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langen nordischen zu vergleichen. Das Leben scheint dort dem tödten-
den Hauch der Kälte erlegen zu sein; Alles ist todt, starr und still,
eine ermüdende Ewigkeit, eine Grabesruhe herrscht in manchen Ge-
genden dieses Winkels der Erde. Doch was dem Lande an lebendi-
gen Geschöpfen abgeht, das beherbergt das Eismeer in überreicher
Fülle und rst dadurch eine unversiegbare Quelle des Erwerbs und der
Befriedigung wichtiger Lebensbedürfnisse geworden.
Groß, erhaben und freundlich zugleich zeigt sich die Natur in
jenen nordischen Gegenden. Wie in die eisigen Nebel unserer Winter-
tage der Sonnenblick leuchtet und ringsum tausendfachen Widerschein
erweckt, so strahlt in die lange Polarnacht das majestätische Nord-
licht. Sieh, es steigt über die verzauberte Eiswelt eine schwarze
Wolke empor, woraus hier und dort ein langer Lichtstrahl aufzuckt
und über den Himmel dahin schießt; dazwischen spielen rothe, gelbe
und blaue Flammen. Jetzt einen sich die Strahlen zu einem Bogen,
der sich wie ein Diadem um den Horizont legt. Die Flammen wer-
den lebhafter, sie fahren auf und ab, verbinden und trennen sich,
schwinden und tauchen wieder empor, bilden durchbrochene Kronen,
Thurmruinen, Lichtgewinde, entblätterte Wälder; denn rastlos schie-
ßen, wogen und schwimmen die Lichtstrahlen durcheinander. Endlich
erlischt die ganze Erscheinung. Doch sieh, dort zuckt wieder ein Strahl
empor, jetzt noch einer, em neuer Lichtbogen bildet sich; auch er er-
lischt plötzlich, um einem neuen Platz zu machen, der wieder seine
blutrothen, smaragdgrünen, himmelblauen und goldgelben Strahlen
spielen läßt, bis sich die Strahlen zu einer glänzenden Krone einigen
und das ganze Zauberspiel in einigen Minuten in Dunkel und Nacht
schwindet. Das Nordlicht vollendet die an Schönheiten und Großar-
tigkeit anderer Art so reiche Gegend des Nordpols. Es läßt den Wi-
derschein seiner bunten Lichtspiele tausendfach brechen an den Eiskry-
stallen der Gletscher, an den Eisburgen und trümmerhaften Säulen-
gängen. Alles scheint sich in Licht auflösen zu wollen. Der Krystall
möchte zum Lichtstrahl werden und in's Unendliche fliegen. Ueberall
lebt es, funkelt und blitzt es, und über dem Ganzen ruht ein geister-
hafter, stiller Schimmer, wie wenn die Auferstehung durch das Grab
des Todes hindurch bräche. Dunkle Schatten ruhen neben lichten
Höhen, wie finstere Todesschmerzen neben süßen Auferstehungsgedan-
ken. Und mitten in diese Einsamkeit leuchtet das Eisfenster des Eskimo
in matt feuerrothem Scheine, um das Wunderbare der Landschaft zu
erhöhen. Spähend schleicht der Polarbär um das Eisgebirge, um die
unförmlichen Robben zu überraschen oder die Gans im warmen Neste
zu erhaschen. Indessen hat die Zauberwelt ein Ende, sie schwindet in
Nichts, sobald die lange Nacht dem langen Tage weicht. Denn nun
stürzen schäumende Gießbäche von den Bergen, nun drängen die Mee-
reswogen und sprengen die fesselnde Eisdecke.
Da die Magnetnadel bei lebhaften Nordlichtern von selbst in
Schwankungen geräth und der herrliche Lichtschein in der Richtung
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311
Nachen oder einem sonstigen Fahrzeuge sitzt und es wird plötzlich
gehalten, so stürzt man mit dem Oberkörper vorwärts, und wird das
stillstehende Fahrzeug plötzlich bewegt, so stürzt man rückwärts. Aus
diesen und vielen andern ähnlichen Erscheinungen schließt man, daß ein
bewegter Körper sich so lange fortbewegt, bis er gehindert wird, und
daß ein ruhender sich nicht eher bewegt, bis er fortgestoßen wird.
Auf der Oberfläche aller Körper befinden sich Erhöhungen und
Vertiefungen oder kleine schiefe Ebenen, die man oft mit bloßem Auge
nicht sehen kann. Darin finden die darauf gelegten Körper eine Unter-
stützung, weßhalb sie auch nach der Bewegung wieder in Ruhe kom-
men, was nicht sein könnte, wenn ihnen kein Widerstand geleistet
würde. Will man daher die Bewegung befördern, so glättet man die
Ebene ab, um die Reibung oder den Widerstand zu vermindern; die
Straßen werden geebnet oder gestampft, es werden Eisenschienen ge-
legt, worauf die Wagen der Eisenbahnen durch Dampf getrieben
werden. So hinderlich die Reibung für die Bewegung ist, so noth-
wendig ist sie zum Festhalten und Stützen der Körper. So gerne
man auf ebenen Wegen geht, so ungern bewegt man sich z. B. auf
Glatteis, weil man wegen Mangels an Reibung leicht fallen kann.
Dem freien Fall ist entgegengesetzt der senkrechte Wurf nach oben.
Wird ein Körper mit einer gewissen Geschwindigkeit senkrecht in die
Höhe geworfen, so wirkt seinem Aufsteigen die Schwerkraft senkrecht
entgegen und hebt nach und nach von der Wurfkraft so viel auf, daß
der geworfene Körper wieder mit derselben Geschwindigkeit auf der
Erde ankommt, mit welcher er geworfen wurde.
Wird ein Körper schief auf- oder abwärts geworfen, so steigt
und fällt er nicht in gerader, sondern in krummer Linie, weil die
Schwerkraft ihn von seiner ursprünglichen Richtung ablenkt; eben so
ist es auch, wenn ein Körper wagrecht geworfen wird; er fällt auf die
Erde in einem Bogen.
Kinder haben dieses Alles schon gesehen und können es selbst pro-
biren, indem sie in den oben angegebenen Richtungen werfen. Dieses
Gesetz kennen auch die Jäger und Schützen beim Militär, die Kano-
niere und richten sich darnach beim Zielen auf Gegenstände; sie zielen
gewöhnlich höher, als der Gegenstand ist; warum?
7. Der Schwerpunkt.
In allen Körpern ist ein Punkt vorhanden, in dem das ganze
Gewicht derselben gleichsam vereinigt ist. Hat dieser Punkt eine
Unterlage, so ruht der ganze Körper. Bei gleichmäßigen Körpern
befindet er sich gewöhnlich in der Mitte, bei ungleichmäßigen nach der -
Seite hin, wo die meiste Masse ist. Er ist somit eine Ausgleichung
der Massentheile nach den Seiten. Dieser Punkt heißt der Sch wer-
puukt. Ist dieser unterstützt, so hängen und liegen die Körper; ist
er nrcht unterstützt, so fallen sie so lange, bis sie unterstützt sind und
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375
So machten die Phönizier sich bald berühmt durch Gewerbfleiß,
Schifffahrt, Handelsunternehmungen und durch ihre Kolonien und
unterschieden sich dadurch Vortheilhaft von vielen andern Völkern
des Alterthums, welche den blutigen Krieg mit all' seinen Gräueln
mehr liebten, als den Frieden mit seinen Künsten. — Von Cyrus
an gehorchte Phönizien Persien und leistete ihm treffliche Dienste zur
See. Endlich theilte es das Schicksal Persiens und wurde eine
macedonische Provinz. Alerander der Große richtete seinen Handel
ganz zu Grunde, indem er Neu-Tyrus zerstörte und an den Ufern
des Nils in Aegypten die neue Welthandelsstadt Alerandria gründete.
Länger als das Mutterland erhielt sich die phönizische Kolonie
Karthago in Afrika und gelangte schon frühe zu außerordentlichem
Reichthum und Ansehen. Die Stadt Karthago wurde von der phö-
nizischen Königstochter Dido erbaut, welche wegen ihres geizigen
und grausamen Bruders aus ihrem Vaterlande geflohen war. Kar-
thago hatte 5 bis 6 Meilen im Umfange und eine Bevölkerung von
700,000 Einwohnern. Sehr mächtig wurde diese Pflanzstadt durch
ihre auswärtigen Besitzungen auf den Inseln des Mittelmeeres,
Sardinien, Corsica und Sicilien, und besonders durch das silber-
reiche Spanien. Der Besitz der Insel Sicilien verwickelte die Kar-
thager in einen langwierigen Krieg mit den Römern, welcher den
Untergang ihres Staates herbeiführte. — Wie die Babylonier und
Assyrer, so waren auch diese Völker chamitischer Abstammung dem
schändlichsten Götzendienste ergeben. Sie verehrten den Baal und
die Astarta (Sonne und Mond) mit den wildesten Ausschweifungen.
In die weit ausgestreckten Arme der glühend gemachten Moloch-
statuen legten Eltern ihre Kinder, um sie dem Götzen Moloch zum
Opfer zu bringen. Mit ihren Handelsartikeln brachten sie auch
ihren abscheulichen Götzendienst auf alle Punkte der damals be-
kannten Welt und trugen so bei, daß die Entartung des Menschen-
geschlechts immer allgemeiner wurde.
Aegypter.
Aegypten, zwischen starren Felsen und öden Wüsten sich
hinziehend, wirv durch die jährliche Ueberschwemmung des Nils,
der durch den Regen auf den äthiopischen Gebirgen zu einer außer-
ordentlichen Höhe anschwillt, sehr fruchtbar gemacht, so daß man,
ohne zu Pflügen, in das fette, lockere Erdreich säen und zweimal
jährlich ärndten kann. Daher ist auch Aegypten von jeher die
Kornkammer der Nachbarländer gewesen.
Die Bewohner Aegyptens gehören wegen ihrer Sitten, Reli-
gion und Kunst zu den merkwürdigsten Völkern des Alterthums.
Die Aegypter waren in Kasten oder Zünfte eingetheilt und zwar in
die Kasten der Priester, Soldaten, Künstler, Landleute und Hirten.
Sie waren fleißig, mäßig und sanft, aber ernst, schwermüthig und
abergläubisch. Sie liebten weder Musik noch Tanz, dagegen die
stete Erinnerung an den Tod. Darum herrschte auch in Aegypten
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48
Mit Milch sängst du dein Leben an,
Mit Wein kannst du es wohl beschließen;
Doch fängst du mit dem Ende an,
So wird das Ende dich verdrießen.
Die Luft, Mensch, ist dein Element,
Du lebest nicht von ihr getrennt;
Drum täglich in das Freie geh’,
Und besser noch auf Berges Höh’!
Das zweite ist das Wasserreich,
Es reinigt dich und stärkt zugleich;
Drum wasche täglich deinen Leib
Und bade oft zum Zeitvertreib!
Dein Tisch sei stets einfacher Art,
Sei Kraft mit Wohlgeschmack gepaart;
Mischst du zusammen vielerlei,
So wird’s für dich ein Hexenbrei.
iss massig stets und ohne Hast,
Dass du nie fühlst des Magens Last;
Geniess es auch mit frohem Muth,
So g'bt’s dir ein gesundes Blut.
Fleisch nähret, stärket und macht warm,
Die Pflanzenkost erschlafft den Darm;
Sie kühlet und eröffnet gut
Und macht dabei ein leichtes Blut.
Das Obst ist wahre Gottesgab’,
Es labt, erfrischt und kühlet ab;
Doch über Allem steht das Brod,
Zu jeder Nahrung thut es Noth.
Das Fett verschleimt, verdaut sich schwer
Salz macht scharf Blut und reizet sehr;
Gewürze ganz dem Feuer gleicht,
Es wärmet, aber zündet leicht.
Willst du gedeihlich Fisch gemessen,
Musst du ihn stets mit Wein begiessen.
Den Käs iss nie zum Uebermaß;
Mit Brod zu Nachtisch taucht er was.
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56
Und wenn -er Donner oben braust,
Der Himmel steht in Gluthen,
Die Holl' ihm um die Ohren saust,
Das soll ihn nicht entmuthen.
Ihm muß -ie Welt in seiner Brust,
In seinem Leben liegen;
Er muß in Lei- un- muß in Lust
Sein eigen Herz besiegen.
Un- stetig ernst nn- stetig treu
Muß er sein Werk vollbringen,
Un- muß im Leben srank un- frei
Noch allem E-len ringen.
So soll er ans -em Er-enthal
Den Weg zum Himmel wan-eln,
Un- soll im heil'gen Gottesstrahl
Stets recht un- rechtlich han-eln.
Das ist -er achte starke Mann,
Der so -nrch's Leben gehet,
Der so auf seiner Lebensbahn
Gleich einem Eichbaum stehet.
Clemens Angust
v. Droste-Vischering, Erzbischof von Köln -j- 1845.
65. St. Johannes.
St. Johannes, der Evangelist, kam einst in eine Stadt, und da
sah er einen Jüngling, schön von Gestalt und jung an Jahren. Der
Jüngling aber war ein Heide. Und St. Johannes lehrte ihn, und
taufte ihn, und führte ihn zum Bischof der Stadt, und sprach zu
diesem: „Nimm den Jüngling auf in dein Haus, und erziehe ihn,
und mache aus ihm einen würdigen Priester." Der that es, und St.
Johannes ging weiter. — Nach etlicher Zeit kam der heilige Apostel
wieder in die Stadt, und ging in das Haus des Bischofs und sprach
zu ihm: „Wo ist der Jüngling, den ich dir übergeben habe? " Da
sing der Bischof an zu weinen, und sagte: „Der Jüngling, der ist
todt." Deß wunderte sich St. Johannes. Der Bischof aber fuhr
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Extrahierte Personennamen: Gottesstrahl Clemens_Angust Johannes Johannes Johannes Johannes Apostel Johannes
138
Ei erhascht, so suchte er auf einen Baum zu springen, verzehrte es da und
warf die Schale auf seinen Nebenbuhler herab, als wenn er ihn necken
wollte." * q- *
32. Das Wetterglas.
Mancher geneigte Leser hat auch sein Wetterglas im kleinen
Stübchen hängen, nicht erst seit gestern: denn die Fliegen haben auch
schon daran geschaut, was der Himmel für Wetter im Sinne bat,
also daß der Mensch nicht mehr viel daran erkennen kann. Mit
einem nassen Tüchlein von Zeit zu Zeit wäre zu helfen. Aber das
scharfe Auge des Lesers hat's noch nicht vonnöthen. Jetzt schaut er's
deutlich an und sagt: „Morgen können wir noch nicht mähen auf den
untern Matten." Jetzt klopft er ein wenig an dem Brettlein, ob
sich denn das Quecksilber gar nicht lüphen will, als wenn er eö wecken
müßte wie aus einem Schlafe oder aus tiefen Gedanken, und wenn
es ein wenig hinaufgeht, so heitert sich in seinem Herzen die Hoff-
nung auf. Aber doch weiß er nicht recht, wie es zugeht, und fragt
deßhalb den Hausfreund. — Dem wißbegierigen Leser wollen wir es
sagen, wie es dieser erklärt hat.
Erstlich: Ein braves Wetterglas hat an der Spitze des
Kölbleins, worin sich das Quecksilber sammelt, eine kleine Oeffnung.
Zweitens: Sonst meint man, wo nichts Anderes ist, dort
sei doch wenigstens Luft. Aber oben in der langen Röhre, wo das
Quecksilber aufhört, bis ganz oben, wo auch die Röhre aufhört, da
ist keine Luft; da ist gar Nichts. Dies wird leicht erkannt; denn
wenn man das Wetterglas langsam in eine schiefe Richtung bringt,
als wollte man es umlegen, so fährt das Quecksilber durch den leeren
Raum hinauf, bis an das Ende der Röhre, und man hört einen
kleinen Knall. Dies könnte nicht geschehen, wenn noch Luft darin
wäre. Sie würde sagen : „ Ich bin auch da. Ich muß auch Platz
haben."
Drittens: Die Luft, die die Erde und Alles umgibt, drückt
unaufhörlich von oben gegen die Erde hinab, weil sie selbst, wie alle
körperlichen Dinge, von der Erde angezogen wird; faste will, vermöge
einer inwendigen Kraft, unaufhörlich nach allen Seiten ausgedehnt
und, sozusagen, ausgespannt sein, bis auf ein Gewisses! Sie ist
Gottes lebendiger Athem, der die Erde einhüllt, und Alles durch-
dringt und segnet, und hat gar viel verborgene Wunder. Also geht
die Luft durch fede offene Thür, fa durch fedwedes Spältlein in die
Häuser und aus einem Gehalt in das andere, und durch die kleine
Oeffnung an der Spitze des Kölbleins hinein und drückt auf das
Quecksilber, und die Luft, welche noch außen ist, drückt immer nach
und will auch noch hinein und will durchaus keinen leeren Raum
leiden. Ei sie drückt und treibt daö Quecksilber in der langen Röhre
gewöhnlich zwischen 27 und 28 Zoll weit n die Höhe, bis sie nim-
mer weiter kann. Denn wenn das Quecksilber in der Röhre einmal
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Igo
8. Die Gletscl er in Tyrol.
Die Schneegränze erreicht in Nordtyrol eine Höhe von 8200
Fuß. Unter dieser ewigen Schneelinie haben sich die Ferner oder
Gletscher angesetzt, Berge ewigen Eises und vom ewigen Schnee der
Hochgebirge wohl zu unterscheiden. Sie befinden sich nie auf den
höchsten Gebirgen, und sind im Wachsen und Abnehmen ihrer Eis-
massen eigenthümlichen Gesetzen unterworfen. Ihr Wachsen ist in
der Regel um so schneller, je tiefer sie sich herabsenken. In ihrer
innersten Mitte erzeugt sich das Eis und die Ausdehnung desselben
hebt den ganzen Fernerstock empor und schiebt ihn nach allen Seiten
auseinander. So lange der Ferner wächst, fließt wenig oder gar
kein Wasser aus ihm hervor; so wie er aber stille steht, kommt so-
gleich der Fernerbach zum Vorschein und die Eismasse beginnt abzu-
nehmen. Durch die Ausdehnung im Innern entstehen auf seiner
Oberfläche allerlei Spalten und Ritzen, durch dieselben dringt im
Sommer das schmelzende Schneewasser in die Tiefe und friert im
Winter. Dadurch bersten die dicken Eismassen wieder, und dieses
Bersten verursacht oft ein schreckliches Getöse; das Zerplatzen hört
erst dann auf, wenn der Ferner abzunehmen beginnt. Sein Vor-
rücken gegen die bewohnte Thalseite ist um so schneller, je mehr er
von beiden Seiten durch unbewegliche Felsen eingeengt ist. Er
schiebt in dieser thalwärts gehenden Bewegung Alles vor sich her,
selbst den Rasen losschälend von dem Felsengerippe, das er über-
kleidete. Das Grundwaffer dringt auch in die Spalten der Ge-
birge und gefriert daselbst. Dadurch werden unzäblige Felsenblöcke
aus den Fugen gesprengt und emporgehoben. Sie steigen durch
wiederholte Ausdehnungen immer höher und liefern die wunderba-
ren Steinlagen im Fernereise. Oft entstehen im Innern der Eis-
berge ungeheuere Seen, die, lange eingeengt, plötzlich durch die Eis-
masse brechen und als „Fernerausbrüche" die Thalregion zerstören.
Die Spalten und Ritze verändern sich beständig, und bei innerer
Gährung oft stündlich; sie bilden die seltsamsten Thürme und Py-
ramiden, ähnlich den Riesentrümmern einer zerstörten Welt. Bei
plötzlicher Luftveränderung strömen daraus bisweilen schneidende
Winde von durchdringender Kälte, und Eiskörner, die ein Schneege-
stöber weit umher verbreiten. Das Fernereis ist in der Regel grob-
körnig und so hart, daß die Hirten Feuer auf demselben anzünden,
ohne Gefahr zu laufen, daß von dem geschmolzenen Eise das Feuer
erlischt. Nichts Fremdartiges bleibt in der Fernertiefe liegen; nach
bestimmten Zeiträumen kommt es sicher zum Vorschein. So fiel in
Schnals ein Krarenträger in einen Eisspalt und verschwand. Nach
fünfzehn Jahren kam das Gerippe wieder zum Vorschein, die Krare
noch fest um die fleischlosen Schultern. Um diese Spalten gefahrlos
zu übersetzen, geht man gewöhnlich in größeren Gesellschaften und
alle Alpenwanderer sind mit Stricken an einander gefügt, um den
Stürzenden schnell empor zu ziehen. Oft wurden auf diese Weise
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225
vielen Stunden blutig roth und verkündete, bis zu den beiden Gebirgsket-
ten hinüberleuchtend, den Untergang von Speyer. Die Franzosen sahen
die auffliegenden Häuser, sahen die fallenden Stadtgebäude, hörten das
Einbrechen der Kloster- und Stiftsthürme, hörten den Sturz der mit lau-
tem Krachen niederfahrenden Kuppeln am Münster — und fteuten sich
des gelungenen Mordbrandes. Sie kehrten nun in die öde Stadt zurück.
Durch die noch rauchenden Balkentrümmer des Domes kamen sie an die
Gräber der Kaiser. Da erinnerten sie sich der alten Sage, wie daß die
deutschen Herrscher mit großen Schätzen hier versenkt worden, und alsbald
erwachte die Habsucht in ihren Gemüthern. Die Scheue vor den Todten
hielt die Vandalen nicht ab, und die allen Völkern heilige Ruhe der Ver-
storbenen wehrte nicht dem Durfte nach Golde. Sie zerschlugen die Särge,
so aus köstlichem Marmor bestanden, rissen das eiserne Gitter nieder, das
diese seither gegen Verletzung schützte, brachen die Gräber auf und wühlten
hinab. Emsig suchten sie umher, rissen die Leiche des Kaisers Albrecht her-
aus und streuten, vielleicht aus Muthwillen, vielleicht ob getäuschter Er-
wartung erbost, seine Gebeine in den Schutt. Gleiches Schicksal traf die
Kaiserin Beatrir, des Domes Wohlthäterin. Dergleichen erbrachen sie auch
noch andere Gräber, warfen die noch unverwesten Körper im Dome um-
her und raubten die Särge, den Schmuck und was sie sonst an Metall
fanden.
Auch bis in's Maricnchor war das Feuer gekommen. Die Altäre wa-,
ren dahin; doch wundersam! zu den Füßen der gnadenreichen Madonna
hatte sich seine Wuth gebrochen, als wollte das Bilo seinen alten Ruf be-
haupten. Unsere Liebe Frau allein überlebte den ungeheuern Brand und
blieb, obschon vom Dampfe geschwärzt, noch lange eine seltene Zierde des
Münsters.
Zehn Jahre lag Speyer mit seinem Dome darnieder, still und grauen-
voll, wie ein Ort, auf dem der Fluch lastet, oder wo Nachtgeister ihr un-
heimliches Wesen treiben — ein trauriger Aufenthalt der Steinkäutze und
Eulen. Johannes v. Geissel,
Cardinal-Erzbischof von Köln.
29. Gewaltsame Wegführung des Papstes Pius Vh.
Am 17. Mai 1809 erließ Napoleon aus seinem Lager von
Wien ein Decret, das alle Staaten des Papstes mit dem französi-
schen Kaiserreich vereinigte. Die Stadt Nom ward zu einer kai-
serlichen und freien Stadt erklärt und dem Papste eine jährliche
Rente von 2,000,000 Franken angewiesen. Darauf verhängte
Papst Pius Vii. den Bann über Jene, welche Gewaltthaten im
Kirchenstaate ausüben. Napoleon ist nicht namentlich genannt. Die
Bulle wurde in allen Ländern der Christenheit mit lautem Beifalle
begrüßt; vergebens suchte Napoleon ihre Verbreitung zu hindern.
Nach Bekanntmachung der Ercommunicationsbulle hatte sich
der Papst in seinen Palast Quirinal zurückgezogen und die Hauptein-
gänge vermauern lassen. Man fürchtete jeden Augenblick, die Fran-
zosen würden den Papst gefangen nehmen. Der General Miollis
hatte den General der Gensd'armerie Radet zu sich beschieden und
ihm den Befehl ertheilt, den Cardinal Pacca und, im Falle eines
Widerstandes, den heiligen Vater selbst zu verhaften und sie unmittel-
bar auf der Post nach Florenz abzuführen. Um einen Aufstand der
Hepp. Vollständiges Lehr- und Lesebuch.
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Albrecht Johannes Napoleon Napoleon Napoleon Miollis Cardinal_Pacca
Extrahierte Ortsnamen: Speyer Speyer Cardinal-Erzbischof Wien Florenz
233
34. Clemens August, Erzbischof von Köln.
Der Schmerz der Gefangenschaft, die Besorgniß, der Streit
über die gemischten Ehen möchten der Kirche noch größere Nach-
theile und Leiden bereiten, hat die sonst rüstige Gesundheit des
greisen Erzbischofs gebrochen. Darum gestattete ihm der König,
von Minden nach Darfeld zu seiner Familie sich zu begeben. Er
gebrauchte die Bäder zu Lippspringe und Unna und reiste darauf,
ziemlich hergestellt, in heiliger Sehnsucht, den Vater der Christen-
heit kennen zu lernen, nach Rom. Seine Reise dahin war der
Triumphzug eines großen Feldherrn im Dienste Jesu Christi.
Ueberall wurde er mit Jubel begrüßt und Schaaren Volkes ver-
langten den Segen des großen Glaubensbekenners. Zu Rom
wurde er mit der höchsten Auszeichnung empfangen. Am Palaste
Quirinal stand der Tragsefsel des Papstes und die Träger, um den
Erzbischof die Stiege hinauf zu tragen. Der schlichte Mann wies
tief gerührt diese Ehren ab und stieg, gestützt auf seinen Führer,
langsam die hohen Treppen hinauf. Im Äudienzsaale umarmte
Gregor Xvi. unter vielen Thränen den weinenden Clemens August.
Lange hielten sie sich umarmt, der Kirche Haupt und sein treuer
Sohn — beide ehrwürdige Greise in feierlichem Schweigen. In
Demuth will der siebenzigjährige Erzbischof niedersinken vor dem
Statthalter Jesu Christi; allein Gregor hält ihn aufrecht und führt
ihn zum Sitze neben sich.
Gregor ehrte den würdigen Erzbischof mit hohen Ehren. Nur
den höchsten fürstlichen Personen pflegt der Papst einen Gegenbesuch
abzustatten. Am 28. September besuchte er in feierlichem Aufzuge
den Erzbischof von Köln. Ein Regiment Garde - Cavallerie be-
gleitete den päpstlichen Wagen. An der Wohnung des Erzbischofs
stand die päpstliche Leibgarde mit gezogenem Schwert. Der Erz-
bischof bewohnte die obersten Zimmer. An der Treppe empfing er
den heiligen Vater, der ihn in den Arm nahm und die Treppe mit
ihm hinaufstieg. Lange unterhielten sie sich, dann umarmte der
Papst den Erzbischof in inniger Herzlichkeit und im Bewußtsein,
daß sie sich auf Erden nicht mehr sehen. Clemens wollte längere
Zeit zu Rom bleiben, allein das beiße Clima schwächte seine Ge-
sundheit und darum trat er die Rückreise an. Er schlug seinen
Wohnsitz zu Münster auf, lebte sehr zurückgezogen, nur den Uebungen
der Frömmigkeit sich widmend, und bereitete sich vor aufbin großen
Schritt in die Ewigkeit. Er ordnete dann seine zeitlichen Angelegen-
heiten, und als das Wechselsieber, das ihn schon eine Zeitlang er-
griffen hatte, einen bedenklichen Charakter annahm, ließ er sich durch
seinen Beichtvater, Domcapitular Kellermann, die heiligen Sterb-
facramente reichen. In den schmerzlichsten Augenblicken seiner
Krankheit bewahrte er die christliche Geduld und schöpfte Trost aus
dem Leiden des Erlösers. Oft betete er: „Christi Leiden, Kreuz
und Tod, sei mein Trost in jeder Noth." Als die Stunde seines
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Extrahierte Personennamen: Clemens_August August Darfeld Gregor_Xvi Gregor Clemens_August August Demuth Jesu_Christi Gregor Gregor Gregor Domcapitular_Kellermann
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2. Darum singt die Nachtigall,
Wo du schlummerst in der Nacht;
Und die schönste Blume blüht,
Eh' des Tages Aug' erwacht.
3. Und der schönste Schmetter-
ling
Fliegt, wo Niemand sein hat Acht.
Perle ruht im Meereöschoß
Und der Edelstein im Schacht.
4. Kind, da reichlich Aug' und
Ohr
Dir mit Füllen ist bedacht,
Gönn' der Mutter etwas auch,
Das sie zum Geschmeid sich macht.
Das Heer der Lebendigen, das uns umgibt, sich aller Enden regt
und nach bestimmten Gesetzen sich richtet, weist auf die unerforschliche
Allmacht und Größe des Schöpfers hin. Diesen zu erkennen, im
Staube anzubeten, seinem heiligen Willen zu gehorchen, ist nur Einem
unter den Geschöpfen der Erde vergönnt, und dieses ist der Mensch,
das Ebenbild der ewigen Gottheit.
2. Jnfusionsthierchen.
Die Erfindung des Vergrößerungsglases machte es möglich, mit dem
Blicke nicht nur zu vorher ungesehenen Fernen des Himmels zu reichen,
sondern auch in nächster Umgebung Thierchen wahrzunehmen, von deren
Dasein man früher keine Ahnung hatte. Wie das Meer im Großen von
unzähligen Geschöpfen belebt ist, so der Tropfen stillstehenden Wassers im
nächsten Graben, der abgestandene Esfig, überhaupt jede Flüsfigkcit, worin
Pflanzen- und Thierstoffe in Verwesung begriffen find, wogegen reines
Brunnen- und Quellwasser sie weniger oder nicht enthält. Gestalt und
Bewegung dieser an Kleinheit wunderbaren Geschöpfe beobachtet man am
besten mittelst des Sonncnmikroskops, unter das man einen Tropfen oben
genannter Flüssigkeiten bringt. Ein Gewimmel von Thierchen sonderbarster
Bildung stellt sich dem Blicke dar; einige sind schlangen-, andere kugel-
oder scheibenförmig, wieder andere wie eine Glocke, Urne, Trompete oder
ein Nachen gestaltet. Mit Blitzesschnelle schießen die Schlangen hin und
her, verfolgen die anderen und verschlingen sie. Ist das Wasser durch die
Sonnenstrahlen erwärmt und damit in Verdunstung begriffen, so ermatten
die Thierchen, sinken hin; das Mittel ihres Aufenthaltes verschwindet end-
lich und mit ihm das kurz vorher so mannichsaltige Leben. Die Jnfu-
sionsthierchen pflanzen sich durch Eier fort, von deren Kleinheit wir
kaum eine Vorstellung haben. Unzählige derselben schweben überall in
mäßiger Höhe über der Erde und entwickeln sich, wo das zum Leben der
werdenden Thierchen Erforderliche sich findet; daher erscheinen dieselben auch
überall. Viele sind mit einer kiesel- oder kalkartigen Hülle umgeben, welche
in allen möglichen Mustern geschmiedeter Waffenstücke erscheinen. Merk-
würdig ist, daß ganze Erdschichten und gewisse Gesteine nichts anders sind,
als die Schalen dichtgedrängter Massen von Jnfusionsthierchen, welche
übrig blieben, während die Thiere abstarben und verwesten. Die Erde,
welche zu Kugeln geballt auf den westindischen Inseln von den Negern
als Leckerbissen gegessen wird, deßgleichen diejenige, welche zur Zeit einer
Hungersnoth in mehreren Gegenden Schwedens genossen wurde, besteht
aus solchen Ucberresten. Oft find sie Mitursache der Verschlammungen von
Seehäfen. ^
Nebst den erwähnten winzigen Geschöpfen, welche durch ihre unge-
heure Anzahl Großes zu erzeugen vermögen, verdienen die Polypen,
Bewohner des Wassers, unsere Aufmerksamkeit wegen des außerordentlich
zähen Lebens und der Wohnungen, welche manche Meerpolypen errichten.
Die Gehäuse bestehen aus Kalk, den die Thierchen ausschwitzen, und der
Hepp. Vollständiges Lehr- und Lesebuch.
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