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umfaßte jetzt in drei Welttheilen einen Flächenranm von 100,000
Quadratmeilen mit 120 Millionen Menschen. Die Waffenmacht
der Römer war außerordentlich, der Reichthum und die Pracht der
Vornehmen, die herrlichen Paläste, Tempel u. s. w. reichen an's
Unglaubliche, nicht weniger aber die Armuth des Volkes und die
Unsittlichkeit aller Stände.
Wie die Griechen, so beteten auch die Römer zahllose Götzen
an, welche in Bildnissen zur Anbetung aufgestellt wurden. Sie
schrieben ihnen Fehler und Laster zu, so daß man die heidnischen
Götzen mit Recht vergötterte Sünder genannt hat. Eine Menge
Priester dienten den eifersüchtigen und zornigen Götzen. In pracht-
vollen Tempeln brachten sie ihüen reiche und kostbare Opfer dar.
Auch die Römer glaubten, durch lasterhafte Handlungen und Men-
schenopfer ihre Götzen zu ehren. Es ist darum ganz natürlich, daß
das Leben mit den schändlichsten Leidenschaften und Lastern be-
fleckt sein mußte, da ja der Götzendienst davon nicht frei war. —
Das Menschengeschlecht vor Christus war voll Unwissenheit über
das Nothwendigste des Lebens, über Gott und die Bestimmung des
Menschen. Voll Stumpfsinn betete der Mensch Holz und Stein,
Thiere und die Naturkräfte an, ohne die Entwürdigung seines
Geistes und seine Schmach zu ahnen, der er sich dadurch hingab.
Und wie verkehrt mußte der Mensch über seine Bestimmung denken,
wenn er selbst in seinen Göttern Sünder erblickte! Darum treffen
wir überall schamlose Ausschweifung und Lieblosigkeit in üppiger
Fülle, überall nur Tyrannen und Knechte. Hiezu kommt noch, daß
dieses selbstsüchtige, sündhafte Leben fast alles religiösen Trostes und
der Beruhigung des Gewissens entbehrte. So tief sinkt der von
Gott abgefallene Mensch. Der Stolz der heidnischen Weltweisen,
die siegreichen Waffen der römischen Krieger, die Fülle und der
Glanz des Reichthumes, des Handels, der Künste und Erfindungen
vermochte das religiöse und sittliche Elend nicht zu verbergen. In
dieser großen Noth seufzten Heiden und Juden nach Erlösung, und
da die Fülle der Zeit gekommen war, so sandte Gott seinen Sohn
Jesum Christum, der da unser Erlöser und Heiland geworden ist.
Geschichte -er neuen Zeit.
Von der Erlösung der Welt durch Christus bis auf
unsere Tage.
Das römische Volk, durch gräßliche Bürgerkriege erschöpft,
fühlte sich glücklich unter der ruhigen und weisen Negierung des
Augustus. Auch ließ der kluge Kaiser die ungewöhnte kaiserliche
Macht sein Volk wenig merken, erhielt vielmehr alle Einrichtungen
des Freistaates aufrecht, übte aber dessen ungeachtet die höchste Ge-
walt aus. Unter seinem friedlichen Scepter gediehen besonders
durch griechische Meister und Lehrer Künste und Wissenschaften, so
daß man in dieser Hinsicht das Zeitalter des Augustus das
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Extrahierte Personennamen: Christus Gott Jesum_Christum Christus Augustus Augustus
Der Ungehorsam und seine Strafe. — Der Brudermord. 5
alles Daseins, sondern über die Geburt ihrer Götter hinaus bleibt ein
dunkler, materieller Urgrund aller Dinge, aus dem die Götter ebenso
gut hervorgehen als die anderen niederen Wesen auf der Welt, die be-
lebten und unbelebten, und in den alle wieder zurückkehren und sich ver-
lieren werden, wenn die Periode ihres Lebens und Daseins abgelaufen
ist. Eben deßwegen hat bei ihnen auch das Menschengeschlecht nicht
Einen Schöpfer, sondern jedes Volk hat seinen eigenen Stammvater,
bald einen Gott, bald einen Halbgott. Oder die göttliche Erdmutter hat
nach der Mythe eines andern Volkes seinen Stammvater, den ersten
Sterblichen, aus ihrem Schooße hervorgebracht; viele Völker rühmten
sich solchen Ursprunges als eines nationalen Adels und wiesen es als
eine Entwürdigung von sich, daß sie mit andern Nationen, die sie haßten
oder verachteten, gemeinschaftlichen Ursprung haben sollten. So erhob sich
nicht ein einziges heidnisches Volk zu der ächten menschlichen Würde, indem
keines in allen Mitmenschen seine Mitbrüder, die Kinder eines und des-
selben himmlischen Vaters anerkannte, und deßwegen konnte auch das hoch-
gebildeteste Volk der vorchristlichen Zeit die schönste Blüte der Menschheit
nicht entwickeln; dies blieb dem Christenthume aufbewahrt, welches den
Menschen wieder dem himmlischen Vater zurückgibt und die entzweite
Menschheit durch ein höheres Band vereinigen will. Eine dunkle Ahnung
des paradiesischen Friedens ist alles, was bei einzelnen Völkern deutlich
nachklingt: ihre Dichter singen von einem goldenen Zeitalter, wo die
Götter den Sterblichen nahe waren, die Natur keine Schrecknisse bot,
die Menschen keine Nahrungssorgen kannten und von Haß und Streit
nichts wußten. Diese Lieder sind nicht etwa die Erzeugnisse der Phan-
tasie der Dichter, sondern, wie sie ausdrücklich gestehen, sind es die ur-
alten Sagen, deren Hauch zu ihnen, den Söhnen des ehernen Zeitalters,
herüberwehte und sie zur wehmüthigen Klage stimmte.
Der Ungehorsam und seine Strafe. — Der Brudermord.
Das Glück der ersten Menschen dauerte nicht lange, denn sie
wurden den Geboten Gottes ungehorsam und aßen von der verbotenen
Frucht. Zur Strafe mußten sie Eden verlassen und ein Leben voll Mühe
und Arbeit beginnen; im Schweiße ihres Angesichts sollten sie und ihre
Nachkommen ihr Brot essen, Mangel und Entbehrung, Sorge und
Kummer die Arbeit begleiten — und endlich kommt der Tod, und der
Leib zerfallt in Staub, aus welchem er genommen ist. Und Adam
mußte den Tod schauen, bevor er selbst demselben unterlag; ein Jüngling,
Abel, wurde das erste Opfer des Todes, ermordet von der Hand seines
Bruders Kain.
Seitdem ist die Erde oft von Blut geröthet worden; wenn die
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78 Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
Götter gerettet worden sei. In den alten Sagen erscheinen die wandern-
den Hellenen als kriegerische Stämme, welche unter Heldenführern zu Land
und Meer auf Abenteuer ausgehen und lieber von der Beute und den
Gaben der Ueberwundenen leben, als den Acker anbauen und Gewerbe
treiben, ungefähr wie unsere Vorfahren zur Zeit der Völkerwanderung.
Die friedlichen Pelasger wurden entweder vertrieben, oder zu Leibeigenen,
vielmal auch wahrscheinlich zu Unterthanen gemacht; sie verschmolzen
später mit den Hellenen zu einem Volke, was um so leichter geschehen
mußte, weil beide Völker stammverwandt waren. Diese Vermischung
zeigt sich besonders in der Religion des Hellenenvolkes, oder wie wir es
zu nennen gewohnt sind, der Griechen. Götter wurden auch von den
Hellenen verehrt, besonders der Sonnengott Apollo, doch Priester besaßen
sie keine; ihre Helden oder Häuptlinge und jeder, der ein Opferthier
vermochte, opferten und theilten von dem Opferschmause denen mit,
welche sie ehren wollten; sie schauten nach den Zeichen, durch welche die
Götter ihren Willen offenbarten: Blitz und Donner, Vogelflug, Opfer-
thiere u. s. w., deuteten dieselben oder ließen sich dergleichen von einem
Zeichendeuter auslegen. Dieser Mangel an einem Priesterstande (der
bei den meisten germanischen Stämmen wiederkehrt) übergab die ganze
religiöse Ueberlieferung dem Gedächtnisse des Volkes, welches dieselbe
in Gebetformeln und Lieder faßte; daher sind es bei den Hellenen die
Sänger, welche ihnen die Abkunft der Götter und deren Thaten mel-
den, und eben deßwegen mußte die religiöse Ueberlieferung manche
Umgestaltung erleiden, weil die Phantasie des Sängers sich nicht in
die Schranken einschließt, mit denen die Priesterschaften der Inder,
Aegypter, Pelasger und anderer Völker ihre Götterlehren umschlossen;
denn jede Priesterschaft hatte ihre Gesetze und Normen, ohne die sie
nicht bestehen konnte, und wie sie selbst reguliert war, so mußte sie
auch ihre Lehren und ihren Kult regulieren. Zudem waren die Hel-
lenen wandernde Stämme; ihr Götterglaube haftete daher nicht an
heiligen Stätten z. B. Bergen, Hainen, Quellen, Tempeln und Opfer-
stätten u. s. w., wie wir es bei andern heidnischen Völkern finden, welche
in ihren väterlichen Wohnsitzen verblieben, z. B. bei den alten Sachsen am
Harze und der Irmensul, bei den Babyloniern an ihrem Baalstempel
und Thurm. Als die Hellenen sich unter den Pelasgern ansiedelten,
fanden sie überall Heiligthümer und Kulte, welche sie nur ausnahmsweise
zu stören wagten, in der Regel aber mit ehrfurchtsvoller Scheu betrach-
teten, weil nach ihrem Glauben (und dieser findet sich bei allen Völkern,
welche eine Göttervielheit bekennen, bei allen Polytheisten) jeder Ort,
Berg, Fluß, Quelle, Stadt u. s. w. seinen Schutzgott hatte, den sie
nicht beleidigen durften, wenn sie nicht dessen Zorn auf sich laden wollten;
diesen Zorn aber fürchteten sie. Im Laufe der Zeit mußten die pelas-
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84 Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
ihr Religionslehrer, als der Träger des religiösen Glaubens der Vor-
fahren, da den Hellenen keine Priester in heiligen Büchern die Religion
und deren Satzungen aufbewahrten. Durch die homerischen Gesänge
wurden die entzweiten Hellenen immer wieder erinnert, daß sie schon in
der Vorzeit ein Volk gewesen, welches seine Ehre gemeinschaftlich gegen
die Barbaren vertheidigte und durch die Gunst der Götter einen glor-
reichen Sieg über Asien errang. Homers Gesänge wurden die Quelle,
aus welcher spätere Dichter schöpften und den nationalen Sinn immer
wieder erfrischten. Kein Volk hat einen Homer hervorgebracht (die Bibel
ist göttlichen Ursprungs und gehört der Menschheit); Ln Asien war es
unmöglich, denn unter der Despotie gibt es keine Helden, nur Knechte,
welche in die Schlacht getrieben werden; Priefterkaften führen ein Volk
bis zu einer gewissen Stufe der Kultur, aber sie dulden die geistige Er-
hebung des Einzelnen nicht und ziehen unübersteigbare Schranken zwischen
sich und den anderen Ständen, zwischen ihrer Nation und fremden Na-
tionen. Die Germanen erscheinen unter allen Völkern den Hellenen am
nächsten stehend; allein sie bewohnten Länder, welche von der Natur
weniger begünstigt waren als Hellas, und ihre Fortbildung übernahm
das Christenthnm, daher konnten ihre Sänger für sie nie das werden,
was Homer den Hellenen gewesen.
Die alten Könige der Griechen.
Allmäliges Aufhören der Königswürde.
Die griechischen Stämme und Städte hatten anfänglich ohne Aus-
nahme Könige; ihre Herrschaft erstreckte sich aber nie über ein großes
Gebiet und war ebenso wenig eine despotische. Der König führte im
Kriege die streitbaren Männer an und war mit den andern Edlen Vor-
kämpfer in der Schlacht. 2m Frieden saß er mit denselben auf offenem
Markte zu Gericht, mit ihnen berieth er die allgemeinen Angelegenheiten.
Das Volk hörte dann wohl auch zu und gab durch Beifall oder Murren
seine eigene Meinung zu erkennen; jedoch hing die Entscheidung nie
von dem Volke ab, sondern diese kam von dem Könige und den Edlen;
letztere werden selbst oft Könige genannt und der eigentliche König war
auch nur der erste unter ihnen, sowie er auch das größte Grundstück
besaß und in dem schönsten Hause wohnte; die Edlen standen ihm durch
Grundbesitz am nächsten, wie sie im Felde mit ihm in der Vorderreihe
fochten und im Frieden mit ihm im Rathe saßen. Bei den Festen der
Götter opferte der König und ordnete das Mahl, das von dem Opfer
unzertrennlich war. Von regelmäßigen Abgaben an den König war keine
Rede, doch steuerte das Volk bei, wenn er durch irgend ein Ereigniß
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96
Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
Mutterlande und den Kolonieen, dessen Regsamkeit sich mit der Zeit ins
Unglaubliche steigerte. Durch die Philosophie unterschied sich der Hel-
lene von den Barbaren so gut wie durch die Sprache; denn der rohe
Barbar dachte nicht in solcher Richtung, der Hindu und Aegppter aber
durfte nicht in dieser Richtung denken, weil ihm die Priesterkaste dies
als Frevel ausgelegt hätte.
Auch die Poesie entfaltete sich in den Kolonieen rascher und leb-
hafter als im Mutterlande; denn der Himmel Ioniens war noch reiner
als der Griechenlands, die Luft noch milder, der Boden Siciliens und
Unteritaliens noch fruchtbarer, der Verkehr noch reger — also das Le-
den heiterer und reicher, der Geist lebendiger. Doch blieb das eigent-
liche Hellas nicht zurück; mußte es auch den Ionern den Homer als
ihren Sohn lassen (sieben Städte stritten um die Ehre sein Heimathsort
zu sein: Smyrna, Rhodos, Kolophon, Salamis, Chios, Argos, Athen),
so kannte es doch frühe seine Lieder und hatte Sänger in Fülle, welche
die Namen der Helden aus dem Gedächtnisse des Volkes nicht ver-
schwinden ließen. Hesiod aus Aekrä in Böotien schloß sich an die alten
religiösen Dichter an, welche in ihren Liedern den Preis der Götter sangen,
indem er in seiner „Theogonie" den Ursprung und die Folge der Göt-
ter erzählt, und welcher Götter und Halbgötter Thaten die Erde als
Schauplatz diente, ehe der Mensch auf sie gestellt wurde. In seinem
andern Gedichte „Werke und Tage" erscheint das Landleben alter Zei-
ten vorgeführt mit seinen Arbeiten und Freuden, und der Dichter er-
mangelt nicht Lehren der Tugend und Klugheit einzustreuen. Von den
lebenslustigen Griechen Kleinasiens tönten auch zuerst die Lieder der
Freude und Lust herüber und fanden ihren Widerhall in Griechenland
und Italien, wie die Philosophie den gleichen Gang eingeschlagen hatte.
So tauschten die Griechen ihre geistigen Erzeugnisse aus, so entwickelte
sich ihre herrliche Kraft immer mehr und mehr und verlieh ihnen ein
stolzes Bewußtsein der Ueberlegenheit über alle anderen Völker. Dieses
steigerte sich später auf den höchsten Grad, als Griechenland seine Kraft
mit dem Beherrscher Asiens gemessen hatte; es reihte sich an die alten
Dichter und Philosophen eine neue glänzende Schaar an und an diese
auch die Geschichtschreiber und Redner. Diese großen Geister, ihre
herrlichen Werke in der Sprache der Nation, flochten ein unsichtbares
Band, welches < die vielfach getheilten Stämme immer wieder zu natio-
nalem Selbstgefühl vereinigte und sie in trüben Zeiten noch einigemal
aufrichtete.
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Extrahierte Ortsnamen: Europas Asien Griechenlands Smyrna Rhodos Salamis Chios Argos Athen Kleinasiens Griechenland Italien Griechenland
Perikles.
137
Allerdings fiel der Glanz der öffentlichen Werke auch auf jeden einzelnen
Bürger zurück, und der Gemeingeist, der sich in ihnen offenbarte, mußte
den Ruhm des athenischen Volkes über ganz Griechenland verbreiten;
aber dies allein hätte doch wohl nicht hingereicht, den gemeinen Athener
vergessen zu machen, daß diese ungeheuren Summen in seine Hände
kamen, wenn er nur ernsthaft wollte, es ist nur erklärlich aus dem Kunst-
sinne, welcher das ganze Volk durchdrang und von Perikles genährt
wurde. So war Perikles zwar nicht der Schöpfer, aber doch der
hauptsächlichste Beförderer der griechischen Kunst, daher diese unter ihm
ihr goldenes Zeitalter hatte. Athen wurde durch ihn eine wahre Pflanz-
schule der Kunst, die sich in rascher Entfaltung über andere griechische
Städte verbreitete; athenische Künstler wurden in andere Städte berufen,
so war z. B. die Statue des Zeus im Tempel zu Olympia, welche im
Alterthume als das erhabenste Werk der Bildhauerei galt, ein Werk des
Phidias, und fremde Künstler wunderten nach Athen, um sich an den
dortigen Meisterstücken und in den dortigen Werkstätten auszubilden.
Es ist schon gesagt worden, daß Perikles Odeen und Theater baute,
Anstalten, welche für den Hellenen, namentlich den Athener, eine viel
größere Bedeutung hatten, als ihnen bei uns zukommt. Sie ergötzten
und unterhielten nicht allein das Volk, sie bildeten dasselbe auch in vielfacher
Beziehung. Die Gesänge waren von den ersten Dichtern, die miteinander
wetteiferten, geschaffen und von den besten Tonkünftlern mit Melodieen
versehen; das Gemeine und Mittelmäßige wurde da nicht geduldet oder
wagte sich gar nicht hervor. Der Gesang feierte die Götter, den Ruhm
der Stadt, die Thaten der Vorfahren aus der ältesten Zeit wie derer,
welche der Persermacht entgegengetreten waren; er erfreute nicht allein
durch kunstvolle Harmonie in Wort und Ton, sondern mahnte zugleich an
die waltenden höheren Mächte, erinnerte an die Väter, deren Erbe nun
die Enkel beglückte, und spornte sie zu edler Nacheiferung. In Athen er-
standen auch die größten Meister der tragischen Kunst: Aeschylus, Sophokles
und Euripides. Aeschylus focht tapfer in der salaminischen Schlacht, So-
phokles führte als einer der schönsten Jünglinge den Siegesreigen an und
Euripides erblickte das Licht der Welt an jenem großen Tage. Diese Tra-
giker waren für die Griechen in mancher Hinsicht die Nachfolger des Homer,
indem sie ihre Stoffe aus diesem und der alten Heldensage schöpften und
gleich den homerischen Gesängen die Furcht vor der waltenden Macht der
Götter lehrten, vor Uebermuth warnten, der dann zu Falle kommt, wenn
er am sichersten zu stehen wähnt. Frömmigkeit, edle Sitte, ehrfurchts-
volles und dankbares Andenken an die Vorfahren, geheiligte Liebe zu
der Vaterstadt — fanden in diesen Tragikern, besonders in dem weisen
und erhabenen Sophokles, nicht minder ausgezeichnete Herolde, als der
alten Heldentugend in Homer zu Theil geworden war. In dem athenischen
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Extrahierte Personennamen: Aeschylus
Extrahierte Ortsnamen: Griechenland Olympia Athen Athen
138
Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
Theater trat die Geschichte der alten Zeit vor die Augen des Volkes nicht
in Erzählung, sondern in lebendiger Erscheinung; die Bühne war die
Kanzel, von welcher Religion und Sitte gepredigt wurde, wo die Lehren
derselben sich in Thaten und Leiden, in Segen und Fluch umgestalteten
und als lebendige Beispiele auf den Zuschauer einwirkten. Zu diesem
Zwecke bot das Theater den höchsten Schwung der Poesie in der edel-
sten Sprache auf, und mit der Kunst des Dichters vereinigten sich har-
monisch zusammenwirkend Plastik, Gesang und Musik, so daß das athe-
nische Theater zu der vollkommensten Bildungsstätte wurde, die das
Hellenenthum, und nur dieses, errichten konnte. Perikles öffnete sie dem
gesammten Bürgervolke Athens; der Staat gab beträchtliche Zuschüsse
zu der vollkommensten Aufführung dramatischer Meisterwerke und der
arme Bürger erhielt das Eintrittsgeld aus der Staatskasse auf Vor-
zeigung eines Täfelchens. Wer dem Perikles dies zum Vorwurfe macht,
mißkennt die Bedeutung des athenischen Theaters und verwechselt das-
selbe mit den Schaubühnen unserer Zeit, oder der Tadler muß den Stab
auch darüber brechen, daß unsere Staaten so große Summen für
Schulen aufwenden und es jedem Staatsbürger möglich machen, sich
die heutige Bildung (die freilich eine andere ist als die hellenische)
anzueignen. Allerdings wurde das spätere Athen durch seine Theater-
wuth berüchtigt, die so weit ging, daß man die Gelder, die zu einem
Feldzuge oder zur Ausrüstung einer Flotte bestimmt und nothwendig
waren, auf Schauspiele verwandte; aber wer will den Perikles dafür
verantwortlich machen, daß sein Volk ausartete und Männern folgte,
welche es zur Genußsucht verleiteten und gegen seine höchsten In-
teressen verblendeten? Geschah doch Aehnliches mit den feierlichen
Prozessionen, welche Perikles durch Staatsgelder und das Aufgebot
aller Künste verherrlichte; auch diese verloren später ihre religiöse Weihe
und arteten zu einem Schauspiele aus, das die Staatsgelder verschlang
und reiche Bürger zu übermäßigem Aufwande nöthigte, welche dem Miß-
fallen des herrschenden Volkes und den Gefahren der Volksungunst
ausweichen wollten.
Perikles rühmte den Athenern ihre Stadt als die Bildnerin des
gesammten Griechenvolkes, und stellte neben ihren Kriegsruhm ihre
allseitige Bildung als ebenbürtige Genossin. Athen gab den Perser-
kriegen die nationale Richtung, welche durch Kimon zum vollständi-
gen Siege, zur Befreiung der asiatischen Griechen und zu dem großen
Aufschwünge der ganzen Nation führte. Was wären die olympischen
Feste gewesen ohne den Triumph über Asien? Da wurden die Helle-
nen sich bewußt, daß sie das erste Volk der Erde seien; denn sie
hatten das Größte vollbracht, was je durch eine Nation geschehen. Da-
rum rauscht ein Strom hellenischen Volkslebens in den Festgesängen
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Extrahierte Ortsnamen: Europas Asien Athens Athen Asien
164 Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
hole und symbolischen Darstellungen zur Göttergeschichte. Die griechi-
schen Denker erkannten es, daß die Religionen der Aegypter, Baby-
lonier u. s. w. die Bilder waren, in welchen sich die Gedanken der
Völker über die Entstehung der Welt und deren Erhaltung, über die Be-
stimmung des Menschen und sein Verhältniß zu den höheren Mächten
aussprachen. Diese Bilder erhielten ihre vollendete Fassung und Ordnung
durch die Priester, welche bei den alten Völkern einen abgeschlossenen
Stand ausmachten; deßwegen konnten diese Priesterschaften eine Ge-
heimlehre sür sich haben, eine andere öffentliche aber verkünden, ohne
daß beide einander widersprochen hätten; die öffentliche stellte eben den
religiösen Begriff sinnlich dar in einer Mythe, einem Symbole, die
Geheimlehre aber deutete das Bild. Dem Griechen zog keine Priester-
schaft Schranken, ihm waren die Lehren derselben keine heiligen Ueber-
lieferungen, sondern eine Reihe uralter Vorstellungen darüber, wie
die Welt entstanden ist, besteht und vergeht; er nahm sich deßwegen
die Freiheit, über diese Räthsel selbst nachzudenken und den Versuch
ihrer Lösung ohne Rücksicht auf fremde und hellenische Religionssysteme
anzustellen. Einige dieser Denker fanden ihre Ergebnisse im Einklänge
mit den religiösen Mythen oder deuteten diese so, daß sie mit ihren
Meinungen oder Lehren harmonierten, andere hingegen mußten die Re-
ligion ganz bei Seite lassen, wenn sie nicht mit ihr in Widerspruch ge-
rathen wollten. Die Wirkung aber blieb dieselbe: die griechische Phi-
losophie ruinirte die griechische Volksreligion, den alten Glauben.
Die älteste Philosophenschule war die jonische und ihr Begründer,
Thaleö ans Milet, ein älterer Zeitgenosse des Solon; nach ihm ist das
Wasser der Urstoff aller Dinge, die sich aus demselben durch Verdichtung
oder Verdünnung gebildet haben und noch bilden. Sein Landsmann
Anarimenes überwies dieselbe Rolle der Luft, Pherekydes dem Aether
und der Erde, Heraklit dem Feuer. Anarimander und Demokrit (aus
Abdera) nahmen einen leeren Raum an und in diesem einfache Urkörper,
Atome, deren Bewegung und Vereinigung nach unwandelbaren Ge-
setzen geschehe, und nach welchen auch wieder ihre Auflösung und
Trennung erfolge. Nach solcher Lehre hat also nichts in der Welt
Bestand, nichts einen andern Werth als einen augenblicklichen; sie
mußte sehr gefährlich werden, wenn sie irgendwo Eingang fand, denn
daß die Götter neben den Atomen keinen Platz haben, mußte jedem
einigermaßen denkenden Kopfe bald klar werden. Anaragoras aus
Klazomenä vervollkommnete diese Lehre, indem er die Atome mit be-
stimmten Eigenschaften begabte, sie aber von einer höchsten Vernunft
bewegen läßt, welche alles weiß und kann. Anaragoras hielt sich
größtentheilö in Athen auf und war ein Freund des Perikles. Das
Volk hörte aber, daß der Philosoph die Sonne eine feurige Masse
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Das goldene Zeitalter der römischen Literatur. 319
Nation; wo aber eine religiöse Institution gefährlich schien, z. B. die
Druiden in Gallien und Britannien, da griff die römische Politik ener-
gisch ein. Eine merkwürdige Erscheinung ist es daneben, daß Griechen-
land und der griechische Orient auch unter der römischen Herrschaft
griechisch blieben. Dies erklärt sich indessen daraus, daß die Römer
ihre Kraft mehr auf den kräftigen Westen richteten, weil ihnen das
herabgekommene, sieche Griechenthum in Europa und Asien zu ungefähr-
lich erschien, als daß sie alle jene Mittel in Bewegung hätten setzen
wollen, welche sie für die völlige Unterwerfung der Länder des Westen
als nothwendig erachteten. Sodann waren die Griechen den Römern an
Bildung so überlegen, daß letztere schon zu den Zeiten der Republik bei
den politisch ohnmächtigen Griechen in die Schule gingen, und der Reiz
griechischer Kunst und Wissenschaft mußte um so mächtiger wirken, seitdem
mit der Republik das rege politische Leben aufhörte, welches die be-
gabten Römer bisher vollauf beschäftiget hatte.
Das goldene Zeitalter der römischen Literatur.
Unter allen Völkern des Alterthums sind Griechen und Römer
ihrer Gesammtanlage nach die nächsten Verwandten, wie auch erwiesener-
maßen der große pelasgische Volksstamm sich über Unter- und Mittel-
italien ausbreitete. Wie ähnlich ist nicht in vielfacher Hinsicht die poli-
tische Entwicklung dieser beiden klassischen Völker! Beider Geschichte
beginnt mit dem heroischen Königthume, mit dem eine Aristokratie der
Geschlechter die höchste Gewalt theilt; die Monarchie macht der Aristokratie
Platz und diese der Demokratie, welche, indem sie alles gleich macht,
der neuen Monarchie den Boden ebnet. Das griechische Leben verzehrt
sich aber schneller als das römische, denn es ist viel reger; bei schnei-
dender Schärfe des Verstandes ist der Grieche zu leidenschaftlich, für
alle Reize des Lebens zu empfänglich, als daß er einen Plan mit solcher
Ausdauer zu verfolgen vermöchte, wie der kältere Römer; dieser ist darum
auch der bessere Politiker. Das unter Alexander dem Großen vereinigte
Griechenland unterwarf Asien und durchdrang es mit seinem Wesen, aber
wie sich das freie Griechenland zersplitterte, so zerfiel auch Alexanders
Reich in Königreiche, die sich anfeindeten, und so mußte sich die griechische
Welt der strengeinheitlichen römischen unterwerfen. Der griechische
Genius hatte aber, während er auf dem Gebiete der Politik Wunderbares
schuf, nach anderen Richtungen noch Größeres hervorgebracht; er hatte
ein Reich der Wissenschaft und Kunst gegründet, und Griechenland
blieb noch deren Heimath, selbst nachdem seine politische Kraft aufge-
rieben war. Die Römer widerstanden auch der Einwirkung der griechi-
schen Kunst und Wissenschaft nicht lange; schon im zweiten punischen
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Alexanders Alexanders
Extrahierte Ortsnamen: Gallien Britannien Europa Asien Griechenland Asien Griechenland Griechenland
Die Erfüllung der Zeit.
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erlegt, daß sie alle Völker unterjocht und vernichtet hatten (gerade diese
Unterjochung und Vernichtung galt als die schönste Vätertugend); davon
aber, daß mit der Vernichtung des alten Nömerthums eine neue Zeit
für die Menschheit beginne, besaßen sie auch keine Ahnung; Rom war
ihnen ewig, Rom das Menschengeschlecht, Rom die Welt. So wenig
aber als die Ehre und die Tugend der Väter unter dem Cäsarenthume
Platz fanden, so wenig blieb den Nachkommen die Religion ihrer Väter,
auch die römischen Götter mußten neuen Göttern weichen. Mit der
Welt eroberten die Römer auch die Götter der Welt; wie sie von Veji
die Juno nach Nom gebracht hatten, so holten sie aus Asien die Kybele,
aus Aegypten den Serapis und die Isis, aus Griechenland den Diony-
sos, aus dem Morgenlande den Mithras. Die vejentische Inno gehörte
wenigstens in den Kreis der römischen Götter, die fremden Gottheiten
dagegen blieben den römischen fremd und verlangten fremde Kulte;
dadurch wurden die fremden „superstitiones“, gegen welche der alte
Senat so manches scharfe Dekret geschleudert hatte, in Rom einheimisch
und diese zersprengten vollends die römische Religion und die römische
Sitte, wenn die Gewöhnung an die fremden Lüste von ihr noch etwas
übrig gelassen hatte. In den Geheimdiensten der Isis, des Dionysos u. s. w.
mochte der Aberglaube eine Zufluchtstätte finden, der gebildete Römer sah
in diesen neuen Religionen aber nur eine Wiederholung des alten politischen
Spieles, und zwar eine schlechte, denn die griechische Philosophie, seine
Bekanntschaft mit den verschiedenen Religionen des Morgen- und Abend-
landes nicht minder, bewiesen ihm zu klar, daß die Religionen der
Völker nur Mythen seien, in welche Völker, Priester und Staatsmänner
ihre Meinungen und Ahnungen von dem Dasein höherer Mächte, ihre
Furcht und Hoffnung für Gegenwart und Zukunft gefaßt hatten, durch
welche sie die Einrichtungen des Staates, der Familie, das gesammte
Leben mit einer heiligen Schutzmauer gegen die Gewalt der wechselnden
Leidenschaften hatten umgeben wollen. Die römische Religion war zer-
brochen, was sollten die fremden Religionen dem Römerthume nützen,
der pontisch-ägyptische Serapis, die ägyptische Isis, der persische Mi-
thras, nachdem der kapitolinische Jupiter, die Stammväter Mars und
Quirinus Roms Schicksal nicht gehindert hatten? Auch die Juden, die
in allen römischen Landen und Ortschaften zerstreut lebten, machten eifrig
Proselyten; der ächte Römer aber verachtete den schmutzigen, feindseligen
Juden in der Fremde, und das Treiben der Pharisäer mit ihren un-
endlichen Ceremonieen und ihrer Schaustellung wohlfeiler Frömmigkeit,
der Sadducäer mit ihrer kalten Leerheit, das blutige Wüthen dieser
Parteien gegeneinander, sobald sie nicht durch die Furcht vor einem
Mächtigen zurückgeschreckt wurden, die Gräuel in dem Königshause des
Herodes, waren dem Römer in der Regel so widerlich, "daß er es nicht
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Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Asien Griechenland Rom Roms