Vi
sicht des Großherzogthums Hessen beizufügen, weshalb er
bereits, da meine Zeit mir die Abfassung derselben nicht er-
laubte, mit einem dazu geigneten Manne in Benehmen
getreten ist.
Uebrigcns wolle man keinen Anstoß daran nehmen, daß
ich wiederum stets f statt ph schreibe. Das cp der Griechen
hat unsern Laut f, und kann nicht anders gesprochen wer-
den. Ich bin seit meinem Knabenalter daran gewöhnt, und
verlangt man Autoritäten, so nenn' ich blos zwei der gelehr-
testen deutschen Klassiker, Voss und Wieland, die das ph
verbannten.
Hiemit schließ' ich, indem ich dem kleinen Büchlein fer-
nere gedeihliche Wirksamkeit wünsche.
T. S.
r
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
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Deutscher Bund — Oestreich (Geschichte v. Ungarn). 569
Staatsrechte wußten sie zu bewahren. Einfluß mochte der Hof immerhin auf
ihre innern Zustände, auf den Gang ihrer Legislation äußern, jedoch nur be-
hutsam , keine Willkühr. Joseph kl. lernte ihre Reizbarkeit in diesem Punkt
kennen*). Als er in seinem Staatsverbesserungs - Eifer despotisch durchgreifen
wollte, scheiterten seine Pläne an der stolzen Festigkeit, womit Ungarn auf seine
politischen Freiheiten hielt. Mit Recht durfte auch der Unger stolz sein auf sein
Parlament, das kein Provinzial-Landtag, sondern eine gesetzgebende Versammlung
und zwar eines Königreichs von 13 Millionen war, und von dessen Tafeln,
sobald sie nur wollten und der königliche Einfluß nicht etwa hemmte, viel Heil-
sames ausgehen konnte.
Nach Josephs Tode stellte sich das freundliche Verhältniß schnell wieder her.
In den Kriegen mit Frankreich theilten Ungarn und Oestreicher brüderlich Leid
und Freude mit einander, selbst der Adel, obwohl steuerfrei, steuerte in der Noth
freiwillig von seinen Gütern; und Napoleons Aufruf (1809) zu einer Losreißung
von Oestreich ward verächtlich abgewiesen. So hielt man an Oestreich; und
wir wüßten auch nicht, daß man nachher in der Friedenszeit besonders starke
Beschwerden über königliche Eingriffe (der leichteren gab es allerdings) gehört
hätte. Wie kam es nun , daß dennoch zwischen beiden , durch Personal - Union
und andre Bande, vereinten Staaten eine solche Entzweiung entstehen, und ein so
mörderischer Krieg geführt werden konnte, wie wir es neulich erlebt haben?
Diele Frage möchte sich etwa so beantworten lassen.
Das wissenschaftliche Leben und die Humanitäts Ideen des 18. Jahrhunderts,
denen Joseph Ii. den Eingang in Oestreich geöffnet, hatten auch nach Ungarn
hingewirkt. Die magyarische Sprache, dadurch auf neue Gegenstände angewandt,
gewann sofort im schriftstellerischen Gebrauch die Oberband über die lateinische.
Es schoß eine eigne ungrische Literatur auf. Seil dem beliebten Volks-
dichter Czokonai ans Debreczin klangen gefeierte Nanien im poetischen und ge-
schichtlichen Gebiete nach Deutschland herüber, z. B. Kissaludy, Kölcsey,
Berzcenyi, Cznczor, Mailarh, Wesselenyi, Szechenyi, Josika, Szemere u. a.
Und in der That, wer nur die neulich schön übersetzten Gedichte Alex. Petöfy's
gelesen, und das Feuer, die Innigkeit derselben empfunden hat, wird sich keine
geringe Vorstellung von den geistigen Fähigkeiten des Magyarenstamms machen,
und begreifen, daß nicht blos das alle Selbstgefühl der Nation neu belebt,
sondern auch ihre denkenden Köpfe veranlaßt sein mußten, sich auf legislatives
und politisches Gebiet zu richten. Die Zustände des Volks , die innere Ver-
waltnngsart, ließen gar Vieles zu wünschen. Belebung des Verkehrs, bessere
Benutzung des Bodens, Ordnung des Unterrichts, des Gerichtswesens rc. kamen
öffentlich zur Sprache. Die Verhandlungen der Landtage wurden bedeutend und
immer bedeutender; und welcher Gesinnungen der hohe wie der niedre Adel
fähig war, davon ist ihre Verzichtleistung aus zwei große Vorrechte, nämlich auf
^ *) Die Mißgriffe dieses edeln Kaisers hat Friedrich der Große einmal
treffend bezeichnet. Joseph hat Kopf und Willen — sagte er — er könnte was schaffen;
schade nur, daß er immer den zweiten Schritt thut, eh er den ersten gethan hat.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Personennamen: Joseph Napoleons Oestreich Oestreich Joseph_Ii Czokonai B._Kissaludy Friedrich_der_Große Friedrich Joseph
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Josephs Frankreich Napoleons Oestreich Ungarn Deutschland Kölcsey Berzcenyi Mailarh Wesselenyi Josika
216
Mittel-Europa.
deutsche Volk wäre ihnen mit Leib und Seele zugefallen. Das geschah leider
nicht. Den Werth der großen Neuerung verkennend, wandten sie wie mit Ab-
scheu sich von ihr weg, und stemmten sich, als wäre nur das Abgelebte des
Mittelalters ihre eigentliche Lebens- und Regierungssphäre, dem Neuen, das sich
Bahn machte, mit Verordnungen und mit Gewalt, zuweilen in grausamer Art,
entgegen*). Schon längst keine Mehrer des Reichs nach Außen, verschinähten
sie auch, Mehrer des Reichs nach Innen, Mehrer der geistigen und politischen
Nationalentwicklung, zu sein; wobei zugleich ihr eignes gutes östreichisches Volk
in etue Richtung gerieth, die von den Fortschritten der Bildung im größten Theile
des übrigen Deutschlands sich beträchtlich entfernen mußte. Sie stifteten gleichsam
einen Sonderbund gegen sich selbst und rissen dadurch breit und tief einen Spalt
in die deutsche Nation, der schwer zu schließen war und die vorher noch mögliche
Herstellung alter Einheit fast unmöglich gemacht hat. Erst Maria Theresia's
Sohn Joseph Ii. (der Lothringer) sah die Fehler der Vorgänger ein und dachte
darauf, die nothwendige Aussöhnung mit dem deutschen Geiste anzubahnen. Rasch
zu Werk gehend schritt er über jenen unseligen Sonderbund hinaus und öffnete
seine Erbstaaten der Bildung und Toleranz des 18. Jahrhunderts. Was dies
gewirkt, trotz wiederholter Hemmungen, das ist in vielen Dingen sichtbar ge-
worden, vor allen in unserer neuesten deutschen Literatur; auch Oestreicher, meist
Wiener, traten endlich ein, und gewiß nicht unrühmlich, wie die Namen darthun:
Sonnenfels, Blumaner, Schröckh, Alxinger, Collin, Hormahr, Hammer, die Erz-
herzoge Karl u. Johann, Grillparzer, Frau Pichler, Kurz, Chmel, Zedlitz, Duller,
Burg, Auersperg, Prokesch, Schwarzenberg, Stifter, Schuselka u. a. m. Auch die
Erschütterung des Jahrs 1848, ein außerordentliches Ereigniß in der Geschichte
Wiens und des Kaiserstaates, ist eine Folge davon und wird, was Joseph ge-
wünscht, früher oder später befördern helfen.
Aber noch Eins ist zu beachten. Wien und Berlin, die Hauptorte der zwei
mächtigsten Staaten Deutschlands, sind beide in Marken erwachsen, die ausdrück-
lich nur zum Schutze gegen Osten angelegt wurden. Dies ist eine höchst wichtige
Bestimmung, die fast vergessen zu sein scheint. Die heidnischen Völker, mit denen
mau vor 8 u. 9 Jahrhunderten zu thun gehabt, drohen freilich nicht mehr, aber ist
die russische planmäßig vordringende Macht nicht viel furchtbarer und gefährlicher?
Wer den Westen fürchtet, täuscht sich; Deutschlands verwundbarste Seite ist
im Osten. —
*) Den Lehrern sei überlassen, dies im Text nur Angedeutete zu erklären,
weiter auszuführen, auch gegentheilige Ansichten daniit zu vergleichen. Das Neue
hat natürlich auch eine Schattenseite, wie das Alte seine Lichtseite. Beide Seiten
richtig zu erkennen, verlangt allerdings eine gewisse Reife des Urtheils. Soviel
kann jedoch die Jugend, der dies Lehrbuch bestimmt ist, schon früher einsehen,
daß blindes Hängen am Hergebrachten, und Kampf gegen das Neue aus bloßer
Geistesträgheit, überall schädliche Folgen hat, und um so mehr, je größer der
Gegenstand und je größer der Umfang seines Bereichs ist, vorzüglich auf politi-
schem Gebiete, wo das Wohl des Vaterlandes dabei auf dem Spiele steht.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T71: [Deutschland Krieg Preußen Volk Napoleon Frankreich Macht Frieden Europa Land], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
Extrahierte Personennamen: Maria_Theresia's Maria Joseph_Ii Karl_u._Johann Karl Johann Grillparzer Pichler Chmel Zedlitz Duller Schuselka Joseph
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Auersperg Schwarzenberg Wiens Berlin Deutschlands Deutschlands
528
Frankreich — das Volk.
sind völlig einheimisch und französirt. Selbst die Deutschen im Elsaß und Loth-
ringen rc. (etwa V/2 Mill.) entfremden sich ihrer Herkunft von Jahr zu Jahr immer
mehr, und nur die Korsen (200000) bleiben Italiener auf ihrer abgeschlossenen
Insel. — Zur protestantischen Kirche gehören 4 Mill.; also über 7/8 des ganzen
Volks sind römisch-katholisch, unter 14 Erz - und 66 Bischöfen. Unter Louis Xiv.
betrug die Bevölkerung nur 18 Mill. und unter Bonaparte's Consular 27 Mill.
Frankreich ist nicht wie Britannien von andern Ländern abgesondert, nicht
einmal so wie Spanien, dennoch haben die Franzosen ihren eignen stark kennt-
lichen Volkscharakter, und es ist inerkwürdig, die Grundzüge desselben schon in
der altceltischen Geschichte wahrzunehmen. Den Römern erschien der Gallier als
lebhaft, rasch auflodernd in Liebe und Zorn, doch unschwer zu besänftigen, ver-
änderlich in seinen Neigungen, gar nenernngssüchtig; ren,m novarum cupidissimi,
heißen sie beim Cäsar. Tapferkeit gestand man den Galliern zu, vor allen war
ihr Angriff hitzig und stürmisch, im Unglück aber zeigten sie mindere Ausdauer.
Dies Celtische sticht in ihrem Naturell noch jetzt hervor, obgleich sich römisches
und deutsches Blut beigemischt und die Kultur vieler Jahrhunderte auf sie ein-
gewirkt hat. Es ist ein ausgezeichnetes Volk, mit gewissen Eigenschaften begabt,
die es unter den Europäern besonders anziehend machen, und die man sogar
liebenswürdig nennen könnte, wenn sie nicht von andern Eigenschaften begleitet
wären, die keineswegs liebenswürdig sind. Schon die Sprache der Franzosen,
die fließendste unter allen romanischen, hat etwas Einnehmendes, mehr noch ihr
muntrer leichter Sinn, der nur zu oft frivol wird, ihr Witz, ihre Politesse und
Unterhaltungsgabe. Für's gesellige Leben sind sie wie geschaffen; grade deshalb
stellen sie aber das äußere Erscheinen, die äußere Ehre zu hoch, und sind gegen
nichts empfindlicher als gegen die Pfeile des Lächerlichen; ein don inot geht ihnen
leicht über eine Wahrheit. Wie der Franzos fein zu schmeicheln versteht, so will
auch die Nation als solche geschmeichelt sein, und man sagt nicht zuviel, wenn
man ihr ein Uebermaß von Eitelkeit, eine gränzenlose Selbstschätznng vorwirft.
Löblich ist ihre praktische Anstelligkeit, ihre Thatkraft, doch sind sie häufig zu rasch
im Entschließen und Unternehmen, ungleich uns Deutschen, die ruhiger überlegen,
aber oft zu lange zaudern und noch berathen, wenn längst gehandelt sein sollte.
Ueberhaupt sucht der lebensfrohe Franzos, was er denkt, auch schnell ans Leben zu
knüpfen , während der Deutsche gern in der Welt der Ideen und Phantasien verweilt,
und im gelehrten Suchen wie im Erörtern von Begriffen sich nicht genng thun kann.
Scharfsinn, logisch tabellarisches Abtheilen, geistreiche Wendungen, Klarheit
und Eleganz im Ausdruck siud Vorzüge der französischeu Literatur, aber an Ge-
diegenheit steht sie der englischen, an Tiefe der deutschen nach. Der Franzos ist
mehr räsonnirend als philosophirend, mehr Memoiren- als Geschichtschreiber,
mehr Redner als Dichter; aber auch in der Beredsamkeit tritt der Charakter des
witzigen und sprechlustigen Volkes hervor. Wo sie wortreich, ist der Engländer
gehaltvoll; in parlamentarischen Angriffen verschießt der Franzos die buntge-
fiedertsten Pfeile, während der Engländer gedankenschwere Keulenschläge aus-
theilt. Ihre Dichter haben geglättete Formen, rhetorische Schönheiten, witzige
Pointen, ja Voltaire's Ironie, Moliere's Comik, Lafontaine's zierliche Naivetät,
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Frankreich — das Volk.
529
können für unerreichbar gelten, allein in dem hohen epischen und tragischen Ge-
biete Hallen sie mit Shakespeare und Milton, mit Göthe und Schiller, mit Dante
und Lasso keinen Vergleich ans, so wenig als ihre Kritiker mit Lessing und A.
Schlegel. An Niklas Poussin und Claude Lorrain besaßen sie Maler von höch-
stem Genie; daß aber ihre Musik hinter der italienischen und deutschen steht, ist
allgemein anerkannt, und schwerlich möchte einer ihrer Historiker an Umfang des
Wissens und Treue der Auffassung vergangener Zeiten unserm Johann Müller
(welchen Voltaire Un monsire d’érudition nannte), oder einer von ihren Philo-
sophen an Tiefe des Denkens einem Spinoza und Kaut gleich kommen. Da-
gegen fallen sie freilich auch sehr selten in den Fehler mancher Deutschen, nebel-
haft und verworren, statt wahrhaft tief zu sein; wo die Klarheit französischer
Schriftsteller ausartet, wird sie eher zur Oberflächlichkeit.
Die Franzosen sind eigenrltche Weltkinder, sie wollen aber Weltherreu sein.
Wir sind das civilisirteste Volk der Erde, sagen sie, wir sind die grande nation.
Und die grande nation möchte alle Völker nach sich umformen, sie macht neue
Moden, neuen Kunstgeschmack, neue Redensarten, und seit der Revolution auch
neue Verfassungen, bald monarchische mit und ohne veto, völlig demokratische bis
zur Pöbelherrschaft, daun wieder in entgegengesetzter Richtung: Directorieu, Cou-
sulgewalt, vollendete Despotie; und jetzt wo die Gunst des Himmels sie einer
weise beschränkten Monarchie zugeführt hat, sind sie nicht einmal einig darüber,
ob dies Glück auch ein Glück sei. Wenigstens scheint es, als wenn vielen ihrer
Tagsschriflsteller es lieber wäre, wenn sie den Nachbarn wieder eine Republik
anbieten könnten*). Ungleich den Engländern, die an der Ehre, freie Britten
zu heißen, sich genügen, treten die Franzosen gern als politische Proseliteumacher
auf. Wehe aber dem Volke, das nicht erst untersucht was sie bringen, das blind
ihrer Sprache traut, das ihrer Fahne folgt; denn sie bekehren nicht blos, sie
gehen auf Eroberungen ans, und das Eroberte muß ihren Uebermuth schwer
empfinden. Holland, die Schweiz, Italien, Spanien, und vor allen wir Deutsche
haben es von 1762 bis 1813 erfahren; nie war Deutschland schmählicher herab-
gewürdigt als damals. Man vergesse nicht, wie Napoleon Zungen und Federn
in Ketten hielt und wir in unserm unsäglichen Unglück nicht einmal mehr klagen
durften. Man vergesse nicht den Buchhändler Palm, den der fremde Despot
wegen der Schrift „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung" erschießen ließ.
Das war der Zustand, dem das Aufpflanzen der Freiheitsbäume am Rheiu nur
um ein Jahrzehend voraus ging. Ob den Franzosen la liberté oder la gloire
höher stehe, und was die gloire bedeute, kann keinem Zweifel unterliegen. Die
erstere haben sie gar bals der letzteren geopfert, und erst als die gloire ihnen
untreu ward, kehrten sie zur liberté zurück. Sie sind die Rivalen Britanniens.
Wie England die Seeherrschaft errungen, so strebten sie nach der Herrschaft zu
Lande, und da dieses mißglückt ist, trösten sie sich einstweilen damit, doch den
Vorzug der Freiheit vor Alt-England gewonnen zu haben. „Jenseit des Canals,
*) Der Verfasser schrieb dies vor 13 Jahren; es bestätigte sich 1848 und
schon 3 Jahr später kam ein neuer Beweis- für die Wandelbarkeit hinzu.
Schacht'« Geographie 6. Aufl. 34
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Extrahierte Personennamen: Schiller Schlegel Niklas_Poussin Claude_Lorrain Johann_Müller Johann Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Holland Italien Spanien Deutschland Rheiu Britanniens England
Deutscher Bund — Geschichte.
549
Gebrauch machen. Dies war dem 18. Jahrhundert aufbehalten, in dessen Be-
ginne schon der deutsche Name durch einzelne vorzügliche Kopse (Leibnitz und
Wolf als Philosophen, Mosbeim als Theolog, Maskow als Beleuchter altdeutscher
Geschichte, und selbst durch außerordentliche Tonkünstler wie Händel und Seb.
Bach) zu neuen Ehren kam. Sehr viel trug Preußens König Friedrich ll.
(1740 — 1786) dazu bei. Was er, obwohl die französische Literatur vorziehend,
dennoch blos durch sein Dasein fisr die deutsche gethan hat, ist nie genug zu
schätzen. In ihm besaß der Deutsche zum erstenmal seit Jahrhunderten wieder
einen von aller Welt gefeierten einheimischen Monarchen. Des Königs eigne
Achtung vor der Freiheit des Denkens regte die Deuker auf, seine Heldenthaten
weckten das Baterlaudsgesühl und beflügelten Ideen und Sprache. Mit kritischer
Untersuchung verband sich neue dichterische Lust, und rasch öffnete sich die jetzige
deutsche Literatur, worin Kleist, Gleim, Gellert, Klopstock, Wiukelmanu u. a.
voran gingen. In Sachsen und Preußen, überhaupt im größten Theile Nord-
deutschlands, in Wirtemberg u. s. w., in mehreren freien Städten nud Universi-
täten, zeigte sich der neue Umschwung der Gedanken und Ansichten, und wirkte so
kräftig, daß anch die andre Hälfte des Reichs davon ergriffen wurde, und die
geistige Aufklärung es war, die endlich die so lange entzweiten Brüder
Eines Volkes, Einer Sprache, wieder mit einander befreundete. Der
Friede von 1768—1792 war das begünstigende milde Wetter, worin der Baum
de? Lebens aufschoß. Als 1773 der Jesuiterorden aufgehoben wurde als Kaiser
Joseph ein Tolerauzedict gab, als anch geistliche Fürsten, z. B. die Freiherrn
von Ertbal «der eine als Bischof von Würzbnrg, der andre als Erzbischof von
Mainz) ihre Universitäten verbesserten, da konnte das Licht neuer Forschungen
selbst nach Altbaiern und Oestreich dringen. Ueberau wirkten die Begriffe von
Duldung und Humanität, während die Fülle der unsrer Nation innewohnenden
Geisteskräfte sich immer mehr entfaltete. Welche Namen: Lessing, Wieland,
Kant, Göthe, Joh. Müller, Bürger und Poß, Heeren, Schiller, Wolf und andre
welche allzumal die klassische Periode der deutschen Literatur bezeichnen"
Nur Eins fehlte noch Der morsche abgelebte Reichskörper hätte sich ver-
jüngen , unser Volk in leine alte politische Würde als eine der Hauptmächte Eu-
ropas wieder eintreten sollen. Dahin aber trübte sich eher die Aussicht, als daß
sie heller geworden wäre. Ans Friedrich und Joseph folgten minder erleuchtete
Häupter, und obenein war Deutschland mit seiner geistige» Bildung noch so viel-
fach beschäftigt, daß mau der großen politischen Mängel nur beiläufig gedachte.
Erst unerwartete europäische Ereignisse mußten darauf einwirken, und thaten es
in einer Weise, die den trübseligen Zustand des deutschen Reichs von neuem und
in seiner ganzen Blöße herausstellten. Die große französische Revolution
lvou 1786 ff ) gab die Veranlassung. Alle Throne schienen von ihr bedroht,
weshalb sofort die Herrscher sich zu ihrer Bekämpfung aufmachten; doch den
Hoffnungen auf Sieg folgte Unglück auf Unglück. Aus dem französischen Volke
ging eine Kraft hervor, denen königliche und kaiserliche Heere nicht gewachsen
waren. Was au Frankreich gränzte, ward erschüttert. Das deutsche Reich ge-
rieth an den Rand des Abgrunds; ein Stück davon nach dem andern ging ver-
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Extrahierte Personennamen: Leibnitz Wolf Maskow Friedrich_ll Friedrich Gellert Klopstock Joseph Lessing Wieland Schiller Wolf Friedrich Friedrich Joseph
Extrahierte Ortsnamen: Mosbeim Gleim Wiukelmanu Sachsen deutschlands Wirtemberg Mainz Deutschland Frankreich
552
Deutscher Bund — Geschichte.
mehrte sich die Reihe trefflicher Werke durch die von Manso, Raumer, Drumann,
Hammer, Kurz, Schlosser, Dahlmann, Kortüm, Wachsmuth, Löbell, Ranke,
Gervinus rc., während die erweiterte geographische Gelehrsamkeit Ritter's
Rieseubuch über Asien und Afrika erzeugte. Eben so stellten Grimm und Becker
in der deutschen Grammatik Muster für andre Nationen auf.
In der Philosophie, die der Deutsche als ein vorzügliches Feld seines
Ruhmes ansprach, bethätigten sich die Denker nach wie vor, doch hörte man lei-
der vorzugsweise solche Meister bewundern, die sich über die Gränzen des mensch-
lichen Verstandes mit Wegwerfuiig der gemeinen Logik hinaus schwangen. Es
scheint aber, daß weder Hegels gepriesene Dialektik, noch später des gealterten
Schelling Offenbarung der Offenbarung den Schleier der Isis gelüftet haben.
Sisyphuö Arbeiten! — Ein ähnliches Geschick waltete in der Theologie, wo
man das äußerste Ziel der Forschung erstrebte und der Rationalist allen Glauben,
wie der Jdentitätsphilosvph allen Verstanv, zu beseitigen suchte. Da indeß die
Menschheit nicht bestehen kann ohne Befriedigung des Bedürfnisses nach Re-
ligion, das uns eingeboren ist, so wendet man sich auch bereits wieder zum
Glauben hin.
Herrlicher gedieh die bildende Kunst. Welche Bauten, wie die von
Schinkel, Oelmüller und andern! Welche Gemälde, wie die von Overbeck, Cor-
nelius, Lessing, Schnorr, Kaulbach, Rottmann, Achenbach rc.! Welche Statuen
und Skulpturen, wie die von Dannecker, Rauch, Schwanthaler rc.! Gewiß ist,
daß diese Künste völlig die hohe Stelle einnahmen, wo vorher Musik und Poesie,
zuletzt in den Werken von Haydn und Beethoven, Göthe und Schiller, ihre
Triumphe gefeiert. Die Poesie trieb noch, in wirklicher Schönheit, einzelne
lyrische Blüthen, z. B. die von Rückert und Geibel; das Drama dagegen sank
in Vernachlässigung, da das Publikum, mit Opern über Gebühr bewirthet, sich
an locker zusammen gesetzte Situationen, leer an Gedanken und Charakteren, ge-
wöhnte und sein Ergötzen an dergleichen fand, sofern nur das Auge dabei durch
theure Dekorationen und Balletsprünge gereizt, das Ohr von musikalischem Pomp
umspielt und umbraust wurde. Geschmacklosigkeit reißt immer ein, ohne vaß
die Menschen es merken. Große Mnsikfeste jedoch, die oft Tausende von
Spielern und Sängern zur Aufführung großartiger Compositionen früherer
Meister versammelten, wirkten rühmlich entgegen. Bald tauchten auch wissen-
schaftliche Vereine, worin uns die Schweizer durch ihre schon im vorigen
Jahrhundert gestiftete Schinznacker Gesellschaft mit ehreuwerthem Beispiel voran
gegangen, einer nach dem andern auf: ein natnrhistorischer, ein ökonomischer,
medicinischer, philologischer, germanistischer; die allzumal Deutschlands gesonderte
Theile einander näherten, und in der That mehr, als eine deutsche National-
Akademie vermocht hätte, Ideenaustausch förderten und deutschen Gemeinsinn
weckten.
In solcher Weise vergingen fast 33 Jahre des Friedens. Materiell und
geistig mannigfach beschäftigt, mit lebhafter Theilnahme von einem Thema des
Tags zum andern übergehend, war die Nation in vieler Hinsicht fortgeschritten.
Dem Beobachter entging indeß nicht, daß der Gegensatz zwischen den
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art]]
42 G
künstlet wie Händel u. Seb. Bach) zu neuen Ehren kam. Sehr md trucj
Preußens König Friedrich Ii. (1740-1786) dazu bei. Was er, obwohl die
französische Literatur vorziehend, dennoch blos durch sein Dasein für die deutsche
gethan hat, ist nie genug zu schätzen. Zn ihm besaß der Deutsche zum ersten
mal seit Jahrhunderten wieder einen von aller Welt gefeierten einheimischen
Monarchen. Des Königs eigne Achtung vor der Freiheit des Denkens regte dm
Denker auf, seine Heldenthaten weckten das Vaterlandsgefühl und beflügelten
Zdeen und Sprache. Mit kritischer Untersuchung verband sich neue dichterische
Lust, und rasch öffnete sich die jetzige deutsche Literatur, worin Kleist, Gleim,
Gellert, Klopstock, Lessing u. a. voran gingen. Zn Sachsen und Preußen, über-
haupt im größten Theile Norddeutschlands, in Wirtemberg u. s. w., in mehreren
freien Städten u. Universitäten zeigte sich der neue Umschwung der Gedanken u.
Ansichten, und wirkte so kräftig, daß auch die andre Hälfte des Reichs davon er-
griffen wurde, und die g e i st i g e A ufk l ä r u n g es war, die endlich die so
lange entzweiten Brüder Eines Volkes, Einer Sprache, wieder mit
einander befreundete. Der Friede v. 1763 — 1792 war das begünstigende milde
Wetter, worin der Baum des Lebens aufschoß. Als 1773 der Jesuitenorden
aufgehoben jwurde, als Kaiser Zosef ein Toleranzedict gab, als geistliche Für-
sten, z. B. die Freiherrn von E r t h a l (der eine als Bischof von Würzburg, der
andre als Erzbischof v. Mainz) ihre Universitäten verbesserten, da konnte das
Licht neuer Forschungen selbst nach Altbaiern und Oestreich dringen. Ueberall
wirkten die Begriffe von Duldung, Humanität und zuletzt von Verbesserung im
Haushalt der Staaten sowohl als der Schulen.
So erwuchs für Deutschland erst die echte neuere Zeit, worin viele
kraft - und bedeutunglos gewordenen Reste des Mittelalters allmählig sich auf-
lösten. Nur Eins fehlte noch — der morsche abgelebte Reichskörper mußte ver-
jüngt, Deutschland in seine alte Würde als eine der Hauptnationen Europas
wieder eingesetzt werden. Was in dieser Beziehung die gewaltigen Kriege am
Ende des vorigen und im Anfang des 19. Jahrh., was die Erlöschung des Kai-
fertbums 1806, das Jahr 1813, und die jetzige Gestaltung des deutschen Bun-
des vorbereitet haben, muß die Zukunft lehren.
Vor diesen Veränderungen bestand das deutsche Reich a) aus 10 Kreisen,
nemlich: Oestreich, Barern, Schwaben zw. Lech u. dem obern Rhein,
Franken, Ober r Hein nur ein Nordstück der Vogesen nebst Hessen begrei-
fend, Nieder - od. Churrhein die 4 Churstaaten Pfalz, Mainz, Trier und
Cöln enthaltend, Nied er fach sen od. Ostfalen nebst Holstein u. Meklenburg,
Ober fach sen, d. h. Thüringen, Meißen, Brandenburg u. Pommern, Westfa-
len, d. h. das westliche Altsachsen nebst Stücken links v. Unterrhein, sogar Lüt-
tich, Belgien od. östreich. Niederland, fälschlich auch burgundischer Kreis
genannt; und 1>) aus den 4 Nebenländern Böhmen, Mähren, Schlesien,
Laujitz. — Zum Kaiser hatte man seit 1437 stets den Erbfürsten Oestreichs
gewählt. Sobald dieser zu Frankfurt gekrönt war, hieß er: Von Gottes
Gnaden erwählter Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des
Reichs, in Germanien König. Sein Wappen war ein schwarzer zwei-
köpfiger Adler mit ausgebreiteten Flügeln in goldnem Felde. Hatten die Wahl -
od. Churfürsten (küren d. h. wählen) den Sohn ihres Kaisers als künftigen
Nachfolger anerkannt, so ward derselbe Römischer König betitelt. — Es
gab 2 höchste Reichsgerichte, den Reichsbofrath zu Wien u. das Reichs-
kammergericht zu Wetzlar. Die Reichsstände (d. h. alle unter dem Kaiser
unmittelbar stehende fürstliche u. städtische freie Regierungen) hatten eine kleine
Reichssteuer zu zahlen, nemlich Kammerzieler zur Erhaltung des Kammer
gerichts, und Römermonate für etwaige Reichskriege u. außergewöhnliche
Fälle; das Verzeichniß derselben hieß Matrikel. — Unter dem Kaiser stan-
den 1) die Churfürsten, anfangs 7, später 8, nemlich die geistlich. Mainz
Trier, Cöln, und die weltlichen Sachsen, Pfalz, Brandenburg und Hannover.
Bödmen hatte auch eine Chur, sein Fürst war aber der östreichische , der Kaiser
selbst; 2) die übrigen 28 geistlichen Fürsten sowohl Erzbischöfe als Vi
schüfe und gefürstete Aebte; 3) hie ühpjgen weltlichen Fürsten, mehr als
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Asien — Bore er-Indien.
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desgleichen die großen Epopöen Ramayana und Mahabaratha, sowie die
Fabeln deö Hitopadesa; und zu den jüngsten mag das bekannte Drama, der
Ring der Sakontala, gehören, dessen Verfasser Kalidasa, etwa zur Zeit des
Pompejns. am Hose des indischen Großköuigs Likramaditya lebte. Die alten
Baudenkmale lassen 2 Epochen erkennen, die eine, wo man die Tempel sammt
den Skulpturen noch in lebendigen Fels ausmeißelte, und die folgende, wo man
sie bereits frei aufbaute. Zu deu letzteren rechnet mau die prachtvolle Pagode
zu Ja gern aut auf der Küste Orissa, und die zu Chalambron, Tanjore
und Ramisseram auf Coromandel. Die bedeutendsteu Denkmale der ersteren
Art, und die unstreitig auf ein hohes Alter deuten, sind die Felsentempel auf den
Jnselchen Salsette und Elefante unweit Bombay, die Tempelgrotten zu
Ellore und Karli in Dekan, und die zum Theil aus Fels gehauene Königs-
stadt Mahab alipuram (von den Schiffern die 7 Pagoden genannt) südlich
von Madras aus Coromandel. Die zu Ellore, sehr reich an Skulpturen, sind
ein wahres Pantheon der indischen Mythologie.
Bei näherer Betrachtung dieser Werke muß man gestehen, daß ihre Kultur
eine eigenthüinliche, eine auf eignem Boden gewachsene war. Sie erscheint als
der entschiedene Gegensatz von der gemüthlosen materiellen Bildung Chinas, und
wenn sie im Hange zum Kolossalen und Symbolisirenden an die Egypter er-
innert, so überbietet sie doch diese an poetischem Gehalt eben so sehr als das
einförmige von Wüsten beschränkte Nilthal dem indischen Naturreichthum nach-
steht. Trotz ihrer künstlerischen und poetischen Fülle ist aber die geistige
Kultur der Hindus weder vor dem Richterstuhle der Aesthetik noch in Bezug
auf Vielseitigkeit mit der Griechischen zu vergleichen. Sie verwandten allerdings
großen Fleiß auf ihre Werke, und dies wie ihre Geschicklichkeit in Bearbeitung
harter Felsen, überhaupt der mechanische Theil ihrer Kunst, ist rühmenswerth;
ihre Götterdarstellungen aber, vielarmig. viel- und thierköpfig, so symbolisch be
deutsam ein so wunderliches Zusammenfügen sein mag, haben doch etwas ab-
schreckendes für den unbefangenen Betrachter, und besonders für jeden, der das
hellenische Schönheitsideal des rein Menschlichen schätzen gelernt hat. Auch ihre
Poesie leidet an dieser svmbolisch-mystischen Ueberfülle sowie an einer ermüdenden
Breite im Erzählen und Schildern, und wenn ihre Epopöen auch weit größer
und episodenreicher sind als die homerischen, so bieten dennoch die Charaktere, die
sie darstellen, eine weit ärmere und minder ansprechende Verschiedenheit, als die
Ilias und Odyssee. Und fragt mau gar nach den wissenschaftlichen Gebieten der
menschlichen Geistesthätigkeit, wünscht man die Philosophie der Hindu zu kennen,
ihre Geschichtschreiber und Redner, so erfährt man mit Verwundern, daß ihr
Volksleben seit Jahrtausenden keine Redner, keine Historiker geschaffen, und daß
ihre Philosophie nie ans den Gränzen des Mystischen und Dogmatischen heraus-
geschrilten ist. Das Hinduvolk hat in Wahrheit keine Geschichte, weil es seine
Schicksale nicht zu beschreiben verstand.
Die Ursache hievon ist leicht zu finden. Philosophie ist nur da möglich, wo
sie die Dogmen nicht zu fürchten braucht; Redner, Politiker, Geschichtschreiber
können sich nur da bilden, wo es freie Staatsbürger und öffentliches Leben gibt.
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Extrahierte Personennamen: Ramayana Karli
Extrahierte Ortsnamen: Asien Mahabaratha Likramaditya Orissa Bombay Madras Chinas