Rudolf von Habsburg.
219
nur Ungarn mit Deutschland, sondern gebot Einhalt auch der französi-
schen Macht im Westen und im Süden, sowie der türkischen im Osten;
es hat Deutschland vielmal gerettet.
Nach seinem Siege über Ottokar stellte Rudolf den Landfrieden mit
Nachdruck her; bei dem Falle der Hohenstaufen hatten die Herren von
Wirtenberg, Baden, Helfenstein, Montfort u. a. von den königlichen Rech-
ten an sich gerissen, so weit sie mit ihren räuberischen Händen zugreifen
konnten; Rudolf verlangte Herausgabe des Geraubten und erzwang sie;
am meisten machte ihm der Graf Eberhard von Wirtenberg zu schaffen,
der ihn auch an der Wiederherstellung des Herzogthums Schwaben, mit
dem Rudolf einen seiner Söhne belehnt hätte, verhinderte. Selbst mit
einigen Städten hatte er zu thun, welche sich keine Reichsvögte gefallen
lassen wollten; zudem war ihnen die Steuer zuwider, die ihnen der
König auflegte; denn da das Reichsgut größtentheils abhanden gekom-
men war und die Fürsten nicht besteuert werden konnten, mußte Rudolf
die Städte, die Kaufleute und den Klerus in Anspruch nehmen, die ihm
auch wirklich am meisten zum Danke verpflichtet waren.
Nach Italien zog Rudolf nicht; er verglich es mit der Löwenhöhle
in der Fabel, bei der wohl viele Fußftapfen hinein, aber wenige heraus
führen, und überließ die Italiener ihren eigenen Kriegen. Ebenso unter-
nahm er auch keinen Kreuzzug, obwohl er ein eben so ritterlicher als
religiöser Herr war; er hatte 1276 den 16. Oktober in Lausanne zwar
das Kreuz genommen, als er dort mit Papst Gregor X., welcher das
Kreuz predigte, zusammen kam, fand es aber doch nothwendiger Ruhe
und Ordnung in Deutschland zu erhalten und dessen Gränzen wiederher-
zustellen. Die Herzoge von Savoien waren besonders mächtig gewor-
den und herrschten bereits vom Genfersee bis über Bern hinunter.
Dreimal zog Rudolf gegen diese neue Macht, brachte die dem Reiche
entfremdeten Städte Laupen, Milden, Peterlingen, Murten an dasselbe
zurück und schützte die Bischöfe von Lausanne und Genf, so wie den im
burgundischen Besannen (Bisanz bei unfern Vorfahren, welche fremde
Namen sich mundrecht machten, wie es jetzt Engländer und Franzosen
thun); nur Bern, das ihn durch Vertreibung der Juden geärgert hatte,
belagerte er vergeblich, brachte es aber doch zur Nachgibigkeit. Unver-
rückten Blickes beobachtete er die Franzosen, denn er durchschaute bereits
ihre Absicht sich auf Kosten Deutschlands zu vergrößern. Deßwegen
hatte er den Plan entworfen, zwischen Frankreich und Deutschland ein
neues Königreich Burgund zu stiften, das er einem seiner Söhne zu
verleihen gedachte, allein ehe er dies ausführen konnte, überraschte den
ächtdeutschen König der Tod.
Auf der Burg von Germersheim saß im Juli 1291 der alte Herr
beim Schach, seinem Lieblingsspiele; sein Angesicht war leichenblaß, und
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Extrahierte Personennamen: Rudolf_von_Habsburg Rudolf Ottokar Ottokar Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Eberhard_von_Wirtenberg Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Gregor_X. Gregor_X. Rudolf Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Wirtenberg Baden Helfenstein Italien Lausanne Deutschland Lausanne Genf Deutschlands Frankreich Deutschland Burgund Germersheim
Johannes Xxiii. und Herzog Friedrich von Oesterreich. 259
Hußen nur Sicherheit auf der Reise zu, und konnte ihn in keinem Falle
dem Urtheile des Koncils und dem Gange der Gesetze entziehen. Glei-
ches Schicksal erlitt am 30. Mai 1416 Hieronymus von Prag, Hußens
Freund, welcher in seinem Widerspruche gegen die Kirche noch weiter
gegangen war und die Strafe durch trotzigen Uebermuth herausgefordert
hatte; denn er hatte widerrufen und den Widerruf zurückgenommen, war
in die Nähe von Konstanz gekommen und hatte das Gericht des Koncils
verlangt, war wieder entflohen und als Gefangener nach Konstanz ge-
liefert worden.
Johannes Xxiii. und Herzog Friedrich von Oesterreich.
Johannes Xxiii. war nur widerstrebend nach Konstanz gegangen,
Gregor Xii. beschickte das Koncil durch einen Kardinallegaten und
dankte alsdann ab, als er auf diese Weise gewissermaßen anerkannter
Papst war, Benedikt Xiii. wurde abgesetzt, als er sich durchaus zum
ehrenhaften Rückzuge nicht verstehen wollte, und Johannes Xxiii. er-
klärte sich wenigstens auf das Andringen des Koncils und des Kaisers
zur Abdankung bereit, obwohl er als Papst war anerkannt worden. Er
schmeichelte sich wohl, man werde ihm um so eher wieder huldigen; als
er aber die Stimmung der Versammlung und des Kaisers (der unauf-
hörlich von ihm Geld entlehnen wollte) gegen sich sah, versuchte er es
durch andere Mittel den päpstlichen Thron zu behaupten. Er verband
sich mit Herzog Friedrich von Oesterreich, der den Kaiser haßte, welcher
seinerseits eifrig bemüht war dem Herzoge Feinde zu erwecken. Johan-
nes Xxiii. besaß viel Gold, Friedrich viele streitbare Männer; die
Großen des Reiches fürchtete Friedrich nicht und mit den Schweizern
hatte er den Frieden auf 50 Jahre verlängert. Abgeredeter Weise ent-
floh der Papst als Reitknecht verkleidet aus der Stadt; auch der Herzog
ritt fort, als ihm das Gelingen der Flucht des Papstes gemeldet wurde,
und nun sollte Deutschland durch die beiden Herren der Schauplatz eines
großen Krieges werden. Doch Kaiser und Koncil blieben fest; es bannte
den Papst, den Herzog und ihre Helfershelfer, und Sigismund that sie
in die Acht. Johann fand nirgends Anhang, auch Friedrich wurde von
den Seinigen verlassen, die österreichischen Vorderlande fielen fast sämmt-
lich in die Gewalt seiner Feinde. In der Schweiz griff Bern zu und riß
die andern Kantone mit sich fort, denn sie wollten nicht alles an Bern
kommen lassen, welchem der Kaiser für einige tausend Gulden den Besitz
alles dessen zugesichert hatte, was es von dem Herzog erobern würde.
So wurde der schöne Aargau, die Wiege des Hauses Habsburg, eine
bernische und eidgenössische Vogtei; denn die Schweizer nahmen schon
keine eroberte Landschaft oder Stadt mehr in ihren Bund auf, sondern
17«
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Extrahierte Personennamen: Johannes_Xxiii Friedrich_von_Oesterreich Friedrich Hußens Johannes_Xxiii Friedrich_von_Oesterreich Friedrich Johannes_Xxiii Gregor_Xii Gregor Benedikt_Xiii Johannes_Xxiii Friedrich_von_Oesterreich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Sigismund Johann Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Prag Konstanz Konstanz Konstanz Deutschland Habsburg
Friedrich Iii. Das Koncil von Basel. Der alte Züricher Krieg. 269
Friedrich Hi- (1440-1493).
Er war Neffe Albrechts und Herzog von Steyermark und Kärnthen;
von Charakter war er sanft und friedlich, ein enthaltsamer, mäßiger Mann,
eine große Seltenheit Ln jener Zeit; aber an Thatkraft und Muth ge-
brach es ihm, vielleicht zu seinem Glücke; er schien bestimmt, viele große
Dinge zu erleben, aber keine zu thun. Das Reich ging unter ihm sei-
nem Zerfalle unaufhaltsam entgegen.
Das Koncil von Basel (1431-1449).
Dasselbe war berufen worden, um die Reformation an Haupt und
Gliedern, welche man zu Konstanz begonnen hatte, fortzusetzen und zu voll-
enden. Die Hauptarbeit desselben, die Versöhnung der Hussiten mit der
Kirche, ist bereits erzählt. Es gerieth bald in Zwiespalt mit Papst
Eugen Iv., indem es sich wirklich gegen den Papst zu eigenmächtig be-
nahm. Er verlegte dasselbe nach Ferrara, dann nach Florenz; aber
viele Abgeordnete des Koncils blieben in Basel, stellten den Grundsatz
abermals auf, daß das Koncil über dem Papste stehe, setzten Eugen Iv.
ab und wählten den alten Herzog Amadeus von Savoyen, der am
Genfersee als Einsiedler lebte, zum Papste als Felix V. Aber Eugen
sprach den Bann über das Koncil, setzte die Erzbischöfe von Mainz und
Trier, dessen thätigste Mitglieder, ab, Nikolaus Kusanus und Aeneas
Sylvins, die talentvollsten Männer der Versammlung, traten von dem-
selben zurück, und endlich willigten auch Friedrich Iii. und die deutschen
Fürsten in die Abänderung der Beschlüsse des Koncils, die sie angenom-
men hatten, durch besondere Unterhandlungen mit dem Papste (Aschaf-
fenburger Konkordat). Die Reste des Koncils zogen sich nach Lausanne
zurück, an die savoyische Gränze, für Papst Eugen Iv. und das von
ihm zu Florenz gehaltene Koncil erklärten sich allmälig die meisten Für-
sten, Felir V. dankte 1447 ab und 1449 zerstreuten sich die letzten Basler,
indem sie die Amnestie des Papstes Nikolaus V. annahmen.
Der alte Züricher Krieg (1443—1446).
In der Schweiz war der letzte mächtige Herr, der Graf Friedrich
von Toggenburg, kinderlos gestorben, und es fehlte nun nicht an Erben
und an Liebhabern zu wohlgelegenen Stücken Landes. So hätte z. B.
die reiche Stadt Zürich gerne eine Strecke des rechten Seeufers an sich
gebracht; das duldeten aber die Nachbarn, die Schwyzer und Glarner
nicht, es entstand Hader und Feindschaft, und am Ende mußte Zürich
seinen Ansprüchen entsagen, als die Eidgenossen mit den Waffen in der
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii Friedrich Friedrich_Hi- Friedrich Albrechts Albrechts Muth Eugen_Iv. Eugen_Iv. Eugen_Iv Eugen Amadeus_von_Savoyen Felix_V. Felix_V. Eugen Nikolaus_Kusanus Nikolaus Aeneas
Sylvins Friedrich_Iii Friedrich Eugen_Iv Eugen Nikolaus_V. Friedrich
von_Toggenburg Friedrich
312 Frankreich, Spanien und Portugal kommen empor.
anwarben und diese dann jeder Stadt oder jedem Fürsten zuführten, der
sie am besten bezahlte. Sforza hatte dem mailändischen Herzoge gute
Dienste geleistet, und nach dessen Tode bemächtigte er sich der Gewalt
(1450), wurde wieder vertrieben und behauptete sich zuletzt gegen seine
Feinde in Mailand, gegen die Franzosen und die italienischen Fürsten.
Sein Sohn und Nachfolger Galeazzo Maria wurde ermordet (1476);
nun übernahm Ludovico Sforza Moro für den Sohn des Ermordeten die
vormundschaftliche Regierung, räumte ihn aber aus dem Wege (1494).
Gegen die Sforza richteten sich Erbansprüche des französischen Königs-
hauses; Valentine nämlich war eine Tochter des Galeazzo Ii. Viskonti,
verheirathet mit dem Herzog von Orleans und Mutter des Prinzen
Karl, und dieser war Vater Ludwigs Xii.
Savoyen und Piemont.
Rudolf von Habsburg hatte als König die savoyische Macht wieder
hinter den Genfersee zurückgedrängt, aber das Haus Savoyen hatte die
späteren Zeiten klug benutzt und mit den Waffen und noch mehr durch
Heirathen, Geld und List eine schöne Herrschaft erworben. In der Schweiz
besaß es Genf, Waadt, das untere Wallis, Freiburg, in Italien Pie-
mont und die Grafschaft Nizza; Saluzzo und Montferrat hatten noch
eigene Markgrafen. Im Kriege Karls des Kühnen mit den Eidgenossen
wurde aber die Waadt hart mitgenommen und Freiburg verloren; in
eine noch schwierigere Stellung gerieth Savoyen, als es zwischen die
spanisch-österreichische und französische Macht eingeengt wurde. — Den
Grafen von Savoyen verlieh Kaiser Sigismund 1416 den Herzogstitel.
Florenz.
Diese Republik hob sich vorzüglich durch Manufakturen, besonders
Seide- und Wollewebereien, sowie durch Geldgeschäfte. Seine große
Bedeutung erlangte es aber erst nach der Hohenstaufenzeit, als es an
die Spitze der mittelitalischen Guelfen trat; das ghibellinische Pisa unter-
lag nach beispiellos hartnäckigem Kampfe 1409, nachdem dessen Seemacht
durch die Genuesen schon vorher vernichtet war, wurde aber erst 1509
nach abermaligem verzweifelten Kampfe eine siorentinische Landstadt.
Florenz war überhaupt in seinen Eroberungskriegen vom Glücke begün-
stigt und gründete eine für die damalige Zeit beträchtliche Landmacht,
denn es beherrschte das ganze Flußgebiet des Arno und das Küstenland
bis gegenüber der Insel Elba; neben Florenz eroberte Siena das Fluß-
gebiet des Ombrone und erhielt Lukka nur mit äußerster Anstrengung
und fremder Hilfe seine Unabhängigkeit. Florenz war wo möglich eine
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Extrahierte Personennamen: Sforza Galeazzo_Maria Maria Ludovico_Sforza_Moro Sforza Valentine Karl Karl Ludwigs Rudolf_von_Habsburg Rudolf Karls Sigismund Lukka
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Spanien Portugal Mailand Genf Waadt Freiburg Italien Waadt Freiburg Florenz Elba Siena
216
Deutschland und Italien finken.
Auch in Oberdeutschland erhob sich (1255) ein großer Städtebund; er
richtete sich zunächst gegen die Räubereien und die neuen Zölle und sollte
die städtischen Rechte gegen die Angriffe der Großen vertheidigen; der
Bund erklärte sogar, er werde die Rechte der Landleute gegen Unbilden
schützen, und warf sich so zum Richter zwischen Landvolk und Herrschaf-
ten auf; am folgereichsten geschah dies von Bern, der äußersten Stadt
des Bundes in südlicher Richtung. Diesem Bunde traten auch größere
und kleinere Landesherren bei, denen es um Friede und Sicherheit zu
thun war, andere aber wurden zum Beitritte gezwungen; er war jedoch
über eine solche Länderstrecke ausgedehnt und die Städte lagen so zerstreut,
daß er zu keiner größeren Dauer und festeren Gestaltung gelangen konnte,
sonst würde er auf die Verfassung Deutschlands nachhaltiger eingewirkt
haben.
Zweites Kapitel.
Rudolf von Habsburg (1273- 1294).
Die Kurfürsten unterhandelten lange mit einander wegen der Kö-
nigswahl, denn die Stimme der Nation forderte ein Oberhaupt, die
Herren konnten sich aber nicht vereinigen; da erklärten ihnen die Städte,
daß sie einen König wollten, aber nur einen einhellig gewählten aner-
kennen würden. Die Wahl fiel endlich auf den Grafen Rudolf von
Habsburg, der den Kurfürsten versprechen mußte, ihnen ihre Auslagen
bei der Wahl und Krönung zu bezahlen; er war aber so schlecht bei
Geld, daß er Bürgen stellte, welche die Herren annahmen. Dieser Graf
schien den Fürsten zu einem Könige ganz passend; er war nicht reich,
und das königliche Einkommen, das Friedrich I. zuletzt noch ganz bezo-
gen hatte, war größtentheils an die Landesherren geschenkt oder von
diesen an sich gerissen worden und betrug nach unserem Gelde keine
halbe Million Thaler mehr. Er besaß auch keine furchtbare Hausmacht,
denn er war ein Graf, dessen Besitzungen zerstreut in den heutigen Kan-
tonen Aargau, wo auch das Schloß Habsburg steht, Luzern, Zürich und
Thurgau, im Elsaße und im Schwarzwalde lagen. Sein Vater war
ein treuer Anhänger der Hohenstaufen, während die andere Linie, Habs-
burg-Laufenburg, zu der Gegenpartei trat; Rudolf selbst blieb der Fahne
treu, bis die Hohenstaufen untergingen. Während des Interregnums
schlug er sich wacker herum mit geistlichen und weltlichen Herren, z. B.
dem Bischof von Basel, dem von Straßburg, dem Abte von St. Gallen,
dem Freiherrn von Regensberg, und belagerte eben Basel, als man ihm
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Extrahierte Personennamen: Rudolf_von_Habsburg Rudolf Rudolf_von
Habsburg Rudolf Friedrich_I. Rudolf Rudolf
Die übrigen alten Cantone.
123
Ii. Die 9 übrigen alten Cantone sind sämmtlich nach ihren
Hauptstädten benannt.
5. Der Cantón Zürich zeichnet sich durch trefflichen Anbau, be-
sonders an den beiden Ufern des Sees (vgl. S. 105), durch blühenden
Gewerbsteiß und durch wissenschaftliche Bildung seiner Bewohner aus;
die Hauptstadt Zürich (17,000 E.), „das schweizerische Athen", ist
nicht allein (durch ihre Lage am nördlichsten Punkte des umfassen-
den Limmatseebeckens) ein Hauptort für den Handelsverkehr nach
Italien, wie Luzern, sondern auch der geistige Mittelpunkt der deutschen
Schweiz.
6. Zug ist der kleinste aller Cantone, aber der Schlüssel zu den
Waldstätten, die hier bei Morgarten den ersten Kampf gegen Oester-
reich glücklich bestanden.
7. Glarus besteht aus dem nur gegen N. geöffneten, im S.
durch den Dödi abgeschlossenen Linththale (und zwei einsamen Neben-
thälern), in welches am meisten unter allen Thälern der Hochalpen die
Industrie aus der Ebene vorgedrungen ist.
8. Bern, der zweitgrößte aller Cantone, mit der stärksten Be-
völkerung (beinahe % Mill.), der einzige von den älteren Cantonen,
der sowohl den Alpen, als der Ebene und dem Jura angehört, trägt
seinen Namen von der ehemals, wie jetzt politisch bedeutendsten Stadt
(27,500 E.) der ganzen Schweiz. Sein Hauptkörper wird durch das
System der obern Aar gebildet.
Das Berner Oberland, für dessen Erzeugnisse Thun am Abflüsse
der Aar aus dem Thunersee den Stapelplatz bildet, ist (nächst dem Rigi)
das Hauptziel der meisten Reisenden in die Alpenwelt; Jnterlaken
(ínter lacus), zwischen dem Thuner- und Brienzersee, dient als Haupt-
sammelplatz derselben.
Auch das größte und merkwürdigste Thal des Jura, das Münster-
thal, welches die Birs durchströmt, gehört fast ganz zu dem Cantón Bern.
Am Südfuße des Jura liegt Biel am Abflüsse (der Zihl) des Bielersees
nach der Aar.
9. Der Cantón Freiburg besteht vorzugsweise aus dem Thale
der Saane und dessen Nebenthälern.
10. Solothurn in dem fruchtbarsten Theile der schweizerischen
Ebene. Tie Hauptstadt Solothurn liegt an der Aar und am Fuße
des Weißenstein, welcher den vollständigsten und umfassendsten Ueber-
blick sowohl über die Hochebene, als über die ganze im Hintergründe
derselben sich erstreckende Kette der Hochalpen, von der Grenze Tirols
bis zum Montblanc, gewährt.
11. Basel am Nordabhange des Jura und im Rheinthale mit
der Stadt Basel (28,000 E.), der einzigen zu beiden Seiten des
Rheines an dessen ganzem Laufe, welche der Lage am Durchbruche des
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Die neuen Cantone.
125
17.—19. Die drei neuen Cantone der deutschen Schweiz haben
das Gemeinschaftliche, daß sie alle drei auf bedeutende Strecken vom
Rheine (einschließlich des Bodensees) begrenzt werden. Aargau um-
faßt das Gebiet des Zusammenflusses sämmtlicher Aar-, Reuß-, Lim-
mat- und Rheingewässer, in welchem außer der wenig bedeutenden
Hauptstadt Aarau der älteste und besuchteste Badeort der Schweiz,
Baden (von der Limmat durchströmt), liegt. In einiger Entfernung
von dem Einflüsse der Reuß und Limmat erheben sich über der Aar die
Trümmer der Habs bürg. — Die hügelförmige Landschaft des Thur-
gau, zu beiden Seiten der Thur und östlich bis zum Bodensee, hat
keine irgend bedeutende Stadt (Hauptstadt Frauenfeld, mit nur
2500 E.). — Im Canton St. Gallen, welcher sich vom Zürcher-
und Wallenstätter- bis zum Bodensee und Rhein ausdehnt, ist die
gleichnamige Hauptstadt (11,000 E.) durch Fabrikfleiß, Rorschach,
als Hafenort am Bodensee, und Rapperschwyl, als Hafen am Zür-
chersee (der Brücke gegenüber) wichtig.
20. — 22. Die drei südlichen und südöstlichen Cantone ge-
hören sämmtlich dem Alpenlande an. Graubünden ist der größte
(140 szm., also beinahe */5 der Schweiz), und zugleich der am
schwächsten bevölkerte von allen Cantonen, gibt durch seine schroffen
Gegensätze in der Gestaltung des Bodens, in der Vegetation und in
der Bevölkerung nach Abstammung, Sprache, Religion und Sitten
(% deutsch, % romanisch) ein Bild der Alpenwelt im Kleinen und
macht so speziell den Uebergang von Mittel- zu Südeuropa, wie dies
von der ganzen Schweiz im Allgemeinen behauptet werden kann. Die
Hauptstadt Chur, im Centrum des Graubündner Rheinbeckens und
am Ausgange mehrerer Thäler, ward die Vermittlerin des Verkehrs
zwischen dem Bodensee und Zürchersee einerseits, dem Comer- und
Langensee (über den Splügen und den Bernhardin) andererseits.
Unter den (etwa 150) Thälern Graubündens ist das Engadin oder
obere Innthal das bevölkertste und wohlhabendste, obgleich die höchste (im
obersten Theile 5700' ü. d. M.) angebaute Gegend Europas. — Die männ-
lichen Bewohner desselben suchen ihren Erwerb größtentheils durch einen
längern Aufenthalt in größern Städten, namentlich Norddeutschlands (beson-
ders als Conditoren, Chocoladefabrikanten u. s. w.) und kehren in spätern
Jahren in ihre Heimat zurück.
Der italienische Canton Tessin besteht aus mehreren, von N.
nach S. parallel laufenden Querthälern, die ihre Gewässer dem Lago
maggiore zusenden und reicht von der Höhe des Gotthard bis in die
lombardische Ebene. Der Sitz der Regierung ist abwechselnd in den
drei Hauptorten: Bellinzona (am Tessino), Locarno (am Lago
maggiore) und Lugano (am Luganersee).
Wallis oder das nach allen Seiten durch die höchsten Gebirgs-
mauern fast gänzlich abgeschlossene obere Rhonethal mit dessen Neben-
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Extrahierte Personennamen: Gotthard
Extrahierte Ortsnamen: Rheine Rheingewässer Baden Frauenfeld Rhein Rorschach Chur Graubündner_Rheinbeckens Langensee Europas Norddeutschlands Bellinzona Locarno Lugano Luganersee
124
Die neuen Cantone.
Rheines zwischen Jura und Schwarzwald und auf dem Berührungs-
punkte dreier Länder, am Knotenpunkte dreier Eisenbahnen ihre Bedeu-
tung, sowie ihren sprichwörtlich gewordenen Wohlstand verdankt. Die
Hauptstadt des (seit 1832 abgetrennten) Halbcantonö Baselland-
schaft ist Liestal.
12. Schaffhausen liegt in drei Theilen zerstreut außerhalb der
natürlichen Grenze der Schweiz, auf der rechten Seite des Rheines.
Ein Haupterwerbszweig der am Ende der Schiffbarkeit des obern Rheins
liegenden Stadt Schaffhausen ist die Ausladung und Fortschaffung
der Waaren oberhalb des Rheinfalles bei Laufen.
13. Appenzell auf dem nordöstlichsten Theile des schweizerischen
Alpenlandes ward durch die Reformation in zwei unabhängige Staa-
ten getrennt: das südliche (katholische) Appenzell Inner-Rhoden
mit dem gleichnamigen, dorfähnlichen Hauptorte und das nördliche
(protestantische) Appenzell Außer-Rhoden, wo eine sehr dichte
Bevölkerung (über 10,000 auf 1 Om.) sich von einer lohnenden
Industrie (Baumwollenzeuge, feine Musseline) nährt; Herisau ist hier
der bedeutendste Ort.
Iii. Die neuen Cantone vertheilen sich auf die französische,
deutsche und wälsche (italienisch-romanische) Schweiz so, daß den beiden
ersteren Theilen drei angehören, während von den drei übrigen einer
(Graubünden) theils deutsche, theilö romanische, einer (Tessin) italie-
nische und der dritte (Wallis) zur Hälfte deutsche und zur Hälfte fran-
zösische Bevölkerung enthält.
14. — 16. Von den drei neuen Cantonen der französischen
Schweiz gehört Neuenburg (Neufchatel) dem Jura, Genf der Ebene,
Waadt, als der einzige unter den süngern Cantonen, sowohl der Ebene
und den Alpen, als dem Jura an. Die beiden ersteren haben ihren
Namen dem See mitgetheilt, an dessen Westseite ihre Hauptstädte lie-
gen, Waadt dehnt sich zwischen diesen zwei Seen aus, sie beide berührend.
Der Gewerbfleiß (besonders Uhrmacherei) blüht in den beiden ersteren,
Waadt hat an den Ufern des Genfersees die vorzüglichste Weincultur
der Schweiz. In Neuenburg wird die Hauptstadt Neuenburg sowohl
von Locle, als ins Besondere von dem in einem hohen Thale (3000'
über dem Meere) gelegenen la Chaux de Fonds (15,000 E.) an
Bevölkerung und gewerblicher Thätigkeit übertroffen. — Die Haupt-
stadt von Waadt, Lausanne (17,000 E.), erhebt sich über dem
Genfersee, an herrlicher Lage mit Vevay, dem zweiten Ort des Can-
tons, wetteifernd. — Der Canton Genf, der kleinste nach Zug, enthält
die größte, bevölkertste (38,000 E.) und reichste Stadt der Schweiz,
welche zugleich in geistiger Beziehung allen Städten der französischen
Schweiz weit überlegen ist und dem „gelehrten Zürich" an wissenschaft-
licher Bildung nicht nachsteht.
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576
Deutscher Bund — Preußen.
um so bedeutender sein. sie liefert indeß nur wenig über 205 Millionen Quart *),
während man fast eben so viel Branntwein fertigt, dessen verderblicher Gebrauch
sich leider im Uebermaß besonders an der Ostsee und in Posen verbreitet hat.
Die unfrnchtbarsten Landstriche sind auf der Eifel und aus dem Hunsrück.
Rindviehzucht wird möglichst gepflegt, doch zählt man kaum 5 Mill. Stück;
die benachbarten Küstenländer Mecklenburg, Holstein und die altfriesischen Mar-
schen sind reicher daran. Das gleiche ist mit der Pferdezucht der Fall. An
Schafen, zum Theil veredelten, zählt man 12 Mill., also im Verhältniß mehr
als in Oestreich. Die in den wärmsten Gegenden versuchte Seidenzncht
liefert den Fabriken einen Zuschuß von etwa 50000 Pfund Cocons. Preußen
hat keine Schätze edeln Metalls. Die Ausbeute an Silber ist gering, an Kupfer
schon etwas mehr, Eisen und Steinkohlen aber gewinnt man in hinreichen-
der Masse, besonders in Oberschlesien, und in den Flußgebieten der Sieg, Ruhr
und Saar. Salz ist genug, selbst zur Ausfuhr.
So mäßig die natürliche Produktion, so bedeutend ist die Betriebsamkeit
der Bewohner Berlin, Magdeburg, Breslau, Düsseldorf, Elberfeld, Aachen und
andere Städte machen der deutschen Industrie Ehre; die Länder Berg und Cleve
mahnen an England. Den Nationalwohlstand zu heben ist man überall bemüht,
wo Natur und politische Verhältnisse es irgend erlauben. Schade, daß für den
fernen Osten, für die Provinz Preußen nämlich, in dieser Hinsicht sich wenig
thun läßt, da man zwar den Unterlauf der Weichsel besitzt, aber das 1793 er-
worbene Warschau wieder verloren hat, und nun durch die Mauthen des zu
weit vorgeschobenen russischen Reichs von Polen abgeschnitten ist; und was den
Westen betrifft, so fehlen hier die Seehäfen. Zum Glück sind die Ströme und
mehrere ihrer Nebenflüsse schiffbar, und konnten durch Kanäle (zwischen Weichsel,
Oder, Havel und Spree, zwischen Münster und Nordholland, zwischen Rhein
und Maas) in Verbindung gebracht werden. Die Zahl der Dampsboote ver-
mehrt sich, und wie für Heerstraßen selbst in der sandigen Mark, und für Posten
vorzüglich gesorgt wird, so hat auch ein System von Eisenbahnen begonnen, das
bereits die Punkte Berlin, Stettin, Magdeburg, Leipzig, Breslau, Cassel, Düssel-
dorf und bis Belgien verknüpft. Dies und der Zollverein, dessen Erhaltung der
preußischen Regierung sehr am Herzen liegt, verheißt dem innern Verkehr eine
noch glänzendere Zukunft. Der Seehandel kann der Natur der Sache nach
nur beschränkt sein, da die Häfen (Königsberg, Danzig, Stettin u. a.) nur am
baltischen Meere liegen, und sich deshalb mit Hamburg und Triest nicht messen
können; doch zählt man 1000 Seefahrzeuge, und die Vergleichung dessen, was
der gesammte Staat zu Land und Wasser ein - und ausführt, ist erfreulich. Was
nämlich Fabrikate betrifft, so ist die Ansfuhr größer, an Naturprodukten aber
die Einfuhr, und zwar nicht an Nahrungsmitteln, denn Getraide hat man
*) Nach Verhältniß der Population wird in England fast 4mal so viel Bier
gebraut; in Sachsen trinkt man doppelt, in Wirtemberg mehr als 3mal so viel
Bier als in Preußen. Als Hauptland der Bierbrauerei ist Baiern bekannt, es
verfertigt 5'/zmal so viel, folglich nach Verhältniß mehr als England.
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Extrahierte Personennamen: Cassel
Extrahierte Ortsnamen: Ostsee Posen Holstein Oestreich Oberschlesien Berlin Magdeburg Breslau Elberfeld Aachen England Warschau Nordholland Rhein Maas Berlin Stettin Magdeburg Leipzig Breslau Belgien Königsberg Danzig Stettin Hamburg England Sachsen Wirtemberg Baiern England
578
Deutscher Bund — Preußen.
erbliches Herzogthum verwandelt hatte, so war es leicht, dieses Herzogthum
Preußen einmal mit Kurbrande »bürg zu vereinigen, was auch 1618
erfolgte. Hiedurch gekräftigt konnte der Kurfürst Friedrich Wilhelm der
Große (1640— 1688) den Ausgang des 30jährigen Kriegs und die folgenden
Ereignisse benutzen, um Hinterpommer u, Magdeburg, Halber st adt
und Minden, nebst Cleve, Mark und Ravensburg in Westfalen zu er-
werben, so bedeutende Landstriche, daß sein Nachfolger Friedrich 1. sich zu
Königsberg 1701 die Preußische Königskrone aufsetzte. Unter ihm kamen
hinzu: Teklenburg und Lingen in Westfalen nebst Nenfchatel in der Schweiz,
und unter Friedrich Wilhelm I. Stücke von Vorpommern und Geldern.
1740 hinterließ dieser Fürst seinem berühmten Sohne Friedrich ll. 2047 Qm.,
welche durch Erwerbung Schlesiens, Ostfrieslands und Westprenßens bis
auf 3300 Qm. mit 5800000 Bew. vergrößert wurden. Er starb 1786. Unter
seinen Nachfolgern Friedrich Wilhelm Ii. und Iii. wechselten Erwerbungen
und Verluste, ja nach der Schlacht bei Jena den 14. Oktober 1806 drohte dem
Reiche völliger Untergang, der aber durch günstige Wendung des Schicksals und
durch die Anhänglichkeit des Volks an König Friedrich Wilhelm Iii. (reg.
von 1797 bis 1840) so glücklich abgewendet wurde, daß die Monarchie sich sogar
beträchtlich erweiterte. Ansbach und Bairenth in Franken (d. h. die altburg-
gräflichen Lande) nebst Lingen in Westfalen, und leider auch das an der Nordsee
zum Seehandel so günstig gelegene Ostfriesland, überließ sie andern; dagegen
gewann sie herrliche Rheinprovinzen nebst sächsischen Landstrichen, und behielt
auch ein Stück von dem 1793 und 95 zertheilten polnischen Königreiche, nämlich
Posen. —
So erwuchs Preußen zu bedeutender Größe, jedoch nur zu einer Macht, die
unter den Staaten ersten Ranges in Europa den fünften Platz einnimmt, und
um so mehr auf stäte Wehrhaftigkeit, und auf alle sonstige Mittel bedacht sein
muß, die ihre Kraft und Wirksamkeit vermehren. Ein Stillstehen sowohl der
geistigen als materiellen Entwickelung, oder eine Verschiedenheit des Strebens
der Regierung von dem der Edeln im Volke, würde grade einer solchen Macht
zwiefach nachtheilig, und die Abnahme des preußischen Selbstgefühls, die
Schwächung des ganzen Staats, die Folge davon sein. Preußen hat insbeson-
dere noch als deutscher Staat die wichtige Aufgabe, an weiser Staatsordnung
und an wahrhaft deutscher Gesinnung den Brudervölkern des Bundes vorzu-
leuchten, und sich durch sein politisches Benehmen ihr Vertrauen zu erhalten.
Vorhin ist des steigenden Nationalwohlstandes und des trefflichen Kriegs-
wesens erwähnt. Auch in der Pflege des Unterrichts wetteifert Preußen mit
denjenigen deutschen Staaten, wo er am besten besorgt wird. Volks - und höhere
Schulen und Seminare sind in hinlänglicher Anzahl vorhanden, selbst die Pro-
vinz Posen fühlt sich dadurch gehoben. Die Universitäten und Akademien ver-
dienen volle Anerkennung; man hat nicht, wie in Frankreich, alle höchste Bildung
in der Hauptstadt versammelt. Löblich ist es ferner, daß kein Stand bevorzugt
werden, daß Fähigkeiten und bewährtes Verdienst zu den ersten Aemtern führen
sollen — ein System, das überall, wo man ihm folgte, goldne Früchte getragen.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich Friedrich Friedrich Wilhelm_I. Friedrich_ll Friedrich Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Magdeburg Ravensburg Westfalen Königsberg Lingen Westfalen Schweiz Schlesiens Ostfrieslands Westprenßens Jena Ansbach Westfalen Nordsee Ostfriesland Posen Europa Frankreich