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Fünfte Periode, von 1560—1624.
setzung eine ungemein schnelle und weite Verbreitung fand, und so wurde
sie die allgemein geltende.
Wie die Bibelübersetzung, so sind auch Luthers zahlreiche sonstige Lehr-
und Streitschriften, welche letztere oft durch Leidenschaftlichkeit und Derb-
heit auffallen, für die Hebung der Sprache von großer Wichtigkeit
gewesen. Besonders bemerkenswert sind: „An den christlichen Adel deutscher
Nation von des christlichen Standes Besserung", „Von der Babylonischen
Gefangenschaft der Kirche", „An die Bürgermeister und Ratsherren aller
Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten
sollen", „Wider die aufrührerischen und mörderischen Bauern".
Da in den dritten prosaischen Teil des Lesebuches ein Beispiel der
Prosa Luthers sich minder passend einfügt, sei an dieser Stelle zum Nach-
weis der Schärfe, Kraft, Fülle und Volkstümlichkeit feines Ausdrucks ab-
gedruckt ein Auszug aus seinem Sendschreiben
„An die Bürgermeister und Ratherrn
aller Städte deutsches Landes, das sie christliche Schulen
ausrichten und halten sollen" (1524).
(Die Schulen in Deutschland sind in Verfall, und die Jugend wächst auf, ohne
daß sich jemand um die Erziehung und den Unterricht derselben kümmert. Die Eltern
versäumen ihre Pflicht teils aus Härte, teils aus Unwissenheit, teils aus Notdurft.)
„Darumb wils hie dem Rat und der Oberfeit gebären, die allergrösseste
sorge und vleis aufs junge Volk zu haben. Denn weil der ganzen Stad gut,
ehre, leib und leben jnen zu tremer Hand befolhen ist, so theten sie nit redlich
für Gott und der Welt, wo sie der Stad gedeien und besserung nit suchten mit
allem Vermögen tag und nacht. Nu ligt einer Stad gedeien nit allein darin,
das man grosse Schetze samle, feste Mauren, schöne Heuser, viel Büchsen und
Harnisch zeuge1 — ja wo des viel ist und tolle Narren drüber kamen, ist so viel
beste erger und beste grösser schade derselben Stad — sondern das ist einer Stad
bestes und aller reichest gedeien, heil und kraft, das sie viel feiner, gelerter, ver-
nünftiger, erbar2, wol gezogener Bürger hat; die füllen3 darnach wol Schetze
und alles Gut samlen, halten und recht brauchen. . . .
Weil denn eine Stad sol und mus Leute haben und allenthalben der grösste
gebreche, Mangel und klage ist, das an Leuten feile ft so mus man nit harren, bis
sie selbs wachsen; man wird sie auch weder aus steinen hawen noch aus holz
schnitzen; so wird Gott nit Wunder tun, so lange man der Sache durch ander
seine dargetan Güter gerahten3 kan. Darumb müssen wir dazu tun und mühe
und koste daran wenden, sie selbs erzihen und machen. Denn wes ist die schuld,
das es jtzt in allen Stedten so dünne sitzet3 5 von geschickten Leuten, on7 der Ober-
1 erzeuge, schaffe. 2 ehrbarer. 3 können. 4 fehle.
5 entraten, entbehren. 6 aussieht. 7 als allein.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms]]
190 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab.
mischend 1, ohne Berücksichtigung der Aristotelischen Einheiten des Ortes
und der Zeit, zuweilen selbst ohne Beachtung der Einheit der Handlung.
A. Einleitung (I). 1. Götz und die Seinen.
a) Die Stellung der Bauern und Götzens zum Bischof von Bamberg und zu
den Fürsten ersichtlich aus dem Streite der Bauern mit den Bamberger Reitern
(I, 1). Anschlag Götzens auf Weislingen, den Freund des Bischofs; seine leutselige,
offene Weise offenbart sich in der Unterhaltung mit seinem Buben Georg und dem
Mönch Martin (I, 2).
b) Szene aus Jagsthausen in Götzens Burg; seine mutige Gattin Elisabeth,
seine milde Schwester Maria (Erinnerung an Friederike Brion zu Sesenheim) und
sein ihm geistig wenig ähnliches Söhnchen Karl? erwarten ihn mit Sehnsucht.
Bald kehrt er heim mit dem gefangenen Weislingen, er selbst heiter, dieser anfangs
gedrückt und wortkarg; ihre verschiedene Auffassung über die Stellung der Reichs-
ritter und die Ziele der Fürsten (I, 3).
2. Das Gegenspiel am Hofe des Bischofs von Bamberg.
Der Bischof prunkliebend, wissenschaftlich wenig gebildet, aber politisch nicht
unerfahren, der Abt von Fulda unwissend, beschränkt und sinnlich, Olearius,
gelehrter Vertreter des neu eingeführten römischen Rechts, Liebetraut, witzig,
eine feine Art von Hofnarr. Feindliche Stimmung des Bischofs gegen Götz, Meldung
der Gefangennahme Weislingens (I, 4).
3. Götzens Versöhnung mit Weislingen.
Verlobung Marias mit Weislingen, von Götz mit Freude begrüßt. Er ist
bereit, Weislingen zu entlassen gegen das Versprechen, seinen Feindeü keinen Vor-
schub leisten zu wollen. Die Erzählung des Knappen Franz von der Schönheit und
Anmut der Adelheid von Walldorf am Bamberger Hofe läßt einen Umschwung in
der Gesinnung seines Herrn ahnen (Erregendes Moment sl, 5s).
B. Erster Teil der Handlung (Ii—iv, 3). Treubruch Weis-
lingens.
Erste Stufe. Vorbereitung.
Während Liebetraut das dem Bischof und Adelheid gegebene Versprechen, Weis-
lingen an den Hof zurückzuführen, ins Werk setzt, plant Götz mit Selbitz einen
Anschlag auf Nürnberger Kaufleute, da Nürnberger seinen Buben den Bambergern
verraten haben (Ii, 1 und 2).
Zweite Stufe. Verleitung Weislingens zum Treubruch.
Adelheid zeigt lebhaftere Teilnahme für den durch Liebetraut nach Bamberg
gebrachten Weislingen. Götz, durch die Kunde von Weislingens Ritt nach Bamberg
mißtrauisch geworden, entsendet Georg dorthin (Ii, 3 und 4). Weislingen gerät
durch die scheinbare Ungnade des Bischofs und die bestrickenden Künste Adelheids
ins Schwanken. Götz erfährt durch Georg Weislingens treuloses Verhalten. Dieser
läßt sich durch Adelheid völlig fesseln und stellt sich ganz in ihren Dienst (Ii, 5—9).
Eine Bauernhochzeit gibt zum Schluffe des zweiten Aktes Zeugnis von den traurigen
Rechtszuständen des Reiches (Ii, 10).
* Nach der Geschichte starb Götz nach geschworener Urfehde im Jahre 1562 auf
Schloß Hornberg. Sein letzter Kriegszug war im Jahre 1544 mit Karl V. gegen
Frankreich gerichtet gewesen.
2 Der geschichtliche Götz hatte sieben Kinder.
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T73: [Stadt Schloß Augsburg Grafe Nürnberg Reichsstadt Bischof Sitz Regensburg Fürst], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T4: [Orden Ritter Peter Kreuzzug Land Jahr Jerusalem Johanniter Arnold Frankreich], T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr], T8: [Abschnitt erster Periode zweiter Zeitraum dritter Kap Buch Kapitel vierter]]
Extrahierte Personennamen: Götz Georg Martin_( Elisabeth Maria_( Maria Friederike_Brion Karl Götzens Marias Franz Franz Götz Selbitz Weislingens Adelheid Götz Georg Georg_Weislingens Karl_V. Karl_V.