Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
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verloren aber ihr Ansehen in der Volksgemeinde, da sie nun zu den Liten oder Hörigen gezählt wurden. Auch das Wergeld für solche Leute sank auf die Hälfte des Betrages für einen Freien herab (100 Solidi).
Neben oder doch nicht viel unter den Hörigen standen die Knechte.
Sie dienten als Handwerker und landwirtschaftliche Arbeiter auf dem Hofe eines reichen Freien, genossen oft wegen treuer Dienste eine freundliche Behandlung, konnten indes auch wie das Vieh verkauft werden.
Alle Freien, sowohl die reichen als auch die ärmeren, waren zum Kriegs-Heerdienste verpflichtet (Heerbann). Viele entzogen sich indes dieser Pflicht, indem sie in das Gefolge eines großen Vasallen eintraten.
Dieser pflegte besser für seine Leute zu sorgen, als sie selbst es konnten, wenn's zum Kriege kam (Waffen, Nahrungsmittel, Schutz). Daher tritt der Heerbann mehr und mehr gegen das Heer zurück, das der König aus den Gefolgsmannfchaften seiner großen Lehnsleute bildet. Häufig führte ein vornehmer Beamter im Aufträge des Herrschers
den Oberbefehl, unter ihm standen Herzöge und Grafen. Die Haupt-stärke des Heeres bildete immer das Fußvolk, letzteres roar nach uralter Weise so geordnet, daß die Dorfgemeinfchaften wie früher die Sippschaften (Verwandten) zusammenstanden und so die Abteilungen bildeten. Als Angriffswaffen dienten das Beil (Streitaxt), der kurze an der Spitze mit Widerhaken versehene Speer, ein messerartiges kurzes Schwert und die Wurfkeule. Schutzwaffen waren der Helm, die aus Eisenringen geflochtene Brünne, Beinschienen und Schilde. Einen Panzer hatten die wenigsten, viele nicht einmal Helm und Bein-
schienen. An der Spitze der Krieger schritt der Bannerträger. Das Heer lagerte unter Zelten, um das ganze Lager zog sich ein Ring, der durch die Gepäckwagen gebildet wurde. Die Schlachtaufstellung bildete die Form eines großen Dreiecks.
Die große Mehrheit des Frankenvolkes führte das Leben der
Bauern. Das Gehöft wurde von einem Holzgatter umschlossen. Das^^ns-Hauptgebäude, der hölzerne Saalbau, stand abgesondert von den Wirt- roei?e-schastsgebäuden. In vornehmen Häusern verdeckte man Fenster und Wände mit Teppichen; um den Tisch (Beute genannt) standen mit Decken belegte Bänke, über den Tisch ward ein Laken gebreitet. Vor dem Essen, das in Schüsseln ans Edelmetall und Holz aufgetragen wurde, mußten die Hände gewaschen werden, da man mit denselben die Speise zum Munde führte, flüssige Speisen schöpfte man mit ausgehöhlten Brotstücken aus der Schüssel. Gabeln kannte man damals
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3m Gegensatze zu der Erziehung der Knaben erteilte man dem Mädchen Unterricht im Schreiben und Lesen, einige Mädchen haben sogar Sprachen gelernt (Französisch. Latein). Auch in der Musik mußten sich die Mädchen üben: zum Saitenspiel (Leier. Harfe. Fiedel) ertönte meist Gesang. Das Ziel der weiblichen Erziehung war echte, wahre Weiblichkeit, Gottesfurcht, Tugend, Schamhaftigkeit und Bescheidenheit (die,Maße). (Vergl. die Winsbeckin, Nibelungen, Gudrun.)
Städte. Zugleich mit dem Stande der Witter bildete sich derjenige der Bürger aus. Die St’eime der Entwicklung der Städte waren zum Teil von den Römern, zum Teil von den großen Herrschern aus dem karolingischen und dem sächsischen Hause gelegt worden. Sie wuchsen fröhlich empor, ohne sich einer besondern Beachtung von seiten der überwiegenden Zahl der Landbewohner zu erfreuen, bis die große Empörung der Fürsten und Geistlichen gegen Heinrich Iv. die Bedeutung der Städte ins rechte Licht rückte. Die Ausbildung des Lehnswesenv hatte aus dem Lande vielfach ganz neue Beziehungen zwischen Herrschenden und Beherrschten hervorgerufen; der König war dem Volke ferner gerückt, er thronte als Spitze des Lehnverhält-nisses über den Unterthanen, die nur mittelbar noch seine Herrscherthätigkeit empfanden. Die Zahl der Freien verminderte sich mit großer 'Schnelligkeit, da die Neigung, den Schutz eines Mächtigen durch Über-tragung des Besitztums an diesen zu erwerben, immer stärker ward. Innerhalb des Ringes aber, der die abhängigen Leute umschloß, gab es wieder eine Menge Stufen, die vom besitzlosen Knechte bis zum Fürsten hinaufführten und in den Bezeichnungen der verschiedenen Gerichte ihren treuen Spiegel fanden. Dieser Zersplitterung treten die 'Städte mit ihrem Streben nach Vereinigung aller Bürger unter eine allen zugängliche und nahestehende Obrigkeit gegenüber. Die Unter-schiebe vor dem Gesetze schwinden allmählich, dasselbe Gericht urteilt über den angesehensten wie über den geringsten Bürger ab. So sind auch alle Bewohner der Stadt ohne Ausnahme zur Verteidigung derselben verpflichtet, und jeder einzelne hat feinen Teil an Steuern zu tragen.
Im Gegensatz zum Lande, das sich einzig und allein mit dem Ackerbau beschäftigt, werden die Städte zu Mittelpunkten der gewerblichen Thätigkeit und des Handels. Bei der Entwicklung dieses Zweiges wirtschaftlichen Fleißes macht sich zuerst die städtische Gerichtsbarkeit geltend, die allmählich auch die übrigen Gebiete der mensch-
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geändert. Wie früher baute man erst Winter-, dann im folgenden Jahre Sommersrucht und ließ im dritten Jahre das Feld brach liegen (Dreifelderwirtschaft). Das Pflügen besorgte man mit Hilfe der Ochsen, zum Mähen bediente man sich der Sensen. Wiesen wurden meistens nur einmal gemäht und dienten dann dem Vieh zur Weide. Die Hauptfrüchte waren Weizen und Roggen, Gerste und Hafer, Gemüse, Hülsenfrüchte und Flachs. Um Acker- und Gartenbau machten sich einige Orden verdient, namentlich die Cistercienser und Prämonstra-tenser, aber auch manche Burgherren legten einen Ziergarten und Baumgänge an. Allmählich steigerte sich die Nachfrage nach den Erzeugnissen der Ackerwirtschaft und des Gartenbaues. In den Städten wuchs die Gewerbethätigkeit, Handel und Verkehr entzogen die Bürger der bis dahin betriebenen Landwirtschaft immer mehr und zwangen sie dadurch, von den Bauern zu kaufen, was sie brauchten. Hierdurch wurden letztere veranlaßt, ihrer Arbeit mehr Aufmerksamkeit und größeren Fleiß zu widmen, um reichlichere und bessere Erzeugnisse des Bodens liefern zu können. Die Viehzucht blühte auf, die Pferdezucht gewann durch den Reiterdienst, die Schafzucht stieg infolge des Wollengewerbes in den Städten, die Bienenzucht lieferte den Klöstern und Kirchen Wachs zu Kerzen, der Honig wurde als Würze der Speisen und Getränke statt des später hergestellten Zuckers verwendet, auch diente er zur Bereitung des Met. Die vielen Fasttage, welche die Kirche vorschrieb, zwangen zum Betriebe der Fischzucht und des Fischfanges. Die immer zahlreicher werdenden Bierbrauereien förderten den Anbau von Hopsen und Gerste. Nach und nach waren auch die Preise gestiegen. „So kostete ein Huhn im zehnten Jahrhundert noch i/2 Pf. — 18 im elften schon 1 Pf. — 36 Denselben Preis
hatte eine Mandel Eier, das Doppelte und Dreifache eine Gans. Ein fettes Schwein kostete 20—24 Pf. — 7—8,40 Ji nach unserm Gelde, ein Schaf 10 Pf. — 3,50 Ji“ Daß auch der Weinbau weit verbreitet war, ist an anderer Stelle bereits ausgeführt worden. „Umfänglichere Weinberge gab es namentlich bei den größeren geistlichen Stiftungen; sie wurden durch Hörige bestellt, die außerdem von ihrem eigenen kleinen Besitztum ihren Herren einen Weinzehent abliefern mußten."
Großen Nutzen gewährten die ungeheuren Waldungen, die allerdings eifrig gelichtet wurden, wodurch ein Steigen der Holzpreise entstand. Auf den Waldblößen herrschaftlicher Forsten durften die
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Wie Karl dafür gesorgt hatte, daß Pergament und mit Wachs überzogene Holztafeln hergestellt wurden, auf denen er dann die Handschriften der Alten, nach den besten Texten sorgfältig verbessert, mit der Rohrfeder oder mit dem Griffel abschreiben und im Lande verbreiten ließ; wie er die Kalligraphie und die Ausschmückung der Bücher förderte (Schriftzeichen in Gold- oder Silberfarbe auf Purpurgrund — kostbare Einbanddecken), so waren ihm auch in der Baukunst die Alten Vorbilder: italienische Baumeister errichteten die Bauwerke nach römischen Mustern, und Karl ließ römische Säulen und Ornamente, Kapitale und Zierarten von Italien nach Deutschland schaffen oder zur Nachahmung abformen. Vor seinem Palaste in Aachen ließ er das eherne Reiterstandbild des Ostgotenkönigs Theodorich ausstellen, das aus Ravenna hergeschafft war. Ebenso wurden die heißen Quellen in dieser Lieblingsstadt des Kaisers mit Marmor eingefaßt und mit Sitzen für die Badenden versehen. Einhard erzählt, daß Karl auch silberne Tische mit den Bildern von Rom und von Konstantinopel besessen habe. Ermaldus Nigellus berichtet von den Gemälden in dem auf hundert Säulen ruhenden Palaste zu Ingelheim, welche die Thaten Karls und seiner Vorfahren, sowie Scenen aus der römischen und griechischen Geschichte darstellten. Der Dom zu Aachen war nach dem Muster der Kirche San Vitale in Ravenna gebaut und bildete ein Achteck. Ein Jahr vor dem Tode des Kaisers brannte die große hölzerne Brücke bei Mainz ab, deren Bau 10 Jahre gedauert hatte. Ihre Herstellung in Stein erlebte der Kaiser nicht mehr.
Höher als Kunst und Wissenschaft aber stand dem Könige die sittliche Bildung seines Volkes. Wie in allen andern Dingen ging er demselben auch hier als Muster voran. Gastlichkeit gegen Fremde, diese uralte deutsche Tugend, übte er selbst in so hohem Maße, daß sein Hof beständig von Fremden überlaufen wurde. Er war ein entschiedener Feind der Trunksucht und des Aberglaubens, der besonders mit Briefen getrieben wurde, von denen man sagte, sie seien vom Himmel gefallen, verbot die Verehrung der Heiligen, Totenopfer, Weissagung, Zauberei, Wettermachen u. s. w.
So wirkte er als König und Landesvater in einer Weise, die fajlr§ alles umfaßte und durchdrang und mit einer Kraft, der nichts 1“^“, widerstehen konnte. Der königliche Geist wohnte in einem mächtigen nun8* Körper, fähig, jede Beschwerde zu ertragen, jede Anstrengung zu leisten, selten durch Krankheit erschüttert und bis ins hohe Alter schön.
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Seite der unter seinen Kardinälen thronende Papst einem Mönch die Ablaßbulle übergiebt, deren Wirkung dann im Vordergründe durch das Herandrängen des Volkes zum Ablaßhandel veranschaulicht wird. Das großartigste aller Holzschnittwerke Holbeins aber sind die 1538 in Lyon erschienenen Totentanzbilder. „Das alte Thema, welches die Allgewalt des Todes über vornehm und gering, Jugend und Alter behandelt, ist durch Holbein hier mit einer nie wieder erreichten Schärfe und Kühnheit vernichtender Satire ausgeführt worden. Mitten in der Lust des Lebens, in der Vollkraft der Jahre, in der Arbeit des Tages, in dem Glanz und Prunk des Reichtums und dem Stolz der Herrschaft packt der dämonische Würger die Menschen an, um sie gewaltsam in seinen unheimlichen Reigen hinabzureißen. Nie ist dieses grausige Thema erschütternder, tiefsinniger behandelt worden." Den Abschluß seiner Thätigkeit während seines ersten Aufenthalts in Bafel bezeichnet das berühmte Madonnenbild, welches er im Aufträge des Bürgermeisters Jakob Maier in Basel ausführte und das sich jetzt im Museum zu Darmstadt befindet.
Da eine in Basel auskommende schroffe Richtung der Reformation den Künstlern feindlich war, so ging Holbein im Jahre 1526, mit Empfehlungsschreiben des Erasmus an Thomas More, den berühmten Gelehrten und bald nachher mächtigen Staatsmann, nach England. Dort wurde er sehr freundlich aufgenommen und trat mit den bedeutendsten Männern der hohen Geistlichkeit, des Hofes und des Adels in Verkehr. Nachdem er den Kanzler More und dessen Familie gemalt hatte, erhielt er Aufträge über Aufträge, die er in so vollendeter Weise ausführte, daß er die größte Ehre und reichen Gewinn davon hatte. Das Bildnis eines englischen Aristokraten trug ihm hohem Lohn ein, als die größte monumentale Malerei daheim im Vaterlande. Als er daher im Sommer 1528 zum Besuche seiner Familie nach Basel kam, konnte er in der Johannesvorstadt für 300 Gulden ein Haus kaufen. In dieser Zeit ist wohl auch das Bild entstanden, welches seine Frau mit den beiden Kindern darstellt, ebenso ein Porträt des Erasmus und ein kleines Rundbild Melanchthons (Museum in Hannover). 1530 empfing der Künstler den Auftrag, die unterbrochene Ausmalung des Rathauses zu vollenden. Statt der klassischen Stoffe, die früher beliebt waren, wurden jetzt, nach Einführung der Reformation, Bilder aus dem alten Testamente vorgeschrieben. Infolgedessen malte Holbein den Rehabeam, der nach dem Rate der Jungen, die mit ihm
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verwendet, so daß mit noch einigen andern Kleinodien dieser Teil der Ausstattung nicht weniger als 14633 Mark betrug."
In solchen Fällen bediente der Landesherr sich des Rechts, seine Landstände um Beihilfe bitten zu dürfen. Er wandte sich unter Darlegung des Zweckes mit einer Vorlage an die drei großen Körperschaften, die in jedem Fürstentums als die natürlichen Vormünder der Unterthanen erschienen, an Ritterschaft, Städte und Geistlichkeit. Jede Körperschaft beriet den Vorschlag des Fürsten für sich und teilte das Ergebnis den andern beiden mit. Erfolgte einstimmige Annahme der Bitte, so wurde mindestens die Bedingung daran geknüpft, daß der Landesherr ausdrücklich erkläre, solche Beihilfe, bestand diese nun in barem Gelde, oder nahm sie die Form einer Steuer an, die vom Lande aufgebracht werden sollte, sei aus gutem Willen und nicht aus Zwang gewährt worden. Keih Landesherr besaß nämlich das Recht, Steuern zu fordern. Er war lediglich auf die Erträge aus seinen Gütern, Gerichtskosten, Geschenke, Tribute und Steuern unfreier oder nicht germanischer Leute, z. B. der Juden seines Landes, angewiesen. Jeder Germane betrachtete es als ein Zeichen der Unfreiheit, wenn er gegen feinen Willen mit Steuern belastet wurde.
Aus dem oben Gesagten ergiebt sich, daß die Geldforderungen der Fürsten meistens nur deren persönliche Angelegenheiten betrafen, erst im Laufe der Zeit trat der Staat an die Stelle des Fürsten, obgleich es auch im Mittelalter schon vorkam, daß nicht zunächst das Interesse des Landesherrn, sondern das des Staates bei der Bewilligung von Steuern ausschlaggebend wurde.
Die bewilligte Forderung hieß „Bede", das Recht, sie zu stellen, das „Bederecht". Dieses Recht wurde sehr oft mißbraucht, namentlich von den landesherrlichen Vögten, die ihre Forderungen ins Ungemessene steigerten. Gegen solche Bedrückungen erschienen kaiserliche Verordnungen, aber ihre Wirkung war eine zweifelhafte, da die Kaiser das, was sie in ihrer Eigenschaft als Oberhaupt des Reiches zu beschränken suchten, in ihren eigenen Territorien (Besitzungen) rücksichtslos selber ausüben ließen. Die Landstände griffen daher zu einem andern Mittel, die fürstlichen Beden weniger drückend zu machen: sie forderten bestimmte Gegenleistungen. Zunächst verlangten sie, daß die zu bewilligende Summe nur für den genannten Zweck und nicht für einen andern benutzt werde. Oder sie ließen sich selber die bewilligte Steuer auszahlen und deckten dann die Ausgaben Des Fürsten (Schulden, Aussteuer, Löse-
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wurden angesteckt und wieder abgelöst." Der preußische höhere Beamtenstand trug nach dem Vorbilde seines Königs „Vorsteckärmel", auch wohl „Schürzen"; es gab Räte und Rentmeister, welche sich, wenn sie auf ihrem Dienstlokale erschienen, die Schuhe auszogen und Pantoffeln anlegten, statt der Perücke eine weiße Mütze aufsetzten und also angethan einen Vers oder einen Gesang aus dem Porstschen Gesangbuche lasen, ehe sie ihre Arbeit begannen.
Still, tüchtig, ehrenhaft, — das ist der Charakter dieser trefflichen Generationen bis etwa 1750! Es ist ein schönes, unvergängliches Erbe, welches sie uns hinterlassen haben: das schlichte, bürgerliche Haus, in welchem die Ehrbarkeit wohnt, die Gottesfurcht und die Treue! Sie mögen uns freilich sehr prosaisch erschienen sein, diese Männer der Zopfzeit, und auch die Frauen glichen ihnen sehr; dieselben waren einfach, treu, fest, wahr und fromm.
So war nach trüber Zeit den deutschen Bürgern ein neues Leben ausgegangen, ein Leben, das der Schönheit eigentlich blutwenig, aber des Gehaltes um fo mehr besaß! Es ist bezeichnend: gerade die monarchischen Staaten hatten durch die straffe Zucht ihres Beamtentums dies Bürgertum gehegt und gepflegt. In den deutschen Republiken, in den Reichsstädten, war das alles anders. Hier hatten alle jene Jämmerlichkeiten sich eingenistet, welche wir aus unserer satirischen Litteratur genugsam kennen. Wir erinnern nur an Jean Pauls „Armen-Advokaten Siebenkäs", an seine Schilderung „des Heiligen Römischen Reiches Marktflecken Knhschnappel", an das Bild des „Heimlichers" und des „Venners". Aber auch hier lebte noch ein schlichtes, treuherziges, zur Hilfe stets bereites sociales Kleinbürgertum; auch hier in den Reichsstädten lebten noch große Männer, welche die Gedanken und die Aufgaben einer neuen Zeit zu erfassen verstanden. Die alte politische Macht war freilich für immer dahin; aber der deutsche Bürger sollte der Träger neuer, hoher Jdeeen werden.
Oskar Schwebe!: Deutsches Bürgertum. Berlin 1883.
Fünfter Abschnitt.
Das geistige Leben des siebzehnten Jahrhunderts.
Politische Knechtung und Bevormundung des Volkes durch die fürstliche Willkür, geistige Knechtung desselben durch die Engherzigkeit der kirchlichen Oberen, Herrschaft der Ausländerei in Sitte, Sprache und
Allge-
meiner
Über-
blick.
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teilen. Es blieb ihm nicht verborgen, wie furchtbar nachteilig die herrschende Sucht, Aufwand zu machen, einem Volke sein mußte, welches soeben nur mit größter Mühe, geleitet von der hohen wirtschaftlichen Weisheit eines Monarchen ohne Gleichen, —. denn das ist Friedrich Wilhelm der Große in Wahrheit, — eine kümmerliche Existenz er-ruugen hatte. So erließ denn Kurfürst Friedrich Iii. unter dem 28. Mai 1696 ein Edikt darüber, „wie es in Kleidungen und Livreen, desgleichen bei Hochzeiten, Kindtaufen und Begräbnissen in der Churmark Brandenburg gehalten werden sollte." Sicherlich ist es volle geschichtliche Wahrheit, was der Eingang dieser Verordnungen ausspricht:
„Wir geben hiermit zu vernehmen, daß der Luxus, die Ueppigkeit und Verschwendung in der Kleiderpracht und Ausrüstung von Gastereien ungeachtet der kümmerlichen Zeiten in dem Lande, insonderheit in diesen unseren Residenzstädten, dermaßen hoch gestiegen, daß man nicht allein des höchsten Gottes Zorn und Strafen, nach denen in seinem heiligen Worte enthaltenen gerechten Bedrohungen zu befürchten gehabt, sondern, daß auch die meisten Familien dadurch verarmen und ruiniret werden, und anstatt etwas beyzulegen, die Eltern ihren Kindern Schulden und Armuth hinterlassen."
Ja, sicherlich, volle, geschichtliche Wahrheit! Es waren die Tage Friedrichs Ul., des nachmaligen Königs Friedrichs I., in welchen die erste Berliner Pfandleihe angelegt werden — mußte. Dieselbe führte deu Namen des „Addreßhauses". Hier durste das Publikuni zu mehrerer Bequemlichkeit seine Habseligkeiten niederlegen, um Geld daraus vorgestreckt zu erhalten. —
Ja, es war trübe Zeit trotz alles Glanzes, aller Pracht, trotz aller äußeren Wohlanständigkeit, trotz aller unaustilgbaren Gottesfurcht! Jede Stadt Deutschlands ähnelt in dieser Epoche bis 1700 mehr oder minder diesem nicht eben schmeichelhaften Bilde, welches wir von der Bürgerschaft des damaligen Berlin haben entwerfen müssen.
Unter dem Eindrücke der verfallenden äußeren und inneren Ordnung hat die geschichtliche Betrachtung jedoch häufig diesen Abschnitt unserer Entwicklung ungünstiger beurteilt, als er es verdient. War doch dies Zeitalter reich an bedeutenden Persönlichkeiten und verdiente mit nichten den Vorwurf völliger Erschlaffung und Thatenarmut. Eine Epoche, die einen Herrscher hervorbrachte wie den Großen Kurfürsten von Brandenburg, Kirchenfesten wie Johann Philipp von Schönborn, Denker wie Leibniz, Soldaten wie Derfflinger war nicht unfruchtbar zu nennen.
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Extrahierte Ortsnamen: Churmark_Brandenburg Gottes Friedrichs Deutschlands Berlin Brandenburg
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eignen Läuterung und Erhebung; sie verlangen nach der „Gerechtigkeit Gottes", die da das Leben des Menschen befreie von den Satzungen der Menschen und es gestalte einzig und allein nach Gottes Gesetz; sie erfüllen sich mit Vorstellungen einer Neugestaltung der menschlichen Gesellschaft nach den Grundsätzen altchristlicher Zeit. So verbinden sich in ihnen demokratisch-kommunistische Jdeeen mit der mystisch-apokalyptischen Idee eines Gottesreiches auf Erden.
Luthers Ruf nach Freiheit des Evangeliums wird gerade von den Bauern begierig aufgenommen; sein Wort von der Freiheit des Christenmenschen findet bei ihnen vielgestaltigen Wiederhall; seine Lehre von dem allgemeinen Priestertum wird von den Bauern ohne weiteres in die Wirklichkeit übertragen, indem viele derselben, lediglich dem inneren Drange folgend, den Ihrigen das Wort Gottes verkünden und deuten. Die Reden der Bauernführer nehmen vielfach eine biblische Färbung an. Die Flugschriften, welche für die Rechte der Bauern eintreten, entnehmen ihre Beweisstücke mit einer gewissen Vorliebe gerade der Bibel. Die Programme der Bauern berufen sich auf Vorschriften und Forderungen der Schrift. Gerade auf Grund der ihnen geläufigen biblischen Anschauungen stellen die Bauern den bäuerlichen Beruf als den notwendigsten und zugleich edelsten auf Erden dar.
Nach und nach nehmen so die rein weltlichen Bestrebungen der Bauern äußerlich und innerlich immer mehr Kirchliches an. Schließlich erscheinen in ihren thatsächlichen Vorschlägen und Anläufen zu Neugestaltungen in Staat und Kirche ihre Ansichten über staatliche und kirchliche Zustände für die Verwirklichung derselben untrennbar voneinander. Damit erweitern sich die Ziele der Bauernbewegung; alle die wichtigen Erscheinungen des Lebens, alle bestimmenden Strömungen des Lebens ziehen sie in ihren Umkreis hinein. Ihre Zielpunkte sind: die Erneuerung des kirchlichen Lebens nach Form und Inhalt, die Umgestaltung der ganz auf den Grundbesitz aufgebauten Gesellschaftsordnung des Mittelalters, der Kampf gegen die Staatsgewalt der Fürsten und gegen die Geldmacht der Städte. Bei der Schroffheit der Gegensätze erscheint eine Ausgleichung unmöglich; bei dem hartnäckigen Festhalten an wirklichem oder vermeintlichem Rechte hüben wie drüben erscheint Nachgiebigkeit ausgeschlossen hier wie dort. So bleibt es kein Ringen der Meinungen und der Geister; es wird ein Ringen der Waffen und der Gewalt.
Gleichwohl ist namentlich von seiten der Bauern auch der ehrlich ernste Versuch gemacht worden, durch das Mittel der Unterhandlungen
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zuräumen mit den bestehenden Übelständen. Auch Adelige gab es unter ihren Hauptleuten. „Und also praktizierten — so heißt es — die drei Hausen in Schwaben, daß fast alle Bauernschaft zu ihnen fiele."
Am 6. März 1525 vereinigten sich die Vertrauensmänner dieser drei Haufen, zusammen fünfzig von den Bauern erwählte Hauptleute, in Memmingen zu gemeinsamer Tagung. Man hatte gerade die freie Reichsstadt Memmingen zum Orte dieses ersten „Bauernparlamentes" gewählt, weil Memmingen sich den Bewegungen, wie sie die Zeit beherrschten, günstig erwiesen. Memmingen hatte bereits die neue Lehre, das Evangelium, wie man zu sagen pflegte, namentlich unter dem Bemühen des Pfarrers Christoph Schappeler in seine Mauern ausgenommen. Auch hatte es den Bauern, die auf dem Grundeigen der Stadt seßhaft waren, erbetene Erleichterung gewährt: so Aufhebung der 'Leibeigenschaft, Milderung des Jagdrechts, Beschränkung der Fronden.
Vom Rate der Stadt Memmingen wurden die Hauptleute der Bauern mit einem Ehrentruuke willkommen geheißen; die Zunftstube der Krämer ward ihnen zur Versammlung eingeräumt. Die Verhandlungen dauerten den ganzen Tag über; sie Verliesen lebhaft, stürmisch, erbittert. Zwei Meinungen vor allem standen einander gegenüber, unversöhnlich und unvereinbar. Ulrich Schmid und mit ihm die Baltringer vertraten die maßvollere Ansicht. Sie sprachen sich dahin aus, man solle allein das erstreben, was Gottes Wort erweise; „seiner Sentenz wollten sie geleben, nachkommen und nicht weiter dringen". Die Umgestaltung der volkswirtschaftlichen Verhältnisse sollte also nach dem bemessen werden, was darüber im Evangelium erkennbar war; auf dem, was das Evangelium darüber aufstellte, sollte bestanden werden; darüber hinaus indes sollte kein Schritt geschehen. Durch Verhandlung und Vertrag sollte dann die begehrte Umgestaltung angebahnt werden. Die Seebauern indes waren anderer Ansicht; sie zogen zunächst auch die aus dem Allgäu aus ihre Seite. Sie trugen, so wird berichtet, an den maßvollen Ansichten des Ulrich Schmid kein Gefallen; „sie vermeinten nichts Besseres, als nun tapfer mit dem Schwerte durchzudringen." Sie rechneten auf Versprechen und Zusage des Herzogs Ulrich von Württemberg, welcher ans seinem Herzogtum vertrieben worden und sich nun den Anschein gab, sich der Bauern anzunehmen; doch nicht der Bauern wegen trat er mit ihnen in Verbindung; er dachte vielmehr ihre Hilse gegen seinen schlimmsten
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