1841 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Vi
sicht des Großherzogthums Hessen beizufügen, weshalb er
bereits, da meine Zeit mir die Abfassung derselben nicht er-
laubte, mit einem dazu geigneten Manne in Benehmen
getreten ist.
Uebrigcns wolle man keinen Anstoß daran nehmen, daß
ich wiederum stets f statt ph schreibe. Das cp der Griechen
hat unsern Laut f, und kann nicht anders gesprochen wer-
den. Ich bin seit meinem Knabenalter daran gewöhnt, und
verlangt man Autoritäten, so nenn' ich blos zwei der gelehr-
testen deutschen Klassiker, Voss und Wieland, die das ph
verbannten.
Hiemit schließ' ich, indem ich dem kleinen Büchlein fer-
nere gedeihliche Wirksamkeit wünsche.
T. S.
r
1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
459
Afrika — das Kapland.
arbeiten, sind hart gegen Feinde, doch den Freunden tren. Die einzelnen
Stämme oder Ama's haben erbliche Oberhäupter, nicht immer gleich Homers
Völkerhirten mit einem Rath der Vornehmsten zur Seite; denn bei den Zulahs
gilt der König grade wie in Dahome, für den Herrn über Leben und Tod,
und kann, wenn seine Natur dahin neigt, gar leicht zum blutdürstigen Tyrannen
werden*). Die Hottentotten, auch aus mehreren Stämmen (Griquas,
Koranas, Namaqnas rc.) bestehend, sind blos Hirtenvölker und ihre Kraals oder
Dörfer aus beweglichen Zelthütten zusammengestellt. Musik und Tan; liebend,
sind sie dennoch überaus trag und geistiger Bildung schwer zugänglich-, ein
Gürtel und eine Thierhaut als Kroß oder Mantel genügt ihnen zur Kleidung.
Gegen Vieh tauschen sie Brantewein und Tabak ein, ihre höchsten Genüsse; sonst
haben sie nichts weiter zu erstreben. Dabei sind sie aber gastfrei, wie die Kaffern
auch. Die sogenannten Buschmänner (holländisch: Bosjesmans), die auf
thierische Weise in Wäldern und Wildnisien hausen, gehören auch zur Raße der
Hottentotten; man meint, sie seien Abkömmlinge derer, die im 17. Jahrhundert
von den Europäern ihres Viehes beraubt und verjagt worden.
Es hat lange gewährt, ehe sich eine europäische Seemacht zu Niederlassungen
an der Südküste Afrikas entschloß. Es war kein Goldland, die Portugiesen also
eilten stets daran vorüber, um nach Sofala und weiter zu gelangen. Höchstens
wurde nur so lange verweilt, bis frisches Wasser eingenommen und Vieh geraubt
war. Erst später begriff >nan die Wichtigkeit einer dortigen sichern Station für
die Jndienfahrer, und als der holländische Wundarzt Ribbek sich von den Hotten-
totten ein Stück Land am Kap um etwas Leinwand erhandelt hatte, folgte die
Regierung seinem Beispiel und kaufte einen beträchtlichen Strich Südküste ilm
15000 fl., die sie in allerlei Waaren bezahlte. So entstand im Jahr 1652 die
Kolonie Kap land, die sehr bald eine große Bedeutung erhielt. Europäisches
Getreide, Obst, Wein, Südfrüchte gediehen nach Wunsch. In neuester Zeit hat
man noch Baumwolle, Kaffee, Thee, Bambus und sogar den Brodbaum dahin
verpflanzt rmd macht Versuche mit der Seidenzncht. Die Kolonie kann als
Keim einer Kultur betrachtet werden, die sich im nächsten Jahrhundert über ganz
Südafrika ausbreiten wird. Bis 1806 blieb sie holländisch. Seitdem gehört sie
den Engländern, welche damals, als Holland dem Willen Napoleons gehorchen
mußte, sich des Kaps bemächtigten und es im Friedenschluß 1814 behielten.
Das ganze Gebiet, wozu jetzt das schöne Küstenland Natal gehört, umfaßt
gegenwärtig 10000 Qm. und hat über 300000 Bew., nämlich 60000 Weiße,
meist Holländer, 50000 Neger (gewesene Sklaven) und Malaien. Die übrigen
sind theils Hottentotten, deren viele das Christenthum angenommen und sogar
Ackerbau treiben, theils Kaffern, besonders Betschnanen, deren großer Hauptort
*) ist noch nicht lange, daß die Völker in der Nähe des Kaschangebirgs
Beispiele davon erlebten. Die Zulahs wurden Eroberer, ihr Herrscher aber,
in fast wahnsinniger Blutgier, ging aufs Morden aus und suchte ganze Stämme,
die sich schon unterworfen hatten, auszurotten. Man sieht jetzt weite, vorder
zahlreich bewohnte Landstrecken völlig menschenleer.
1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Deutscher Bund — Oestreich (Geschichte v. Ungarn). 569
Staatsrechte wußten sie zu bewahren. Einfluß mochte der Hof immerhin auf
ihre innern Zustände, auf den Gang ihrer Legislation äußern, jedoch nur be-
hutsam , keine Willkühr. Joseph kl. lernte ihre Reizbarkeit in diesem Punkt
kennen*). Als er in seinem Staatsverbesserungs - Eifer despotisch durchgreifen
wollte, scheiterten seine Pläne an der stolzen Festigkeit, womit Ungarn auf seine
politischen Freiheiten hielt. Mit Recht durfte auch der Unger stolz sein auf sein
Parlament, das kein Provinzial-Landtag, sondern eine gesetzgebende Versammlung
und zwar eines Königreichs von 13 Millionen war, und von dessen Tafeln,
sobald sie nur wollten und der königliche Einfluß nicht etwa hemmte, viel Heil-
sames ausgehen konnte.
Nach Josephs Tode stellte sich das freundliche Verhältniß schnell wieder her.
In den Kriegen mit Frankreich theilten Ungarn und Oestreicher brüderlich Leid
und Freude mit einander, selbst der Adel, obwohl steuerfrei, steuerte in der Noth
freiwillig von seinen Gütern; und Napoleons Aufruf (1809) zu einer Losreißung
von Oestreich ward verächtlich abgewiesen. So hielt man an Oestreich; und
wir wüßten auch nicht, daß man nachher in der Friedenszeit besonders starke
Beschwerden über königliche Eingriffe (der leichteren gab es allerdings) gehört
hätte. Wie kam es nun , daß dennoch zwischen beiden , durch Personal - Union
und andre Bande, vereinten Staaten eine solche Entzweiung entstehen, und ein so
mörderischer Krieg geführt werden konnte, wie wir es neulich erlebt haben?
Diele Frage möchte sich etwa so beantworten lassen.
Das wissenschaftliche Leben und die Humanitäts Ideen des 18. Jahrhunderts,
denen Joseph Ii. den Eingang in Oestreich geöffnet, hatten auch nach Ungarn
hingewirkt. Die magyarische Sprache, dadurch auf neue Gegenstände angewandt,
gewann sofort im schriftstellerischen Gebrauch die Oberband über die lateinische.
Es schoß eine eigne ungrische Literatur auf. Seil dem beliebten Volks-
dichter Czokonai ans Debreczin klangen gefeierte Nanien im poetischen und ge-
schichtlichen Gebiete nach Deutschland herüber, z. B. Kissaludy, Kölcsey,
Berzcenyi, Cznczor, Mailarh, Wesselenyi, Szechenyi, Josika, Szemere u. a.
Und in der That, wer nur die neulich schön übersetzten Gedichte Alex. Petöfy's
gelesen, und das Feuer, die Innigkeit derselben empfunden hat, wird sich keine
geringe Vorstellung von den geistigen Fähigkeiten des Magyarenstamms machen,
und begreifen, daß nicht blos das alle Selbstgefühl der Nation neu belebt,
sondern auch ihre denkenden Köpfe veranlaßt sein mußten, sich auf legislatives
und politisches Gebiet zu richten. Die Zustände des Volks , die innere Ver-
waltnngsart, ließen gar Vieles zu wünschen. Belebung des Verkehrs, bessere
Benutzung des Bodens, Ordnung des Unterrichts, des Gerichtswesens rc. kamen
öffentlich zur Sprache. Die Verhandlungen der Landtage wurden bedeutend und
immer bedeutender; und welcher Gesinnungen der hohe wie der niedre Adel
fähig war, davon ist ihre Verzichtleistung aus zwei große Vorrechte, nämlich auf
^ *) Die Mißgriffe dieses edeln Kaisers hat Friedrich der Große einmal
treffend bezeichnet. Joseph hat Kopf und Willen — sagte er — er könnte was schaffen;
schade nur, daß er immer den zweiten Schritt thut, eh er den ersten gethan hat.
1855 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
216
Mittel-Europa.
deutsche Volk wäre ihnen mit Leib und Seele zugefallen. Das geschah leider
nicht. Den Werth der großen Neuerung verkennend, wandten sie wie mit Ab-
scheu sich von ihr weg, und stemmten sich, als wäre nur das Abgelebte des
Mittelalters ihre eigentliche Lebens- und Regierungssphäre, dem Neuen, das sich
Bahn machte, mit Verordnungen und mit Gewalt, zuweilen in grausamer Art,
entgegen*). Schon längst keine Mehrer des Reichs nach Außen, verschinähten
sie auch, Mehrer des Reichs nach Innen, Mehrer der geistigen und politischen
Nationalentwicklung, zu sein; wobei zugleich ihr eignes gutes östreichisches Volk
in etue Richtung gerieth, die von den Fortschritten der Bildung im größten Theile
des übrigen Deutschlands sich beträchtlich entfernen mußte. Sie stifteten gleichsam
einen Sonderbund gegen sich selbst und rissen dadurch breit und tief einen Spalt
in die deutsche Nation, der schwer zu schließen war und die vorher noch mögliche
Herstellung alter Einheit fast unmöglich gemacht hat. Erst Maria Theresia's
Sohn Joseph Ii. (der Lothringer) sah die Fehler der Vorgänger ein und dachte
darauf, die nothwendige Aussöhnung mit dem deutschen Geiste anzubahnen. Rasch
zu Werk gehend schritt er über jenen unseligen Sonderbund hinaus und öffnete
seine Erbstaaten der Bildung und Toleranz des 18. Jahrhunderts. Was dies
gewirkt, trotz wiederholter Hemmungen, das ist in vielen Dingen sichtbar ge-
worden, vor allen in unserer neuesten deutschen Literatur; auch Oestreicher, meist
Wiener, traten endlich ein, und gewiß nicht unrühmlich, wie die Namen darthun:
Sonnenfels, Blumaner, Schröckh, Alxinger, Collin, Hormahr, Hammer, die Erz-
herzoge Karl u. Johann, Grillparzer, Frau Pichler, Kurz, Chmel, Zedlitz, Duller,
Burg, Auersperg, Prokesch, Schwarzenberg, Stifter, Schuselka u. a. m. Auch die
Erschütterung des Jahrs 1848, ein außerordentliches Ereigniß in der Geschichte
Wiens und des Kaiserstaates, ist eine Folge davon und wird, was Joseph ge-
wünscht, früher oder später befördern helfen.
Aber noch Eins ist zu beachten. Wien und Berlin, die Hauptorte der zwei
mächtigsten Staaten Deutschlands, sind beide in Marken erwachsen, die ausdrück-
lich nur zum Schutze gegen Osten angelegt wurden. Dies ist eine höchst wichtige
Bestimmung, die fast vergessen zu sein scheint. Die heidnischen Völker, mit denen
mau vor 8 u. 9 Jahrhunderten zu thun gehabt, drohen freilich nicht mehr, aber ist
die russische planmäßig vordringende Macht nicht viel furchtbarer und gefährlicher?
Wer den Westen fürchtet, täuscht sich; Deutschlands verwundbarste Seite ist
im Osten. —
*) Den Lehrern sei überlassen, dies im Text nur Angedeutete zu erklären,
weiter auszuführen, auch gegentheilige Ansichten daniit zu vergleichen. Das Neue
hat natürlich auch eine Schattenseite, wie das Alte seine Lichtseite. Beide Seiten
richtig zu erkennen, verlangt allerdings eine gewisse Reife des Urtheils. Soviel
kann jedoch die Jugend, der dies Lehrbuch bestimmt ist, schon früher einsehen,
daß blindes Hängen am Hergebrachten, und Kampf gegen das Neue aus bloßer
Geistesträgheit, überall schädliche Folgen hat, und um so mehr, je größer der
Gegenstand und je größer der Umfang seines Bereichs ist, vorzüglich auf politi-
schem Gebiete, wo das Wohl des Vaterlandes dabei auf dem Spiele steht.
1855 -
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: Kunze
- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
436
Afrika — Aegypten.
Zugleich ist er Oberkaufmann, so daß alle Produkte in seine Magazine müssen,
woraus er sie um willkührliche Preise an die Verkäufer abläßt. Alle Webstühle
in Flachs und Wolle sind sein, wozu er den rohen Stoff liefert und die Arbeiter
bezahlt. Das Fabrikat müssen ihm die Handelsleute abnehmen, denen er so-
wohl den Preis des Kaufs als Verkaufs bestimmt. Eben so willkührlich be-
steuert er das Volk." — Andre dagegen urtheilen günstiger. Ihnen zufolge soll
das Monopol, das der Pascha übt, grade für Aegypten eine Quelle des Wohl-
standes sein, da es keinen Abnehmer der Landesprodukte gebe, der so sicher und
gut bezahle als er. Das Gerücht von dein Elend und der Armuth der Fellahs
sei ungegründet. Die Lebensbedürfnisse, Brot, Butter, Eier, Geflügel, Früchte
seien im Ueberfluß vorhanden und wohlfeil, die Menschen froh und zufrieden bei
Gesang und Tanz, und Sicherheit herrsche auf allen Landstraßen. Was der
Pascha für den erweiterten Anbau von Oliven, Zuckerrohr, Indigo, und vor
allen der Baumwolle gethan, die im vorigen Jahrhundert kaum für die Fellahs
zur Deckung der Blöße ausgereicht, jetzt aber sogar in großer Masse ins Ausland
gehe, sowie seine Bemühungen für Einführung europäischer Bildung, und für
Herstellung einer Seemacht, das habe den Mehemed Ali in die Reihe der vor-
züglichsten Herrscher gestellt; wenigstens könne man ihm das Lob unermüdeter
Thätigkeit nicht versagen. Die Aufhebung und Vernichtung der anarchischen
Mameluckengarde, die unter seinen Vorgängern keine geregelte Regierung zuließ,
sei schon allein eine große Wohlthat für Aegypten, und daß er das Reisen euro-
päischer Forscher nach Nubien, und weiter aufwärts, aufs bereitwilligste unter-
stützt habe, müsse ihm von allen Freunden der Wissenschaft verdankt werden.
Dies mag ganz richtig sein; dabei ist und bleibt aber Aegypten ein des-
potisch regierter Staat, und wie in allen Despotieen des Orients, so hängt auch
dort von den persönlichen Eigenschaften des Herrschers Sicherheit, Wohlstand,
Bildung, ja das Leben der Bewohner ab. Ein unglücklicher Thronwechsel kann
wieder umstürzen, was eben der Geist eines vorzüglichen Fürsten gebaut hat.
Wo der Grund und Boden als Eigenthum eines Einzigen betrachtet wird, wo
die Rechtsprechung nicht unabhängig ist von der Willkühr des Herrschers, wo der
Unterthan nicht eben so gut Rechte wie Pflichten hat, und wo die Regierung
nicht durch die Formen der Verfassung genöthigt ist, diese Rechte unangetastet zu
lassen, da ist kein Volksglück dauerhaft.
Aegypten besteht jetzt aus 5 Provinzen oder Mudirliks, die wieder in
Mamurliks zerfallen, und jeder Mamur hat Nazirs oder Beamte kleinerer Kreise
unter sich. Die ältere Eintheilnng war: Ober- und Mittel-Aegypten, oder das
Thal, und Unterägypteu oder das Delta.
1) Das Thal, nur 3 bis 4 Stunden breit, zwischen den sogenannt arabi-
schen Bergen (Dschebl Mokattam) und den libyschen. Beide sind niedrig und
öde, in Oberägypten ans Sandstein, unterhalb Theben aus Kalkstein bestehend.
In beide öffnen sich öde Seitenthäler und Schluchten; durch eins dieser Thäler
geht der Weg von Kenneh nach Kossei r am rothen Meere. Die Menge blühen-
der Städte, die es sonst besaß, hat es nicht mehr; die jetzigen sind unbedeutend,
etwa mit Ausnahme von Siut (18000 E.) Girgeh und Kenneh. Wichtiger
1855 -
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- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
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- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
450 Afrika — Senegambien und Guinea.
Schon war diese Colonie angelegt, als eine nordamerikanische Gesellschaft im Jahr
1821 ein kleines Küstenland am C. Mesurado, 5,0 M. südöstlich von Freetown, an sich
brachte, und zwar durch Vertrag mit deu Eingebornen. Dorthin sandte sie eine Anzahl
wackrer Neger und Negerfamilien, theils durch die Gesellschaft, oder durch eignen
Verdienst losgekaufte, theils von wohldenkenden Herrn freigelassene, und gründete
somit eine Colonie, die deu bedeutungsvollen Namen Liberia erhielt, und die bei
nur mäßigen Geldmitteln, trotz vieler Hindernisse, Krankheiten und Kämpfe mit
feindlichen Nachbarn, in merkwürdiger Weise gediehen ist. Es zeichneten sich aber
unter diesen kreigewordenen Negern vorzügliche Männer aus, sowohl in der Ver-
waltung, wie Lot Cary und Daniel Coker, als auch im Kriege, wie die Helden
Jehudi Aschemuu und Josef Roberts — Männer, die in der künftigen Geschichte
dieses werdenden Staats mit ebenso viel Recht glänzen werden, wie ein Numa,
Horatius Cocles, Brutus u. a. Bürger der beginnenden Roma. Im 26. Jahre
ihrer Gründung ward die Colonie von ihrer Stiftungsgesellschaft für selbständig
erklärt, und Roberts war der erste, der zum Präsidenten der neuen, bald von
England und Frankreich anerkannten Republik Liberia erwählt wurde. Sie
zählt bereits 7000 meist aus Amerika gekommene Neger und 300000 Eingeborue
die für das Christenthum gewonnen sind. Ihr Gebiet erstreckt sich vom Cap
Mesurado, wo der Hauptort Monrovia liegt, mit geringer Unterbrechung, an
der Pfefferküste hin bis znm schönen Cap Palmas, und schon an vielen Punkten
zeigt sich Thätigkeit in Landwirthschaft und Handel. Wälder werden gelichtet,
Sümpfe ausgetrocknet. Am Panlsflusse reicht der Anbau schon 12 Stunden auf-
wärts, und die Ortschaften vergrößern sich, namentlich blüht die Stadt Edina,
deren Klima besonders gesund sein soll, rasch auf. Mau baut Reis und Mais,
Arrowroot, Orangen, Ananas, Pisang, Zucker, Kaffee, Indigo und Baumwolle,
und hat der Ausfuhrgegeustände noch außerdem mehrere, z. V. Mahagony-,
Tihk- und Farbhölzer, Elfenbein, Erdnuß- und Palmeuöl, Gummi u. s. w. —
Die Verfassung des Staats ist ganz in nordamerikanischer Weise, und, wie sich
bei diesem Staate von selbst verstand, mit Verbot der Sklaverei und mit Ver-
pflichtung der Kinder zum Schulbesuch.
Nigritien oder Sudan.
Beide Namen heißen so viel als: das Land der Schwarzen hinter der Sa-
hara. Insbesondere verstand man darunter nicht das Küstenland, sondern das
Innere, woselbst man sich einen großen Fluß, den Niger oder Strom der
Schwarzen dachte, der es der Länge nach von West nach Ost durchströme und
sich entweder mit dem Nil vereine, oder in einen See ergieße. Lange Zeit war
das Nigerland ein Räthsel. Man wußte nur, daß einzelne Oasen der westlichen
Sahara von Tuarik-Berbern, der östlichen aber von halb schwarzen Tibbos be-
wohnt würden, daß beide dem Karawanenhandel sowohl mit Steinsalz, wovon es
mächtige Lager in der Sahara gebe, als auch mit Gold, Elfenbein und Sklaven,
förderlich seien, und daß die Karawanen sich vorzüglich nach Tombuktu, einer-
großen Stadt am Niger richteten. Näheres zu erfahren war schwer, bis endlich
in den letzten 60 Jahren sich allmählich das Räthsel löste. Man kennt jetzt die
1855 -
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: Kunze
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- Inhalt: Zeit: Geographie
528
Frankreich — das Volk.
sind völlig einheimisch und französirt. Selbst die Deutschen im Elsaß und Loth-
ringen rc. (etwa V/2 Mill.) entfremden sich ihrer Herkunft von Jahr zu Jahr immer
mehr, und nur die Korsen (200000) bleiben Italiener auf ihrer abgeschlossenen
Insel. — Zur protestantischen Kirche gehören 4 Mill.; also über 7/8 des ganzen
Volks sind römisch-katholisch, unter 14 Erz - und 66 Bischöfen. Unter Louis Xiv.
betrug die Bevölkerung nur 18 Mill. und unter Bonaparte's Consular 27 Mill.
Frankreich ist nicht wie Britannien von andern Ländern abgesondert, nicht
einmal so wie Spanien, dennoch haben die Franzosen ihren eignen stark kennt-
lichen Volkscharakter, und es ist inerkwürdig, die Grundzüge desselben schon in
der altceltischen Geschichte wahrzunehmen. Den Römern erschien der Gallier als
lebhaft, rasch auflodernd in Liebe und Zorn, doch unschwer zu besänftigen, ver-
änderlich in seinen Neigungen, gar nenernngssüchtig; ren,m novarum cupidissimi,
heißen sie beim Cäsar. Tapferkeit gestand man den Galliern zu, vor allen war
ihr Angriff hitzig und stürmisch, im Unglück aber zeigten sie mindere Ausdauer.
Dies Celtische sticht in ihrem Naturell noch jetzt hervor, obgleich sich römisches
und deutsches Blut beigemischt und die Kultur vieler Jahrhunderte auf sie ein-
gewirkt hat. Es ist ein ausgezeichnetes Volk, mit gewissen Eigenschaften begabt,
die es unter den Europäern besonders anziehend machen, und die man sogar
liebenswürdig nennen könnte, wenn sie nicht von andern Eigenschaften begleitet
wären, die keineswegs liebenswürdig sind. Schon die Sprache der Franzosen,
die fließendste unter allen romanischen, hat etwas Einnehmendes, mehr noch ihr
muntrer leichter Sinn, der nur zu oft frivol wird, ihr Witz, ihre Politesse und
Unterhaltungsgabe. Für's gesellige Leben sind sie wie geschaffen; grade deshalb
stellen sie aber das äußere Erscheinen, die äußere Ehre zu hoch, und sind gegen
nichts empfindlicher als gegen die Pfeile des Lächerlichen; ein don inot geht ihnen
leicht über eine Wahrheit. Wie der Franzos fein zu schmeicheln versteht, so will
auch die Nation als solche geschmeichelt sein, und man sagt nicht zuviel, wenn
man ihr ein Uebermaß von Eitelkeit, eine gränzenlose Selbstschätznng vorwirft.
Löblich ist ihre praktische Anstelligkeit, ihre Thatkraft, doch sind sie häufig zu rasch
im Entschließen und Unternehmen, ungleich uns Deutschen, die ruhiger überlegen,
aber oft zu lange zaudern und noch berathen, wenn längst gehandelt sein sollte.
Ueberhaupt sucht der lebensfrohe Franzos, was er denkt, auch schnell ans Leben zu
knüpfen , während der Deutsche gern in der Welt der Ideen und Phantasien verweilt,
und im gelehrten Suchen wie im Erörtern von Begriffen sich nicht genng thun kann.
Scharfsinn, logisch tabellarisches Abtheilen, geistreiche Wendungen, Klarheit
und Eleganz im Ausdruck siud Vorzüge der französischeu Literatur, aber an Ge-
diegenheit steht sie der englischen, an Tiefe der deutschen nach. Der Franzos ist
mehr räsonnirend als philosophirend, mehr Memoiren- als Geschichtschreiber,
mehr Redner als Dichter; aber auch in der Beredsamkeit tritt der Charakter des
witzigen und sprechlustigen Volkes hervor. Wo sie wortreich, ist der Engländer
gehaltvoll; in parlamentarischen Angriffen verschießt der Franzos die buntge-
fiedertsten Pfeile, während der Engländer gedankenschwere Keulenschläge aus-
theilt. Ihre Dichter haben geglättete Formen, rhetorische Schönheiten, witzige
Pointen, ja Voltaire's Ironie, Moliere's Comik, Lafontaine's zierliche Naivetät,
1855 -
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- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
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- Inhalt: Zeit: Geographie
Frankreich — das Volk.
529
können für unerreichbar gelten, allein in dem hohen epischen und tragischen Ge-
biete Hallen sie mit Shakespeare und Milton, mit Göthe und Schiller, mit Dante
und Lasso keinen Vergleich ans, so wenig als ihre Kritiker mit Lessing und A.
Schlegel. An Niklas Poussin und Claude Lorrain besaßen sie Maler von höch-
stem Genie; daß aber ihre Musik hinter der italienischen und deutschen steht, ist
allgemein anerkannt, und schwerlich möchte einer ihrer Historiker an Umfang des
Wissens und Treue der Auffassung vergangener Zeiten unserm Johann Müller
(welchen Voltaire Un monsire d’érudition nannte), oder einer von ihren Philo-
sophen an Tiefe des Denkens einem Spinoza und Kaut gleich kommen. Da-
gegen fallen sie freilich auch sehr selten in den Fehler mancher Deutschen, nebel-
haft und verworren, statt wahrhaft tief zu sein; wo die Klarheit französischer
Schriftsteller ausartet, wird sie eher zur Oberflächlichkeit.
Die Franzosen sind eigenrltche Weltkinder, sie wollen aber Weltherreu sein.
Wir sind das civilisirteste Volk der Erde, sagen sie, wir sind die grande nation.
Und die grande nation möchte alle Völker nach sich umformen, sie macht neue
Moden, neuen Kunstgeschmack, neue Redensarten, und seit der Revolution auch
neue Verfassungen, bald monarchische mit und ohne veto, völlig demokratische bis
zur Pöbelherrschaft, daun wieder in entgegengesetzter Richtung: Directorieu, Cou-
sulgewalt, vollendete Despotie; und jetzt wo die Gunst des Himmels sie einer
weise beschränkten Monarchie zugeführt hat, sind sie nicht einmal einig darüber,
ob dies Glück auch ein Glück sei. Wenigstens scheint es, als wenn vielen ihrer
Tagsschriflsteller es lieber wäre, wenn sie den Nachbarn wieder eine Republik
anbieten könnten*). Ungleich den Engländern, die an der Ehre, freie Britten
zu heißen, sich genügen, treten die Franzosen gern als politische Proseliteumacher
auf. Wehe aber dem Volke, das nicht erst untersucht was sie bringen, das blind
ihrer Sprache traut, das ihrer Fahne folgt; denn sie bekehren nicht blos, sie
gehen auf Eroberungen ans, und das Eroberte muß ihren Uebermuth schwer
empfinden. Holland, die Schweiz, Italien, Spanien, und vor allen wir Deutsche
haben es von 1762 bis 1813 erfahren; nie war Deutschland schmählicher herab-
gewürdigt als damals. Man vergesse nicht, wie Napoleon Zungen und Federn
in Ketten hielt und wir in unserm unsäglichen Unglück nicht einmal mehr klagen
durften. Man vergesse nicht den Buchhändler Palm, den der fremde Despot
wegen der Schrift „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung" erschießen ließ.
Das war der Zustand, dem das Aufpflanzen der Freiheitsbäume am Rheiu nur
um ein Jahrzehend voraus ging. Ob den Franzosen la liberté oder la gloire
höher stehe, und was die gloire bedeute, kann keinem Zweifel unterliegen. Die
erstere haben sie gar bals der letzteren geopfert, und erst als die gloire ihnen
untreu ward, kehrten sie zur liberté zurück. Sie sind die Rivalen Britanniens.
Wie England die Seeherrschaft errungen, so strebten sie nach der Herrschaft zu
Lande, und da dieses mißglückt ist, trösten sie sich einstweilen damit, doch den
Vorzug der Freiheit vor Alt-England gewonnen zu haben. „Jenseit des Canals,
*) Der Verfasser schrieb dies vor 13 Jahren; es bestätigte sich 1848 und
schon 3 Jahr später kam ein neuer Beweis- für die Wandelbarkeit hinzu.
Schacht'« Geographie 6. Aufl. 34
1855 -
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Deutscher Bund — Geschichte.
549
Gebrauch machen. Dies war dem 18. Jahrhundert aufbehalten, in dessen Be-
ginne schon der deutsche Name durch einzelne vorzügliche Kopse (Leibnitz und
Wolf als Philosophen, Mosbeim als Theolog, Maskow als Beleuchter altdeutscher
Geschichte, und selbst durch außerordentliche Tonkünstler wie Händel und Seb.
Bach) zu neuen Ehren kam. Sehr viel trug Preußens König Friedrich ll.
(1740 — 1786) dazu bei. Was er, obwohl die französische Literatur vorziehend,
dennoch blos durch sein Dasein fisr die deutsche gethan hat, ist nie genug zu
schätzen. In ihm besaß der Deutsche zum erstenmal seit Jahrhunderten wieder
einen von aller Welt gefeierten einheimischen Monarchen. Des Königs eigne
Achtung vor der Freiheit des Denkens regte die Deuker auf, seine Heldenthaten
weckten das Baterlaudsgesühl und beflügelten Ideen und Sprache. Mit kritischer
Untersuchung verband sich neue dichterische Lust, und rasch öffnete sich die jetzige
deutsche Literatur, worin Kleist, Gleim, Gellert, Klopstock, Wiukelmanu u. a.
voran gingen. In Sachsen und Preußen, überhaupt im größten Theile Nord-
deutschlands, in Wirtemberg u. s. w., in mehreren freien Städten nud Universi-
täten, zeigte sich der neue Umschwung der Gedanken und Ansichten, und wirkte so
kräftig, daß anch die andre Hälfte des Reichs davon ergriffen wurde, und die
geistige Aufklärung es war, die endlich die so lange entzweiten Brüder
Eines Volkes, Einer Sprache, wieder mit einander befreundete. Der
Friede von 1768—1792 war das begünstigende milde Wetter, worin der Baum
de? Lebens aufschoß. Als 1773 der Jesuiterorden aufgehoben wurde als Kaiser
Joseph ein Tolerauzedict gab, als anch geistliche Fürsten, z. B. die Freiherrn
von Ertbal «der eine als Bischof von Würzbnrg, der andre als Erzbischof von
Mainz) ihre Universitäten verbesserten, da konnte das Licht neuer Forschungen
selbst nach Altbaiern und Oestreich dringen. Ueberau wirkten die Begriffe von
Duldung und Humanität, während die Fülle der unsrer Nation innewohnenden
Geisteskräfte sich immer mehr entfaltete. Welche Namen: Lessing, Wieland,
Kant, Göthe, Joh. Müller, Bürger und Poß, Heeren, Schiller, Wolf und andre
welche allzumal die klassische Periode der deutschen Literatur bezeichnen"
Nur Eins fehlte noch Der morsche abgelebte Reichskörper hätte sich ver-
jüngen , unser Volk in leine alte politische Würde als eine der Hauptmächte Eu-
ropas wieder eintreten sollen. Dahin aber trübte sich eher die Aussicht, als daß
sie heller geworden wäre. Ans Friedrich und Joseph folgten minder erleuchtete
Häupter, und obenein war Deutschland mit seiner geistige» Bildung noch so viel-
fach beschäftigt, daß mau der großen politischen Mängel nur beiläufig gedachte.
Erst unerwartete europäische Ereignisse mußten darauf einwirken, und thaten es
in einer Weise, die den trübseligen Zustand des deutschen Reichs von neuem und
in seiner ganzen Blöße herausstellten. Die große französische Revolution
lvou 1786 ff ) gab die Veranlassung. Alle Throne schienen von ihr bedroht,
weshalb sofort die Herrscher sich zu ihrer Bekämpfung aufmachten; doch den
Hoffnungen auf Sieg folgte Unglück auf Unglück. Aus dem französischen Volke
ging eine Kraft hervor, denen königliche und kaiserliche Heere nicht gewachsen
waren. Was au Frankreich gränzte, ward erschüttert. Das deutsche Reich ge-
rieth an den Rand des Abgrunds; ein Stück davon nach dem andern ging ver-
1855 -
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- Autor: Schacht, Theodor
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Deutscher Bund — Geschichte.
mehrte sich die Reihe trefflicher Werke durch die von Manso, Raumer, Drumann,
Hammer, Kurz, Schlosser, Dahlmann, Kortüm, Wachsmuth, Löbell, Ranke,
Gervinus rc., während die erweiterte geographische Gelehrsamkeit Ritter's
Rieseubuch über Asien und Afrika erzeugte. Eben so stellten Grimm und Becker
in der deutschen Grammatik Muster für andre Nationen auf.
In der Philosophie, die der Deutsche als ein vorzügliches Feld seines
Ruhmes ansprach, bethätigten sich die Denker nach wie vor, doch hörte man lei-
der vorzugsweise solche Meister bewundern, die sich über die Gränzen des mensch-
lichen Verstandes mit Wegwerfuiig der gemeinen Logik hinaus schwangen. Es
scheint aber, daß weder Hegels gepriesene Dialektik, noch später des gealterten
Schelling Offenbarung der Offenbarung den Schleier der Isis gelüftet haben.
Sisyphuö Arbeiten! — Ein ähnliches Geschick waltete in der Theologie, wo
man das äußerste Ziel der Forschung erstrebte und der Rationalist allen Glauben,
wie der Jdentitätsphilosvph allen Verstanv, zu beseitigen suchte. Da indeß die
Menschheit nicht bestehen kann ohne Befriedigung des Bedürfnisses nach Re-
ligion, das uns eingeboren ist, so wendet man sich auch bereits wieder zum
Glauben hin.
Herrlicher gedieh die bildende Kunst. Welche Bauten, wie die von
Schinkel, Oelmüller und andern! Welche Gemälde, wie die von Overbeck, Cor-
nelius, Lessing, Schnorr, Kaulbach, Rottmann, Achenbach rc.! Welche Statuen
und Skulpturen, wie die von Dannecker, Rauch, Schwanthaler rc.! Gewiß ist,
daß diese Künste völlig die hohe Stelle einnahmen, wo vorher Musik und Poesie,
zuletzt in den Werken von Haydn und Beethoven, Göthe und Schiller, ihre
Triumphe gefeiert. Die Poesie trieb noch, in wirklicher Schönheit, einzelne
lyrische Blüthen, z. B. die von Rückert und Geibel; das Drama dagegen sank
in Vernachlässigung, da das Publikum, mit Opern über Gebühr bewirthet, sich
an locker zusammen gesetzte Situationen, leer an Gedanken und Charakteren, ge-
wöhnte und sein Ergötzen an dergleichen fand, sofern nur das Auge dabei durch
theure Dekorationen und Balletsprünge gereizt, das Ohr von musikalischem Pomp
umspielt und umbraust wurde. Geschmacklosigkeit reißt immer ein, ohne vaß
die Menschen es merken. Große Mnsikfeste jedoch, die oft Tausende von
Spielern und Sängern zur Aufführung großartiger Compositionen früherer
Meister versammelten, wirkten rühmlich entgegen. Bald tauchten auch wissen-
schaftliche Vereine, worin uns die Schweizer durch ihre schon im vorigen
Jahrhundert gestiftete Schinznacker Gesellschaft mit ehreuwerthem Beispiel voran
gegangen, einer nach dem andern auf: ein natnrhistorischer, ein ökonomischer,
medicinischer, philologischer, germanistischer; die allzumal Deutschlands gesonderte
Theile einander näherten, und in der That mehr, als eine deutsche National-
Akademie vermocht hätte, Ideenaustausch förderten und deutschen Gemeinsinn
weckten.
In solcher Weise vergingen fast 33 Jahre des Friedens. Materiell und
geistig mannigfach beschäftigt, mit lebhafter Theilnahme von einem Thema des
Tags zum andern übergehend, war die Nation in vieler Hinsicht fortgeschritten.
Dem Beobachter entging indeß nicht, daß der Gegensatz zwischen den