulos gegen ihn empört, ihn gefangen genommen und bei dem Herannahen des Alexander mit ihm die Flucht ergriffen.
Um schneller von dannen zu können, brachte er dem Perserkönig töd-
liche Wunden bei und ließ ihn liegen. Die vorauseilenden mace-donischen Soldaten fanden den Darius, mit dem Tode ringend, und konnten ihn noch mit einem Trunke laben. Als Alexander kam, war er eine Leiche. Gerührt über das tragische Geschick seines Gegners, zog der König sein Oberkleid aus, bedeckte damit den Leichnam und ließ ihn in die königliche Gruft nach Pasargadä bringen. Sobald er den Mörder in seine Hand bekam, ließ er ihn geißeln und ans Kreuz schlagen.
Alexander drang bis zum Jaxartes vor und verweilte drei Jahre in den östlichen Ländern des persischen Reiches. An den wichtigsten Punkten wurden feste Städte angelegt, die zum Teil seinen Namen erhielten (wie das heutige Herat und Kandahar), und durch macedonische Besatzungen gesichert; die Provinzen ließ er durch Mace-donier oder zuverlässige Perser verwalten. Den Bewohnern wurden gleiche Rechte mit den Macedoniern bewilligt.
Nach dem großen Plane Alexanders sollte griechische Kultur bis in die entlegensten Teile des Perserreiches dringen. Mit Darius sollte das alte Königshaus abgethan sein, in Alexander sollte der Bringer einer neuen und besseren Ordnung erkannt werden; Macedonien, Griechenland und das Perserreich sollten in Zukunft ein großes, einheitliches Reich bilden. In Baktrien vermählte Alexander sich mit Roxäne, „der Perle des Morgenlandes", der Tochter eines baktrischen Fürsten. Um die persischen Unterthanen mit seiner Herrschaft zu befreunden, schonte er ihre Einrichtungen und Gebräuche und nahm selbst persische Tracht und Sitten an. In persischem Königsmantel, umgeben von orientalischem Prunk, nahm er die Huldigungen der Asiaten entgegen, und selbst von seinen Macedoniern und Griechen forderte er die Beobachtung orientalischer Hofgebräuche.
Dieses Auftreten Alexanders verletzte aber den Ehrgeiz und erregte die Unzufriedenheit der macedonifchen Großen. Sie sahen diejenigen sich gleichgestellt, über welchen sie als die Herrn und Gebieter stehen wollten; sie glaubten sich von dem zurückgesetzt und mißachtet, dem
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Darius Alexander Darius Darius Alexander Alexander Alexander Alexander Alexanders Darius Alexander Alexander Alexander Alexander Alexanders
208
Dritter Abschnitt. Erster Zeitraum.
schleuderten sie ihre Schilde auf die Jungfrau und töteten sie; denn auch die Schilde trugen sie am linken Arme. Jetzt kam es zum Kampfe zwischen den Römern und Sabinern, und den letztem schien das Glück hold zu fein. Da stürzten auf einmal mitten im heftigen Streit die geraubten sabinischen Frauen unter die Kämpfenden und wußten dieselben durch Bitten und Vorstellungen zu bewegen, Frieden zu schließen. Es kam ein Vertrag zu stände, durch welchen sich die Latiner und Sabiner zu einem Volke vereinigten und von Titus Tatius und Romulus gemeinsam regiert werden sollten. Nach deren Tode sollte abwechselnd ein Latiner und ein Sabiner die Königswürde erhalten, der vom Senat zu wählen und von der Volksgemeinde zu bestätigen sei. Die Sabiner erhielten Sitz und Stimme in dem Senat und siedelten sich auf dem quirinalischen Hügel an.
Als der Sabinerkönig nach 6 Jahren bei einem Volksauflauf den Tod fand, wurde Romulus Alleinherrscher über die vereinigten Gebiete. Er regierte im ganzen 37 Jahre über Rom und führte noch glückliche Kriege gegen die feindlichen Etrusker. Sein Ende war nach der Sage ein höchst wunderbares. Bei einer Musterung des Heeres entstand ein schweres Gewitter; die Sonne verfinsterte sich, und der Tag verwandelte sich in Nacht. Als die Sonne sich darnach wieder zeigte, war Romulus verschwunden, und dem bestürzten Volke wurde mitgeteilt, der Kriegsgott Mars habe ihn der Erde entrückt und zum Himmel emporgehoben. Lange Zeit verehrte das römische Volk den Romulus als einen Gott und nannte denselben Quirinus. Eine spätere Sage erzählt, daß Romulus von den Senatoren, welchen seine Herrschaft verhaßt gewesen, ermordet worden sei.
Die älteste Staatsverfassung. Die Bewohner des jungen Staates teilten sich in zwei Stände, in die Freien und Halbfreien. Die Freien bestanden aus den Familien, aus welchen die Stadt gebildet worden war, nebst deren Nachkommen. Die Familienhäupter derselben hießen die Väter (patres) der Stadt, ihre Nachkommen Patrizier. Die Halbfreien waren die später Eingewanderten oder Unterworfenen samt ihren Nachkommen. Sie führten den Namen Plebejer, waren von der Teilnahme an der Staatsregierung ausgeschlossen, hatten weder bürgerliche Rechte noch Pflichten und mußten sich vor Gericht von einem Patrizier vertreten lassen. Um diesen immer mehr anwachsenden Teil der Bevölkerung dem Staat eng zu verbinden, wurde das Patronat gestiftet, wonach jeder Plebejer sich als Klient oder Höriger einem Patrizier anschließen und gehorchen mußte. Dieser war fein Schutzherr (Patron) und Vertreter in allen Rechts-
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212
Dritter Abschnitt. Erster Zeitraum.
Stadt Tarquinii niedergelassen hatte. Von dort war Tarquinius auf den Rat seiner ehrgeizigen Gemahlin Tänaquil nach Rom gezogen, wo er durch seinen Reichtum und seine Bildung großes Ansehen gewann, sodass ihn der sterbende Ancus Marcius zum Vormund seiner beiden unmündigen Söhne ernannte. Nach dessen Tode erlangte der eingewanderte Fremdling einen solchen Einfluß auf das Volk, daß er zum König gewählt wurde. Als solcher führte er den Namen Tarquinius Priscus d. H. der Alte. Er machte glückliche Kriegszüge und verherrlichte seine Regierung durch mancherlei Bauten. Zur Entwässerung der Stadt legte er große, gewölbte Kloaken (d. H. Abzugskanäle) von unvergleichlicher Dauerhaftigkeit nach der Tiber an; sodann begann er den Ausbau des Kapitols. Für die Volksversammlungen wurde das Forum Romanum, der Marktplatz, angelegt und mit Hallen für öffentliche Geschäfte umgeben. Zwischen dem palatinischen und aventinischen Hügel entstand eine Rennbahn, der Circus Maximus, zu öffentlichen Kampfspielen.
Mitten in dieser Bauthätigkeit fand Tarquinius einen gewaltsamen Tod durch Meuchelmörder, welche von den beiden Söhnen des Ancus Marcius gedungen worden waren. Diese halten gehofft, dem Tarquinius auf dem Thron zu folgen, als sie aber sahen, wie der König bestrebt war, seinem Schwiegersohn Servius Tüllius die Nachfolge zu sichern, ließen sie sich zu dieser unseligen That hinreißen. Doch sie führte nicht zu dem gewünschten Ziele. Des Tarquinius schlaue Gemahlin Tanaquil erklärte nämlich dem Volk, der König sei nur verwundet und habe seinen Schwiegersohn bis zu seiner Genesung mit seiner Stellvertretung beauftragt. Dieser erschien denn auch im königlichen Purpur und wußte sich in der Volksgunst so zu befestigen, daß er durch Volksbeschluß an der Spitze des Staates blieb und die Mörder die Flucht ergreifen mußten.
Servius Tällius 578 — 534 erweiterte Rom durch Hinzunahme des viminalischen und esquilinischen Hügels zur Siebenhügel stadt und schloß es mit einer festen Mauer ein. Um Latium fest mit Rom zu verbinden, bewog er den latinischen Städtebund, daß aus gemeinschaftlichen Mitteln auf dem aventinischen Hügel ein zweites Bundes Heiligtum, der Dianatempel, errichtet wurde, welcher der Oberhoheit Roms über den latinischen Städtebund noch mehr Festigkeit gab. Das größte Verdienst erwarb sich Servius Tullius durch die Verbesserung der Staatsverfassung.
Die Änderung der Verfassung hatte den Zweck, die Rechtsverschiedenheit zwischen den Patriziern, Klienten und Plebejern aus-
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300
Dritter Abschnitt. Dritter Zeitraum.
lichen Aberglauben und schob die Untersuchung auf, um weitere Befehle zu vernehmen."
Trajan erwiderte: „Du hast den richtigen Weg eingeschlagen. Denn es läßt sich für diese Untersuchung keine allgemein gültige Norm angeben. Man muß die Christen nicht aufsuchen; wenn sie aber angegeben und überwiesen werden, muß man sie bestrafen; wenn indessen einer Reue zeigt und unsere Götter anruft, so soll ihm verziehen werden. Anklagen ohne Namensunterschrift können nicht angenommen werden, weil das ein sehr gefährliches Beispiel und dem Geiste meines Zeitalters entgegen wäre."
Unter den vielen Christen, welche unter Trajans Regierung den Märtyrertod erlitten, war auch der 120 Jahre alte Bischof Simon von Jerusalem, welcher gekreuzigt wurde, so wie der ehrwürdige Bischof Ignatius von Antiochia, welchen der Kaiser selbst verhörte. Trajan war zornig über den frommen Mann und warf ihm vor, er sei vom bösen Geist besessen, verletze die Befehle seines Kaisers und reiße noch andere mit ins Verderben. Ignatius ent-gegnete dem Kaiser in freudigem Todesmute: „Wer Jesum freudig im Herzen trägt und seine Gebote treulich hält, ist nicht vom bösen Geist besessen; wohl aber jeder, der Jesum verleugnet! Eure heidnischen Götter sind böse Geister, welche die Menschen mit schädlichem Aberglauben umstricken. Und darum glaube ich nur an einen Gott und keinen andern neben ihm!" Der Kaiser ließ den edlen Glaubenshelden gefesselt nach Rom führen, wo er zur Belustigung des heidnischen Pöbels im Colosseum von zwei Löwen zerrissen wurde. Christliche Brüder sammelten sorglich die Gebeine des glaubensstarken Märtyrers und brachten sie als Reliquien nach Antiochien.
Hadrianus 117—138, der folgende Kaiser, war Trajans Vetter. Er ließ dem römischen Reiche in Rechtspflege und Verwaltung viele sorgfältige Verbesserungen angedeihen und bereiste, um die Lage des ungeheuren Reichs genau kennen zu lernen, dasselbe größtenteils zu Fuß. „Ein Kaiser," sagte er, „muß wie die Sonne alle Teile seines Reiches beleuchten." Die von Trajan jenseits des Euphrats gemachten Eroberungen gab er wieder auf; das unterworfene Britannien schützte er im Norden durch den Pictenwall gegen feindliche Einfälle. Seinen Hof zierten Schriftsteller, Künstler und Gelehrte; der bedeutendste darunter war der Grieche Plutarch (t 120), unter dessen zahlreichen Schriften die vergleichenden Lebensbeschreibungen griechischer und römischer Feldherrn und Staatsmänner (§. 61, 3) besondere Erwähnung verdienen. Hadrian selbst war von großer Kunstliebe beseelt und ließ Rom und viele Städte seines Reiches durch treffliche Bau- und Bildwerke verschönern. Auf
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136 Zweiter Abschnitt. Zweiter Zeitraum.
auf. Ja, er wurde zum Landesverräter, indem er heimlich mit den Persern unterhandelte, um sich mit ihrer Hilfe zum Herrn von Sparta zu machen. Er versprach dem Perserkönig die Unterwerfung aller griechischen Staaten und warb um die Hand seiner Tochter. Von den mißtrauisch gewordenen Spartanern zurückgerufen, setzte er in Sparta seine verräterische Verbindung mit dem Perserkönig fort. Ta brachte ein Zufall den schändlichen Briefwechsel, welchen Pausanias mit Xerxes führte, an den Tag. Ein Sklave öffnete nämlich den Brief, welchen ihm sein Herr übergeben hatte, und teilte den Inhalt den Ephoren mit. Als Pausanias merkte, daß er verraten sei, flüchtete er sich in einen Tempel. Aber die Ephoren ließen die Thüren schließen und vermauern, und die Mutter des Pausanias soll den ersten Stein dazu herbeigetragen haben. Auf diese Art verhungerte der elende Verräter 468 und wurde auf Befehl des delphischen Orakels vor dem Tempel begraben.
Themistokles' Ende. Die Spartaner zogen den Themistokles, den sie für ihren gefährlichsten Feind hielten, mit in den Sturz des Pausanias, indem sie ihn bei den Athenern verdächtigten, daß er mit den Persern ebenfalls in geheimer Verbindung stehe. Themistokles war für viele seiner Mitbürger bereits ein Gegenstand der Furcht geworden, weil man glaubte, ein so angesehener, thatkräftiger und ehrgeiziger Mann wie Themistokles könne sich leicht der Alleinherrschaft bemächtigen. Daher hatte man ihn schon 471 durch das Scherbengericht verbannt. Themistokles lebte seitdem zurückgezogen in der Stadt Argos, als er von den Verläumdungen der Spartaner hörte. Die Athener forderten alsbald den Angeschuldigten vor Gericht, allein Themistokles erschien nicht und wurde nun als Verräter verurteilt. Unstät irrte er einige Zeit in der Welt umher, bis er Ephesus in Kleinasien erreichte. Von hier aus ging er zu dem persischen König nach Susa und bat um Schutz (466). Artaxerxes, der Nachfolger des Terxes, sah es für einen Sieg an, daß seine Feinde den tüchtigen Mann vertrieben; er schenkte ihm die Einkünfte dreier Städte, und Themistokles lebte in einer derselben, zu Magnesia in Kleinasien, bis zu seinem Tode 461.
Athens Vorherrschaft. Das Betragen des Pausanias bewog die Griechen in Jonien und auf den Inseln, den Oberbefehl dem durch seine Milde und Redlichkeit ausgezeichneten Aristides zu übertragen und sich unter den Schutz Athens zu stellen. Der neu gestiftete Bund hatte seinen Versammlungsort auf der Insel Delos, wo sich das Schatzhaus sür die Beiträge der einzelnen Gemeinden befand, und
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§. 36, 1. Kämpfe mit den Äquern und Vejentern.
223
daß die Tochter des Virginius bereits gestorben und Virginia das Sklavenkind sei. Obgleich Virginius die Behauptung des Klägers als eine Lüge hinstellte, so sprach doch Appius Claudius als Richter die Virginia seinem Klienten als Eigentum zu. Da sah Virginius, daß sein einziges Kind für ihn verloren sei. Er bat um eine kurze Unterredung mit seiner Tochter, führte sie in seinem Schmerze zu einem nahen Fleischerladen, wo er ein Messer erfaßte und sie mit den Worten erstach: „Nur so, mein Kind, kann ich deine Ehre
retten!" Hierauf verfluchte Virginius den Appius; das Volk aber versammelte sich um die Leiche, verlangte stürmisch nach Ordnung und Gesetz und nahm den Appius mit seinen Anhängern gefangen. Als hierauf Virginius mit dem blutigen Messer in das Lager kam und den Vorfall schilderte, wurden die Decetnvirn 449 ihrer Würde entsetzt. Appius Claudius wurde vor Gericht gefordert, entleibte sich aber im Gefängnis; die übrigen wurden verbannt. Hierauf wurden die Konsuln und Volkstribunen wieder eingesetzt.
Das Volk zeigte Mäßigung; es achtete die erhaltenen Gesetze und erhielt durch seine bewunderungswürdige Ausdauer allmählich immer mehr Rechte. 445 wurden die Ehen zwischen Patriziern und Plebejern zugestanden. Der Forderung, daß einer der Konsuln aus den Plebejern gewählt werden sollte, suchten die Patrizier jedoch dadurch auszuweichen, daß von 444 ab statt der Konsuln jährlich 3 (später bis zu 8) Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt eingesetzt wurden und zu diesem Amte auch Plebejer gelangen konnten.
§• 36. iioni in Hof utits ller Sfäiitseniisgteidi.
1. Kämpfe mit den Äquern und Vejentern.
Die Äquer. In die Zeit des Ständekampfes in Rom fallen
wiederholt Kriege, welche die Römer mit äußeren Feinden zu führen hatten. Die mit den Volskern verbündeten Äquer hatten 458 ein römisches Heer eingeschlossen und waren bis vor Rom gedrungen. In dieser Gefahr wählten die Römer den Lucius Quinctius Cin-cinnatns zum Diktator. Als ihm die Abgeordneten des Senates die Ernennung zu der höchsten Staatswürde überbrachten, fanden
sie thn am Pfluge, wie er nach der Weise seiner Väter sein kleines
Landgut selbst bestellte, und seine Frau mußte ihm erst sein Amts-
kleid holen, damit er die Gesandtschaft würdig empfangen konnte. Er folgte dem Ruf des bedrängten Staates, rettete das Vaterland und kehrte dann vom höchsten Amte wieder zu seiner ländlichen Arbeit zurück. '
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s
Aus der deutschen Vorzeit.
Die erste Gemeinschaft der Germanen bildete die Familie. An der Spitze derselben stand der Vater als Oberhaupt und sorgte für Recht und Schutz der Glieder seines Geschlechts (der Sippe). Wurde ein Glied verletzt oder getötet, so waren die übrigen zur Rache, selbst Blutrache verpflichtet, die nur durch öffentliche Unterwerfung zu einer Buße, dem Wergeld, abgewandt werden konnte. Mehrere benachbarte, freie Grundbesitzer bildeten eine Gemeinde oder Markgenossenschaft und befanden sich im Genusse des Gemeindelandes, dem Allmend. Aus mehreren Gemeinden wurde ein Gau, die erste politische Gemeinschaft, gebildet. In jedem Gau wurden zur Neu- oder Vollmondszeit an einem geweihten Orte, der Malstatt, Versammlungen abgehalten, zu welchen jeder freie Mann in Waffen erschien. An der Spitze der Gauversammlung stand ein Fürst oder Gaugraf, wozu die erfahrensten und angesehensten Männer der edeln Geschlechter gewählt wurden. Der Fürst hatte die Versammlungen und Gerichte zu leiten und war außerdem Führer im Kriege. In dieser Versammlung wurde der freie Jüngling wehrhaft gemacht; hier wurde Recht gesprochen über alles, was Leben und Eigentum anging. Konnte die Versammlung in einer Sache das Recht nicht finden, so nahm sie ihre Zuflucht zum Gottesurteil, zumeist zum Zweikampf, wobei dem Sieger das Recht zugesprochen wurde. Vereinigten sich mehrere Gaue zu einem Kriege, so wurde der tapferste Fürst oder Freie zum Herzog gewählt, der für die Dauer des Krieges den Oberbefehl führte und nach Beendigung desselben in seine frühere Stellung zurücktrat. Die Vereinigung aller Kämpfer bildete den Heerbann. Dieser wurde durch Boten oder den Heerpfeil, der Tag und Nacht von Hof zu Hof gebracht wurde, einberufen, und Priester brachten aus den geheiligten Hainen die Götterbilder herzu. Vor dem Beginn der Schlacht stimmten die Kämpfer feurige Schlachtgesänge an, in welchen sie ihre Götter und Helden feierten, und wobei sie aus der Fülle der Klänge aus den Ausgang des Kampfes schlossen. Sie verstärkten den Ton, indem sie den Schild (altnordisch bardhi) vor den Mund hielten, woher diese Sangesweife den Namen Barditus erhielt. Die Kämpfer waren in keilförmiger Schlachtordnung aufgestellt. Frauen und Kinder, die auf den Wanderzügen zugegen waren, blieben während des Kampfes in der „Wagenburg", von wo die Frauen dem Kampf folgten und die Wankenden anfeuerten. Vom Platze zu weichen galt, wenn man zum Kampfe wieder zurückkehrte, mehr für klug als feige. Wer den Schild in Feindeshand ließ, wurde von Opfern und Volksversammlungen aus-
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§. 16. Die Frauen.
85
2. Unter den germanischen Frauen nahmen die gotischen und fränkischen die erste Stelle ein. Auch sie wurden, wie die altgermanischen Frauen, geachtet und ihre Geistesgaben anerkannt; man räumte ihnen gesetzlich sogar manche Vorrechte vor den Männern ein und bestrafte Unbilden, Mißhandlungen und Verletzungen, welche den Frauen zugefügt wurden, gewöhnlich doppelt so hart, als ähnliche, an Männern verübte Vergehen. Doch ist auf der andern Seite nicht zu übersehen, daß bei den Franken, wie bei den alten Germanen, die Frau eine verschiedene Behandlung erfuhr. So konnte bei den alten Germanen verlangt werden, daß sich die Frau mit dem toten Manne verbrennen lasse, und es kam vor, daß der Mann das Recht beanspruchte, die Frau zu verschenken oder zu verkaufen. Das salische Gesetz der Franken schloß die Töchter von der Erbschaft aus und betrachtete nur die Söhne als erbberechtigt. Dieser Artikel des salischen Gesetzbuches handelte eigentlich nur von Privatbesitzungen, wurde nachher aber auch auf die Besetzung des Thrones angewandt, dadurch wurde das weibliche Geschlecht von der Thronfolge ausgeschlossen. Auch bei den Ostgoten herrschte ähnlicher Brauch.
3. In der Geschichte der Goten werden mehrere ausgezeichnete Frauen genannt. Die Töchter Theodorichs des Großen (§. 7), Theudegota und Ostrogota, waren, erstere an den Westgotenkönig Alarich, die zweite an den burgundischen Prinzen Sigmund vermählt. Theodorich vermählte sich zum zweitenmale mit Chlodwigs Schwester Audosletis, mit welcher er eine Tochter, Amalasunla, empfing. Nach Theodorichs Tod folgte Amalafuntas Sohn, Athalarich, und seine Mutter führte die Vormundschaft. Als sie ihrem Sohne eine römische Erziehung geben wollte, wurde das Volk unwillig und zwang die Königin, dem Prinzen gotische Herrn zu Gesellschaftern zu geben. Diese verleiteten den Prinzen zu allen Lastern und führten seinen frühen Tod herbei. Nun bestieg Amalafunta den Thron (§. 7); da die Goten aber einer Frau zu gehorchen für unmännlich hielten, so reichte die Königin ihrem Vetter Theodat die Hand und erhob ihn zum Mitregenten; dieser, ein habsüchtiger, gelehrter und schon bejahrter Mann, hatte eidlich zugesagt, er werde die Regierung der Königin überlassen. Allein bald nach seiner Ankunft in Ravenna ließ er seine Wohlthäterin festnehmen, auf eine Insel des Bolsenasees bringen und im Bade erdrosseln. Ihre Tochter Mathasuinta war zuerst an den Ostgotenkönig Vitiges, nach dessen Tod an den Bruder des Kaisers Justinian vermählt und fand ein frühes Ende (§. 16, 6). Theodorichs Schwestertochter war an den thüringischen Herzog Hermansried verheiratet; ihre
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260
Vierte Periode des Mittelalters.
ihres Bruders Ferdinand mit Ludwigs Schwester Anna. Seitdem hieß es: „Du glückliches Östreich heirate, laß andere kriegen."
Als Papst Julius Ii. 1511 erkrankte, trug sich Maximilian mit dem Gedanken, die höchste geistliche und weltliche Macht in seiner Person zu vereinigen. Allein die italienischen Kardinäle fürchteten mit Recht die Verwirklichung eines solchen Planes und wählten 1513 den Mediceer Leo X. zum Papste.
Kurze Zeit vor seinem Tode sah Maximilian zwei seiner Lieblingspläne scheitern: die Erwählung seines Enkels Karl zum römischen König und den allgemeinen Krieg gegen die Türken. Der erstere scheiterte an dem Widersprüche der Kurfürsten, welche die gewaltige Macht des Habsburgischen Hauses nicht mit Unrecht fürchteten, der geplante Türkenkrieg an der Abneigung der Reichsfürsten gegen jeden auswärtigen Krieg. Mißmutig verließ Maximilian den Reichstag, der 1518 in Augsburg abgehalten worden war. Auf dem Lechfelde sah er sich noch einmal um und sprach in tiefer Rührung: „Nun
gesegne dich Gott, du liebes Augsburg mit deinen frommen Bürgern, wir werden dich nicht mehr sehen!" Als er nach Innsbruck kam, fühlte er fein Ende nahen. Er ließ sich das heilige Abendmahl reichen, legte sein Totenhemd an und erwartete so den Tod. Seine Freunde und Angehörigen umstanden weinend das Sterbelager. Er aber sprach: Was weinet ihr, daß ihr einen sterblichen Menschen sterben seht?" So verschied er 1519. Mit Macht begann in den letzten Jahren seiner Regierung aus allen Gebieten des Lebens ein neuer Geist sich zu regen. Maximilian empfand und verstand das Wehen dieses Geistes der Neuzeit nicht mehr: in den Anschauungen des Mittelalters festgewurzelt, starb er als „der letzte Ritter".
§. 39. Die aujjeciseutj'rfien Staaten (Europas.
1. Frankreich.
Die letzten Kapetinger bis 1328. Ludwigs Ix. (§. 28,1) Sohn Philipp Iii. (1270—1285) erwarb die Grafschaft Toulouse. Dessen Sohn und Nachfolger Philipp Iv. der Schöne (1285—1314) war ein kluger, kühner und gewalttätiger Fürst, der kein Mittel zur Ausführung feiner Pläne verschmähte. Ihm gelang es, die Staatseinheit im Innern zu befestigen und Frankreichs Einfluß nach außen durch Ländererwerbungen und einen siegreichen Kampf mit dem Papsttum zu vermehren. Seine Gemahlin Johanna brachte ihm das Königreich Navarra nebst der Grafschaft Champagne und Brie
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand Ferdinand Ludwigs_Schwester_Anna Ludwigs Julius_Ii Maximilian Maximilian Leo_X Leo Maximilian Maximilian Karl Karl Maximilian Maximilian Gott Maximilian Maximilian Ludwigs Ludwigs Philipp_Iii Philipp Philipp_Iv Philipp Johanna
Extrahierte Ortsnamen: Augsburg Europas Frankreich Frankreichs Navarra