TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet]]
Extrahierte Personennamen: Michel_Angelo_Buonarotti Tiziano Rafael_Sanzio Albrecht_Dürer Albrecht Dante_Alighieri Nikolo_Macchiavelli
Extrahierte Ortsnamen: Italien Italien Jerusalem Florenz Italien Europa Griechenland
220
Das heilige römische Reich deutscher Nation.
Liede. Das ganze Wesen des Ritterthums in seiner Blüte, wie in
seiner Entartung spiegelte sich in einer eigenthümlichen poetischen Li-
teratur ab, deren Träger und Pfleger Ritter und Höfe, deren Stoffe
ritterliche Thaten und Tugenden, Gottes- und Frauenliebe waren.
Von dieser ritterlichen oder höfischen Dichtung, die als Kunstpoesie im
Gegensätze zur Volksdichtung auftrat, ist uns gar vieles erhalten und
höchst wichtig für die Kenntniß der geselligen und sittlichen Zustände
in den politischen Parteien des Mittelalters. Diese Gedichte sind zu-
gleich die wichtigsteu Denkmäler der mittelhochdeutschen Sprache, denn
die damaligen Schriftsteller bedienten sich ausschließlich der lateinischen
Sprache; auch die Urkunden wurden noch im 13. Jahrhundert in
der Regel lateinisch abgefaßt; die ältesten deutschen Rechtsbücher, der
Sachsenspiegel (den wir nicht in seiner ursprünglichen Gestalt besitzen)
und der Schwabenspiegel, gehören jedoch schon der zweiten Hälfte des
13. Jahrhunderts an.
Am frühesten erwachte der ritterliche Sang im Gebiete der proven-
hñlischen Sprache, in Südfrankreich und im nordöstlichen Spanien; hier
wanderten die Troubadours (Erfinder, von trouver; sie waren Dichter
und Sänger in einer Person) von Burg zu Burg, von einem Feste zum
andern, und fanden allenthalben gastliche Aufnahme, denn ihre Lieder
waren die Würze der geselligen Unterhaltung für Herren und Frauen,
und die Vornehmsten suchten ihren Ruhm darin, auch als Dichter zu
glänzen oder doch die Dichtkunst auf jegliche Weise zu hegen und zu
pflegen. Während Frauenliebe der Grundton der provenyalischen Dich-
tung war und blieb, wurde in Nordfrankreich und England vorzugs-
weise die ritterliche Heldendichtung gepflegt, welche theils die Thaten und
Sagen von Karl dem Großen, von König Artus, dem walisischen Helden
und dessen Genossen, und vom heiligen Gral (die Schüflel des heiligen
Abendmahls) zu ihrem Mittelpunkte machte, theils Helden der heidnischen
Vorzeit, Alerander den Großen und Aeneas, zu christlichen Rittern um-
schuf und besang.
Die Kreuzzüge verliehen dem ganzen Leben der Zeit und nament-
lich auch der Dichtkunst höheren Schwung und religiöse Weihe, das ferne
wunderbare Morgenland in seinen Beziehungen und Kämpfen mit dem
Abendland bot der dichterischen Einbildungskraft unerschöpfliche Stoffe;
sie brachten aber auch die Völker Europas in gegenseitigen und innigen
Verkehr, sie lernten ihre Sprachen, Geschichten und Sagen gegenseitig
kennen, und in dieser Zeit war es, wo auch im deutschen Reich die
Ritterdichtung aufkam und schönere Blüten trieb als irgendwo (1150
bis 1240).
Unter den Hohenstaufen, welche die Dichtkunst liebten und fast
sämmtlich selbst Dichter waren, erreichte die Dichtkunst ihre höchste Voll-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte]]
Extrahierte Personennamen: Karl_dem_Großen Karl König_Artus
Extrahierte Ortsnamen: Südfrankreich Spanien Nordfrankreich England Europas
Deutschland und Oesterreich.
463
Tugendbundes erneuerte, demselben aber zugleich ein ehrenvolles Zeug-
niß für seine Wirksamkeit in der Zeit von 1808—1813 ausstellte.
Ein Sprichwort sagt: wenn man den Teufel an die Wand malt,
so kommt er; Dabelow und Sctnnalz hatten das Schemen einer gehei-
men Verbindung denunciert, es dauerte aber nicht lange, bis unter der
Universitätsjugend, welche an dem Skandale den lebhaftesten Antheil
genommen hatte, die Verschwörung in leibhafter Gestalt auftrat. Un-
mittelbar nach dem Kriege bildete sich unter den Studenten zu Jena
eine Verbindung, um dem theilweise rohen und wüsten Leben auf der
Universität, das besonders durch die sogenannten Landsmannschaften ge-
fördert wurde, einen Damm entgegenzusetzen, Sittlichkeit und wissenschaft-
liches Streben zu fördern und so die Heranbildung eines tüchtigen deut-
schen Beamtenstandes, durch den hinwiederum das Volk gehoben werden
sollte, zu bewirken. Dieses Programm von sittlichen, wissenschaftlichen
und patriotischen Bestrebungen beweist augenscheinlich, daß die „Bur-
schenschaft" zu Jena aus dem Tugendbunde hervorging; sie gestaltete sich
den 18. Oktober 1817 bei dem Feste auf der Wartburg zu einer
„deutschen Burschenschaft", indem sich auf den meisten deutschen
Universitäten (die österreichischen ausgenommen) burschenschaftliche Ver-
bindungen bildeten, die unter einander einen fortwährenden Verkehr un-
terhielten. Schon auf dem Wartburgfeste fand eine politische Demon-
stration statt, indem einige Studenten 28 Bücher oder die Titel von
Büchern, die sie der deutschen Sache für feindselig hielten, Luthers Ver-
fahren gegen die Bannbulle und das canonische Recht nachahmend, in
das Festfeuer warfen (darunter war aber die deutsche Bundesakte nicht,
wie ausgestreut wurde). Ueberschwänglicher phantastischer Patriotismus,
wohl auch der Hochmuth, den die alles begreifenden und aburtheilenden
philosophischen Systeme von jeher erzeugt haben, traurige politische Zeit-
erscheinungen (die von Schmalz angeregten Verdächtigungen gewannen
immer mehr Umfang; im gleichen Jahre verbot eine deutsche Regierung
die Jahresfeier der Leipziger Schlacht; wurden noch Stücke deutschen Lan-
des als Entschädigungen zugeschnitten, so z. B. Birkenfeld; offenbarte
sich die Feindschaft gegen ständische Vertretung weniger durch eine gerade
Weigerung als durch Ertheilung vou Scheinverfassungen) gaben der
Burschenschaft mehr und mehr die Gestalt einer politischen Verbindung,
deren Bestreben gegen die bestehende Ordnung der Dinge gerichtet war.
Sie war jedoch von sehr untergeordneter Bedeutung, indem sie wohl
niemals auch nur 500 Mitglieder zählte, die zudem in den verschiedenen
Landsmannschaften ihre bittersten Gegner hatten; überdies war ja mit
Sicherheit zu erwarten, daß das reifere Alter und die Lebenserfahrung
die Ueberschwänglichkeit heilen werde, während zugleich die Gesetze hin-
reichten, um verbrecherische Absichten und Thaten zu verhindern und zu
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig]]
dem Seleucldenreiche, Makedonien und Griechenland. 457
Armen Mäßigung und Geduld gelehrt hätte. Die altväterliche Zucht,
welche das alte Rom stark gemacht, war geschwunden während eines
Lebens in fremdem Lande und in fremder Sitte. Die Religion Roms
war bei ihrer bloß in Formen und Gebräuchen sichtbaren Strenge nicht
fähig gewesen, einer Auflösung zu widerstehen, zu welcher die Ausdeh-
nung des Schauplatzes der Thätigkeit so vielen Anlaß bot. Wie die
Entfernung aus der Heimath die Uebung in den religiösen Formen und
Gebräuchen störte, war der sittliche Halt verloren. Die Religionen
des Alterthums sind so sehr örtlicher Natur, daß ihre Wirksamkeit au
das Verweilen in der Heimath, wo die Stätten der Götterverehrung
sind, geknüpft ist. Warnende Vorzeichen großer Erschütterungen hatten
sich schon gezeigt. Ehe innerhalb der Bürgerschaft eine Gährung aus-
brach, war an italischen Bundesgenossen und an Sklaven kund geworden
wohin es führt, wenn ein Theil der Menschen den andern als Werk-
zeug seiner Zwecke braucht. Schon gegen Ende des zweiten punischen
Krieges war in Spanien in Scipio^s Heer ein Aufstand der italischen
Bundesgenossen ausgebrochen, den nur Scipio's große Persönlichkeit zu
dämpfen vermocht hatte. Zur Zeit des pergamenischen Krieges tobte
in Sicilien ein Aufruhr der dort aus allen Nationen zum Anbau der
Staatsländereien zusammengehäuften Sklaven, zu dessen Unterdrückung
ein consularisches Heer nöthig war. Beide Ereignisse sind Vorbilder
fernerer und größerer Erschütterungen, die dem römischen Reiche bei
den in seinem Innern ausgebildeten Gegensätzen bevorstanden.
24. Ging die Kraft, solchen Mißverhältnissen zu begegnen, der
Religion wegen ihrer örtlichen und nationalen Beschränkung ab, so konnte
die literarische Bildung die zu einer Ausgleichung erforderliche milde
und versöhnliche Stimmung noch weniger Hervorbringen, trug vielmehr
zur Schärfung des Unterschiedes bei. Hatten in dem alten Rom, wie
es vor Unterwerfung Italiens war, die Bürger an den Kämpfen um
die Verfassung, der Beschäftigung mit den Angelegenheiten des Staates,
der Verwaltung der Rechtspstege, dem Kriegswesen, eine gemeinschaft-
liche Schule für die Ausbildung zu äußerer Thätigkeit, so schied das
Eindringen griechischer Bildung, da sie das Leben des Volkes im Gan-
zen nicht ergriff, sondern nur dem Leben der Reichen und Vornehmen
als Schmuck diente, die Theile des Volkes noch stärker. Es ist zu be-
nrtheilen unmöglich, welche Grundlagen für einheimische Literatur die
Römer hatten und welche Beiträge die Völker, deren Eigenthümlichkeiten
sich in dem Leben der Römer mischten, dazu geliefert haben. Doch das
ist gewiß, daß es den Römern an einer Mythologie fehlte, wie sie bei
den Griechen die Grundlage der Dichtung gebildet hat. Einigen Ersatz
konnten dafür die mit dichterischer Einbildungskraft fortgepflanzten Er-
innerungen aus der Zeit des jugendlichen Roms gewähren, wie sie
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T55: [Rom Krieg Römer Jahr Heer Cäsar Hannibal Pompejus Marius Schlacht], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T27: [Krieg Römer Rom Hannibal Karthager Karthago Jahr Scipio Spanien Rmer]]
Extrahierte Ortsnamen: Makedonien Griechenland Rom Spanien Sicilien Rom Italiens
514 Die Römer in der Zeit der Umwälzungen und der Bürgerkriege.
Horaz den Augustus auch als Wiederhersteller der Sitte rühmt, so be-
zeichnet er damit ein Streben, über dessen eigentliches Ziel derselbe, in
den Gebrechen und der Armuth seiner Zeit befangen, selbst nicht ganz
klar sein konnte und das mit Gesetzen nicht zu erreichen war. Wie
tief das sittliche Unglück, obgleich man die Mittel der Heilung so wenig
als die Quelle kannte, empfunden wurde, zeigt Horaz in der Klage,
daß die von aller höheren Bildung unberührten Völker, die weidend
von einem Platze zum andern ziehen, oder sich in Beutezüge und Bestel-
lung des Feldes abwechselnd theilen, weit glücklicher als die Römer lebten.
33. Auffallend ist es, daß eine solche Zeit die goldene Zeit der Lite-
ratur genannt wird. Sie ist es aber vermöge der Ausbildung, welche
die Sprache erlangt hatte, vermöge der Gewandtheit, mit welcher Stu-
dium und Erfahrung mannigfacher Art in einer verfeinerten Sprache
ihre Ergebnisse mit einander verflochten. Schon Cicero hatte, obgleich
Spuren wuchernden Reichthums an die asiatische Beredtsamkeit erin-
nern, der Sprache eine Vollendung gegeben, durch welche ein Zeitraum
in ihrer Entwicklung sich abschloß. Mit gleicher Meisterschaft, wie er
sie im öffentlichen Leben handhabte, lehrte er sie die Fragen der Philo-
sophie erörtern und zog dadurch dem Bereiche lateinischer Darstellung
die weitesten Grenzen. Zugleich und bald nachher erreichte die Ge-
schichtschreibung eine hohe Stufe durch Sallust, der mit Tiefsinn und
Redefülle Gemälde der zum Untergang neigenden Zeit entwarf, und
durch Cäsar, der mit Klarheit, Einfachheit und Kürze seine eignen
Thaten schrieb. Minder mit dem öffentlichen Leben verwachsen und von
Männern des Staates getragen, beschränkt sich in der Augustischen
Zeit die Literatur fast auf die Dichtung, die als einen Schmuck seiner
Regierung Augustus durch Aufmunterung fördert. Es erscheint nun
altgriechische und alerandrinische Dichtung in römischem Gewände, und
wo eigenthümlich Römisches auftritt, lassen die Dichter entweder durch
Uebereinstimmung mit ihrer Zeit oder durch Gegensatz zu derselben ein
unerfreuliches Licht auf die herrschenden Zustände fallen. Dem Sinne
des Augustus hätte die Pflege des Epos entsprochen, mittelst dessen auch
die Stimmung zu Gunsten der neuen Ordnung befestigt werden konnte.
Doch es fehlte dafür an den nöthigen Grundlagen in Ueberlieferung
und Beispiel, daher Horaz aus Venusta, der in den Jahren 65 — 8
lebte, sich der Zumuthung entzog, und Virgil aus Mantua, der in den
Jahren 70 —19 lebte, derselben mittelst seines Gedichtes von Aeneas'
Niederlassung in Latium, ungeachtet großer Geschicklichkeit, in einer dichte-
risch nicht glücklichen Weise nachkam. Das bedeutendste Werk außerhalb
der Dichtung ist des Livius aus Patavium in glänzender Sprache ge-
schriebene Geschichte, mit welcher die Literatur auf eine würdige Weise
von der Vergangenheit Abschied nimmt.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter]]
Extrahierte Personennamen: Augustus Horaz Cäsar Augustus Augustus
202
Vierte Periode, von 1300—1500.
Vierte Periode, von 1300—1500.
8 25.
Die Zeit des Verfalles der Poesie.
Der Verfall der Poesie, der schon vor dem Beginne dieser Periode
anhob (vgl. § 22), beruhte ans mehreren Gründen:
1. Der Wechsel der Kaiser, die ans verschiedenen Häusern gewählt
wurden, die Rivalität der Fürsten, das Streben der Kaiser und der
Fürsten, nicht das Wohl des ganzen Reiches, sondern nur die persönliche
Hausmacht zu mehren, ertöteten den nationalen Sinn, den Gedanken der
Einheit und Zusammengehörigkeit und vernichteten das Interesse für die
höheren idealen Zwecke der Dichtkunst.
2. Das Rittertum, welches nach der Einführung des Schießpulvers
(um 1350) auch seine kriegerische Bedeutung einbüßte, verlor die frühere
ideale Richtung vollständig und versank in Verwilderung und Roheit, so
daß bei der Machtlosigkeit der Kaiser sich ein Raubrittertum herausbildete,
welches die schrecklichsten Zeiten des Faustrechtes hervorrief.
3. Die Geistlichkeit verfiel mehrfach in Unwissenheit, so daß in
einigen Klöstern, früheren Heimstätten der Bildung und Wissenschaft, die
Mönche nicht mehr zu schreiben verstanden. Mit solcher Unwissenheit
ging nicht selten Hand in Hand eine bedauerliche Zuchtlosigkeit, welche
den Sinn für Hohes und Edles immer mehr schwinden ließ.
4. Vielfache Unglücksfälle, Hungersnot, Erdbeben, Pest (der
sogenannte schwarze Tod) und der verheerende Hussitenkrieg (1419—1436)
drückten und verdüsterten die Gemüter, die einer trüben Lebensanschauung
sich hingaben.
So erstarb die Begeisterung für die alten sagengeschmückten Volks-
helden, so war dahin der Sinn für das Minnelied, dahin die Freude an
einer sinnreichen Didaktik; so fehlten die fürstlichen Hüter und Schirmer
der Dichtkunst, fehlten die Ritter, die in ihrem idealen Streben höfische
Dichtung geübt und auf das höchste geschätzt hatten. Die auf den neu-
gegründeten Universitäten (Prag 1348, Wien 1365, Heidelberg 1387,
Köln 1388 u. s. w.) behandelte Wissenschaft blieb als Wissenschaft der
Gelehrten, zumal sie in lateinischer Sprache behandelt wurde, ohne Ein-
fluß auf das Volk und konnte nach ihrer ganzen Richtung eher die
Prosa als die Poesie fördern.
Freilich hört die Dichtkunst nicht völlig auf, aber Dichter, Stoffe
und Behandlung werden andere. Statt der „Herren" treten ein die
„Meister", statt der poetischen Stosse der Vorperiode unpoetische Gegen-
stände des Alltagslebens oder Abschnitte aus der Bibel, statt der früheren
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
§ 25. Die Zeit des Verfalles der Poesie.
203
mit der Vielseitigkeit und dem Glanze des Inhaltes sich deckenden Form ein-
sei t i g e H e r v o r k e h r u n g einer oft ü b e r k ü n stl i ch e n Form, die hohl
und leer eine meist plumpe Sprache umschließt, da die in derllüteperiode
zurückgedrängten Dialekte nun wieder mehr und mehr sich geltend machen.
In den Städten hatte sich teils infolge eigener Betriebsamkeit, teils
infolge des durch die Kreuzzüge entwickelten großartigen Handels ein
wohlhabender, mächtiger Bürgerstand gebildet, der im heiteren Genuß
seiner Kräfte sich der Dichtkunst befleißigte. Da aber sein Sinn vor-
zugsweise aus das Praktische, das Materielle gerichtet war, so konnte,
zumal bei der geringen Bildung der Bürger, auch nur das enge Gebiet
der alltäglichen Wirklichkeit oder Stücke aus der Bibel Gegenstand ihrer
Dichtung sein, den die meistens mühsame Künstelei der Form nicht zu
heben vermochte.
So fehlte zunächst der Stoff für ein Volköesios, und das, was auf
dem Gebiete des eigentlichen Epos geleistet wurde, war lediglich eine
geistlose Überarbeitung der alten Heldengedichte (z. B. das Heldenbuch
des Kaspar von der Noen um 1472). Nur finden wir eine Anzahl
epischer, meist historischer Volkslieder, in denen frische Natürlich-
keit, wirklich poetischer Geist sich erhalten hat, so außer mehreren balladeu-
mäßigeu Dichtungen namentlich die Lieder, welche auf die glänzenden
bei Sempach (18863, bei Granson und Murten (1476) erfochtenen Siege
gedichtet wurden.
Auch das Tierepos erfreute sich einer Bearbeitung, und zwar einer
niederdeutschen. Der ersten deutschen Bearbeitung der Tiersage durch
Heinrich den Glich esäre (§ 12) war um 1250 durch Willem de Matoc
eine vlämische Bearbeitung nach französischem Vorbilde unter dem Titel:
Ueinaert gefolgt. Dieses vorzügliche Werk ward im vierzehnten Jahr-
hundert von einem geringeren Dichter fortgesetzt und im fünfzehnten durch
Hinrik von Alkmar einer Umarbeitung unterzogen, welche gegen Ende
desselben Jahrhunderts ein Unbekannter in das Niederdeutsche übertrug
unter dem Titel: Oleinke de Vos (Reineke Fuchs), gedruckt zu Lübeck
1498. Nach diesem Buche, welches durch seine satirischen Nebeubeziehuugeu
auf kirchliche und politische Verhältnisse bedeutsam ist und als ein treuer
L-piegel der Verhältnisse des sinkenden Reiches bezeichnet rverden kaun,
dichtete Goethe 1794 seinen „Reineke Fuchs" in Hexametern.
Ebenso fehlte es bei der nüchternen Lebensauffassung der Handiverker,
bei dem praktisch materiellen Streben derselben und bei denr geringen Maß
ihrer gelehrten Bildung an denr richtigen Stoff und an dem nötigen Schwung
für die Lyrik. Daher konnte sich wohl der sogenannte Meistergesang, aber
keine wahre lyrische Dichtung entwickeln. Die Kunst der Meistersänger
beschäftigte sich vorzugsweise mit der Heiligen Schrift, mit heiligen Gegen-
Georg-Eckert-Institut
für internationale
Schulbuchforschung
Braunschweig
-Schuibuchbibiiothek -
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Granson Heinrich Heinrich Willem_de_Matoc Reineke_Fuchs Goethe
682
Europa —
Italien.
Palestrina, doch später traten ihre Meister weit hinter die Deutschen Händel, Bach,
Gluck, Mozart, Haydn und Beethoven zurück. Daß auch die dramatische, besonders
tragische Poesie in jener freiheits- und vaterlandslosen Zeit keine Ermunterung finden
konnte, begreift sich — die Nation wandte sich dafür dem sinnlichen Opernpomp zu.
Das letzte halbe Jahrhundert hat indes bewiesen, daß in einem politisch herabge-
konimeuen Volke noch ein Kern vorhanden sein kann, der unter günstigen Umständen
wieder wachsen und einen lebensvollen Schoß aus dem erstorbenen Stamme hervorzu-
treiben vermag. Die Revolutionskriege seit 1792, das Schalten der erobernden Fran-
zosen in Errichtung und wechselnder Umänderung neuer Staaten, Einführung neuer
Einrichtungen und Gesetze, der gezwungene Antheil an Napoleons Heerzügen n. s. w.
hatten die Italiener aus ihrer politischen Apathie aufgerüttelt; ausländische, früher ver-
botene Schriften waren in Umlauf gekommen, kriegerisches Wesen war geweckt, und der
Titel König von Italien, welchen Napoleon sich beigelegt, hatte einen Klang, der
dem Ohre der Italiener wohl that. Wenn man dies alles sich vergegenwärtigt, be-
greift man, wie wenig die Herstellung des Alten durch die im Jahr 1815 wieder auf
den Thron gekommenen Regenten die Nation befriedigen konnte. Sie kamen haßer-
füllt gegen die neuen Ansichten, welche unstreitig Wurzel gefaßt hätten. Ihre Regie-
rungsknnst war also von Argwohn durchdrungen, sie stützte sich auf gesteigerte Polizei-
gewalt, auf die schnell wieder herbeigerufenen Jesuiten, auf Verfolgung alles gefähr-
lich Scheinenden in Schriften und Reden, im Nothsall auf österreichische Hilfe. Diese
war ihnen zugesagt, wogegen sie sich verbindlich gemacht, niemals auf eine Repräfen-
tativ-Verfaffnng einzugehen. Gerade darnach aber, nach politischen Freiheiten,
sowie nach nationaler Vereinigung, strebte der nur einigermaßen denkende Theil
der Italiener und fühlte sich immer mehr in einem Gegensatze zu den Regenten, die
sich um so inniger an Oesterreich lehnten und diesem den gewünschten Vortheil ge-
währten, neben seinem Einflüsse in Deutschland 'ein völliges Protektorat über
Italien zu besitzen. Der Gegensatz zeigte sich bald als politische Gährung, als Kund-
werden geheimer Verbindungen, die über das ganze Land sich verzweigten, und in poe-
tischen wie prosaischen Werken, die bei aller Vorsicht im Ansdrnck doch demokratisches
Leben athmeten, und ihres innern Feners wegen zugleich einen neuen Aufschwung der
erschlafften Nationalliteratur andeuteten. Hugo Foscolo, Silvio Pellico (der
seine fromme Vaterlandsliebe auf der mährischen Beste Spielberg abbüßen mußte),
Niccolini, Leoparde; ferner General Coletta, Gioberti, Gnerazzi; Mazzini.
Praktische Männer und Schwärmer, geistig Unzufriedene und materiell Verletzte arbeite-
ten einander in die Hände. Es kam zu Verschwörungen und heftigen Versuchen, ein
konstitutionelles öffentliches Leben, das ans gesetzlichem Wege nicht zu erhalten war, ge-
waltsam zu erzwiugen; doch war der Ansgang mehrerer^ solcher Versuche ein trauriger,
sie wurden mit Hilfe des Auslandes (Oesterreichs u. Frankreichs)niedergeschlagen und dienten
fast nur dazu, manche vorzügliche Köpfe und Charaktere in die Kerker und aufs Schaffst
zu bringen oder zur Flucht ins Auslaud zu nöthigen. Statt aber nun die Ursachen
solcher Erscheinungen zu heben, verstärkte man sie durch verdoppelte Strenge und höchst
unweise Maßregeln, Gab doch der sardinische König Felix im Jahr 1825 ein Edikt,
dem zufolge niemand sollte lesen und schreiben lernen, der nicht 1500 Francs besäße,
und niemand stndiren , der nicht die gleiche Summe als jährliche Reute bezöge — ein
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien]]
TM Hauptwörter (200): [T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art]]
Extrahierte Personennamen: Gluck Mozart Napoleons Napoleon Hugo_Foscolo Silvio_Pellico Coletta Mazzini Felix
Extrahierte Ortsnamen: Europa Italien Palestrina Napoleons_Heerzügen Italien Oesterreich Deutschland Italien Niccolini Oesterreichs Frankreichs
Deutsches Reich — Geschichtlicher Ueberblick. ^ 787
So stand wahrlich Deutschland am Ende des 17. Jahrh. in mancher
Hinsicht tiefer als im Beginn des 13., jedoch nur vorübergehend, nur er-
schöpft durch langen innern Streit und durch die zerstückelte Staatsform.
Der Kern des Volkes war noch tüchtig, noch ungeschwächt. Die bösen
Früchte des im 16. Fahrhundert begonnenen Kampfes hatte man geerntet;
die guten, nämttch die Entfesselung des Geistes und'die Wiederbelebung
des Nationalgefühls, waren erst noch zu ernten. Sobald das Schwert des
kirchlichen und politischen Zwiespaltes wirklich im Ernst beiseite gelegt war,
konnte man die Idee, worüber gekämpft worden, ruhiger betrachten und von
dem gewonnenen Rechte freier Forschung Gebrauch machen. Dies war dem
18. Jahrhundert aufbehalten; schon in dessen Beginne kam der deutsche
Name durch einzelne vorzügliche Köpfe (Leibnitz und Wolf als Philosophen,
Mosheim als Theolog, Maseov als Beleuchter altdeutscher Geschichte, und
selbst durch außerordentliche Tonkünstler wie Händel und Seb. Bach) zu
neuen Ehren. Sehr viel trug Preußens bestverleumdeter König Fried-
rich Ii. (1740—1786) dazu bei. Was er, obwohl die srauzösische Literatur
vorziehend, dennoch bloß durch sein Dasein sür die deutsche gethan hat, ist
nie genug zu schätzen. In ihm besaß der Deutsche zum erstenmal seit Jahr-
Hunderten wieder einen von aller Welt gefeierten einheimischen Monarchen;
selbst der Franzose Flenry mußte ihm gegenüber bekennen: Ihr seid der
Schiedsrichter von Europa. Des Königs eigne Achtung vor der Freiheit
des Denkens regte die Denker auf, feine Heldenthaten weckten das Vater-
landsgefühl und beflügelten Ideen und Sprache. Mit kritischer Unter-
suchung verband sich neue dichterische Lust, und rasch öffnete sich die jetzige
deutsche Literatur, worin Kleist, Gleim, Gellert, Klopstock, Winkelmann u. a.
vorangingen. In Sachsen und Preußen, überhaupt im größten Theile des
überwiegend protestantischen Nord-und Mitteldeutschlands, in Süddeutschland
in Würtemberg u. s. w., in mehreren freien Städten und Universitäten,
zeigte sich der neue Umschwung der Gedanken und Ansichten, und wirkte so
kräftig, daß auch die andere Hälfte des Reiches davon ergriffen wurde, und
die geistige Aufklärung es war, die endlich die fo lange entzweiten
Brüder Eines Volkes, Einer Sprache wieder mit einander be-
freundete. Der Friede von 1763—1792 war das begünstigende milde Wetter,
worin der Baum des Lebens aufschoß. Als 1773 der Jesuitenorden auf-
gehoben wurde, als Kaiser Joseph ein Toleranzedikt gab, als auch geist-
liche Fürsten, z. B. die Freiherrn von Erthal (der eine als Bischof von
Würzburg, der andere als Erzbischos von Mainz) ihre Universitäten ver-
besserten, da konnte das Licht neuer Forschungen selbst nach Altbaiern und
Oesterreich dringen. Ueberall wirkten die Begriffe von Duldung und Huma-
nität, während die Fülle der unsrer Nation innewohnenden Geisteskräfte
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Ernst Leibnitz Wolf Gellert Klopstock Winkelmann Joseph
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Mosheim Europa Gleim Sachsen Nord-und_Mitteldeutschlands Süddeutschland Würtemberg Mainz Oesterreich
Europa —
Frankreich.
747
witzige Pointen, ja Racines geschmackvolles Pathos, Voltaires Ironie, Molieres Komik,
Lafontaines zierliche Naivetät sind in ihrer Art unübertrefflich, und neben diesen älteren
hat wohl keiner dem französischen Nationalcharakter so völlig entsprochen als der heitre
Liederdichter Beranger. Allein das Gebiet der Poesie ist weiter und reicht höher hinauf;
mit den großen Dramatikern und Lyrikern Englands und Deutschlands wird kein
Franzos sich messen dürfen.*) Der Sprache schon geht zu Vieles ab, um recht poetisch
zu sein; sie ist, was französische Kritiker selbst eingestehen, phrasenhaft und für die Prosa
gemacht. Unter der Menge ihrer prosaischen Schriftsteller sind denn anch viele bedeutend
und — merkwürdig genug — in diesem Jahrhundert mehr als in dem vorange-
gangenen. **)
Die Franzosen sind eigentliche Weltkinder, sie wollen aber Weltherrn sein. Wir
sind das civilisirteste Volk'der Erde,***) sagen sie, wir sind die grande nation. Und
die grande nation möchte alle Völker nach sich umformen, sie macht nicht nur neue
Moden und neue Redensarten, sondern seit der großen Revolution namentlich auch neue
Verfassungen, bald monarchische mit und ohne veto, völlig demokratische bis znr Pöbel-
Herrschaft, dann wieder in entgegengesetzter Richtung: Direktorien, Consnlgewalt, vollendete
Despotie:c., und als die Julitage sie mit einem konstitutionellen Bürgerkönig beschenkt
hatten, waren sie nicht einmal einig darüber, ob dies Glück auch ein Glück sei; sie
träumten aufs neue von Republik, und als ihnen diese über Nacht zufiel, wußten sie
nicht, was damit anfangen. Ohne Zweifel hat Frankreich während der 30 Jahre von
der Revolution an der Menschheit ungeheure Dienste durch Werke der Zerstörung geleistet;
aber hiemit und mit dem Code Napoleon ist Frankreichs politischer Werth zu Ende,
der wahrhaft fchöpferische Genius fehlt ihm auch auf diesem Gebiete. In dem Werke
der Rekonstruktion, im Aufrichten einer bessern Ordnung der Ideen hat es keinen Bei-
stand geleistet, sondern sich sogar als Hindernis erwiesen. Der moderne Cäsarismns
ist ein französisches Gewächs und er wäre nicht möglich gewesen, wenn die Franzosen
nicht reif dafür gewesen wären. Zweimal in nnserm Jahrhundert haben sie alle die
reichen Hilfsquellen ihres gesegneten Landes, die absolute Verfügung über ihr Heer, ihren
Schatz und über ihr ganzes Erziehungssystem in die Hände fremder (corsischer) militäri-
scher Abenteurer gelegt, ohne diesen eine andere Bedingung aufzuerlegen als die, dann
und wann einen Streit mit einem andern Lande anzufangen und dabei nie den kürzeren
zu ziehen. Und doch treten die Franzosen, ungleich den Engländern, die an der Ehre,
freie Britten zu heißen, sich genügen, so gern als politische Proselitenmacher anf. Wehe
*) Voltaire, „der (wie Göthe sagt) „höchste unter den Franzosen denkbare
Schriftsteller", nennt seine Landsleute das am wenigsten poetische Volk in Enropa, und
Rousseau erklärt die Sprache und das Naturell der Franzosen für unmusikalisch.
**) Sehr streng urtheilt das englische Weltblatt Tim es über den Werth der gegen-
wärtigen französischen Literatur: „Der intelligente Einfluß, den die französische Schule
auf den Geist unserer Zeit ausüben kann, ist unendlich klein; es gibt in Frankreich
eigentlich keine denkende Klasse und die Folge davon ist, daß das Volk, welches einst
für seine Ideen so berühmt war, jetzt überhaupt gar keine mehr hat. Nichts fällt mehr
auf, als die vollständige Abwesenheit aller Originalität in den Zeitungen und ^>er Mangel
von lesbarer neuerer Literatur in den Bibliotheken. Frankreich scheint dazu bestimmt
zu sein, als Bleigewicht an dem intellektuellen und religiösen Fort-
schritt des Zeitalters zu hängen" (Sept. 1872).
***) S. unten Volksbildung!
48*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans]]
Extrahierte Personennamen: Molieres_Komik Beranger Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Europa Frankreich Voltaires Lafontaines Englands Deutschlands Frankreich Frankreichs Enropa Frankreich Frankreich