140 Das Deutsche Reich.
vereinzelten gletsch er artigen Eisresten, fehlt es an „ewigem Schnee" und
Gletscherfeldern. Im wesentlichen ist also das Gebiet der Vor- und Mittel-
alpen vertreten- dagegen kommt der alpine Charakter in den kühnen Berg-
formen, die die Kalkalpen auszeichnen, sowie in der Pflanzen- und Tierwelt
zum entschiedenen Ausdruck.
2. Gewässer. Die bedeutendsten Flüsse des deutschen Alpengebiets
sind Jller, Lech, Isar und Inn mit der Salz ach. Welche Richtung
haben die Flüsse? Über die Natur der Alpenflüsse vergl. S. 63! Die
Wasserkraft der Flüsse wird bei mancherlei Betrieben (Mühlen, Elektrizitäts-
werken u. s. w.) verwertet; auch dienen sie der Holzflößerei.
Im W. vom Westfuß der deutschen Alpen liegt der vom Rhein durch-
slossene Bodensee (540 qkm). Mit seinen Ufern berührt er 5 Staaten. Wie
heißen sie? Seiner Lage und Größe wegen wird er auch „Schwäbisches
Meer" genannt. Die nw. Bucht heißt Uberlinger See mit der lieblichen
Insel Mainau. — «seit altersher war der Bodensee für Ansiedelung, Handel
und Verkehr sehr wichtig. Zahlreiche Schiffe durchkreuzen seine Fluten, und
an seinen lieblichen Ufern liegen viele, darunter recht alte Städte. Die be-
deutendste ist die alte Vischossstadt Konstanz, zu Baden gehörig*). Auf einer
.Insel die bayrische Stadt Lindau, Hauptstapelplatz für'den Getreidehandel
mit der Schweiz.
3. Die Bewohner gehören zum bayrischen Stamme und sind fast
durchweg katholisch. Die Bevölkerungsdichtigkeit ist bei dem Waldreichtum
gering. Die gesunde Bergluft und die vorwiegende Beschäftigung im Freien
fördern bei den Bewohnern Gesundheit, Rüstigkeit und Frohsinn.
In den weidereichen Algäuer Alpen herrscht Viehzucht und Feldbau
vor; in den waldreichen Bayrischen Alpen nähren sich die Älpler von
Waldwirtschaft und Holzschnitzerei, und in den salzreichen Salzburger Alpen
gesellt sich ^zum Sennen und Bildschnitzer der Bergmann. Im ganzen
Alpengebiöt ist während der Sommermonate der Fremdenverkehr eine
Quelle reichen Einkommens. — Als Wohnhaus tritt namentlich in Dörfern
und Einzelgehöften das Alpenhaus auf, auch „Schweizerhaus"
genannt, (s. S. 94.)
4. Artskunde. In B ay ern: Unweit des Lech die vielbesuchten, reizend
gelegenen Schlösser Hohenschwangau und Neu-Schw anstein. Ober-
ammergau ist bekannt durch seine Passionsspiele.**) Im W. Kempten,
Handel. In den Salzburger Alpen das herrlich gelegene Berchtesgaden,
wohl der schönst gelegene Ort der deutschen Alpen.
2. Die Oberdeutsche Hochfläche mit ihrem Randgebirge.
1. Die Hochfläche. 1. Vom Fuße der deutschen Alpen erstreckt sich
nach N. bis über die Donau hinaus ein weites Hochland, Oberdeutsche
Hochfläche genannt. Im N. vom Schwäbisch-fränkischen Jura und dem
Böhmer Walde begrenzt, geht sie im 80. in das österreichische, im Sw. in
das schweizerische Alpenvorland über. Der große Teil s. der Donau heißt
nach den deutschen Volksstämmen der Schwaben und Bayern die
Schwäbisch-bayrische Hochfläche, der kleine Teil n. der Donau die
Hochfläche der Oberpfalz.
*) Konzil zu Costnitz 1414—1418. — Belehnung Friedrichs Vi. von
Wrnberg mit der Mark 1417.
**) Die Passionsspiele wurden 1633 eingeführt, und zwar nach einer
großen Seuche infolge eines Gelübdes, „alle 10 Jahre die Leidensgeschichte
Jesu vorzustellen."
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— 143 —
Venedig" bezeichnet hat. Viele Hütten stehen sogar auf Flößen, die im Strome verankert
sind. Ein besonderes Gepräge erhält die Stadt durch den Buddhismus. „Aus dem Meere
niedriger Häuser erheben sich überall Tempel (Pagoden), deren goldglänzende Türme im
Scheine der Sonne einen wahrhaft großartigen Anblick gewähren (Abb. 28 und 29). Aber
das Innere der Stadt ist sonst wenig einladend, die Straßen sind schmutzig und übelriechend,
die Häuser aus Holz und selbst Bambusgeflecht unansehnlich".
3. Französisch-Hintcrindien oder Judo-China (800000 qkm, 17 Mill. (£.,
21 auf 1 qkm) besteht aus der Kolonie Nieder-Kochinchina, dem Mündungs-
gebiete des Mekong, und den Schutzstaaten Kambodscha, Annam und Tonking.
Wirtschaftlich am wertvollsten sind die Niederungen von Nieder-Kochinchina und
Abb. 28. Buddhatempel in Bangkok.
Tonking, die gewaltige Ernten von Reis liefern, der meist nach China versandt
wird. (A. 1911: 94 Mill. Mk.). Andre Ausfuhrerzeugnisse sind Baumwolle,
Zimt, Pfeffer, Zucker, Tabak, Häute, Zinn usw.
Die französische Regierung hat bedeutende Summen auf die Hebung des Landes
verwendet. In Nieder-Kochinchina sind große Kanäle angelegt worden, teils um Sumpf-
gebiete zu entwässern, teils um Land für den Reisbau zu gewinnen. Die^Länge der
Eisenbahnen betrug 1911 bereits 2400 km, und große Hafenanlagen erleichtern den Aus-
landverkehr. Die Hauplstadt von Nieder-Kochinchina, Saigon (ßaigong, 65000 E.), ist
in ihrem europäischen Teile reich an modernen Prachtbauten aller Art, schönen freien
Plätzen und schattigen Baumgängen. An der Ostküste Annams Hue (50000 E.), in
Tonking Hanoi (140000 E.).
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Extrahierte Ortsnamen: Venedig Kambodscha Bangkok China Saigon Ostküste_Annams_Hue Tonking_Hanoi
— 147 —
(@. 134). Das Tiefland enthält Erdöl, und die benachbarten Inseln Bangka
und Biliton haben reiche Zinnlager, die hauptsächlich von Chinesen aus-
gebeutet werden. — Die bedeutendsten Städte sind Palembang (60 000 E.)
in der so. Niederung und Padang (35 000 E.) an der Westküste.
J b) Java (122 000 qkm, 30 Mill. E., 219 auf 1 qkm) ist zwar die
kleinste, aber die schönste, fruchtbarste und an Erzeugnissen reichste unter den
großen Sundainselu, „die Perle in der Krone der Niederlande". Sie ist
1100 km lang, 55—200 km breit und größtenteils gebirgig. Sie enthält
121 Feuerberge, darunter 5 noch tätige, und ist das vulkaureichste Gebiet der
Erde. Neun dieser Berge ragen über 3000 m empor. An vielen Stellen
finden sich heiße Quellen, Schlammsprudel und Gasquellen, und häufig auf-
tretende Erdbeben zeugen von den unterirdischen Gewalten. Die Insel ist von
geradezu beispielloser Fruchtbarkeit und aufs vorzüglichste angebaut. Sie liefert
an Ausfuhrerzeugnissen mehr als die ganze übrige Indische Inselwelt, besonders
Rohrzucker, der in der Ausfuhr an erster Stelle steht, Reis, Kaffee. Tee,
Tabak, Baumwolle, Judigo, Vanille, Kakao, Pfeffer, Kokosnüsse usw. In
nenrer Zeit hat man in den höheren Gebirgslagen mit gutem Erfolg den in
Amerika einheimischen Fieberrindenbaum, aus dem das bekannte Fiebermittel
Chinin gewonnen wird, angepflanzt. Die Insel wird nach allen Richtungen
hin von wohlgepflegten Landstraßen und Eisenbahnen (3850 km) durchzogen,
so daß die Erzeugnisse leicht an die Küste geschafft werden können.
Von der außerordentlichen Fruchtbarkeit Javas zeugt auch die zahlreiche Bevölkerung,
die an Dichte der der Nheinprovinz nahekommt. Die Hauptstadt und der erste Handelsplatz
ist Batavia (140000 E.). Von den Bewohnern sind etwa 3000 Europäer, 30000 Chinesen.
Die tiefgelegene, ungesunde Altstadt, die nach dein Muster holländischer Städte angelegt ist
und von vielen Kanälen durchzogen wird, ist der Sitz des Geschäftsverkehrs und der Wohnplatz
der ärmeren Bevölkerung. Die vornehmere Welt wohnt in dem höher und gesünder ge-
legenen Neubatavia mit der Gartenvorstadt Weltevreden (Wohlzufrieden), dem Wohnsitz
der Europäer. „Hier haben die holländischen Kaufleute und Beamten ihre Wohnhäuser und
Villen, hier befinden sich die großen Gasthöfe, hier die Klubs und Parkanlagen, Still und
vornehm liegen die schönen, weißschimmernden Bauten im dunkeln Grün hoher Fruchtbäume
und indischer Feigen." 58 km landeinwärts, von frischer Bergluft umweht, Buitenzorg
(beutensorg), d. h. Ohnesorge, der Erholungsort der Europäer, mit einem großen Botanischen
Garten, „einem Wunder der Tropen und einzig in seiner Art." Eine zweite bedeutende
Handelsstadt ist Surabaja (150000 E.), im Innern liegt Surakarta (120000 E.).
In der Sundastraße, die Java von Sumatra trennt, liegt eine Anzahl vulkanischer
Inseln, von denen eine, Krakatau, durch eine der furchtbarsten Ausbrüche, die man kennt,
berühmt geworden ist. Der 800 m hohe Feuerberg hatte 200 Jahre lang geruht, bis er
1883 wieder in Tätigkeit geriet. Nachdem er eine Zeitlang gewaltige Mengen von Rauch
und Asche ausgespieen hatte, erfolgte plötzlich eine uugeheuere Explosion, deren gewaltige
Donnerschläge bis Ceylon und Westaustralien, d. h. über eine Fläche von mehr als der
Größe Europas, gehört wurden. Der Vulkan war in der Mitte durchgeborsten und seine
eine Hälfte nebst dem größten Teile der 33 qkm großen Insel bis zu einer Tiefe von
10*
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Ohnesorge Surakarta
Extrahierte Ortsnamen: Padang Niederlande" Amerika Buitenzorg Sumatra Ceylon Westaustralien Europas
— 350 —
tagenbaus sind bis jetzt die untern Abhänge des Kamerungebirges, dessen bis zu großer
Tiefe verwitterter vulkanischer Boden bei dem feuchtheißen Klima von außerordentlicher
Fruchtbarkeit ist. Die angebaute Fläche hat sich von 1906 bis 1911 mehr als verdoppelt
(1906: 8700, 1911: 17920 da). Der Hauptanteil entfällt auf den Kakaobau, dem 1911
10000 da mit 5,3 Will. Bäumen dienten, von denen aber erst 2/s ertragsfähig waren, so
daß die Gewinnung von Kakao in den nächsten Jahren erheblich steigen wird (A. 1910:
3 Mill. Mk.). Daneben gewinnen an Bedeutung Pflanzungen von Kautschukbäumen, Öl-
Palmen, Bananen und Kolanüssen (S.42). Neuerdings hat man auch mit dem Tabak-
bau begonnen, der ein hochwertiges Kraut liefert. 1911 wurden 4500 Kz aus den Bremer
Markt gebracht und erzielten den ungewöhnlich hohen Preis von 8,50 Mk. für das Kz.
In der Tsadseeniederung verspricht der Baumwollenbau gute Erfolge. Ohne Zweifel
ist Kamerun die für die Anlage von Pflanzungen geeignetste unfrer Ko-
lonien und berechtigt für die Zukunft zu großen Hoffnungen. Die Regierung
hat bei Viktoria am Kamerunberg eine „Versuchsanstalt für Landeskultur" angelegt. „Die
Anstalt zerfällt in eine botanische und eine chemisch-biologische Abteilung, in denen sowohl
Versuche mit dem Anbau der verschiedenartigsten tropischen Nutzgewächse, mit der Ein-
führung neuer und der Verbesserung bereits bestehender tropischer Kulturen angestellt als
auch Untersuchungen der Pflanzenkrankheiten und Schädlinge vorgenommen werden"
(Hassert). Wichtig ist auch, daß die Anstalt Saatpflanzen an die Eingebornen abgibt, um
diese in deren Anbau zu fördern.
Der Berkehr wird noch überwiegend von Trägerkarawanen besorgt. Dadurch er-
höhen sich nicht nur die Beförderungskosten außerodentlich, sondern es werden auch die
vielen dabei tätigen Leute anderer nützlicher Arbeit entzogen. Erst die Anlage von Eisen-
bahnen kann die Übelstände beseitigen. Bis 1908 gab es nur eine 66 km lange
Schmalspurbahn, die mit mehreren Abzweigungen von Viktoria aus in die Hauptpflanzungs-
gebiete führt. Ein zweiter, längerer Schienenweg (160 km), die Nordbahn, ist 1911 dem
Betrieb übergeben worden. Sie führt von dem Duala gegenüberliegenden Bonaberi nord-
wärts durch an Ölpalmen und Nutzhölzern reiche Wälder und soll bis zum Tsadsee weiter-
gebaut werden. Eine weitere Linie, die Mittellandbahn (293 km) von Duala nach
Widimenge am Njong, ist im Bau, eine Südbahn geplant. Daneben ist auch eine Anzahl
von Fahrstraßen angelegt worden.
Der Außenhandel hat in erfreulicher Weise zugenommen und gibt Zeugnis von
der raschen Entwicklung des Schutzgebietes. Sein Gesamtwert, der 1904 erst 17,4 Mill. Mk.
betrug, stieg bis 1908 auf 29 Mill. und betrug 1910 46,4 Mill. Mk. (A. 19,9, E. 25,5).
Die wichtigsten Ausfuhrgegenstände sind: Kautschuk (11 Mill. Mk.), Palmkerne (3,5),
Kakao (3), Palmöl (1,3), Elfenbein (0,625).
Siedlungen. Am linken Ufer des Muri, der Mündung nahe, liegt Duala,
der Haupthandelsplatz der Kolonie (S. 344). Am Fluß entlang zieht eine Kaimauer, an
der sich in langer Reihe die Lagerhäuser und Faktoreien erheben. Auch eine Maschinen-
werkstätte mit einem Schwimmdock zur Ausbesserung kleiner Dampfer ist da. Dahinter liegen
die meist ansehnlichen Verwaltungsgebäude und die Wohnhäuser der Europäer, noch weiter
zurück mehrere Negerorte mit den z. T. stattlichen steinernen Häusern der Häuptlinge.
Die Stadt ist von breiten und sauber gehaltenen Straßen durchzogen und besitzt eine
prächtige Parkanlage mit mehreren Denkmälern. An der Ambasbucht, einem alten, vom
Meere zur Hälfte zerstörten Krater, am Fuße des Kamerunberges, liegt Viktoria, ein
ebenfalls stattlicher Ort, der Hauptausfuhrplatz für die Erzeugnisse der Pflanzungen.
Von Viktoria führt eine schöne Fahrstraße auswärts zu dem in 1000 m Höhe gelegenen
Buea, dem Sitz der Regierung. Der in gesunder, frischer Luft gelegene Ort ist ein
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— 137 —
sowie zur Ausrottung wilder Tiere und giftiger Schlangen geschehen. Der ungeheuren
Hungersnöte, die zuweilen das Land heimsuchen, ist die englische Regierung allerdings noch
nicht Herr geworden. Aber die Verbesserung der Verkehrswege hat auch hier eine wesent-
liche Erleichterung gebracht.
Siedlungen. Die indische Bevölkerung wohnt vorwiegend auf dem Lande. Nur
etwa 1j10 entfällt auf die Städte, unter denen 30 mehr als 100000, 4 mehr als 1/2 Mill.
E. haben. Die größte Volksdichte findet sich in der Gangesebene, besonders in der frucht-
baren Provinz Bengalen, die */4 der Gesamtbevölkerung des Reiches umfaßt. In ihr
Kalkutta (1,2 Mill. E.), bis 1912 die Hauptstadt des Landes. Die Stadt liegt an der
wichtigsten natürlichen Eingangspforte der Gangesebene, an dem für Seeschiffe zugänglichen
Gangesarm Hugli, 160 km von der Mündung, und ist der zweite Hafenplatz Indiens, der
Sitz einer Universiiät n. a. wissenschaftlicher Anstalten. Man unterscheidet die weiße und
die schwarze Stadt. Jene, die überwiegend von Europäern bewohnt wird, hat breite, schöne
Straßen, hervorragende öffentliche Bauwerke und im vornehmen Viertel, dem Wohnsitz der
hohen Beamten und Kaufleute, prächtige Paläste und Landhäuser mit den wundervollsten
Park- und Gartenanlagen. Die schwarze Stadt dagegen, die fast nur von Eingeborenen
bewohnt wird, besteht zum größten Teil aus Lehmhütten, die an engen, krummen, oft un-
glaublich schmutzigen Gassen stehen. Beständig herrschen hier Seuchen und Fieber.
Patna (136000 E.) am Ganges ist der Mittelpunkt einer durch Opium- und
Jndigobau reichen Gegend. Weiter aufwärts am Fluß Benares (200000 E.), die heilige
Stadt der Hindu mit 1450 Tempelu und 570 Moscheen, der Sitz der brahminischen
Gelehrsamkeit und das Ziel unzähliger Wallfahrer. Hier in den heiligen Fluten des
Ganges zu baden, ist die Sehnsucht jedes Brahmagläubigen. „Da stehen sie im Wasser,
die frommen Hindus, und verrichten ihre umständlichen Waschungen und Gebetsübungen.
Eine solche Übung kunstgerecht zu machen, ist nicht leicht; das Fingerspiel in streng geord-
neter Weise währends des Betens ist weitläufiger, für den Fremden unverständlicher als
das Beten eines Mohammedaners. Und dazu all die peinlich beobachteten Vorschriften des
Untertauchens, des Schlürfens vom heiligen Wasser, unangefochten, ob dicht nebenan die
Hindufrau mit dem aufgewühlten Schlamm ihre Trinkgefäße scheuert oder die Asche des
Scheiterhaufens mit den nicht völlig verbrannten und verkohlten Leichenresten in den Strom
ausgeschüttet wird. Der Hindu schlürft das heilige, schier ekelhafte, dickschlammige Schmutz-
wasser, andachtsvoll überzeugt, daß er von den Tropfen in zauberischer Weise an Leib und
Seele gesunde. Weit ins Wasser hinein sind auf Holzböcken Bohlen gelegt. Auf ihnen sitzt
stundenlang mit untergeschlagenen Beinen der fromme Pilger, nachdem die Waschungen
vorüber, in scheinbar tiefe Betrachtungen versenkt, die ihn freilich nicht abhalten, gleich
wieder mit dem Nachbar zu plaudern oder dem Fremdling nachzusehen, der mit seinem
Boote laugsam an ihm vorübergleitet. Neben ihm hockt unter einem mächtigen Sonnen-
schirm, wie ihn bei uns Gemüseweiber auf dem Markte aufspannen, der Falir mit
ungekämmtem, wüstem Haar, fast völlig unbekleidet, und Männlein und Weiblein hören
seinem Gerede zu. Dort wieder steht regungslos wie ein Storch auf einem Beine ein
Asket, den einen Arm kerzengerade in die Höhe gereckt, das stiere Auge auf den Strom
gerichtet. Als ich nach einer halben Stunde wieder an die Stelle kam, stand das menschliche
Lineal noch ebenso da wie vorhin; nichts schien ihn von der umgebenden kuuterbunten
Welt zu berühren" (Dalton).
Allahabad (172000 E.), am Einfluß der Dfchamna in den Ganges, ist ebenfalls
eine heilige Stadt und ein berühmter Wallfahrtsort, „wo ein Bad und mehr noch das Er-
trinken im Ganges ein religiöses Verdienst ist". Kanpur (200000 E.) und Lacknau
(260 000 E.) weiter nö., sind gewerbreiche Städte mit Seiden- und Baumwollfabriken.
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— 281 —
durch unterseeische Tunnel miteinander verbunden. Die neuste, 1903 eröffnete East-River-
Brücke, die gewaltigste und stärkste Brücke der Welt, ist 2,2 km lang, 36 m breit und hat
eine größte Spannweite von 488 m. Sie wird von zwei 100 m hohen Türmen gehalten,
liegt 40 m über dem Wasserspiegel, so daß die höchstbemasteten Schiffe unter ihr durch-
fahren können, und ist ganz aus Eisen gebaut. Über sie führen zwei Geleise der Hochbahn,
vier Straßenbahnlinien, zwei Fahrstraßen, zwei Radfahrerwege und zwei Wege für Fuß-
gänger. Uberhaupt sind die Verkehrseinrichtungen Neu-Aorks als wahrhaft großartig zu
bezeichnen. Elektrische Straßen-, Hoch- und Untergrundbahnen durchziehen die Stadt, und
an den Ufern des Hudson und des East River ziehen sich stundenweit die Landungsbrücken,
Docks und Warenspeicher hin. Was aber dem Stadtbilde ein ganz eigenartiges Gepräge
gibt, sind die turmhohen Riesenhäuser, die Wolkenkra Ker. deren Errichtung durch den
Mangel an Bauplätzen und die ins Ungeheure gestiegenen Bodenpreise veranlaßt worden
ist. Manche zählen 30—40 Stockwerke und übertreffen an Höhe den Kölner Dom, ja das
letzterrichtete hat bei einer Höhe von 235 in gar 55 Stockwerke. Die Riesenhäuser enthalten
Fabrik- und Geschäftsräume aller Art, Gasthausbetriebe und Wohnungen. Aufzüge, oft
10—12, vermitteln den Verkehr zwischen den einzelnen Stockwerken. Darunter sind solche,
die an jedem Stockwerk halten, gleichsam Ortszüge, und wieder andere, v-Züge, die den
Benutzer ohne Aufenthalt mit Pfeilgeschwindigkeit bis zu den obersten Räumen bringen.
Hier, auf den Dächern, befinden sich meist Restaurationen, Theater, Konzerthallen und
Gärten. Hierher, wo helles Licht, frische Luft und angenehme Kühlung herrscht, wo das
Auge durch eine großartige Fernsicht über die Stadt, das Land und das Meer erquickt
wird, eilt der Geschäftsmann aus dem dumpfen, lärmenden, nerventötenden Gewühl und
der im Sommer oft herrschenden Gluthitze der Stadt, um sein Mittagsmahl einzunehmen;
hier auch suchen am Tage wie besonders am Abend andre Bewohner Erholung und Vergnügen.
Die zweite Stadt des Staates Neu-Aork ist Bnffalo (böffälo, 425000 E.) am Eriesee,
bedeutend durch mannigfaltige Industrie, die ihre Triebkraft von dem großen Elektrizitäts-
werk am Niagara bezieht, und durch seinen Handel, besonderen Getreide. In der Nähe des
Ontariofees Rochester (r6tschest'r, 220000 E.), am Hudson Albany (1000^0 E.), der Sitz
der Regierung. In Pennsylvanien ist Pittsbnrg (534000 E.) der Mittelpunkt eines gewal-
tigen Jndustriebezirks mit Kohlen- und Erdöllagern^ Hüttenwerken und Fabriken. Größer
noch ist Philadelphia (1,5 Mill. E.) am Delaware, in erster Linie Fabrikstadt, doch auch
wichtig als Handelsplatz. In Maryland Baltimore (560000 E.) an der tiefeingreifenden
Chesapeakebai (S. 263), eine ebenfalls bedeutende Handels- und Fabrikstadt. Die Bai ist der
größte und ergiebigste Fangplatz der Erde für Austern. Washington (uoschiugt'n, 330000 E.>,
im Bundesgebiet Kolumbia, ist die Regierungshauptstadt der V. St., eine freundliche, stille
Stadt, die durch die zahlreiche Beamtenschaft ihr Gepräge erhält, während Handel und
Industrie zurücktreten. Im „Weißen Hause" wohnt der Präsident, im „Kapitol" versammelt
sich der Kongreß.
c) Die nordöstlichen Binnenstaaten.
Michigan (mischigän), Wisconsin, Ohio (oheio) Indiana, Illinois (illineuß),
Westvirginien, Kentucky (kentöcki).
Diese Staaten umfassen das weite Gebiet von den Appalachen bis zum Mississippi
und von den großen Seen bis zur Breite der Ohiomündung. Sie bilden die wertvollsten
Landschaften der Union. Ungeheure Mengen von Getreide werden hier geerntet, ver-
arbeitet und versandt. Obst gedeiht in Fülle, am Eriesee wird viel Wein gebaut, am Ohio
Tabak. Die Viehzucht,"vor allem die Schweinezucht, wird nirgends in solchem Umfange
betrieben wie hier. Von O. her reichen die Kohlen- und Erdöllager weit in das Ge-
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Extrahierte Personennamen: Indiana
Extrahierte Ortsnamen: Eriesee Niagara Ontariofees_Rochester Hudson_Albany Pennsylvanien Philadelphia Maryland_Baltimore Washington Michigan Wisconsin Ohio Illinois Westvirginien Kentucky Mississippi Eriesee Ohio
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Zeit der Stürme. — § 53. Sturmjahre 1848/49.
155
b) Die Erhebung der Polen feiert Lenau in seinen „Polenliedern“ (s. o. § 49, Iii. Anm.) Vorbote der Revolution ist die erstehende politische Dichtung. Dichter: a) in Österreich: Anastasius Grün, Graf von Auersperg, (,,Spaziergänge eines Wiener Poeten“); b) in Preussen: Hoff mann von Fallersleben („Unpolitische Lieder“), Dingelstedt („Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters“) , Herwegh („Gedichte eines Lebendigen“, voll beissender Epigramme), Prutz („Politische Wochenstube“, eine aristophanische Komödie).
Dritter Zeitraum.
(Zweiter Zeitraum der Neuesten Geschichte.) Von der französischen Februarrevolution bis zur Begründung des Neuen deutschen Reiches.
1848—1871.
Erster Abschnitt.
Zeit der Stürme und erneuter Rückströmung.
Von der Pariser Februarrevolution
bis zur Thronbesteigung König Wilhelms I.
1848— 1861.
§ 53- Die Sturmjahre 1848/49.
I. Ursachen. Unzufriedenheit mit den bestehenden politischen Zuständen weit verbreitet. Neben den gemässigten Anhängern einer freien Verfassung auch viele politische Heiss-sporne! Dabei bildet sich aus katilinarischen Elementen eine Lj msturzpartei heraus. Ihre „Bataillone“ die „Arbeiter“. Zündstoff bei diesen infolge wirtschaftlicher Not.
[Entwertung der Handarbeit nach Errichtung zahlloser Fabriken mit Dampfbetrieb. Übermass der Warenerzeugung, Mangel an Absatz, bei geringem Bedarf an Menschenkräften Herabsetzung der Löhne und Arbeitsmangel. Dazu das Hunger jahr 1847! Unterwühlung der Arbeiter durch die Lehre vom Rechte aller auf Gütergemeinschaft (Kommunismus). Das Wort Proudhons „Eigentum ist Diebstahli“]
Ii. Die Pariser Februarrevolution. Ludwig Philipp, „der Bürgerkönig“, anfangs volksbeliebt, hat bei Beginn seiner Regierung mit Erhebungen zu thun, die teils Wiedereinsetzung der Bourbonen, teils Errichtung einer
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Extrahierte Personennamen: Lenau Graf_von_Auersperg Herwegh Prutz Wilhelms_I. Ludwig_Philipp Ludwig Philipp
Zweiter Zeitraum. — § 9- Der erste punische Krieg.
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Zweiter Zeitraum.
Gründung des römischen Weltreiches.
264—133 V. Chr.
Erster Abschnitt.
Der Kampf mit den semitischen Puniern.
264 — 201 (146) v. Chr.
§ 9. Der erste punische Krieg.
I. Karthago im 9. Jahrh. von flüchtigen,Aristokraten aus Tyrus gegründet (Sage von Dido — Elissa, vgl. Verg. Aen. Ii—iv.). Günstige Lage im Innern der Tunesischen Bucht auf einer Landzunge; gegen Südwesten durch einen Landsee abgeschlossen.
a) Die Bewohner gemäss ihrer phönizischen Abstammung (Poeni — Punier) ein Volk von grosser Betriebsamkeit, Zähigkeit und kühnem Unternehmungsgeist mit einem vorwiegend auf Erwerb und Gewinn gerichteten Sinn. Zwar Gefühl für Schönheit der Natur (Gärten, Villen), doch keine sittigende Religion; zwar Lust an Schaustellungen (Theater), doch keine veredelnde Kunst. Einzelne grosse Charaktere (Hamilkar, Hannibal), sonst vielfach kleinliche und engherzige Denkungsart. Eine Bevölkerung von Grosskapitalisten, kleineren Geschäftsleuten, Handwerkern, Handlangern und Sklaven. — Herrschaft des Kapitals. Schroffer Gegensatz von reich und arm.
b) Hohe Blüte von Handel und Gewerbe. Karawanenhandel ins Innere Afrikas, Seehandel, den Spuren der Phönizier (vgl. Abt. I, S. 33) folgend und diese selbst verdrängend, weit über die Säulen des Herkules ausgedehnt. Auch Ackerbau schwunghaft betrieben, aber durch Sklaven (vgl. die Plantagen amerikanischer Pflanzer).
c) Die Stadt selbst häuser- und menschenreich. Bei Häusern von 6 Stock hoch eine Einwohnerzahl von über 700000. Kriegs- und Handelshafen; Docks und Arsenale. Vom Hafendamm, wo Markt und Theater, 3 enge Strassen-züge auf ansteigendem Gelände sich hinziehend bis zur Burg ,,Byrsa“, auf deren höchstem Punkt der Tempel des Äskulap mit einem Aufgang von 60 Stufen. Im N. Vorstadt Megalia mit Villen und Gärten. Starke Stadt- und Hafenbefestigung.
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Extrahierte Personennamen: Welf Urban Heinrich_Iv Heinrich Heinrichs Heinrichs Welf Heinrich_von_Eilenburg Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Mainz Sachsen Markgräfin_Mathilde Monza Deutschland Piacenza Clermont Ostmark