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1. Dichtung des Mittelalters - S. 164

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
164 Dritte Periode, von 1150—1300. Nun ist er hin, was soll ich hie? Sei gnädig ihm, o Herr und Gott! Ein Gast, wie er, so tugendhaft, In deinen Himmel kam noch nie!" (Köhler.) 8 21. Walther von der Vogclweide. Walther von der Vogelweide, der hervo r ragend st e Lyriker des deutschen Mittelalters, ist ein Dichter seltener Größe, der für alle Zeiten eine hervorragende Bedeutung behalten wird. Da das Leben des reich begabten Sängers in eine Zeit fällt, in welcher Deutschland in Macht und Glanz hell leuchtend strahlte, aber auch nicht selten von politischen und kirchlich-politischen Stürmen heim- gesucht wurde, so sind seine Lieder für das deutsche Volk um so be- deutsamer, als ans den wechselnden Weisen neben stimmungsvollen Seelenbildern auch packende Zeitgemälde hervortreten. Gegen 1160 geboren, wahrscheinlich in Tyrol, aus einem dem niederen, sogenannten Dienstadel angehörenden Geschlechte, empfing er seine dichterische Ausbildung in Österreich, vermutlich durch Reinmar den Alten. Während der Regierung Leopolds Vi. und des Sohnes desselben, Friedrichs (1194—1198), sang er am Wiener Hofe in sorgen- freier und einflußreicher Stellung seine frischesten und schönsten Natur- und Minnelieder, welche sich durch Unmittelbarkeit der Empfindung, durch reizende, harmlose Naivetät und eine bisweilen mutwillige Schalk- haftigkeit auszeichnen. Friihlkngssehnsncht. Schmerzlich bedrängte der Winter uns all: Felder und Wälder betrübt ihr Verfall, D'rinnen ertönte so lieblicher Hall. Säh' ich am Wege die Mädchen den Ball Werfen, so käm' uns der Vöglein Schall. Könnt' ich im Winter verschlafen die Zeit! Wach' ich derweilen, so bringt es mir Leid: , Alles beherrscht er so weit und so breit. Dennoch erliegt er dem Maien im Streit; Blumen dann les' ich, wo's reift nun und schneit. (Storck.) Winterklage (oder Pokalspiel). Die Welt war bunt, wohin man i Nun schreit die Nebelkräh' ihr Kräh! sah, ! Ob sich die Welt entfärbte? Ja! Grün in dem Wald und fern und nah. Sie sieht wie Leichen bleich beinah; Die kleinen Vöglein sangen da; Viel Brauenrümpfens d'rum geschah.

2. Dichtung der Neuzeit - S. 143

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 32. Die Sturm- und Drangperiode. 143 Fahnen, gute alte Fahnen, Die den Eid so oft begleitet, In und siegreich aus der Schlacht, Rauschet ihr nicht in den Lüften Traurig, daß euch Stimrw und Sprache, Daß euch eine Träne fehlt? Denn es brechen seine Blicke, Er sieht euch zum letztenmal. Lebet wohl, ihr schönen Berge, Teruel und Albaracin Ew'ge Zeugen seines Ruhmes, Seines Glückes, seines Muts! Lebet wohl, ihr schönen Höhen, Und du, Aussicht auf das Meer hin! Ach, der Tod, er raubt uns alles, Wie ein Habicht raubt er uns. Seht, es brechen seine Augen! Er blickt hin zum letztenmal. Was hat er gesagt, der gute Cid? Er liegt auf seinem Lager. Wo ist seine Eisenstimme? Kaum noch kann man ihn verstehen, Daß er seinen Freund Babie^a^, Ihn noch einmal sehen will. Babieya kommt, der treue Mitgefährt' des wackern Helden In so mancher, mancher Schlacht. Als er die ihm wohlbekannten Guten alten Fahnen siehet. Die sonst in den Lüften wehten. Hingebeugt aufs Sterbelager, Unter ihnen seinen Freund: Fühlt er seinen Lauf des Ruhmes Auch geendet, steht mit großen Augen stumm da wie ein Lamm. Sein Herr kann zu ihm nichts sprechen, Er auch nichts zu seinem Herrn. Traurig sieht ihn an Babie^a, Cid ihn an zum letztenmal. Und nun rauschen die Paniere Stärker; durch das offne Fenster Weht ein Wind her von den Höhen. Plötzlich schweigen Wind und Fahnen Edel: denn der Cid entschläft. Auf nun, auf! Drommeten, Trommeln, Pfeifen, Klarinetten, tönet, Übertönet Klag^ und Seufzen! Denn der Cid befahl es da; Ihr geleitet auf die Seele Eines Helden, der entschlief. 8 32. Die Sturm- und Drangperiode. Die durch Lessing erfolgte Befreiung vom lästigen Regelzwange der französischen Dramatik, der Hinweis auf den nur die Einheit der Hand- lung berücksichtigenden Shakespeare und Herders Forderung der Originalität und des Zurückgreifens auf die Poesie in ihrer natürlichen Urgestalt riefen in Verbindung mit den gegen Monarchie, Aristokratie und Religion ge- richteten und eine revolutionäre Bewegung der Geister weckenden Lehren Rousseaus (geb. 1712 zu Genf, gest. 1778 zu Ermenonville) auf dem Gebiete der Literatur eine große Umwälzung hervor, die vom Jahre 1770 bis etwa 1790 währte. Die Originalität wurde gesucht in der Regellosigkeit, die Kraft in der Willkür, alle Schranken der 1 Städte am Guadalquivir. Sein treues Schlachtroß.

3. Dichtung der Neuzeit - S. 320

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
320 Achte Periode. 5. Mein liebes Kind, Ade! Ich konnt' Ade nicht sagen, Als sie dich fortgetragen, Vor tiefem, tiefem Weh. Jetzt auf lichtgrünem Plan Stehst du im Myrtenkränze, Und lächelst aus dem Glanze Mich still voll Mitleid an. Und Jahre nahn und gehn, Wie bald bin ich verstoben — O bitt' für mich da droben, Daß wir uns Wiedersehn! 11. Appell. Ich hört' viel Dichter klagen Von alter Ehre rein. Doch wen'ge mochten's wagen Und selber schlagen drein. Mein Herz wollt' mir zerspringen, Sucht' mir ein ander Ziel, Denn anders sein und singen, Das ist ein dummes Spiel. So stieg ich mit Auroren Still ins Gebirg hinan. Ich war wie neugeboren, So kühle weht's mich an. Und als ich, Bahn mir schaffend, Zum Gipfel trat hinauf, Da blitzten schon von Waffen Ringsum die Länder aus. Die Hörner hört' ich laden, Die Luft war streng und klar — Ihr neuen Kameraden, Wie singt ihr wunderbar! Frisch auf, wir wollen uns schlagen, So Gott will, übern Rhein Und weiter im fröhlichen Jagen Bis nach Paris hinein! 8 45. Die Sänger der Freiheitskriege. Verwandt mit den Romantikern, die deutschen Sinn und deutsches Rechtsgefühl geweckt und Begeisterung für das ge- fesselte Vaterland hervorgerufen hatten, sind die Sänger der Frei- heitskriege, welche die Volksstimmung in voller Wahrheit und echt volkstümlich zum poetischen Ausdruck brachten. Wie der schwere Druck der Erniedrigung und der schmachvollen Knechtschaft, den der stolze Napoleon mit seinen übermütigen Franzosen seit Jahren auf Preußen und auf ganz Deutschland ausübte, tatkräftige Staats- und Heerführer, wie Stein, Scharnhorst und Gneisen au, an der Wiederbelebung und Kräftigung des zerrissenen und geistig niedergedrückten Vaterlandes mit unermüdlicher Tatkraft arbeiten, den Philosophen Fichte (1762—1814) durch seine „Reden an die deutsche Nation" das Feuer nationaler Begeisterung in aller Herzen entzünden ließ, so schürte eine große Anzahl von Dichtern durch ihre schwungvollen, von feurigem Patriotismus durchzogenen

4. Mancherlei für Jung und Alt - S. 446

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
446 Sprechen von Anmut umlagerten Lippen. Der ganze Kopf aber war zumeist etwas vorgebeugt, als ob es der zarten Gestalt schwer werde, ihn zu tragen; oder wegen der Gewohnheit, ihr kurzsichtiges Auge ganz dicht auf die Gegenstände zu senken. Zuweilen aber hob sich dieser Kopf, um ganz aufrecht den zu fixieren, der vor ihr stand, und namentlich dann, wenn sie eine humoristische Bemerkung oder einen Scherz machte; dann hob sich lächelnd ihr Haupt, und wenn sie neckte, lag dabei auf ihrem Gesichte etwas von einem vergnügten Selbstbewußtsein, von einem harm- losen Übermut, der aus dem ganz außergewöhnlich großen, trotz seiner Gutmütigkeit so scharf blickenden hellblauen Auge leuchtete." Hier auf dem ländlichen Edelsitze erschwang sich die Muse Annettens zur vollen Höhe und Reife. Diese Muse hatte einst in jungen Jahren sehr kindlich begonnen: mit keinem geringern Gegenstand als mit der Besingung eines Hähnchens. Die Dichterin erzählt es scherzhaft selbst in einem spätern Liede, „Das erste Gedicht" überschrieben, das sich unter den letzten Gaben findet. Sie hatte nämlich als Kind es besonders ge- liebt, stundenlang das alte Gemäuer mit dem Zinnenbau zu umstreichen, mit schauerndem Mut in unbesuchte geheimnisvolle Räume zu dringen und auf Entdeckungen und Abenteuer auszugehen. Eines Tages nun schlich sie den schwer verpönten Gang über die Wendelstiege des finstern Turmes hinauf, die unterm Tritte bog, kletterte bis hoch zum Hahnen- balken empor unter der Wetterfahne und verbarg dort unter des Daches Sparren „ein heimlich Ding". Und dieses heimliche Ding, das Enkel sollten finden, wenn einst der Turm zerbrach, das etwas sollte künden, was ihr am Herzen lag: Es war, ich irre nicht, In Goldpapier geschlagen Mein allererst Gedicht! Mein Lied vom Hähnchen, was ich So still gemacht, bei Seit' Mich so geschämt, und das ich Der Ewigkeit geweiht! Bald wuchsen dieser kindlichen Muse die Schwingen und sie machte sich an größere erzählende Gedichte. Das erste hieß „Walther", eine romantische Ritter-Epopöe im Stil von Ernst Schulze's „Bezauberter Rose", aber ungleich plastischer, frei von jeder Verschwommenheit und von voll- kommen tadelloser Form. Was sie überhaupt von dichterischen Vorbildern jener Zeit kennen lernte, hatte keinen dauernden Einstuß auf die Ent- wicklung ihres Talents, da dieselben ihrem kernhaften Wesen zu fremd waren und ihrem plastischen Trieb nicht zum Durchbruch verhelfen konnten.

5. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 501

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
I. Bedeutung der drei Eiugaugsliedcheu in Schillers „Wilhelm Teil". 501 Ausführung. So sehr auch der Dichter Schiller den sehnlichsten Wunsch hegte, zum Zwecke einer Bearbeitung der Tellsage die Schweiz und besonders die Orte zu sehen, an welchen die Sage spielte, so gestatteten seine knappen Verhältnisse ihm doch nicht die Verwirklichung dieses Wunsches. Er sah sich daher genötigt, seine Zuflucht zu nehmen zu geographischen, natur- geschichtlichen und geschichtlichen Werken über das Schweizerland. Sein Studium hatte den herrlichsten Erfolg: der Dichter hat uns Land und Leute in meisterhafter Kunst mit einer solchen Treue und Klarheit ge- zeichnet, daß wir wähnen, Alpenluft zu atmen und das Schweizervolk des 14. Jahrhunderts in Wirklichkeit vor uns zu sehen. Diese Kunst bekundet er sofort zum Beginne des Dramas durch die drei Eingaugsliedchen, in welchen er uns Land und Leute meisterhaft vor die Seele führt. Die erste Scene zeigt uns den Vierwaldstättersee mit seiner herrlichen Umgebung in Hellem Sonnenscheine, während der Kuhreigen ertönt, unter- mischt von dem harmonischen Geläute der Herdeuglocken. Im Scheine der glitzernden Sonnenstrahlen lächelt der See und ladet mit der dem Wasser innewohnenden, in so mancher Sage verherrlichten, geheimnis- vollen Kraft zum Bade. Der Vierwaldstättersee ist der Ort, auf welchem und an welchem die hauptsächlichsten Handlungen des Stückes sich voll- ziehen werden; er ist das entzückende Bild der übrigen Seen des Landes, die durch ihre zauberhafte Pracht die Schweiz zu einem so wunderherr- lichen Lande gestalten. Über den See hinweg sieht man die grünen Matten, jene saftigen Alpenweiden, die bei der geringen Anzahl der Thalwiesen dem Vieh für den Sommer die Nahrung bieten. Sie sind den Tieren und den Menschen für den Sommer der liebste Aufenthalt, sind reich an Naturschöuheiten und bieten freieste, frischeste Luft. Den Matten gegenüber liegen hochragende Felsen, die uns das Hochgebirge in seiner großartigen Furchtbarkeit vor das Auge führen. Hier sind die weiten Schneefelder, hier die Gletscher mit ihren dem Wanderer so gefährlichen Nissen; hier ist der ewige, starre Winter, oft noch eingehüllt in dichte Nebel; hier rollt der Donner der stürzenden Lawinen. So lernen wir das Land mit seinen lieblichen Seen, seinen grünen Matten und seinen riesenhohen Bergen kennen. Ein gleich anschauliches Bild entwirft uns der Dichter von den Bewohnern dieses Landes, die vorzugsweise aus Fischern, Hirten und Jägern bestehen.

6. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 303

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
6. Wesen der Romanze und der Ballade. 303 und Quell bevölkerte, lichte, friedlich waltende Wesen. Den gleichen Charakter der Heiterkeit, der Milde, des Friedens bei stets ästhetisch schönem Gepräge zeigt auch seine Poesie. Ähnliche Beschaffenheit der Natur und des Landes weist das sonnenhelle Spanien auf: ähnlich ist daher auch seine Poesie in der farbenreichen Romanze. Wie ganz anders ist's dagegen im germanischen Norden! Die rauhe Natur, der lange, kalte Winter, die nebeldurchfeuchtete Luft, die selbst im Frühling und im Herbst der Sonne kaum den Durchgang erlaubt, die nirgends klare Umrisse gestattet und so dem Sinne keine Gelegenheit bietet, plastische Form und Schönheit zu erkennen und sich daran zu bilden, die phantastischen Gebilde des Nebels, die statt milder, menschenfreundlicher Nymphen der aufgeregten Phantasie bald ungefüge Riesen zeigen, bald unförmliche Zwerge und böse Kobolde, bald lichte Elfen und Nixen, die zuweilen wohlthätig dem Menschen helfen, oft aber auch gleisnerisch ihn in Tod und Verderben locken, alles das kann nicht ohne den größten bleibenden Eindruck sein auf den Bewohner, wie auf seine Poesie. Wie es den Nordländer ernst, fast düster stimmt, so daß er nur seltener einer fröhlichen Heiterkeit sich hingiebt, wie es seiner Phantasie eine Reihe phan- tastischer, meist mit kecker Hand grausam in sein Lebensgeschick eingreifen- der Dämonen vorgaukelt, so wird es auch auf seine Poesie seine Schatten werfen. Daher der schon oben ausgeführte knappe, springende, nur an- deutende Ton der Ballade, daher der ernste, vielfach düstere, oft tragische Stoff, der entweder der mythischen Welt der Volkssage mit ihren bunten Gestalten entnommen ist oder historische Fakta behandelt, wie denn auch die englisch-schottischen Volksballaden der Percyschen Sammlung manche Kämpfe oft abenteuerlicher Natur uns vorführen, die vorzugsweise in dem Grenzlande zwischen England und Schottland ausgefochten wurden. Zu der erstem Art gehören besonders die Elfen- und Geisterballaden, die letzteren sind die historischen. Wenn diese auch nicht immer ernsten oder düstern Inhaltes sind, sondern zuweilen sogar schelmischen Humor zeigen, die Dichtung sw eise, die sie zu Balladen macht, ist stets die- selbe: die lyrische Behandlung des epischen Stoffes, der als solcher bei dem zum Ausdrucke gebrachten Empfindungsleben mehr in den Hintergrund tritt, der lebendige dialogisch-dramatische Charakter, der mit dem ahnungsvollen, phantastisch springenden Tone das menschliche Gemüt tief ergreift. Die in der Ballade herrschende lyrische Stimmung wird noch beson- ders gehoben durch den Kehrreim oder den Refrain (vom altfranz. rtzfraillärs, wiederholen, gebildet aus dem mittellat. refrangere, zurück- brechen) , den wir in den ältesten Balladen, sowie in unseren Volksliedern so häufig finden. Durch den Kehrreim tritt nämlich ein Festhalten an

7. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 313

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
9. Aus der Hamburgischen Dramaturgie. 313 ihn können genutzt haben, ohne daß ein einziger übergetragener Gedanke davon gezeugt hätte. Wäre mir indes eben das begegnet, so würde ich Shakespeares Werk wenigstens nachher als einen Spiegel genutzt haben, um meinem Werke alle die Flecken abzuwischen, die mein Auge uumittelbar darin zu erkennen nicht vermögend gewesen wäre. Aber woher weiß ich, daß Herr Weiß dieses nicht gethan? Und warum sollte er es nicht gethan haben? Kann es nicht ebensowohl sein, daß er das, was ich für dergleichen Flecken halte, für keine hält? Und ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß er mehr recht hat als ich? Ich bin überzeugt, daß das Auge des Künst- lers größtenteils viel scharfsichtiger ist als das scharfsichtigste seiner Be- trachter. Unter zwanzig Einwürfen, die ihm diese machen, wird er sich von neunzehn erinnern, sie während der Arbeit sich selbst gemacht und sie auch schon sich selbst beantwortet zu haben. Gleichwohl wird er nicht ungehalten sein, sie auch von anderen machen zu hören; denn er hat es gern, daß man über sein Werk urteilt; schal oder gründlich, links oder rechts, gutartig oder hämisch, alles gilt ihm gleich; und auch das schalste, linkste, hämischste Urteil ist ihm lieber als kalte Bewunderung. Jenes wird er auf die eine oder die andere Art in seinen Nutzen zu verwenden wissen; aber was fängt er mit dieser an? Verachten möchte er die guten ehrlichen Leute nicht gern, die ihn für so etwas Außerordentliches halten: und doch muß er die Achseln über sie zucken. Er ist nicht eitel, aber er ist gemeiniglich stolz; und aus Stolz möchte er zehnmal lieber einen unverdienten Tadel als ein unverdientes Lob auf sich sitzen lassen. Zur Sache. — Es ist vornehmlich der Charakter des Richard, wo- rüber ich mir die Erklärung des Dichters wünschte. Aristoteles würde ihn schlechterdings verworfen haben; zwar mit dem Ansehen des Aristoteles wollte ich bald fertig werden, wenn ich es nur auch mit seinen Gründen zu werden wüßte. Die Tragödie, nimmt er an, soll Mitleid und Schrecken erregen, und daraus folgert er, daß der Held derselben weder ein ganz tugend- hafter Mann noch ein völliger Bösewicht sein müsse. Denn weder mit des einen noch mit des andern Unglück lasse sich jener Zweck erreichen. Räume ich dieses ein, so ist Richard der Dritte eine Tragödie, die ihres Zweckes verfehlt. Räume ich es nicht ein, so weiß ich gar nicht mehr, was eine Tragödie ist. Denn Richard der Dritte, so wie ihn Herr Weiß geschildert hat, ist unstreitig das größte, abscheulichste Ungeheuer, das jemals die Bühne ge- tragen. Ich sage, die Bühne; daß es die Erde wirklich getragen habe, daran zweifle ich.

8. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 401

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
4. Die Phantasie. 401 der inneren Anschauungen sich vor ihr bewegt, je reicher deren Fülle, je frischer deren Glanz, desto lebhafter und leichter kann sie ihr Werk voll- bringen. Wie aber äußere Eindrücke auf unsere Nerven die Bilder der Phantasie und die Stimmungen der Seele erwecken, so kann auch vom Gemüte aus die Einbildungskraft erregt und die Energie der Sinnes- werkzeuge bestimmt werden, das innere Bild nach außen zu versetzen, so daß wir es außer uns zu sehen und zu hören glauben. Wir bezeichnen dies als Vision. Wir bewundern Shakespeares Meisterschaft, wie er solche Erscheinungen psychologisch motiviert und richtig darstellt, und er- innern an den Ausspruch seines Theseus: Des Dichters Aug', in holdem Wahnsinn rollend, Blitzt auf zum Himmel, blitzt zur Erd' hinab, Und wie die schwangre Phantasie Gebilde Von unbekannten Dingen ausgebiert, Gestaltet sie des Dichters Kiel, benennt Das luft'ge Nichts und giebt ihm festen Wohnsitz. Wie eng ist uns der Kreis des irdischen Daseins gezogen, wie wenig berührt uns im kurzen Lause des Lebens! Aber die Phantasie stellt uns ins Freie. In der innern Bilderwelt webend, rückt sie uns das zeitlich und räumlich Entfernte in die unmittelbare Gegenwart; sie ist der Zauber- mantel Fausts, der uns in fremde Länder trägt; sie ist das Wunsch- hütleiu Fortunats, das uns in verflossene oder kommende Jahrhunderte versetzt, in Verkehr mit den Heroen des Altertums bringt oder uns zu Bürgern der Zukunft macht. Sie tröstet uns im Leid, indem sie uns die Gestalten der Freude vorführt; sie mäßigt unsere Lust, indem sie uns des Daseins Schmerz und Ernst enthüllt; sie erhebt uns aus den Schranken der Sinne in die Freiheit des Gedankens. Der Phantasielose ist der langsam kriechenden Raupe oder der starren Puppe gleich, der Phantasie- reiche dem beflügelten Schmetterlinge. Darum mahnt uns der Dichter, den Vater zu preisen, den alten, den hohen, der uns die Phantasie verbunden mit Himmelsband (Goethe in: „Meine Göttin"; siehe Teil Ii, S. 194): Alle die andern Armen Geschlechter Der kinderreichen Lebendigen Erde Wandeln und weiden In dunkelm Genuß Und trüben Schmerzen Des augenblicklichen Beschränkten Lebens, Gebeugt vom Joche Der Notdurft. Hense, Lesebuch. Hl. 26

9. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 524

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
524 C. Musteraufsätze für Schüler. der Meister. Die dargestellten Scenen sind in erster Linie dem Privat- leben entnommen. Grundlage derselben ist das Verhältnis der mensch- lichen Geschlechter zu einander und die Verbindung derselben zu einer- ehelichen Gemeinschaft. Homer wählt den schönsten und glänzendsten Augen- blick dieser Verbindung zum Vorwurfe: er schildert uns ein Hochzeitsfest, Bräute werden bei Fackelschein unter vielstimmigem Hochzeitsgesange und bei dem Klange vor: Flöten und Leiern in ihr neues Heim geführt, wäh- rend begleitende Jünglinge sich im Tanze drehen und Frauen von ihren Hausthüren ans dem Schauspiele zusehen. Schiller holt etwas weiter ans. Er läßt das Kind vor uns aufwachsen, den Jüngling in die Ferne ziehen, während die Jungfrau im Hause ailfblüht. Als jener, reich an Kenntnissen, in die Heimat zurückkehrt, fliegen sich die Herzen entgegen, und der Bund fürs Leben wird geschlossen. Jetzt gilt es für beide, zu schaffen und zu erwerben, die Habe zu mehren und zu erhalten. Auch diese Seite des Privatlebens findet bei beiden Dichtern einen entsprechen- den Ausdruck. Ackerbau, Weinbau und Viehzucht sind die Erwerbszweige zu den Zeiten Homers. Alle drei werden der Gegenstand eines Bildes. Hier durchfurchen Landleute das Ackerland mit dem Pfluge und bereiten es zu für die Aufnahme der Saat; dort mähen Schnitter das wogende Korn, das hinter ihnen zu Garben gebunden wird. Weiterhin lesen Jünglinge und Jungfrauen die köstliche Traube, und endlich weidet eine Herde weißglänzender Schafe auf der Waldtrist. Auch Schiller berührt verschiedene Zweige des Erwerbes, nachdem er zuerst in allgemeinen Zügen, aber in sehr malerischen Versen das Wirken und Schaffen des Mannes und der Hausfrau geschildert. Auch hier vertrant der Sämann dem dunkeln Schoße der Erde seine Saat, Schnitter und Schnitterinnen feiern die Vollendung der Ernte, der Rinder glatte Scharen und blökende Schafe kehren heim zu den gewohnten Ställen, und Meister und Bursche arbeiten, daß der Schweiß von der Stirne perlt. Segen ist der Preis der Mühe, reiches Besitztum krönt die Arbeit; aber der Mensch hat bei seinen Bestrebungen oft mit elementaren Gewalten zu kämpfen, nicht selten wird er vom Unglücke heimgesucht und verliert das sauer Erworbene. So stürzen bei Homer zwei Löwen auf eine Rinderherde, packen einen Stier und schleppen ihn zum Fraße fort, ohne daß die Hirten mit ihren Hunden im stände sind, ihnen die Beute abzujagen. Ärger und schlimmer ist die Verheerung, welche „des Feuers Kraft" bei Schiller in der Habe des Menschen anrichtet: In den öden Fenfterhöhlen Wohnt das Grauen, Und des Himmels Wolken schauen Hoch hinein.

10. Dichtung der Neuzeit - S. 252

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
252 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab. 17. Die Gunst der Musen. Mit dem Philister stirbt auch sein Ruhm. Du, himmlische Muse, Trägst, die dich lieben, die du liebst, in Mnemosynens Schoß. 18. Vas Ehrwürdige. Ehret ihr immer das Ganze; ich kann nur einzelne achten; Immer in einzelnen nur hab' ich das Ganze erblickt. 19. Ouelle der Verjüngung. Glaubt mir, es ist kein Märchen, die Quelle der Jugend, sie rinnet Wirklich und immer. Ihr fragt, wo? In der dichtenden Kunst. 29. Erwartung und Erfüllung. In den Ozean schisst mit tausend Masten der Jüngling; Still, auf gerettetem Boot, treibt in den Hafen der Greis. 21. Das gemeinsame Schicksal. Siehe, wir hassen, wir streiten, es trennt uns Neigung und Meinung; Aber es bleichet indes dir sich die Locke, wie mir. 22. Deutscher Genius. Ringe, Deutscher, nach römischer Kraft, nach griechischer Schönheit! Beides gelang dir; doch nie glückte der gallische Sprung. k) Kleinigkeiten. (1796 und 1797.) I. Der epische Hexameter. Schwindelnd trügt er dich fort auf rastlos strömenden Wogen, Hinter dir siehst du, du siehst vor dir nur Himmel und Meer. 2. Das Distichon. Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule, Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab. 3. Der Obelisk. Aufgerichtet hat mich auf hohem Gestelle der Meister. Stehe, sprach er, und ich steh' ihm mit Kraft und mit Lust. 4. Der Triumphbogen. Fürchte nicht, sagte der Meister, des Himmels Bogen; ich stelle Dich unendlich, wie ihn, in die Unendlichkeit hin.
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