— 177 —
fuhrartikel sind: Seide und Seidenwaren, Thee, Reis, Kampfer,
Kupfer, Porzellan, Lack- und Papierware!?.
Japan zählt auf einem Flächenraum von 417 000 qkm 45 Mil
lionen E., ist also dichter bevölkert als das Deutsche Reich. — Die
Japaner (Bild 58) sind -— im Gegensatze zu den stammverwandten
Chinesen — dem europäischen Einflüsse leicht zugänglich, sehr gut
begabt und ungemein strebsam, die Errungenschaften der christlichen
Bild 58. Heiden in Japan bei einer religiösen Feier.
Civilisation sich anzueignen. Darum haben sich in Japan so schnell
wie in keinem andern asiatischen Staate europäische Sitten und Ein-
richtungen eingebürgert. Eisenbahnen und Telegraphen durchziehen
das Land; überall erstehen Fabriken; die Staatsverfassung und
Verwaltung, das Heer- und Unterrichtswesen sind nach europäischem
Muster eingerichtet. In ihrem Wesen freundlich und zuvorkommend,
doch mit Würde und Selbstbewußtsein, können die Japaner durch ein
ausgesprochenes Gefühl für Anstand und Schicklichkeit manchem
Europäer zuin Vorbild dienen.
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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— 203
Portugal besitzt einen Teil von Senegambien sowie Angola,
das große Gebiet südlich der Kongomündung.
Der uuter der Souveränität des Königs der Belgier stehende
Kongo st aat (auf 2 250 000 qkm und 14 Mill. E. geschätzt)
reicht nur mit einem schmalen Streifen bis an die Mündung des
Kongo, breitet sich aber in Centralasrika über den größten Teil
seines Stromgebietes aus.
(Bodenbeschaffenheit, Klima und Produkte der aufgezählten Ge-
biete sind zumeist ähulich wie in Kamerun, siehe unten.)
Deutsche Schutzgebiete sind: 1. Togo, 2. Kamerun,
3. Deutsch-Südwestafrika.
Togo (82 000 qkm und 21/4 Mill. E., darunter etwa
100 Deutsche) liegt in Oberguinea zwischen der englischen Goldküste
und dem französischen Dahome. Die Küste, nnr etwa 60 km lang,
ist wegen der heftigen Brandung schwer zugänglich. Nach innen
steigt das Land allmählich zu einer fruchtbaren, wohlbebanten Hoch-
ebene und gut bewaldeten Gebirgszügen an. Die wichtigsten Er-
zeugnisse sind Palmöl, Palmkerne und Kautschuk. Haupthafen ist
Klein-Popo (5000 E.), Regierungssitz Lome (4000 E.).
Kamerun (zu 495 000 qkm, also fast so groß wie das Deutsche
Reich, und 3 Mill. E. geschützt, unter denen 250 Deutsche) liegt
am innersten Teil des Guiueabusens zwischen Französisch-Kongo und
Britisch-Nigerland. Die Ostgrenze bildet im allgemeinen der 15.°
östl. L. von Greenwich bis zum Tsadsee. Nach seiner Oberflächen-
gestalt besteht Kamerun aus einem schmalen, sumpfigen, feucht heißen
und ungesunden Küstengebiet, das von einem Urwaldgürtel umschlossen
wird. Jenseits desselben erhebt sich ein grasreiches, ziemlich gesundes
Hochland, das im Norden zu dem Gebirge von Adamaua ansteigt.
Doch steigt auch aus dem Küstenlande das vulkauische Kamerun-
gebirge (4000 in) empor. Die zahlreichen Flüsse sind wegen der
Stromschnellen nur streckenweise schiffbar. Die wichtigsten Ausfuhr-
artikel sind Kautschuk, Palmöl, Palmkerne und Elfenbein. In neuester
Zeit sind mit wachsendem Ersolg Kakao- und Kaffeepflanzuugen an-
gelegt worden. Handelsmittelpunkt und Regierungssitz ist Kamerun.
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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— 207
Nördlich schließt sich daran das deutsche Schutzgebiet Deutsch-
Ostafrika (941000 qkm, also fast zweimal so groß als Deutschland,
und 3 Mill. E., darunter etwa 700 Deutsche). Das Gebiet erstreckt
sich an der Küste vom Rovuma bis zum Wangafluß und landeinwärts
über den Kilima-Ndscharo quer durch den Victoriasee und entlang
dem Tauganyika- und Nyassasee. Die politischen Grenzen sind:
Im Norden Britisch-Ostasrika, im Westen der Kongostaat, im Süden
Britisch-Centralasrika und der portugiesische Freistaat von Ostafrika.
Bild 75. Abessinier (König Menelik Ii.). und reichlichen Ertrag. Bei dem
lichen Verkehrsweges in das Innere kann der in Aussicht genommene
Bau einer Eisenbahn für die Erschließung des Landes und Förderung
des Handels von großer Bedeutung werden. Ausfuhrartikel siud: Elfen-
bein, Kautschuk (verdickter Saft einer Schlingpflanze), Kopal (bernstein-
artiges Harz) und Tabak. Der Regierungssitz ist Dar-es-Saläm
mit 6000 E. (Bild 74). Größere Handelsplätze sind: Tanga (4000 E.),
Pangani (4000 E.) und vor allem Bagamoyo (10000 E.).
Britisch-Ostasrika (über 1 Mill. qkm mit angeblich
6 Mill. E.) umschließt das Saud nördlich von Deutsch-Ostafrika bis
zum Jubfluß. Hauptort ist Mombasa (15 000 E.).
Das Kaiserreich Abessinien (Habesch) (508 000 qkm, 41f2 Mill.
E.) auf dem mächtigen, schwer zugänglichen Hochland gl. N. ist ein
Wie Kamerun, so hat auch
Deutsch-Ostafrika einen schmalen,
stark bewässerten, fruchtbaren,
aber ungesunden Küstenstrich, dem
sich nach innen ein grasreiches,
von Gebirgen durchzogenes Hoch-
land anschließt. An der Nord-
grenze erhebt sich die vulkauische
p fruchtbar. Die Anpflanzung von
Kaffee und Tabak verspricht guten
Masse des Kilima-Ndscharo bis
zu 6130 m. Das Gebiet ist
vollständigen Mangel eines natür-
TM Hauptwörter (50): [T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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TM Hauptwörter (200): [T104: [Nil Meer Wüste Afrika Küste Land Sahara Gebiet Sudan Fluß], T86: [Insel England Irland Schottland Kolonie Hafen Stadt Küste Hauptstadt Kamerun], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr]]
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Tauganyika- Süden
Britisch-Centralasrika Ostafrika Britisch-Ostasrika Deutsch-Ostafrika Mombasa Abessinien Kamerun Deutsch-Ostafrika
— 200 —
zerstörten frühern Hauptstadt Chartum gegenüber angelegte Omdnr-
man, nnweit des Znsammenflusses des Weißen und Blauen Nils.
Das eigentliche Ägypten breitet sich am Mittel- und Unter-
lause des Nils aus; es reicht östlich bis zum Roten Meere, westlich mit
unbestimmter Grenze bis in die Libysche Wüste. Den Kern des Landes
bildet das Nilthal, das in Oberägypten nur eine Breite von 15 bis
20 km hat, in Unterägypten aber mit der Spaltung des Stromes sich
bedeutend erweitert. Nur das Nilthal (ungefähr 30 000 qkm)
ist anbaufähig; die regelmäßigen jährlichen Überschwemmungen
Bild 72. Pyramiden.
erzeugen eine außerordentliche Fruchtbarkeit. Die wichtigsten Pro-
dnkte sind: Baumwolle, Getreide, Reis und Zucker. Der Handel
hat dnrch die Erbauung von Eisenbahnen wie auch durch Eröffnung
des Sueskanals in neuester Zeit einen lebhaften Aufschwung genommen.
Die Bevölkerung — an 10 Millionen auf 1 Million
qkm — ist in Unterägypten am dichtesten, wo auf 1 qkm un-
gefähr 250 Menschen treffen. Mehr als 3/4 der Bewohner bilden
die Fellachen (— Pflüger), größtenteils Taglöhner. — Herrschende
Religion ist der Islam; doch giebt es über 1/2 Million Christen,
zumeist Kopten, daneben an 60 000 Katholiken.
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TM Hauptwörter (200): [T104: [Nil Meer Wüste Afrika Küste Land Sahara Gebiet Sudan Fluß], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland]]
— 202 —
welche in früher Jahreszeit nach Europa versandt werden, ferner von
Getreide, Wein, Olivenöl, Vieh, Korkholz und Halfa, d. i. Steppen-
gras, welches zur Papierbereitnng verwendet wird. — Die Haupt-
stadt Algier (alsche, arabisch El-Dschesair) mit 92 000 E. steht in
lebhafter Handelsverbindung mit Marseille. — Andere größere Orte
sind: Oran mit 81 000 und Konstantine mit 48000 E.
Marokko
(812 009 qkm und 8 Millionen E.)
ist ein Snltanat, dessen mohammedanische Einwohner dnrch ihren
wilden Haß gegen die Christen berüchtigt sind. Das Land ist mit
Ausnahme des südlichsten Teiles sehr fruchtbar, wird aber schlecht ver-
waltet. — Hauptort ist das gewerbereiche Fes. zugleich wichtigster
Handelsplatz des Innern, mit etwa 150 000 E. Von dieser Stadt
haben die roten türkischen Mützen ihren Namen. — Die alte Haupt-
stadt Marokko (ca. 50 000 E.) liegt prächtig am Fuße des schnee-
bedeckten Atlas. — Tanger (20 000 E.), unfern der Straße von
Gibraltar, ist der bedeutendste Seehandelsplatz.
West- und Südafrika.
Mit Ausnahme der Negerrepnblik Liberia an der Pfeffer-
küste (85 000 qkm und 2 Mifi. E.) ist das ganze Gebiet in den
Händen europäischer Mächte.
Frankreich besitzt: 1. Senegambien und dessen Hinterland
am Niger bis zu der bedeutenden Karawanenhandelsstadt Timbnktu,
2. die Elfeubeiuküste und Dahoine in Oberguinea, 3. Französisch-
Kongo in Niederguinea.
Zu Großbritannien gehört: 1. das Land am untern
Gambia, 2. Sierra Leone, 3. die Goldküste, 4. Lagos mit der
lebhasten Handelsstadt gl. N. (37 000 E.) und das Gebiet des
untern Niger, 5. die Kapkolonie und Natal, endlich 6. Britisch-
Süd- und Centralasrika, das sich vom Kapland nordwärts bis
Deutsch-Ostafrika und dem Kongostaat erstreckt.
1
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden]]
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TM Hauptwörter (200): [T104: [Nil Meer Wüste Afrika Küste Land Sahara Gebiet Sudan Fluß], T186: [Stadt Insel Hauptstadt Tunis Handel Afrika Land Hafen Küste Algier], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
Extrahierte Personennamen: Sierra_Leone Lagos
Extrahierte Ortsnamen: Europa Algier Marseille Marokko Marokko Tanger Negerrepnblik_Liberia Frankreich Niger Karawanenhandelsstadt_Timbnktu Oberguinea Niederguinea Gambia Niger Deutsch-Ostafrika
20
Fünfte Periode, von 1560—1624.
setzung eine ungemein schnelle und weite Verbreitung fand, und so wurde
sie die allgemein geltende.
Wie die Bibelübersetzung, so sind auch Luthers zahlreiche sonstige Lehr-
und Streitschriften, welche letztere oft durch Leidenschaftlichkeit und Derb-
heit auffallen, für die Hebung der Sprache von großer Wichtigkeit
gewesen. Besonders bemerkenswert sind: „An den christlichen Adel deutscher
Nation von des christlichen Standes Besserung", „Von der Babylonischen
Gefangenschaft der Kirche", „An die Bürgermeister und Ratsherren aller
Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten
sollen", „Wider die aufrührerischen und mörderischen Bauern".
Da in den dritten prosaischen Teil des Lesebuches ein Beispiel der
Prosa Luthers sich minder passend einfügt, sei an dieser Stelle zum Nach-
weis der Schärfe, Kraft, Fülle und Volkstümlichkeit feines Ausdrucks ab-
gedruckt ein Auszug aus seinem Sendschreiben
„An die Bürgermeister und Ratherrn
aller Städte deutsches Landes, das sie christliche Schulen
ausrichten und halten sollen" (1524).
(Die Schulen in Deutschland sind in Verfall, und die Jugend wächst auf, ohne
daß sich jemand um die Erziehung und den Unterricht derselben kümmert. Die Eltern
versäumen ihre Pflicht teils aus Härte, teils aus Unwissenheit, teils aus Notdurft.)
„Darumb wils hie dem Rat und der Oberfeit gebären, die allergrösseste
sorge und vleis aufs junge Volk zu haben. Denn weil der ganzen Stad gut,
ehre, leib und leben jnen zu tremer Hand befolhen ist, so theten sie nit redlich
für Gott und der Welt, wo sie der Stad gedeien und besserung nit suchten mit
allem Vermögen tag und nacht. Nu ligt einer Stad gedeien nit allein darin,
das man grosse Schetze samle, feste Mauren, schöne Heuser, viel Büchsen und
Harnisch zeuge1 — ja wo des viel ist und tolle Narren drüber kamen, ist so viel
beste erger und beste grösser schade derselben Stad — sondern das ist einer Stad
bestes und aller reichest gedeien, heil und kraft, das sie viel feiner, gelerter, ver-
nünftiger, erbar2, wol gezogener Bürger hat; die füllen3 darnach wol Schetze
und alles Gut samlen, halten und recht brauchen. . . .
Weil denn eine Stad sol und mus Leute haben und allenthalben der grösste
gebreche, Mangel und klage ist, das an Leuten feile ft so mus man nit harren, bis
sie selbs wachsen; man wird sie auch weder aus steinen hawen noch aus holz
schnitzen; so wird Gott nit Wunder tun, so lange man der Sache durch ander
seine dargetan Güter gerahten3 kan. Darumb müssen wir dazu tun und mühe
und koste daran wenden, sie selbs erzihen und machen. Denn wes ist die schuld,
das es jtzt in allen Stedten so dünne sitzet3 5 von geschickten Leuten, on7 der Ober-
1 erzeuge, schaffe. 2 ehrbarer. 3 können. 4 fehle.
5 entraten, entbehren. 6 aussieht. 7 als allein.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
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A. Poesie.
29
•i ; - ■}} -k*Xi... ‘jj
stein (1636—1683), begnügen sich aber nicht mit diesem Haschen nach
der Lieblichkeit des Ausdrucks, sondern sie schlagen nicht selten einen leicht-
fertigen, ja frivolen Ton an.
In einem Gegensatze zu dieser den ästhetischen und den moralischen
Verfall der Poesie herbeiführenden Unnatur der zweiten schlesischen
Schule stehen durch Streben nach Einfachheit und Wahrheit Christian
Günther, Christian Weise und Barthold Heinrich Brockes.
Christian Günther (1695—1723) ist ein trefflicher Lyriker voll
tiefer Empfindung, gleichsam ein Vorbote der modernen deutschen Lyrik.
Einzelne seiner Lieder sind Zierden der Poesie jener Zeit.
Abcndtied. (Abgekürzt.)
„Abermals ein Teil vom Jahre,
Abermals ein Tag vollbracht!
Abermals ein Brett zur Bahre
Und ein Schritt zur Gruft gemacht.
Also nähert sich die Zeit
Nach und nach der Ewigkeit,
Also müssen wir aus Erden
Zu dem Tode reifer werden.
Treuer Vater, deine Güte
Heißet überschwenglich groß.
Drum erquicke mein Gemüte,
Sprich mich ledig, frei und los!
Gib der Buße stets Gehör!
Denn dein Knecht verspricht nunmehr,
Dein Gesetze, deinen Willen
Nach Vermögen zu erfüllen.
Das Verdienst der vielen Wunden,
Die mein Heiland scharf gefühlt.
Hat in seinen Todesstunden
Deine Zornglut abgekühlt.
Schweig, wenn dieses Lösegeld
Meiner Schuld die Wage hält,
Und beschicke mich im Schlase
Durch kein Aufgebot der Strafe.
Laß mich an der Brust erwärmen,
Die am Kreuze nackend hing!
Wiege mich in dessen Armen,
Der den Schächer noch umfing!
Stelle mir der Engel Chor
Ais die beste Schildwacht vor!
Satan möchte sonst ein Schrecken
In der Finsternis erwecken.
Gute Nacht, ihr eitlen Sorgen!
Ich begehre meiner Ruhz
Jesus schließet bis auf morgen
Auge, Tür und Kammer zu.
Sanftes Lager, sei gegrüßt.
Weil du dessen Vorbild bist.
Das ich dermaleinst im Grabe
Sicher zu erwarten habe."
Leider verkam der begabte Dichter frühzeitig durch Leichtsinn und Zügel-
losigkeit. Dem entsprechend urteilt auch Goethe über ihn: „Günther besaß
alles, was dazu gehört, im Leben ein zweites Leben durch Poesie hervor-
zubringen; aber er wußte sich nicht zu zähmen, und so zerrann ihm sein
Leben wie sein Dichten."
Christian Weise (1642—1708) ist ein fruchtbarer Dramatiker,
der über 100 Dramen, namentlich Schulkomödien, schrieb, bei seinem
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Christian
Günther Günther Christian_Weise Heinrich_Brockes Heinrich Christian_Günther Günther Satan Goethe Christian
82
Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab.
hervorriefen, so hatten sie doch Bedeutung für die Kräftigung des
lange Zeit verkümmerten, fast erstorbenen Nationalgefühls.
Wieland (1733—1813).
8 18.
I. Wielands Leben.
Einen schroffen Gegensatz zudem christlichen und deutschen
Klopstock bildet der freigeistige und französisierende Wieland.
Christoph Martin Wieland wurde als Sohn eines evangelischen
Pfarrers in Oberholzheim bei Biberach am 5. September 1733 geboren.
Im elterlichen Hause streng erzogen und in dem pietistisch geleiteten Gym-
nasium Kloster Berge bei Magdeburg in derselben frommsinnigen Richtung
weitergebildet, bezog er im Alter von 17 Jahren die Universität Tübingen,
wo er religiöse und patriotische Stoffe in Nachahmung Klopstocks
dichterisch behandelte. Diese Richtung vermittelte ihm die Bekanntschaft
mit Bodmer, der ihn 1752 zu sich nach Zürich einlud. Der Verkehr
mit Bodmer steigerte noch seine religiöse Gefühlsschwärmerei, bis dieselbe
bald darauf, namentlich seitdem er im Jahre 1760 in Biberach als Kanzlei-
direktor angestellt war, in eine glaubenslose und sinnliche Richtung
umschlug. Seine Bekanntschaft mit der freigeistigen Literatur der fran-
zösischen Enzyklopädisten (Rousseau, Voltaire, Diderot, d'alembert), sowie
sein häufiger Verkehr mit dem kurmainzischen Minister, Grafen Stadion,
der ihn in das geistreiche und interessante, aber glaubenslose und lüsterne
Leben der höheren Stände einführte, vollendete in ihm den Umschwung,
so daß er, aus einem überfrommen Schwärmer ein Weltkind
geworden, in dem verfeinerten Sinnengenuß das Ideal des
Lebens erkennt und demgemäß auch in seinen Schriften demselben in ver-
führerisch glatter Darstellung seine Feder leiht.
Als Professor der Philosophie, Ästhetik und Literatur an der Uni-
versität Erfurt tätig, wurde er auf Grund eines didaktischen Romans
„Der goldene Spiegel oder die Könige von Scheschian", in welchem er
seine Ansichten über Staatsformen und Politik im Gewände einer morgen-
ländischen Erzählung behandelte, im Jahre 1772 von der Herzogin-Witwe
Amalie von Sachsen-Weimar als Erzieher ihrer Söhne, namentlich des
Erbprinzen Karl August, des späteren Kunstmäcens und des Freundes
von Goethe, nach Weimar berufen, wo er in freundlichem Verkehr mit
Goethe, Herder und Schiller sich wieder einer ernsteren Dichtung zu-
wandte und seine nach Inhalt und Form hervorragendsten Werke
schrieb. Er starb am 20. Januar 1813 auf seinem Gute bei Weimar.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
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Extrahierte Personennamen: Wieland Christoph_Martin_Wieland Bodmer Bodmer Diderot Amalie_von_Sachsen-Weimar Karl_August Karl August Goethe Goethe Schiller
' /'3
Mäßigkeit und Natürlichkeit die Haupteigenschaften einer guten
Dichtung. Er fand dieselben am besten dargestellt in den Erzeugnissen der
französischen Dichter zur Zeit Ludwigs Xiv. (namentlich Corneille,
gest. 1684; Racine, gest. 1699; Moliere, gest. 1673).
Gegen seine Prinzipien traten auf die beiden Züricher Professoren
Jakob Bodmeia (1698—1783) und Jaksb Breitinger (1701 bis
1776). Sie machten die Ansicht geltend, daß die Poesie, welche sie auf
Grund des Ausspruches des Horaz: ut pietura poesis (Ars poetica 361)
als redende Malerei bezeichneten, nicht ein Erzeugnis des nüchternen
Verstandes, der verständigen Regel sei, sondern das Produkt lebendiger
Phantasie, das Produkt des Herzens und des Gemütes. Sie
fanden die mustergültigen Vorbilder nicht in den formgerechten
Dichtungen der Franzosen, sondern in den phantasievollen Werken
der Engländer, namentlich in Miltons (1608—1674) „Verlorenem
Paradies", welches den durch den ersten Sündenfall verschuldeten Verlust
des beglückenden Paradieses mit lebhaftester Phantasie schildert unter dem
Eindrucke des Gedankens, daß das Erdenleben Befriedigung nicht zu bieten
vermöge.
Der infolge des Gegensatzes dieser Prinzipien sich entwickelnde hart-
näckige Kampf bereitete dem in seiner Einseitigkeit und Selbstüberhebung
alle Talente niederhaltenden Gottsched und seinen Leipziger Freunden
eine volle Niederlage. Diese ließ sogar seine großen Verdienste
um die Literatur vergessen, indem er gegen das unwürdige Possenspiel
mit seinem rohen Hanswurst auf der Bühne* 2 eingeschritten war, indem
er die übermäßig vorwaltende Oper, die nicht in der Dichtung, sondern
in Musik, Tanz, Szenerie und Frivolität ihre Stärke fand, eingeschränkt,
indem er durch sein Handlexikon der schönen Wissenschaften und freien
Künste ein Werk reich an Kenntnissen und Belehrung geschrieben, indem
er sich nicht geringe Verdienste durch seine Schriften: „Vernünftige Rede-
kunst" und „Deutsche Sprachkunst" um Reinigung und Ausbildung
' Bodmer ist für die Literatur nicht allein dadurch wichtig, daß er dem
richtigen Begriffe wahrer Poesie Eingang verschaffte, sondern auch dadurch, daß er
zuerst die alten Schätze der mittelhochdeutschen Dichtung gewissermaßen wieder ent-
deckte und durch die Herausgabe der „Minnesänger", des „Parzival" und des völlig
vergessenen „Nibelungenliedes" den Sinn für vaterländische Dichtung belebte und
das Nationalbewußtsein hob.
2 Die Possenspiele, in denen der Hanswurst die Hauptrolle spielte, und
ihr Gegensatz die „Haupt- und Staatsaktionen", Trauerspiele voll grauen-
hafter Mordszenen, waren durch „englische Komödianten" gegen Ende des
16. Jahrhunderts eingeführt.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
86
Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab.
Wie wird ihm, da er sie erblickt!
„Sie ist's! sie ist's!" ruft er und läßt entzückt
Den blutigen Stahl und seinen Turban fallen
Und wird von ihr erkannt, wie seine Locken wallen.
Obwohl Wieland den übrigen Dichterheroen seiner Zeit bedeutend
nachsteht und die meisten seiner Werke wegen ihres leichtfertigen
Inhaltes verdienter Vergessenheit anheimgefallen sind, so hat er
dennoch um die Literatur Verdienste, die der Anerkennung würdig
sind: 1. Er machte die durch Klopstock schwülstig, oft dunkel und schwer-
fällig gewordene Sprache wieder schlicht, durchsichtig und gefällig.
2. Er setzte den von Klopstock verschmähten Reim wieder in sein altes
Recht ein. 3. Er führte der Poesie neue Stoffe zu, eröffnete ihr nament-
lich das Gebiet der Romantik. 4. Er gewann durch seine oft mit
feinem Witz und gemütvollem Humor gewürzten Werke die vornehme
Welt, die bislang fast ausschließlich der französischen Literatur zugewandt
gewesen war, für die deutsche Dichtung.
8 20.
Der Göttinger Dichter- oder Hainbund.
Einen scharfen Gegensatz zu Wieland bildeten poetisch begeisterte
Jünglinge, welche in der Universitätsstadt Göttin gen einen Bund
schlossen, um in Nacheiferung Klopstocks, ihres schwärmerisch ver-
ehrten Vorbildes, die deutsche Dichtkunst wieder zu Ehren zu bringen, Liebe
zur Natur und zum Vaterlande zu entflammen, für Religion zu begeistern
und Tugend zu verbreiten. Es war am 12. September 1772, als sie
auf einem Abendspaziergange „in einem kleinen Eichengrund Mond und
Sterne zu Zeugen ihres Bundes riefen und einander ewige Freundschaft
versprachen". Der Bund wurde bald der Göttinger Hainbund ge-
nannt, sei es, daß derselbe in einem Eichenhaine gestiftet war, sei es, daß
man nach Klopstocks Vorgänge (Ode „Der Hügel und der Hain") mit
dem Namen Hain die vaterländische Dichtung, das Ziel des Strebens der
jungen Dichter, bezeichnen wollte. Die Richtung Klopstocks war auch die
ihrige: gleich ihm schwärmten sie in jugendlicher Begeisterung für Frei-
heit und Vaterland, für Natur, für Tugend und Freundschaft,
gleich ihm förderten sie die Ausbildung der antiken Versmaße. Ihr
gemeinsames Organ war der zu Göttingen herausgegebene „Musen-
almanach", welcher die Mitglieder auch später noch in etwa geistig zu-
sammenhielt , nachdem der Bund mit seinem Jugendrausch längst zer-
sprengt war.
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