§ 45. Die Sänger der Freiheitskriege. Arndt.
323
3. I.n die Löiligin von Preußen.
Erwäg' ich, wie in jenen Schreckenstagen
Still deine Brust verschlossen, was sie litt,
Wie dn das Unglück mit der Grazie Tritt
Aus jungen Schultern herrlich hast getragen;
Wie von des Kriegs zerrisstnem Schlachtenwagen
Selbst oft die Schar der Männer zu dir schritt,
Wie trotz der Wunde, die dein Herz durchschnitt,
Du stets der Hoffnung Fahn' uns vorgetragen:
O Herrscherin, die Zeit dann möchll ich segnen!
Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen —
Wie groß du warst, das ahneten wir nicht!
Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert,
Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert.
Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!
Aus der großen Anzahl der die heldenmütige Zeit mit ihren Liedern
begleitenden Freiheitssänger sind namentlich hervorzuheben: Ernst
Moritz Arndt, Max von Schenkendorf, Theodor Körner
und Friedrich Rück er t.
1. ß-rnst Worih Arndt (1769—1860).
Ernst Moritz Arndt, geb. am 26. Dezember 1769 (in demselben
Jahre mit Napoleon, Wellington und Alexander von Humboldt) zu Schoritz
auf der Insel Rügen, studierte Theologie und Geschichte und wurde nach
vielen Reisen 1805 Professor der Geschichte zu Greifswald. Begeistert für
das Vaterland, schrieb er von 1806 bis 1813 fein zornmutiges, gegen
Napoleon und gegen die schmachvolle Erniedrigung seines Volkes gerichtetes
Werk „Geist der Zeit". In seiner Sicherheit bedroht, floh er nach
Schweden, kehrte dann heimlich zurück und ging im Jahre 1812 nach
Petersburg zu dem von Napoleon gleichfalls geächteten Freiherrn vom Stein,
um diesen in seiner Tätigkeit gegen den fremden Machthaber zu unterstützen.
Im folgenden Jahre in das Vaterland heimgekehrt, entflammte er das Volk
durch feine im echten Volkston geschriebenen, von heiliger Vaterlandsliebe durch-
glühten Dichtungen („Kriegs- und Wehrlieder") und durch seine
hinreißenden Flugschriften (u. a. „Katechismus für den deutschen
Kriegs- und Wehrmann", „Was bedeutet Landsturm und
Landwehr?" „Der Rhein Deutschlands Strom, aber nicht
Deutschlands Grenze"). Als er 1818 Professor der neueren Ge-
schichte an der neugegründeten Bonner Universität geworden war, wurde er
schon bald „wegen Teilnahme an burschenschaftlichen Umtrieben" seines
21*
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Ernst
Moritz_Arndt Ernst Max_von_Schenkendorf Max Theodor_Körner Friedrich_Rück Friedrich ß-rnst_Worih_Arndt Ernst Moritz_Arndt Napoleon Alexander_von_Humboldt Alexander Napoleon Napoleon
300
Achte Periode.
Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft auf der Universität seiner
Vaterstadt. Unstät schwankte er zwischen den verschiedensten Plänen, bis
er Aufenthalt in der Schweiz nahm und Veranlassung fand, das Trauer-
spiel „Familie Schroffenstein" zu dichten und das Lustspiel „Der zer-
brochene Krug" zu entwerfen. In die Heimat zurückgekehrt, erlitt er viel
Mißgeschick, wurde 1807 am Tore von Berlin gefangen genommen und
als Spion nach Frankreich gebracht. Nach seiner Freilassung war er bis
1809 in Dresden literarisch tätig; hier entstand sein bekanntes Ritterschau-
spiel „Käthcheu von Heilbronn", ein echtes Kind der Romantik.
Die Heldin Käthchen ist in treuherziger Selbstlosigkeit wie durch einen
Liebeszauber gekettet an den Grafen Wetter vom Strahl, der über sie eine
geheimnisvolle seelische Macht (Somnambulismus) ausübt. Von patrio-
tischer Begeisterung getragene und dieselbe weckende Dramen sind „Hermanns-
schlacht" und „Prinz Friedrich von Homburg". Der Inhalt des
letzteren ist entnommen der Zeit des großen Kurfürsten.
Im nachtwandelnden Zustande hat der Prinz Friedrich von Homburg in der
Schlacht bei Fehrbellin (1675) wider den Befehl den Feind angegriffen und in
heldenhafter Tapferkeit besiegt. Der große Kurfürst zieht ihn trotz seines Sieges
zur Verantwortung vor ein Kriegsgericht und läßt ihn zum Tod verurteilen. Aus
großer Zuversicht in die tiefste Entmutigung gestürzt, ist der Prinz bereit, eine
ehrenkränkende Strafe aus sich zu nehmen und auf die geliebte Natalie, eine Nichte
des Kurfürsten, zu verzichten. Als dieser ihn aber begnadigen will, wenn er selbst
den Urteilsfpruch für ungerecht halten könne, weist er, zur vollen Pflichterkenntnis
zurückgekehrt, die Begnadigung zurück und erwartet den Tod zur Ehrung des ver-
letzten Kriegsgesetzes. Als so dem Gesetze Genugtuung geleistet ist, begnadigt der
Kurfürst, trotzdem er vordem alle Bittgesuche abgelehnt hat, ihn nicht allein, sondern
vermählt ihn auch mit seiner Nichte Natalie.
Das Stück enthält, wenn auch das Schlafwandeln des Prinzen störend
wirkt, scharf und fein gezeichnete Charaktere lebensvoller Ge-
stalten und zeigt bei trefflicher dramatischer Steigerung einen wirkungs-
vollen Ausgang. Diese Vorzüge und patriotische Gründe haben dem Stücke
auch in der Schullektüre einen Platz angewiesen.
Meisterschaft in prosaischer Erzählung bewies Kleist in
„Michael Kohlhaas", enthaltend die Geschichte eines altmärkischen
Roßkamms, wodurch er der Begründer der modernen Novelle wurde.
Das drückende Elend des Vaterlandes, für das er sich in mehreren
kräftigen und weihevollen Dichtungen erhebt (s. unten bei den Freiheits-
dichtern), das Elend seines eigenen zerrissenen Innern bei dem Mangel
einer Anerkennung seiner dichterischen Tätigkeit trieben ihn in den Tod.
Er erschoß sich, geistig umdüstert, am 21. November 1811 am Wansee
bei Berlin.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_von_Homburg" Friedrich Friedrich_von_Homburg Friedrich Natalie Natalie
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Frankreich Dresden Fehrbellin Berlin
§ 45. Die Sänger der Freiheitskriege. Rückert. 359
gingen wir uns wund auf Dornen. — Der Tod bleibt unsere Zuflucht vor
Bedrängnis; — wir klagen an das säumende Verhängnis. — Oder ist hier ein
Beirätiger, — Menschenfreundlicher, Guttätiger, — der einen Kraftlosen, Haft-
losen stütze, — ein Tröpflein der Milde auf einen Saftlosen spritze? — Bei
dem, der mich hat entsprossen lassen von Kaile!1 — der den Mangel mir gab
zu teile! — ich habe nicht, wo ich die Nacht verweile?"
Hareth Ben Hemmam spricht: „Um seine Notdurft zu letzen — und zugleich
seinen Witz auf eine Probe zu setzen, — nahm ich ein Goldstück und wies es
— und sagte: Dein ist dieses, — wenn du uns in Versen sein Lob lässest
hören. — Und auf der Stelle ließ er sprudeln seine Brunnenröhren:
,Gesegnet sei der Gelbe mit dem lichten Rand,
Der wie die Sonne wandelt über Meer und Land,
In jeder Stadt daheim, zu Haus an jedem Strand,
Gegrüßt mit Ehrfurcht, wo sein Name wird genannt.
Er geht als wie ein edler Gast von Hand zu Hand,
Empfangen überall mit Lust, mit Leid entsandt.
Er schlichtet jedes menschliche Geschäft gewandt.
In jeder Schwierigkeit ist ihm ein Rat bekannt.
Er pocht umsonst nicht an die taube Felsenwand,
Und etwas fühlt für ihn ein Herz, das nichts empfand.
Er ist der Zaubrer, dem sich keine Schlang' entwand.
Der Schöne, welchem keine Schönheit widerstand,
Der Held, der ohne Schwertstreich Helden überwand,
Der Schwachen Kräfte gibt und Törichten Verstand,
Und Selbstvertraun einflößet, das mit Stolz ermannt.
Wer ihn zum Freund hat, ist den Fürsten anverwandt,
Wenngleich sein Stammbaum auf gemeinem Boden stand.
Der trifft des Wunsches Ziel, dem er den Bogen spannt,
Er ist des Königs Krön' und seiner Herrschaft Pfand,
Er ist der Erde Kern, und alles sonst ist Tand?
Und wie er war am Ende, — streckte er seine Hand nach der Spende — und
ries: ,Wer verspricht, muß segnen; —die Wolke, die donnert, muß regnen? —
Da gab ich ihm das Goldstück hin — und sprach: Sei es dir zum Gewinn!
— Er schob es in seinen Mund — und sprach: ,Gott erhalte mir's gesund!‘ —
Dann macht' er sich auf, von dannen zu wanken, — mit Grüßen und Danken.
— Doch der Dust des Geistes, den er verstreute, — berauschte mich so, daß ich
nicht Aufwand scheute. — Ein zweites Goldstück nahm ich aus der Tasche —
und sprach: Da hasche! — Dieses ist dein, wenn du nach seinem Adel — uns
nun auch hören lässest seinen Tadel. — Da ließ er auf der Stelle — noch
einmal rauschen die Welle:
1 Name eines arabischen Stammes.
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424
Neunte Periode.
Er ist erstanden! Seine Worte schweben
Wie reine Mammen fort von Mund zu Mund;
Begeistert lehrt sein Lied den Jüngling streben
Und tut dem Greis erhabne Weisheit kund,
Und wo sich deutsche Männer kühn erheben
Zu hoher Tat, da segnet er den Bund.
So lebt er glorreich, ewig unvergessen.
Heil ihm! Heil unserm Volk, das ihn besessen!
15. Ludwig Wand.
(1862.)
Es ist ein hoher Baum gefallen,
Ein Baum im deutschen Dichterwald;
Ein Sänger schied, getreu vor allen,
Von denen deutsches Lied erschallt.
Wie stand mit seinem keuschen Psalter
Im jüngern Schwarm er stolz und schlicht!
Ein Meister und ein Held wie Walther
Und rein sein Schild wie sein Gedicht.
Wohl größre preist man unser eigen.
Um deren Stirnen ewig grün
Im Kranz, gewebt aus Eichenztveigen,
Die Lorbeern der Hellenen blühn;
Doch keiner sang in unsrer Mitte,
Der, so wie er, unwandelbar
Ein Spiegel vaterländischer Sitte,
Ein Herold deutscher Ehren war.
Drum, wenn wir seinen Weisen lauschen,
Umweht es uns wie Heimatluft:
Wir hören deutsches Waldesrauschen,
Wir atmen deutschen Maienduft.
Die Herrlichkeit verschollner Tage
Steigt mondbeglänzt vor uns heraus;
Uns geht beim Waldhornruf der Sage
Das Herz in süßem Schauder auf.
Und wenn mit männlich ernstem Fodern
Sein Lied nach Freiheit ruft und Recht,
Auch das ist deutschen Geistes Lodern,
Beharrlich, prunklos, stark und echt.
Es lehrt uns—was das Schicksal sende—,
Dem Weltlauf fest ins Auge schaun;
Es lehrt uns treu sein bis ans Ende
Und auf der Zukunft Sterne traun.
Und forschen wir, wie vom Beginne
Der Sprache zweigend Erz gediehn,
Und was der Väter gläubigem Sinne
Als uralt heilig Bild erschien:
Er hat den rechten Schacht gefunden,
Er trügt auf vielgewundner Bahn
Durchs Labyrinth der Götterkunden
Die Fackel deutend uns voran.
So wob er schon in unsre Jugend
Des Liedes Schmuck, der Sage Lust;
So reift' er zu cntschlossner Tugend
Den Freiheitsdrang in unsrer Brust.
So stand er, deutschen Reichtums Wächter,
In sinnverwelschter Zeiten Lauf,
Und huld'gend schauten drei Geschlechter
Zu seiner stillen Hoheit auf.
Er schied; es bleibt der Mund geschlossen,
So karg im Wort, im Lied so klar,
Der Mund, draus nie ein Spruch geflossen,
Der seines Volks nicht würdig war.
Doch segnend waltet sein Gedächtnis,
Unsterblich fruchtend um uns her!
Das ist an uns sein groß Vermächtnis:
So treu und deutsch zu sein wie er.
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426
Neunte Periode.
's ist wahr, ich tötet' euch; doch mußt' es sein.
Wer hieß im Würfelspiel euch auch verlieren?
Hinweg! — Weh mir! Wann endet diese Pein?"
Der Arzt bot ihm den Kelch; er sog ihn leer
Und sank zurück in tödlichem Ermatten;
Dann aus den Kissen blickt' er scheu umher
Und frug verstört: „Nicht wahr, du siehst nichts mehr?
50. Fort sind sie, fort die fürchterlichen Schatten. —
Vielleicht auch war's nur Dunst. — Doch glaube mir,
Sie kamen oft schon nachts, und wie sie quälen,
Das weiß nur ich. — Doch still! — Komm, setz dich hier
Nah, nah; von anderm will ich dir erzählen.
„Auch ich war jung einst, traut' auf meinen Stern
Und glaubt' au Menschen. Doch der Wahn der Jugend
Zerstob zu bald nur; und, ins Innre lugend,
Verfault erfand ich alles Wesens Kern.
Da war kein Ding so hoch und bar der Rüge,
60. Der Wurm saß drin; aus jeder Großtat sahn
Der Selbstsucht Züge mich versteinernd an,
Lieb', Ehre, Tugend, alles Schein und Lüge!
Nichts unterschied vom reißenden Getier
Dies Kotgeschlecht, als im ehrlosen Munde
Der Falschheit Honig und im Herzensgründe
Die größre Feigheit und die wildre Gier.
Wo war ein Freund, der nicht den Freund verriet?
Ein Bruder, der nicht Brudermord gestiftet?
Ein Weib, das lächelnd nicht den Mann vergiftet?
70. Nichtswürdig alle — stets dasselbe Lied.
Da ward auch ich wie sie. Und weil nur Schrecken
Sie zähmte, lernt' ich Schrecken zu erwecken;
Und Krieg mit ihnen führt' ich. Zum Genuß
Ward ihre Qual mir, ihr verendend Röcheln.
Ich schritt ins Blut hinein bis zu den Knöcheln —
Doch auch das Grausen wird zum Überdruß.
Und jetzt, nur noch gequält vom Strahl des Lichts,
Matt, trostlos, reulos starr' ich in das Nichts."
Sein Wort ging tonlos aus; er keuchte leis'
80. Im Krampf, von seinen Schläfen floß der Schweiß
Und graß verstellt, wie eine Larve, sah
Sein blutlos Antlitz. Zu des Lagers Stufen
Trat Macro da: „Soll ich den Cajus rufen,
Herr, deinen Enkel, den Ealigula?
Du bist sehr krank —"
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392
Neunte Periode.
Neunte Periode.
8 52.
Das junge Deutschland.
Als im Jahre 1830 die französische Juli-Revolution die Herrschaft
der Bourbonen und damit die Reaktion in Frankreich gestürzt hatte, zeigte
sich auch im deutschen Volke unter Hebung des Nationalbewußtseins eine
mehr und mehr sich steigernde Gärung. Die Bewegung richtete sich zunächst
gegen das Metternichsche System, gegen die Zensur, die Unterdrückung der
öffentlichen Meinung und gegen die politische Zerrissenheit des Vaterlandes.
Begabte junge, aber politisch noch nicht reife Männer, das sog. junge
Deutschland, griffen in ihrem Sturmesdrange nicht allein den Klassizismus
und die Romantik, sondern bald auch die Religion, Zucht und Sitte und
die bürgerliche Ordnung an. Pessimistisch angelegt und absoluter Freiheit
huldigend, entlehnten sie ihre Stoffe mit Vorliebe der Gegenwart und dem
Volksleben.
Führer der Bewegung wurden zwei zum Christentum übergetretene Juden,
Ludwig Börne (Löb Baruch, 1786—1837) aus Frankfurt a. M., der
von Paris aus gegen die Bedrückung des deutschen Volkes durch Zensur
und Tyrannei der Fürsten auftrat, und
Heinrich Keine (1799—1856).
Heinrich Heine, von jüdischen Eltern am 13. Dezember 1799 zu
Düsseldorf geboren, widmete sich der Rechtswissenschaft und trat zum Christen-
tum über, ohne christliche Gesinnung und Gesittung anzunehmen. Voll
Bewunderung des französischen und voll Verachtung des deutschen Wesens
ging er 1831 nach Paris, wo er vorwiegend der Prosa und den Tages-
fragen sich zuwandte und nach einer langjährigen, schmerzvollen Krankheit
am 17. Februar 1856 starb. Von einer geradezu dämonischen Zer-
setzungslust getrieben, liebte er gemeine Frivolität und übergoß oft das
Heiligste mit Spott und Hohn („Vergiftet sind meine Lieder, wie könnt'
es anders sein?"), so daß er selbst das Vaterland und das Christentum
zur Zielscheibe bitterer Satire und frechen Witzes und Haffes machte. Zu-
gleich wurde er der Dichter des sog. Weltschmerzes, einer krankhaften,
unzufriedenen Stimmung über die Verhältnisse des Lebens, die bei vielen
Dichtern eifrige Nachahmung fand. Im übrigen ist er jedoch einer unserer
bedeutendsten Lyriker, ausgezeichnet gleich Goethe, Eichendorff und
Uhland durch Wärme der Empfindung, Objektivität, sachliche
Volkstümlichkeit und glatte Form, Eigenschaften, welche einen Silcher,
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Börne Ludwig Baruch Heinrich_Keine Heinrich Heinrich_Heine Heinrich Weltschmerzes Goethe Silcher
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Deutschland Frankfurt_a._M. Paris Christen- Paris
§ 15. „Messias" von Klopstock.
59
O, ihr Engel, die ihr bei der Krippe seiner Gebnrt sangt.
Wenn das wäre! Sie denkt's. Schon eilt sie die Marmorgelünder
50. Unverhüllter hinauf und geht in den schweigenden Sälen.
Aber nicht lang, so kommt aus einem fernen Gewölbe
In des Palastes Seite, die sich zu dem Richtstuhl hinzog.
Eine Römerin her und sieht Maria. Die junge
Bleiche Römerin blieb, so wie gelöst ihr das Haar floß
Und das leichte Gewand die bebenden Glieder herunter.
Voll Bewunderung stehen. Denn die Mutter des Unerschaffenen
Zeigte, wiewohl der Schmerz sie verhüllte, in ihren Gebärden
Eine Hoheit, von Engeln, weil die auch dann sie verstanden.
Noch bewundert; verhüllt vom Schmerze, stieg sie am tiefsten
60. Zu den Menschen hinab, von ihnen bewundert zu werden:
Denn die kannten nicht, was an der Heitern die Himmlischen sahen.
Endlich redet die Römerin: „Sag, o sage, wer bist du?
Wer du auch seist, noch nie hab' ich diese Hoheit gesehen,
Diesen göttlichen Schmerz!" Da unterbrach sie Maria:
„Wenn du wirklich das Mitleid, das du in deinem Gesicht hast.
Auch in dem Herzen empfindest, so komm, o Römerin, führe
Mich zu Portia!" Mehr noch erstaunt, antwortete mit leiser.
Sanfter Stimme die Römerin: „Ich bin Portia." — „Du bist
Portia selbst? Ein geheimes, ein linderndes, stilles Verlangen
70. Wünschte mir Portia so, da ich dich sahe. Du bist es
Also selber, o Römerin? Zwar du kennest die Schmerzen
Einer Mutter nicht ganz, die zu einem Volke gehöret.
Welches ihr haßt; doch Israelitinnen selber erzählen,
Daß dein Herz voll Menschlichkeit sei. Der Mann, den Pilatus
Richtet, er hat kein Übel getan, den Tyrannen verklagen!
Ich bin seine Mutter!" Maria hat es gesprochen.
Portia blieb vor ihr stehn und sah mit sanftem Erstaunen,
Mit Entzückung sie an. Denn über den Kummer des Mitleids
Siegte der höhere Gedanke. Sie konnte jetzt nur bewundern.
80. Endlich rief sie: „Er ist dein Sohn? Glückselige, du bist
Dieses Göttlichen Mutter? du bist Maria?" Dann wendet
Sie sich von ihr und richtet gen Himmel ihr staunendes Auge.
„Sie ist seine Mutter, ihr Götter! Euch, mein' ich, ihr höh're,
Bessere Götter, die mir in dem Traume voll Ernst sich entdeckten.
Jupiter heißt ihr nicht, ihr heißet nicht Phöbus Apollo.
Aber wie euer Name auch heißt, ihr seid es, ihr sandtet
Mir die Mutter des größten der Menschen, wenn er ein Mensch ist!
Und mich bittet sie? Nein, bitte mich nicht! o, führe
Mich vielmehr zu ihm hin, zu deinem erhabenen Sohne,
90. Daß er der Dunkelheit mich, den Zweifeln, entreiße, von fern nur
Auf mich blicke und mir die Lehre der Gottheit entfalte!"
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Klopstock Maria Maria Maria Maria Portia! Portia Portia Portia Maria Maria Maria Ernst Phöbus_Apollo
§ 15. „Messias" von Klopstock.
61
„Sokrates — zwar du kennest ihn nicht, doch ich schaure vor Freuden,
Wenn ich ihn nenne; das edelste Leben, das jemals gelebt ward.
Krönt' er mit einem Tode, der selbst dies Leben erhöhte —
Sokrates, immer hab' ich den Weisen bewundert, sein Bildnis
140. Unaushörlich betrachtet, ihn sah ich im Traum. Da nannt' er
Seinen unsterblichen Namen: ,Jch, Sokrates, den du bewunderst,
Komm' aus den Gegenden über den Gräbern herüber. Verlerne,
Mich zu bewundern! Die Gottheit ist nicht, wofür wir sie hielten.
Ich in der strengeren Weisheit Schatten, ihr an Altären.
Ganz die Gottheit dir zu enthüllen, ist mir nicht geboten.
Sieh, ich führe dich nur den ersten Schritt in den Vorhof
Ihres Tempels. Vielleicht, daß in diesen Tagen der Wunder,
Da die erhabenste Tat der Erde geschieht, daß ein bess'rer.
Höherer Geist kommt und dich in das Heiligtum tiefer hineinführt.
150. Soviel darf ich dir sagen, und dies verdiente dein Herz dir:
Sokrates leidet nicht mehr von den Bösen, Elysium ist nicht.
Noch die Richter am mächtigen Strom. Das waren nur Bilder
Schwacher, irrender Züge. Dort richtet ein anderer Richter,
Leuchten andere Sonnen als die in Elysiums Tale!
Sieh, es zählet die Zahl, und die Wagschal' wägt, und das Maß mißt
Alle Taten! Wie krümmen alsdann der Tugenden höchste
Sich in das Kleine, wie fliegt ihr Wesen verstäubt in die Luft aus!
Einige werden belohnt, die meisten werden vergeben!
Mein aufrichtiges Herz erlangte Vergebung. O drüben,
160. Portia, drüben über den Urnen, wie sehr ist es anders.
Als wir dachten! Dein schreckendes Rom ist ein höherer Aufwurf
Voll Ameisen, und eine der redlichen Tränen des Mitleids
Einer Welt gleich. Verdiene du, sie zu weinen! Was diese
Heilige Welt der Geister sehr ernst jetzt feiert, und was mir
Selbst nicht enthüllet ward, und ich von fern nur bewundre,
Ist: Der größte der Menschen, wofern er ein Mensch ist, er leidet,
Leidet mehr, wie ein Sterblicher litt, wird am tiefsten gehorsam
Gegen die Gottheit, vollendet dadurch der Tugenden größte.
Und dies alles geschieht um der Menschen willen! und jetzo!
170. Sieh, ihn sah dein Auge! Pilatus richtet den Täter
Dieser Taten! und fließt sein Blut, so hatte noch niemals
Lauter der Unschuld Blut gerufen'/ Hier schwieg die Erscheinung.
Aber sie rief, indem sie verschwand, aus den Fernen herüber:
,Schau!' — Ich schaute. Da waren um mich aufbebende Gräber,
Hingen dicht an die Gräber von allen Himmeln herunter
Schwere Wolken: die rissen sich auf bis zur obersten Höhe.
Und ein Mann, dem Blut entströmete, ging in die Wolken,
Wo sie sich öffneten. Scharen unzählbarer Menschen zerstreuten
Sich aus den Gräbern und schauten mit offenen, verlangenden Armen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
§ 16. Oden und Lieder von Klopstock.
63
Und unerforschlichsten ist: Er hat zu sterben beschlossen!
Ach, nun reißt sie von neuem mir auf, die Wund' in der Seele!
Deine Gespräche von Gott bedeckten sie leise; nun reißt sie
Wieder auf und blutet, die tiefe Wunde! Dich segne
Gott, ja Abrahams Gott, er segne dich! Aber, o wende
Dies dein weinendes Auge von mir! Es tröstet umsonst mich.
230. Denn er beschloß zu sterben und stirbt!" Die Stimme verließ sie.
Lange standen sie beide mit weggewendetem Antlitz.
Endlich, wie ein Sterbender sich noch einmal zum Freunde
Kehrt, sprach Portia noch: „O du, du teu'rste der Mütter!
Mutter, ich geh' und weine mit dir bei dem Grabe des Toten!" —
§ 16.
2. Klopstocks Oden und Lieder.
Bedeutender als im „Messias" erscheint Klopstock in den Oden, die
erfüllt sind von christlichem und echt deutschem Geiste. In ihnen,
die nach Herders Wort so recht „eine Poesie des Herzens und der Emp-
findung" sind, entfaltet er inhaltlich den höchsten Schwung seiner
Lyrik und bekundet äußerlich eine reiche metrische Kunst. Treffend
sagt Herder in seiner Rezension der Oden (1798): „Klopstocks Oden
sind erstlich Gesang. Also erhebe man die Stimme und lese sie vor,
auch wenn man sie sich selbst liefet. Kaum hat unsere Sprache ein Buch,
in dem so viel lebendiger Wohllaut in melodischer Bewegung so leicht und
harmonienreich tönet wie in diesem. Zweitens hat im großen Umfange
der dargelegten Ansichten und Empfindungen jeder Gegenstand seine Farbe,
jede Empfindung ihren Ton, jede Situation ihre Haltung, so daß kein
Stück dem andern gleich ist. Drittens werden Klopstocks Gedichte durch
edle Gesinnungen charakterisiert. Seine jugendlichen Gesänge hauchten
eine jugendlich paradiesische Liebe; mit dem Händedruck der männlichen
Freundschaft schlossen sich andere dem Leser ans Herz; andere belebte
Religion und eine heitere Weisheit. Die aus dem reiferen Alter des
Dichters verleugnen ihre jüngeren Schwestern nicht; der süße Most ist guter
alter Wein geworden, im goldenen Becher deutscher Treue mit griechischen
Rosen umlaubt; es herrschen in ihnen die Gesinnungen der Vaterlands-
liebe, Menschlichkeit und Weisheit."
Der Inhalt bezieht sich auf Gott, Natur, Liebe, Freund-
schaft, Vaterland und Literatur. Ihren Grundton bildet reli-
giöse Begeisterung. Erhabene Gedanken und kühne Bilder fesseln
den Leser, der die Mühe nicht scheut, sich in dieselben zu vertiefen. Mag
auch der Flug der Phantasie den Dichter oft zu überraschenden Sprüngen
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