A. Epos. I. Das Volksepos. 15
selbst Dichter, übten und pflegten die edle Kunst, wo immer nur Gelegen-
heit sich bot.
4. Die Anregung zur Poesie seitens der Troubadours
(z. B. Vertrau de Born (Uhland)) in der Provence, wo schon früh die
lyrische Poesie in Darstellung von Liebe und Galanterie zu kunstreicher
Ausbildung gelangt war, und seitens der Trouvöres* im nördlichen
Frankreich, welche vorzugsweise epische Stoffe behandelten und in diesen
den deutschen Epikern reiches Material boten.
Gepflegt wurden in dieser Periode: A. Epos; B. Lyrik;
C. Didaktik.
A. Kp o s.
8 7.
Das Epos tritt in zwei Gestaltungen ans, als Volksepos und
als Kunstepos, welche nach Inhalt, Quelle und Behandlung desselben
und nach der äußeren Form wesentliche Verschiedenheiten zeigen.
I. Das Dolksepos.
8 8.
Der Volksgesang wird geübt aus Markt und Straßen von Volks-
sängern, sogenannten fahrenden (reisenden) Leuten, die bisweilen auch
Spielleute oder nach dem begleitenden Instrumente Fiedeläre heißen. Die-
selben nehmen ihre Stoffe aus der heimatlichen Heldensage, die sich in
alten Liedern viele Jahrhunderte hindurch erhalten hatte.
Der Inhalt dieser Heldensage ist rein menschlicher Art, schmucklos,
einfach und naturwahr, daher nicht selten derb und roh; er trägt ganz
das Gepräge der altheidnischen Germanenzeit. Bemächtigen sich Dichter
dieser Stoffe, um aus ihnen ein Epos zu gestalten, so stehen sie den-
selben objektiv gegenüber, ohne irgendwelche Äußerungen ihres eigenen
Empfindens einzufügen. Sie lassen die Sache durch sich selbst wirken
und die Handlung sich entwickeln aus dem Charakter und den Leiden-
schaften der auftretenden Personen.
Auch die äußere Form, welche mit der Melodie des Volksgesanges
eng zusammenhing, ist eigenartig, die Form der sogenannten Nibelungen-
strophe. Diese besteht aus 4 paarweise stumpf gereimten Zeilen, die jede
durch eine starke Cäsur in 2 Hälften geteilt sind. Die erste Hälfte enthält
3 Hebungen und schließt klingend; die zweite enthält gleichfalls 3 He- 1
1 Beide Wörter von trouver (trondor und trobar) — erfinden.
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§ 12. Dichtungen der vorbereitenden Zeit des Kunstepos, von 1150—1180. 117
sorgsame und richtige Behandlung des Reimes und namentlich die Rein-
heit der Sprache1 fehlten. Als bedeutendste Dichtungen gehören dieser
Borbereitungszeit au:
1. Das Annolied, ein Lobgesang in hohem Schwünge auf den
hl. Anno, Erzbischof von Köln (ch 1075), welches biblische Geschichte,
Sage und Profangeschichte zwar bunt durcheinander mengt, aber dennoch
gute Anordnung bei lebhafter Schilderung und inniger Gefühlstiefe fast
nirgends vermissen läßt.
2. Das Alexanderlied vom Pfaffen Lamprecht, eine der schönsten
Dichtungen des Mittelalters, in kräftiger und oft volkstümlich lebendiger
Darstellung, welche neben manchen lieblichen Schilderungen von poetischer
Kraft auch ernste und große Gedanken in sich birgt. In dem ersten, mehr
historischen Teile werden in mittelalterlicher, durch die Kreuzzüge beein-
flußter Anschauung die Jugendjahre und die Eroberungszüge des großen
Weltbeherrschers dargestellt; in dem zweiten, mehr romantischen Teile, in
welchem Alexander bis an das Ende der Welt vordringt, beschreibt er in
einem Briefe an seine Mutter und seinen Lehrer Aristoteles die Abenteuer
und Wunder seiner Fahrt (vgl. folgende Probe). Im Übermut dringt er
vor bis zu des Paradieses Pforten, um auch dieses zu erobern, aber hier
muß er umkehren; die Nichtigkeit alles Irdischen erkennend, befleißigt er
sich nun der Mäßigung und Milde bis zu seinem Tode „und behielt
nichts mehr für sich — von alledem, was er errang — als Erde,
sieben Fuß lang, — wie's der ärmste Mann erhält, ■— der je kam in
diese Welt".
Ocr Iaubcrwatd.
Als wir hinzogen an dem Meere,
Da ritt ich außer meinem Heere
Mit dreientausend Mannen.
Darauf huben wir uns von bannen
Und gedachten Wunder zu sehen;
Da sahen wir fern von bannen stehen
Einen großen, prächtigen Wald.
Das Wunder, das war mannigfalt,
Das wir da vernahmen.
Als hinzu wir kamen,
Da hörten wir wohl in ihm
Manche wunderschöne Stimm',
Lyren- und Harfenklang
Und den süßesten Gesang. —
Der herrliche, der alte Wald
War wunderbarlich schön gestalt',
Wir konnten's all genau gewahren.
Stattlich hoch die Bäume waren,
Die Zweige waren breit und dicht,
Nur Wahrheit gibt euch mein Bericht.
Das war eine große Wonne.
Da konnte nicht die Sonne
Hindurch bis zrir Erde scheinen.
Ich und die Meinen,
1 Man nennt die Sprache, in welcher diese Dichtungen geschrieben sind, als
Zwischenstufe zwischen dem Althochdeutschen der Vorzeit und dem Mittelhochdeutschen
der Blütezeit, die mitteldeutsche, in welcher die thüringisch-hessische Mundart
vorwiegende Geltung hat.
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80
Dritte Periode, von 1150—1300.
Da sprach der alte Hildebrand: „Es kommt ihr nicht zu gut,
Daß sie ihn erschlagen. Was man mir auch thut,
Ob er mich selbst auch brachte in angstvolle Not,
Dennoch will ich rächen des kühnen Tronjerhelden Tod."
Hildebrand im Zorne zü Kriemhilden sprang,
Er schlug der Kön'gin einen schweren Schwertesschwang.
Wohl schmerzten solche Dienste von Hildebranden sie;
Was konnt' es ihr helfen, daß sie so jämmerlich schrie?
Da lag am Boden aller zum Tod Bestimmten Leib.
In Stücke war gehauen das edle Königsweib.
Dietrich hob und Etzel da zu weinen an;
Sie beklagten innig so manchen Freund und Lehensmann.
Da war Ehr' und Herrlichkeit erlegen vor dem Tod.
Die Leute hatten alle Jammer nur und Not.
Mit Leide war beendet König Etzels Fest,
Wie immer Leid die Freude zurück am letzten Ende läßt.
Ich kann Euch nicht berichten, was nachher geschah,
Als daß man Frau'n und Ritter bitter weinen sah,
Dazu die Edelknechte, um lieber Freunde Tod.
Hier hat die Mär ein Ende: das ist der Nibelungen Not.
(Bartsch )
Das Nibelungenlied ist die beste und großartigste Dichtung,
welche die mittelalterliche Poesie geschaffen. Wenn es an Formenschönheit
auch hinter anderen bedeutsamen Werken zurückstehen mag, „die Groß-
artigkeit des Inhalts, der Reichtum der Erfindung, die echt poetische
Auffassung und Darstellung, der treffliche Plan und der rasche Gang
der Begebenheiten, die scharfe Zeichnung und überraschende Mannigfaltig-
keit der Charaktere, die Tiefe und Wahrheit der Gefühle, die kunstreiche
Verbindung und Abwechselung heiterer, rührender und furchtbarer Scenen,
die Anmut der Gleichnisse und 'vieles andere geben dem Nibelungenliede
einen unbestreitbaren Vorzug vor allen Dichtungen der höfischen Epiker und
stellen es den besten Epen zur Seite, die deu Ruhm anderer Völker bilden".
Scharf charakterisierende, echt deutsche Züge verleihen dem Liede den
Typus der Nationalität: so zunächst der Gedanke, daß Leid aus
Freude folge, ein Gedanke, welcher als Grundtou wie das Naturleben,
so das mit diesem in engster Verbindung stehende altgermanische Leben
durchzieht; sodann ist es der Zug der unüberwindlichen Heldenkrast
und der kühnen Todesverachtung, die, so ganz dem deutschen Volke
eigen, auch das ganze Lied auszeichnet: die Heldenkraft, welche das stolze
Römerreich zertrümmerte, durchzieht auch das Nibelungenlied in der un-
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§ 16. Wolfram von Eschcnbach.
135
Rittertum umfaßt, die eben damals in ihre höchste Blüte traten, stellt er
das gesamte, nur im Ritterstande atmende Leben seiner Zeit, das äußere
wie das innere, mit solcher Treue und Gewissenhaftigkeit dar, als wenn
er es darauf angelegt hätte, die Trachten, Sitten und Gebräuche nicht
minder als den Glauben, die Gesinnung und die höchsten Ideen einer-
schnell vorüberrauschenden Glanzperiode der Nachwelt in einem dauernden
Spiegelbilde zu fesseln. Doch all dieser Reichtum der Begebenheit und
Schilderung, alle Herrlichkeit des Grals, alle Pracht der Tafelrunde
wären verschwendet, wenn sie der Gedanke des Dichters nicht beherrschte
und durchdränge. Was den Parzival zum unvergänglichen Kunstwerke
stempelt, wodurch Wolfram seine welschen Vorgänger, die ihm den Stofs
überliefert haben, weit hinter sich läßt, ist eben das dichterische Bewußt-
sein , womit er alle diese Äußerlichkeiten auf das innere Leben seines
Helden bezieht, dessen geistige Entwicklung er in allen ihren Phasen offen
vor uns darlegt, den er aus der kindischen Einfalt (tuinxlleit) in die
Entzweiung (zwivel), ja zur Verzweiflung führt, um ihn aus dieser
durch harte Prüfungen geläutert zur Versöhnung und Heiligung, zum
höchsten Glück (chaeläs) gelangen zu lassen."
Kein Wunder daher, daß schon die Zeitgenossen, außer Gottfried von
Straßburg, welcher in der ihm eigenen Richtung für den strengen, sittlichen
Ernst Wolframs kein Verständnis hatte, das Lob des großen Parzival-
dichters trotz seiner häufig verwirrenden Stofffülle und trotz' seiner nicht
selten dunkeln, in oft seltsamen Bildern sich bewegenden Sprache mit
Begeisterung singerg, daß seine weisheitsvolle Kunst im 13. Jahrhundert
sprichwörtlich war, und sein Werk unter den ersten deutschen bereits 1477
dem Druck übergeben wurde.
Seine letzte Ruhestätte fand er im Frauenmünster zu Eschenbach, wo
ihm ans dem Markte der knnstliebende König Max von Bayern im
Jahre 1861 ein sinniges Denkmal setzte.
parzival.
parstvals Erstehung und Jugend.
Parzival ist der Sohn Gamurets ans dem königlichen Hause von Anjou und
der aus dem Geschlechte der Gralskönige stammenden Herzeleide. Da der Hang
nach Wafsenthaten den Vater in die ferne Welt und in einen frühen Tod getrieben,
beschließt die Mutter, um den einzigen Sohn vor solchen Gefahren des Ritterlebens
zu bewahren, ihn in tiefer Abgeschiedenheit zu erziehen. 1
1 ,,— —, Her Wolfram, ein wise man von Eschenbach, sin herze ist
ganzes Sinnes dach, leien munt nie baz gesprach.“
(Wirnt von Gravenberg.)
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Extrahierte Personennamen: Wolfram_von_Eschcnbach Wolfram Gottfried_von
Straßburg Ernst_Wolframs Ernst Max_von_Bayern Max Anjou Wolfram Gravenberg
§17. Gottfried von Straßburg.
149
8 17.
Gottfried von Straßburg.
Gottfried von Straßburg („von Straßburg Meister Gotfrit"), wahr-
scheinlich einem Straßburger Patriciergeschlecht entstammend und Stadt-
schreiber in seiner Vaterstadt, schrieb gegen 1210 als sein letztes Werk
„Tristan und Isolde". Vielseitig gebildet, kundig des klassischen Alter-
tnnis, namentlich des Ovid, der französischen Sprache mächtig und für-
ritterlich höfisches Leben begeistert, tritt er auf als Dichter der Liebe, aber
nicht der veredelnden Minne, sondern jener leidenschaftlichen Liebesglut,
der nur „Ein Tod, Ein Leben, Eine Lust, Ein Leid" gegeben ist, die,
nur sich selbst suchend, jeder Zucht und Sitte und selbst der ehelichen
Treue Hohn spricht. Zu seinem Zeitgenossen Wolfram, welchen er „den
Jäger wilder Märe" nennt, steht er in einem bewußten und schroffen
Gegensatz: im Stoff, in der Sprache und in der Tendenz. Der einer
bretonischen Sage angehörende Stoff, welchen Gottfried einem nord-
französischen Gedichte entnahm, enthält im Gegensatze zu der fast ver-
wirrenden Menge von Thatsachen, von Zauberdichtungen und von Per-
sonen des „Parzival" nur eine einfache Geschichte von der gegenseitigen
Liebe Tristans und Isoldens. Im allgemeinen eine breite Schilderung des
äußeren höfischen Lebens vermeidend, zeichnet Gottfried die Seelenzustände
seiner Personen mit psychologischer Feinheit und großer Wahrheit. Dazu
ist feine Sprache gegenüber der oft schwer verständlichen und dunkeln Rede
Wolframs leicht und anmutig mit glänzendem Redefluß bei einem oft geist-
vollen Spiel der Worte. Die Darstellung ist stets durchsichtig, Vers und
Reim sind durchweg rein und fließen leicht dahin. Auch in der Tendenz
bildet er einen scharfen Gegensatz zu Wolfram. Entgegen dem hohen
sittlichen Ernste Wolframs, der uns seinen Helden in innerem Kämpfen
und Ringen nach einem erhabenen Ziele darstellt, läßt Gottfried seine
Personen die Schranken der Sitte und des Gesetzes überschreiten; indem
er ferner das sittliche Unrecht, welches freilich in einem unwissentlich ge-
nommenen Zaubertrank seinen Ursprung hat, beschönigt und verführerisch
darstellt, predigt er verderblichen, um Gott und Menschen unbekümmerten
Lebensgenuß.
Der Inhalt von Tristan und Isolde ist kurz folgender:
Riwalin, Fürst im Parmenierlande, rüstet eine Fahrt zum König Marke von
Kornewal und England; am Hofe desselben freundlich bewillkommnet, hat er bald
Gelegenheit, ein herrliches Hoffest mitzufeiern.
Maicnscst.
Zu diesem Hoffest waren
Beschieden ganze Scharen
! Durch Gebot und Bitte.
I Auf seine Ladung, das war Sitte,
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_von_Straßburg Gottfried_von_Straßburg Gottfried_von_Straßburg Wolfram Gottfried Gottfried Wolfram Gottfried
§ 18. Nachblute und Verfall des Kunstepos, 1230—1300. 155
kröne von England ausgeschlagen hat, Aufopferung, Demut und Selbstverleugnung.
„Barlaam und Josaphat", eine Legende, in der der indische Königssohn Josaphat
von dem Einsiedler Barlaam zum Christentum bekehrt wird, die Krone niederlegt
und sein Leben unter Fasten und Beten in beschaulicher Einsamkeit beschließt, lehrt
Entsagung und freiwillige Armut. Seine „Weltchronik", welche die Geschichte des
Alten Testaments bis auf Saloman enthält, galt bis auf Luthers Zeit als eine
wichtige Fundgrube für die Kenntnis des Alten Testamentes.
Konrad von Würzburg, bürgerlichen Standes, gestorben 1287 zu Basel,
welcher neben mehreren Legenden und Erzählungen „den trojanischen Krieg" nach einer
französischen Dichtung in nicht weniger als 50 000 Versen bearbeitete. Gelehrt und
formgewandt, gebietet er zugleich über einen großen Reichtum von Bildern und
Gleichnissen, wie er namentlich in seiner „Goldenen Schmiede", einem glänzenden
Lobliede auf die heilige Jungfrau Maria bekundet, aber seine Muse entbehrt doch
des eigentlichen geistigen Gehaltes.
Der Stricker (striellaere — verknüpfend) , ein vielseitiger, nach seinen
Lebensverhältnissen unbekannter Dichter aus Österreich, welcher die komische Seite
des höfischen Epos in seinem „Pfaffen Amis", einem mittelalterlichen „Eulenspiegel",
vertritt.
B. Lyrik.
§ 19.
Stoff und Form der Lyrik.
Neben der Epik blühte gleichzeitig die Lyrik. Dieselbe äußert sich
vorzugsweise in dem sogenannten Minnegesange, dessen Hauptthema die
Minne ist (meinan, althochdeutsch ^lateinisch meminisse], — gedenken),
d. h. die seelenvolle, keusche Liebe, das stille sehnende Denken an die
Geliebte. Die den Deutschen schon von ihren Vorfahren her innewohnende
Hochachtung1 des weiblichen Geschlechtes hatte durch den Einfluß des
Christentums, namentlich durch die Verehrung der Gottesmutter Maria,
noch eine bedeutende Stärkung erhalten. Dazu erachtete das Ritter-
tum es als eine seiner ersten Pflichten, die Frauen zu ehren und
ihrem Dienste sich zu widmen. So konnte in der idealen Richtung des
damaligen Rittertums der Frauenkult einen solchen Grad erreichen, wie
wir ihn in den Minneliedern kennen lernen. Zwar haben dieselben
vielfach etwas Einförmiges, da der Kreis der Gedanken und Empfindungen
in denselben auf stilles Hoffen und süße Sehnsucht, auf jubelnde Wonne
bei freundlicher Zuneigung der nicht einmal mit Namen genannten Ge-
liebten, auf schmerzliche Klage bei etwaiger Härte oder Untreue derselben
sich beschränkt; sie bekunden aber dafür auch die tiefe und keusche Zart-
heit des deutschen Gemütslebens in lieblicher und fesselnder Anmut.
1 Tacitus sagt in seiner Germania c. 8: „Inesse (feminis) quin etiam
sanctum aliquid et providum putant.“
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Extrahierte Personennamen: Barlaam Konrad_von_Würzburg Konrad Maria Maria Stricker Maria Maria
§ 15. Hartmann von Aue.
127
sehen. Dieser Entschluß des Ritters sühnt alles, was er je gefehlt haben
mag: Gott nimmt den reinen Willen für die That, und daher
erfolgt die Heilung infolge dieser Sühnung. Aber auch noch andere
schöne Gedanken erkennen wir in dem Gedicht: es „lehrt die süße Gewalt
einer vom Dichter keusch verborgenen Neigung; es lehrt, daß Treue durch
Gottes Huld zum Ziele gelange, daß rücksichtslos nach Besserung der
irdischen Verhältnisse ohne Gott zu streben sündig ist, daß aber ein
liebevolles, minnigliches Wesen selbst die Unterschiede ausgleicht, welche
Stand und Reichtum sonst darstellen".
Ihm dienten bei den Leuten. '
Nun beginnt er euch zu deuten
Eine Mär, die er geschrieben fand.
Er hat sich darum genannt,
Daß er für die Müh' und Zeit,
Die er auf die Arbeit
Gewandt, den Lohn erschaue,
Daß wer sich d'ran erbaue,
Dereinst nach seinem Ende
Zu Gott empor die Hände
Hebe für sein Seelenheil.
Man sagt, ihm werde selbst jn teil,
Der für den andern bete,
Was er für den ersiehte."
(Simrock.)
Nach dieser Einleitung beginnt die Erzählung.
In Schwaben lebte ein Ritter Heinrich von Aue, geehrt und berühmt
wegen seines Reichtums, seiner Macht und seiner ritterlichen Tugenden. Als er
aber weltlicher Lust zu sehr genoß, und „sein hoher Mut verkehrt ward in ein
schmähliches Leben", da ergriff ihn, wie einst den frommen Hiob, der Aussatz.
„Ihn ergriff die Miselsucht.
Als man diese schwere Zucht,
Die der Herr ihm sandte,
An seinem Leib erkannte,
Da ward er jedermann zur Last.
Mißnrutig und bald, wie mit der Welt, so auch mit Gott zerfallen, verwünscht
er den Tag, an welchem er geboren. Doch noch hegt er die Hoffnung, daß berühmte
Arzte in Montpellier und Salerno ihn heilen würden. Seine Hoffnung sollte jedoch
zu nichte werden, denn in Salerno vernimmt er die Kunde, daß nur dann Rettung
ihm werden könne, wenn eine fromme Jungfrau in ihres Herzens Unschuld freiwillig
für ihn ihr Herzblut hingäbe. Verzweifelnd kehrt er heim und verschenkt alle seine
Güter zu wohlthätigen Zwecken bis auf einen Meierhof, dessen Pächter ihn freundlich
aufnimmt. Während nun fast alle den aussätzigen Herrn meiden, soweit es irgend
Der ein so willkommener Gast
Der Welt gewesen war vordem,
Nun ward er ihr so ungenehm,
Daß alles floh vor seinem Blick."
„Ein Ritter war wohl so gelehrt,
Daß er in Büchern unbeschwert
Las, was da geschrieben stand.
Hartmann ward er genannt
Und war zu Aue Dienstmann.
Wenn wo er Bücher gewann,
So gereut' ihn keine Mühe,
Spät oder frühe,
Bis er was aufgefunden,
Womit er läst'ge Stunden
Erträglich mochte machen,
Oder von solchen Sachen,
Die da Gott zu Ehren
Und die eig'ne Gunst zu mehren
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Extrahierte Personennamen: Hartmann Simrock Heinrich_von_Aue Heinrich Hartmann
192
Dritte Periode, von 1150—1300.
§ 22.
Verfall und Entartung des Minnegesanges.
Die Klagen Walthers über den Verfall der Minne und des Minne-
gesanges sollten nur zu bald zur vollsten Wahrheit werden. Ver-
gebens versuchte der in Ästerreich aufgewachsene Rheinländer Re in mar
von Zweier gegen Ende der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
durch ernste Rügelieder dem sichtlichen Verfalle der Minnepoesie zu
steuern: Inhaltslosigkeit und überkünstliche Form gewannen
immer mehr die Oberhand.
Wir nennen hier den bayerischen Ritter Neidhart von Neuen-
thal (zwischen 1210—1240), bett Begründer der höfischen Dorf-
poesie, welcher seinen Stoff dem Leben der Bauern entnahm und durch
Verspottung der Plumpheit und Putzsucht, sowie der Liebeshändel derselben
die Lachlust der Ritter zu erregen suchte.
Ulrich von Licht enstein (ch um 1275), aus steiermärkischem
Geschlechte, führt in seinem „Franendienst", einer Selbstbiographie,
den Minnedienst, der nunmehr aller sittlichen Reinheit entbehrt, derartig
auf Abwege, daß derselbe nur noch als lächerlich alberne Narretei, ja
als völlige Verrücktheit erscheinen muß.
Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, weil er dem
Namen „Frau" (Herrin) den Vorzug gab vor der Benennung „Weib"
(Gegensatz zu Mann), soll in Mainz, wo er im Jahre 1318 starb, die
erste Meisterschule gegründet haben. So bildet er den Übergang von den
Minnesängern zu den Meistersängern der folgenden Periode.
C. Didaktik.
§ 23.
Zweck der Didaktik; Dichtungen.
Fanden wir schon bei Walther einzelne Gedichte, welche zu Zucht und
Ordnung mahnten und eigentliche Lebensweisheit lehrten, so bildete sich
das Streben, das praktische Leben in Übereinstimmung mit wahrhaft
christlicher Gesinnung zu bringen, gegen die Mitte des 13. Jahr-
hunderts immer mehr und mehr aus. Die Verfasser dieser Lehrgedichte
sind meist bürgerlichen Standes und zeichnen als solche gegenüber dem
heiteren höfischen Leben eine mehr ernste und strenge Lebensauffassung.
Genannt seien aus der ziemlich großen Reihe solcher Dichter und Dichtungen
nur folgende drei:
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Extrahierte Personennamen: Ulrich Heinrich_von_Meißen Heinrich
202
Vierte Periode, von 1300—1500.
Vierte Periode, von 1300—1500.
8 25.
Die Zeit des Verfalles der Poesie.
Der Verfall der Poesie, der schon vor dem Beginne dieser Periode
anhob (vgl. § 22), beruhte ans mehreren Gründen:
1. Der Wechsel der Kaiser, die ans verschiedenen Häusern gewählt
wurden, die Rivalität der Fürsten, das Streben der Kaiser und der
Fürsten, nicht das Wohl des ganzen Reiches, sondern nur die persönliche
Hausmacht zu mehren, ertöteten den nationalen Sinn, den Gedanken der
Einheit und Zusammengehörigkeit und vernichteten das Interesse für die
höheren idealen Zwecke der Dichtkunst.
2. Das Rittertum, welches nach der Einführung des Schießpulvers
(um 1350) auch seine kriegerische Bedeutung einbüßte, verlor die frühere
ideale Richtung vollständig und versank in Verwilderung und Roheit, so
daß bei der Machtlosigkeit der Kaiser sich ein Raubrittertum herausbildete,
welches die schrecklichsten Zeiten des Faustrechtes hervorrief.
3. Die Geistlichkeit verfiel mehrfach in Unwissenheit, so daß in
einigen Klöstern, früheren Heimstätten der Bildung und Wissenschaft, die
Mönche nicht mehr zu schreiben verstanden. Mit solcher Unwissenheit
ging nicht selten Hand in Hand eine bedauerliche Zuchtlosigkeit, welche
den Sinn für Hohes und Edles immer mehr schwinden ließ.
4. Vielfache Unglücksfälle, Hungersnot, Erdbeben, Pest (der
sogenannte schwarze Tod) und der verheerende Hussitenkrieg (1419—1436)
drückten und verdüsterten die Gemüter, die einer trüben Lebensanschauung
sich hingaben.
So erstarb die Begeisterung für die alten sagengeschmückten Volks-
helden, so war dahin der Sinn für das Minnelied, dahin die Freude an
einer sinnreichen Didaktik; so fehlten die fürstlichen Hüter und Schirmer
der Dichtkunst, fehlten die Ritter, die in ihrem idealen Streben höfische
Dichtung geübt und auf das höchste geschätzt hatten. Die auf den neu-
gegründeten Universitäten (Prag 1348, Wien 1365, Heidelberg 1387,
Köln 1388 u. s. w.) behandelte Wissenschaft blieb als Wissenschaft der
Gelehrten, zumal sie in lateinischer Sprache behandelt wurde, ohne Ein-
fluß auf das Volk und konnte nach ihrer ganzen Richtung eher die
Prosa als die Poesie fördern.
Freilich hört die Dichtkunst nicht völlig auf, aber Dichter, Stoffe
und Behandlung werden andere. Statt der „Herren" treten ein die
„Meister", statt der poetischen Stosse der Vorperiode unpoetische Gegen-
stände des Alltagslebens oder Abschnitte aus der Bibel, statt der früheren
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