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5331. Dichtung der Neuzeit - S. 323

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 45. Die Sänger der Freiheitskriege. Arndt. 323 3. I.n die Löiligin von Preußen. Erwäg' ich, wie in jenen Schreckenstagen Still deine Brust verschlossen, was sie litt, Wie dn das Unglück mit der Grazie Tritt Aus jungen Schultern herrlich hast getragen; Wie von des Kriegs zerrisstnem Schlachtenwagen Selbst oft die Schar der Männer zu dir schritt, Wie trotz der Wunde, die dein Herz durchschnitt, Du stets der Hoffnung Fahn' uns vorgetragen: O Herrscherin, die Zeit dann möchll ich segnen! Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen — Wie groß du warst, das ahneten wir nicht! Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert, Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert. Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht! Aus der großen Anzahl der die heldenmütige Zeit mit ihren Liedern begleitenden Freiheitssänger sind namentlich hervorzuheben: Ernst Moritz Arndt, Max von Schenkendorf, Theodor Körner und Friedrich Rück er t. 1. ß-rnst Worih Arndt (1769—1860). Ernst Moritz Arndt, geb. am 26. Dezember 1769 (in demselben Jahre mit Napoleon, Wellington und Alexander von Humboldt) zu Schoritz auf der Insel Rügen, studierte Theologie und Geschichte und wurde nach vielen Reisen 1805 Professor der Geschichte zu Greifswald. Begeistert für das Vaterland, schrieb er von 1806 bis 1813 fein zornmutiges, gegen Napoleon und gegen die schmachvolle Erniedrigung seines Volkes gerichtetes Werk „Geist der Zeit". In seiner Sicherheit bedroht, floh er nach Schweden, kehrte dann heimlich zurück und ging im Jahre 1812 nach Petersburg zu dem von Napoleon gleichfalls geächteten Freiherrn vom Stein, um diesen in seiner Tätigkeit gegen den fremden Machthaber zu unterstützen. Im folgenden Jahre in das Vaterland heimgekehrt, entflammte er das Volk durch feine im echten Volkston geschriebenen, von heiliger Vaterlandsliebe durch- glühten Dichtungen („Kriegs- und Wehrlieder") und durch seine hinreißenden Flugschriften (u. a. „Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehrmann", „Was bedeutet Landsturm und Landwehr?" „Der Rhein Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze"). Als er 1818 Professor der neueren Ge- schichte an der neugegründeten Bonner Universität geworden war, wurde er schon bald „wegen Teilnahme an burschenschaftlichen Umtrieben" seines 21*

5332. Dichtung der Neuzeit - S. 300

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
300 Achte Periode. Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft auf der Universität seiner Vaterstadt. Unstät schwankte er zwischen den verschiedensten Plänen, bis er Aufenthalt in der Schweiz nahm und Veranlassung fand, das Trauer- spiel „Familie Schroffenstein" zu dichten und das Lustspiel „Der zer- brochene Krug" zu entwerfen. In die Heimat zurückgekehrt, erlitt er viel Mißgeschick, wurde 1807 am Tore von Berlin gefangen genommen und als Spion nach Frankreich gebracht. Nach seiner Freilassung war er bis 1809 in Dresden literarisch tätig; hier entstand sein bekanntes Ritterschau- spiel „Käthcheu von Heilbronn", ein echtes Kind der Romantik. Die Heldin Käthchen ist in treuherziger Selbstlosigkeit wie durch einen Liebeszauber gekettet an den Grafen Wetter vom Strahl, der über sie eine geheimnisvolle seelische Macht (Somnambulismus) ausübt. Von patrio- tischer Begeisterung getragene und dieselbe weckende Dramen sind „Hermanns- schlacht" und „Prinz Friedrich von Homburg". Der Inhalt des letzteren ist entnommen der Zeit des großen Kurfürsten. Im nachtwandelnden Zustande hat der Prinz Friedrich von Homburg in der Schlacht bei Fehrbellin (1675) wider den Befehl den Feind angegriffen und in heldenhafter Tapferkeit besiegt. Der große Kurfürst zieht ihn trotz seines Sieges zur Verantwortung vor ein Kriegsgericht und läßt ihn zum Tod verurteilen. Aus großer Zuversicht in die tiefste Entmutigung gestürzt, ist der Prinz bereit, eine ehrenkränkende Strafe aus sich zu nehmen und auf die geliebte Natalie, eine Nichte des Kurfürsten, zu verzichten. Als dieser ihn aber begnadigen will, wenn er selbst den Urteilsfpruch für ungerecht halten könne, weist er, zur vollen Pflichterkenntnis zurückgekehrt, die Begnadigung zurück und erwartet den Tod zur Ehrung des ver- letzten Kriegsgesetzes. Als so dem Gesetze Genugtuung geleistet ist, begnadigt der Kurfürst, trotzdem er vordem alle Bittgesuche abgelehnt hat, ihn nicht allein, sondern vermählt ihn auch mit seiner Nichte Natalie. Das Stück enthält, wenn auch das Schlafwandeln des Prinzen störend wirkt, scharf und fein gezeichnete Charaktere lebensvoller Ge- stalten und zeigt bei trefflicher dramatischer Steigerung einen wirkungs- vollen Ausgang. Diese Vorzüge und patriotische Gründe haben dem Stücke auch in der Schullektüre einen Platz angewiesen. Meisterschaft in prosaischer Erzählung bewies Kleist in „Michael Kohlhaas", enthaltend die Geschichte eines altmärkischen Roßkamms, wodurch er der Begründer der modernen Novelle wurde. Das drückende Elend des Vaterlandes, für das er sich in mehreren kräftigen und weihevollen Dichtungen erhebt (s. unten bei den Freiheits- dichtern), das Elend seines eigenen zerrissenen Innern bei dem Mangel einer Anerkennung seiner dichterischen Tätigkeit trieben ihn in den Tod. Er erschoß sich, geistig umdüstert, am 21. November 1811 am Wansee bei Berlin.

5333. Dichtung der Neuzeit - S. 359

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 45. Die Sänger der Freiheitskriege. Rückert. 359 gingen wir uns wund auf Dornen. — Der Tod bleibt unsere Zuflucht vor Bedrängnis; — wir klagen an das säumende Verhängnis. — Oder ist hier ein Beirätiger, — Menschenfreundlicher, Guttätiger, — der einen Kraftlosen, Haft- losen stütze, — ein Tröpflein der Milde auf einen Saftlosen spritze? — Bei dem, der mich hat entsprossen lassen von Kaile!1 — der den Mangel mir gab zu teile! — ich habe nicht, wo ich die Nacht verweile?" Hareth Ben Hemmam spricht: „Um seine Notdurft zu letzen — und zugleich seinen Witz auf eine Probe zu setzen, — nahm ich ein Goldstück und wies es — und sagte: Dein ist dieses, — wenn du uns in Versen sein Lob lässest hören. — Und auf der Stelle ließ er sprudeln seine Brunnenröhren: ,Gesegnet sei der Gelbe mit dem lichten Rand, Der wie die Sonne wandelt über Meer und Land, In jeder Stadt daheim, zu Haus an jedem Strand, Gegrüßt mit Ehrfurcht, wo sein Name wird genannt. Er geht als wie ein edler Gast von Hand zu Hand, Empfangen überall mit Lust, mit Leid entsandt. Er schlichtet jedes menschliche Geschäft gewandt. In jeder Schwierigkeit ist ihm ein Rat bekannt. Er pocht umsonst nicht an die taube Felsenwand, Und etwas fühlt für ihn ein Herz, das nichts empfand. Er ist der Zaubrer, dem sich keine Schlang' entwand. Der Schöne, welchem keine Schönheit widerstand, Der Held, der ohne Schwertstreich Helden überwand, Der Schwachen Kräfte gibt und Törichten Verstand, Und Selbstvertraun einflößet, das mit Stolz ermannt. Wer ihn zum Freund hat, ist den Fürsten anverwandt, Wenngleich sein Stammbaum auf gemeinem Boden stand. Der trifft des Wunsches Ziel, dem er den Bogen spannt, Er ist des Königs Krön' und seiner Herrschaft Pfand, Er ist der Erde Kern, und alles sonst ist Tand? Und wie er war am Ende, — streckte er seine Hand nach der Spende — und ries: ,Wer verspricht, muß segnen; —die Wolke, die donnert, muß regnen? — Da gab ich ihm das Goldstück hin — und sprach: Sei es dir zum Gewinn! — Er schob es in seinen Mund — und sprach: ,Gott erhalte mir's gesund!‘ — Dann macht' er sich auf, von dannen zu wanken, — mit Grüßen und Danken. — Doch der Dust des Geistes, den er verstreute, — berauschte mich so, daß ich nicht Aufwand scheute. — Ein zweites Goldstück nahm ich aus der Tasche — und sprach: Da hasche! — Dieses ist dein, wenn du nach seinem Adel — uns nun auch hören lässest seinen Tadel. — Da ließ er auf der Stelle — noch einmal rauschen die Welle: 1 Name eines arabischen Stammes.

5334. Dichtung der Neuzeit - S. 424

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
424 Neunte Periode. Er ist erstanden! Seine Worte schweben Wie reine Mammen fort von Mund zu Mund; Begeistert lehrt sein Lied den Jüngling streben Und tut dem Greis erhabne Weisheit kund, Und wo sich deutsche Männer kühn erheben Zu hoher Tat, da segnet er den Bund. So lebt er glorreich, ewig unvergessen. Heil ihm! Heil unserm Volk, das ihn besessen! 15. Ludwig Wand. (1862.) Es ist ein hoher Baum gefallen, Ein Baum im deutschen Dichterwald; Ein Sänger schied, getreu vor allen, Von denen deutsches Lied erschallt. Wie stand mit seinem keuschen Psalter Im jüngern Schwarm er stolz und schlicht! Ein Meister und ein Held wie Walther Und rein sein Schild wie sein Gedicht. Wohl größre preist man unser eigen. Um deren Stirnen ewig grün Im Kranz, gewebt aus Eichenztveigen, Die Lorbeern der Hellenen blühn; Doch keiner sang in unsrer Mitte, Der, so wie er, unwandelbar Ein Spiegel vaterländischer Sitte, Ein Herold deutscher Ehren war. Drum, wenn wir seinen Weisen lauschen, Umweht es uns wie Heimatluft: Wir hören deutsches Waldesrauschen, Wir atmen deutschen Maienduft. Die Herrlichkeit verschollner Tage Steigt mondbeglänzt vor uns heraus; Uns geht beim Waldhornruf der Sage Das Herz in süßem Schauder auf. Und wenn mit männlich ernstem Fodern Sein Lied nach Freiheit ruft und Recht, Auch das ist deutschen Geistes Lodern, Beharrlich, prunklos, stark und echt. Es lehrt uns—was das Schicksal sende—, Dem Weltlauf fest ins Auge schaun; Es lehrt uns treu sein bis ans Ende Und auf der Zukunft Sterne traun. Und forschen wir, wie vom Beginne Der Sprache zweigend Erz gediehn, Und was der Väter gläubigem Sinne Als uralt heilig Bild erschien: Er hat den rechten Schacht gefunden, Er trügt auf vielgewundner Bahn Durchs Labyrinth der Götterkunden Die Fackel deutend uns voran. So wob er schon in unsre Jugend Des Liedes Schmuck, der Sage Lust; So reift' er zu cntschlossner Tugend Den Freiheitsdrang in unsrer Brust. So stand er, deutschen Reichtums Wächter, In sinnverwelschter Zeiten Lauf, Und huld'gend schauten drei Geschlechter Zu seiner stillen Hoheit auf. Er schied; es bleibt der Mund geschlossen, So karg im Wort, im Lied so klar, Der Mund, draus nie ein Spruch geflossen, Der seines Volks nicht würdig war. Doch segnend waltet sein Gedächtnis, Unsterblich fruchtend um uns her! Das ist an uns sein groß Vermächtnis: So treu und deutsch zu sein wie er.

5335. Dichtung der Neuzeit - S. 426

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
426 Neunte Periode. 's ist wahr, ich tötet' euch; doch mußt' es sein. Wer hieß im Würfelspiel euch auch verlieren? Hinweg! — Weh mir! Wann endet diese Pein?" Der Arzt bot ihm den Kelch; er sog ihn leer Und sank zurück in tödlichem Ermatten; Dann aus den Kissen blickt' er scheu umher Und frug verstört: „Nicht wahr, du siehst nichts mehr? 50. Fort sind sie, fort die fürchterlichen Schatten. — Vielleicht auch war's nur Dunst. — Doch glaube mir, Sie kamen oft schon nachts, und wie sie quälen, Das weiß nur ich. — Doch still! — Komm, setz dich hier Nah, nah; von anderm will ich dir erzählen. „Auch ich war jung einst, traut' auf meinen Stern Und glaubt' au Menschen. Doch der Wahn der Jugend Zerstob zu bald nur; und, ins Innre lugend, Verfault erfand ich alles Wesens Kern. Da war kein Ding so hoch und bar der Rüge, 60. Der Wurm saß drin; aus jeder Großtat sahn Der Selbstsucht Züge mich versteinernd an, Lieb', Ehre, Tugend, alles Schein und Lüge! Nichts unterschied vom reißenden Getier Dies Kotgeschlecht, als im ehrlosen Munde Der Falschheit Honig und im Herzensgründe Die größre Feigheit und die wildre Gier. Wo war ein Freund, der nicht den Freund verriet? Ein Bruder, der nicht Brudermord gestiftet? Ein Weib, das lächelnd nicht den Mann vergiftet? 70. Nichtswürdig alle — stets dasselbe Lied. Da ward auch ich wie sie. Und weil nur Schrecken Sie zähmte, lernt' ich Schrecken zu erwecken; Und Krieg mit ihnen führt' ich. Zum Genuß Ward ihre Qual mir, ihr verendend Röcheln. Ich schritt ins Blut hinein bis zu den Knöcheln — Doch auch das Grausen wird zum Überdruß. Und jetzt, nur noch gequält vom Strahl des Lichts, Matt, trostlos, reulos starr' ich in das Nichts." Sein Wort ging tonlos aus; er keuchte leis' 80. Im Krampf, von seinen Schläfen floß der Schweiß Und graß verstellt, wie eine Larve, sah Sein blutlos Antlitz. Zu des Lagers Stufen Trat Macro da: „Soll ich den Cajus rufen, Herr, deinen Enkel, den Ealigula? Du bist sehr krank —"

5336. Dichtung der Neuzeit - S. 392

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
392 Neunte Periode. Neunte Periode. 8 52. Das junge Deutschland. Als im Jahre 1830 die französische Juli-Revolution die Herrschaft der Bourbonen und damit die Reaktion in Frankreich gestürzt hatte, zeigte sich auch im deutschen Volke unter Hebung des Nationalbewußtseins eine mehr und mehr sich steigernde Gärung. Die Bewegung richtete sich zunächst gegen das Metternichsche System, gegen die Zensur, die Unterdrückung der öffentlichen Meinung und gegen die politische Zerrissenheit des Vaterlandes. Begabte junge, aber politisch noch nicht reife Männer, das sog. junge Deutschland, griffen in ihrem Sturmesdrange nicht allein den Klassizismus und die Romantik, sondern bald auch die Religion, Zucht und Sitte und die bürgerliche Ordnung an. Pessimistisch angelegt und absoluter Freiheit huldigend, entlehnten sie ihre Stoffe mit Vorliebe der Gegenwart und dem Volksleben. Führer der Bewegung wurden zwei zum Christentum übergetretene Juden, Ludwig Börne (Löb Baruch, 1786—1837) aus Frankfurt a. M., der von Paris aus gegen die Bedrückung des deutschen Volkes durch Zensur und Tyrannei der Fürsten auftrat, und Heinrich Keine (1799—1856). Heinrich Heine, von jüdischen Eltern am 13. Dezember 1799 zu Düsseldorf geboren, widmete sich der Rechtswissenschaft und trat zum Christen- tum über, ohne christliche Gesinnung und Gesittung anzunehmen. Voll Bewunderung des französischen und voll Verachtung des deutschen Wesens ging er 1831 nach Paris, wo er vorwiegend der Prosa und den Tages- fragen sich zuwandte und nach einer langjährigen, schmerzvollen Krankheit am 17. Februar 1856 starb. Von einer geradezu dämonischen Zer- setzungslust getrieben, liebte er gemeine Frivolität und übergoß oft das Heiligste mit Spott und Hohn („Vergiftet sind meine Lieder, wie könnt' es anders sein?"), so daß er selbst das Vaterland und das Christentum zur Zielscheibe bitterer Satire und frechen Witzes und Haffes machte. Zu- gleich wurde er der Dichter des sog. Weltschmerzes, einer krankhaften, unzufriedenen Stimmung über die Verhältnisse des Lebens, die bei vielen Dichtern eifrige Nachahmung fand. Im übrigen ist er jedoch einer unserer bedeutendsten Lyriker, ausgezeichnet gleich Goethe, Eichendorff und Uhland durch Wärme der Empfindung, Objektivität, sachliche Volkstümlichkeit und glatte Form, Eigenschaften, welche einen Silcher,

5337. Dichtung der Neuzeit - S. 59

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 15. „Messias" von Klopstock. 59 O, ihr Engel, die ihr bei der Krippe seiner Gebnrt sangt. Wenn das wäre! Sie denkt's. Schon eilt sie die Marmorgelünder 50. Unverhüllter hinauf und geht in den schweigenden Sälen. Aber nicht lang, so kommt aus einem fernen Gewölbe In des Palastes Seite, die sich zu dem Richtstuhl hinzog. Eine Römerin her und sieht Maria. Die junge Bleiche Römerin blieb, so wie gelöst ihr das Haar floß Und das leichte Gewand die bebenden Glieder herunter. Voll Bewunderung stehen. Denn die Mutter des Unerschaffenen Zeigte, wiewohl der Schmerz sie verhüllte, in ihren Gebärden Eine Hoheit, von Engeln, weil die auch dann sie verstanden. Noch bewundert; verhüllt vom Schmerze, stieg sie am tiefsten 60. Zu den Menschen hinab, von ihnen bewundert zu werden: Denn die kannten nicht, was an der Heitern die Himmlischen sahen. Endlich redet die Römerin: „Sag, o sage, wer bist du? Wer du auch seist, noch nie hab' ich diese Hoheit gesehen, Diesen göttlichen Schmerz!" Da unterbrach sie Maria: „Wenn du wirklich das Mitleid, das du in deinem Gesicht hast. Auch in dem Herzen empfindest, so komm, o Römerin, führe Mich zu Portia!" Mehr noch erstaunt, antwortete mit leiser. Sanfter Stimme die Römerin: „Ich bin Portia." — „Du bist Portia selbst? Ein geheimes, ein linderndes, stilles Verlangen 70. Wünschte mir Portia so, da ich dich sahe. Du bist es Also selber, o Römerin? Zwar du kennest die Schmerzen Einer Mutter nicht ganz, die zu einem Volke gehöret. Welches ihr haßt; doch Israelitinnen selber erzählen, Daß dein Herz voll Menschlichkeit sei. Der Mann, den Pilatus Richtet, er hat kein Übel getan, den Tyrannen verklagen! Ich bin seine Mutter!" Maria hat es gesprochen. Portia blieb vor ihr stehn und sah mit sanftem Erstaunen, Mit Entzückung sie an. Denn über den Kummer des Mitleids Siegte der höhere Gedanke. Sie konnte jetzt nur bewundern. 80. Endlich rief sie: „Er ist dein Sohn? Glückselige, du bist Dieses Göttlichen Mutter? du bist Maria?" Dann wendet Sie sich von ihr und richtet gen Himmel ihr staunendes Auge. „Sie ist seine Mutter, ihr Götter! Euch, mein' ich, ihr höh're, Bessere Götter, die mir in dem Traume voll Ernst sich entdeckten. Jupiter heißt ihr nicht, ihr heißet nicht Phöbus Apollo. Aber wie euer Name auch heißt, ihr seid es, ihr sandtet Mir die Mutter des größten der Menschen, wenn er ein Mensch ist! Und mich bittet sie? Nein, bitte mich nicht! o, führe Mich vielmehr zu ihm hin, zu deinem erhabenen Sohne, 90. Daß er der Dunkelheit mich, den Zweifeln, entreiße, von fern nur Auf mich blicke und mir die Lehre der Gottheit entfalte!"

5338. Dichtung der Neuzeit - S. 61

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 15. „Messias" von Klopstock. 61 „Sokrates — zwar du kennest ihn nicht, doch ich schaure vor Freuden, Wenn ich ihn nenne; das edelste Leben, das jemals gelebt ward. Krönt' er mit einem Tode, der selbst dies Leben erhöhte — Sokrates, immer hab' ich den Weisen bewundert, sein Bildnis 140. Unaushörlich betrachtet, ihn sah ich im Traum. Da nannt' er Seinen unsterblichen Namen: ,Jch, Sokrates, den du bewunderst, Komm' aus den Gegenden über den Gräbern herüber. Verlerne, Mich zu bewundern! Die Gottheit ist nicht, wofür wir sie hielten. Ich in der strengeren Weisheit Schatten, ihr an Altären. Ganz die Gottheit dir zu enthüllen, ist mir nicht geboten. Sieh, ich führe dich nur den ersten Schritt in den Vorhof Ihres Tempels. Vielleicht, daß in diesen Tagen der Wunder, Da die erhabenste Tat der Erde geschieht, daß ein bess'rer. Höherer Geist kommt und dich in das Heiligtum tiefer hineinführt. 150. Soviel darf ich dir sagen, und dies verdiente dein Herz dir: Sokrates leidet nicht mehr von den Bösen, Elysium ist nicht. Noch die Richter am mächtigen Strom. Das waren nur Bilder Schwacher, irrender Züge. Dort richtet ein anderer Richter, Leuchten andere Sonnen als die in Elysiums Tale! Sieh, es zählet die Zahl, und die Wagschal' wägt, und das Maß mißt Alle Taten! Wie krümmen alsdann der Tugenden höchste Sich in das Kleine, wie fliegt ihr Wesen verstäubt in die Luft aus! Einige werden belohnt, die meisten werden vergeben! Mein aufrichtiges Herz erlangte Vergebung. O drüben, 160. Portia, drüben über den Urnen, wie sehr ist es anders. Als wir dachten! Dein schreckendes Rom ist ein höherer Aufwurf Voll Ameisen, und eine der redlichen Tränen des Mitleids Einer Welt gleich. Verdiene du, sie zu weinen! Was diese Heilige Welt der Geister sehr ernst jetzt feiert, und was mir Selbst nicht enthüllet ward, und ich von fern nur bewundre, Ist: Der größte der Menschen, wofern er ein Mensch ist, er leidet, Leidet mehr, wie ein Sterblicher litt, wird am tiefsten gehorsam Gegen die Gottheit, vollendet dadurch der Tugenden größte. Und dies alles geschieht um der Menschen willen! und jetzo! 170. Sieh, ihn sah dein Auge! Pilatus richtet den Täter Dieser Taten! und fließt sein Blut, so hatte noch niemals Lauter der Unschuld Blut gerufen'/ Hier schwieg die Erscheinung. Aber sie rief, indem sie verschwand, aus den Fernen herüber: ,Schau!' — Ich schaute. Da waren um mich aufbebende Gräber, Hingen dicht an die Gräber von allen Himmeln herunter Schwere Wolken: die rissen sich auf bis zur obersten Höhe. Und ein Mann, dem Blut entströmete, ging in die Wolken, Wo sie sich öffneten. Scharen unzählbarer Menschen zerstreuten Sich aus den Gräbern und schauten mit offenen, verlangenden Armen

5339. Dichtung der Neuzeit - S. 63

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 16. Oden und Lieder von Klopstock. 63 Und unerforschlichsten ist: Er hat zu sterben beschlossen! Ach, nun reißt sie von neuem mir auf, die Wund' in der Seele! Deine Gespräche von Gott bedeckten sie leise; nun reißt sie Wieder auf und blutet, die tiefe Wunde! Dich segne Gott, ja Abrahams Gott, er segne dich! Aber, o wende Dies dein weinendes Auge von mir! Es tröstet umsonst mich. 230. Denn er beschloß zu sterben und stirbt!" Die Stimme verließ sie. Lange standen sie beide mit weggewendetem Antlitz. Endlich, wie ein Sterbender sich noch einmal zum Freunde Kehrt, sprach Portia noch: „O du, du teu'rste der Mütter! Mutter, ich geh' und weine mit dir bei dem Grabe des Toten!" — § 16. 2. Klopstocks Oden und Lieder. Bedeutender als im „Messias" erscheint Klopstock in den Oden, die erfüllt sind von christlichem und echt deutschem Geiste. In ihnen, die nach Herders Wort so recht „eine Poesie des Herzens und der Emp- findung" sind, entfaltet er inhaltlich den höchsten Schwung seiner Lyrik und bekundet äußerlich eine reiche metrische Kunst. Treffend sagt Herder in seiner Rezension der Oden (1798): „Klopstocks Oden sind erstlich Gesang. Also erhebe man die Stimme und lese sie vor, auch wenn man sie sich selbst liefet. Kaum hat unsere Sprache ein Buch, in dem so viel lebendiger Wohllaut in melodischer Bewegung so leicht und harmonienreich tönet wie in diesem. Zweitens hat im großen Umfange der dargelegten Ansichten und Empfindungen jeder Gegenstand seine Farbe, jede Empfindung ihren Ton, jede Situation ihre Haltung, so daß kein Stück dem andern gleich ist. Drittens werden Klopstocks Gedichte durch edle Gesinnungen charakterisiert. Seine jugendlichen Gesänge hauchten eine jugendlich paradiesische Liebe; mit dem Händedruck der männlichen Freundschaft schlossen sich andere dem Leser ans Herz; andere belebte Religion und eine heitere Weisheit. Die aus dem reiferen Alter des Dichters verleugnen ihre jüngeren Schwestern nicht; der süße Most ist guter alter Wein geworden, im goldenen Becher deutscher Treue mit griechischen Rosen umlaubt; es herrschen in ihnen die Gesinnungen der Vaterlands- liebe, Menschlichkeit und Weisheit." Der Inhalt bezieht sich auf Gott, Natur, Liebe, Freund- schaft, Vaterland und Literatur. Ihren Grundton bildet reli- giöse Begeisterung. Erhabene Gedanken und kühne Bilder fesseln den Leser, der die Mühe nicht scheut, sich in dieselben zu vertiefen. Mag auch der Flug der Phantasie den Dichter oft zu überraschenden Sprüngen
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