Die Könige Ratchis und Ahistulf.
125
Mangel an Tüchtigkeit, sondern die erdrückende Macht der Verhältnisse die Schuld trug.
Der Anfang seiner Regierung war großartig. Ein Reichstag zu Pavia faßte am 1. März 750 die bedeutsamsten Beschlüsse. Obenan sieht ein Gesetz, „daß alle von Ratchis und seiner Gemahlin seit Ahistulfs Thronbesteigung gemachten Schenkungen ungültig sein sollten, wenn nicht Ahistulf sie bestätige. Die meisten Bestimmungen aber haben schon ganz unmittelbar den Krieg mit Rom im Auge. Nicht bloß der Handel mit den Römern, sondern überhaupt der Handel zu Wasser und zu Lande ohne ausdrückliche Erlaubnis des Königs wurde streng verboten; die „Klausen", d. h. die Alpenpässe an den nördlichen Grenzen des Reiches, sollten in Verteidigungszustand gesetzt werden; die Kriegspflicht und Bewaffnung wurde genau geregelt und (was für die Verfassungsgeschichte wichtig ist) nicht mehr vom Grundbesitz abhängig gemacht; denn auch die Kaufleute ohne Grundbesitz sollten Kriegsdienste leisten." Der Krieg selber nahm bald daraus seinen Anfang, und es gelang dem rasch handelnden Könige wirklich, das stets ersehnte und nie erreichte Ziel seiner Vorgänger zu erreichen. Im Juli 751 schon finden wir Ahistulf im Kaiserpalast zu Ravenna, als Herrn über das Exarchat und die Pentapolis; die Herrschaft des Kaisers im nördlichen Italien hatte ein Ende genommen. In den besetzten Städten galt königlicher Befehl und langobardifches Recht.
Aber der kraftvolle König blieb bei diesem großen Erfolg nicht stehen, sondern wandte sich bereits im folgenden Jahre nach dem Süden, wo er unfehlbar mit feinem mächtigsten Gegner, dem Papste, zusammenstoßen mußte. Zuerst stellte er das Königsansehn in Benevent und Spoleto wieder her, dann rückte er ins römische Gebiet. Papst Zacharias war kurz vorher gestorben, sein Nachfolger Stephan der Zweite beeilte sich, dem Könige reiche Geschenke zu schicken und Friedensverhandlungen anzuknüpfen. In der That bewilligte Ahistulf einen Frieden auf vierzig Jahre, kündigte ihn aber schon nach vier Monaten wieder auf, vermutlich deshalb, weil der Papst die harten Bedingungen, zu denen er sich in der Not verstanden hatte, nun nach dem Abzüge des Königs nicht erfüllte. Ahistulf drohte mit einer Belagerung, in Rom verbreitete sich Furcht und Schrecken. Stephan bat in Byzanz um Hülfe, aber sie blieb aus. Da wendete sich der Papst, der seinerseits ebensowenig nachzugeben gesonnen war wie der König, in seiner Bedrängnis nach dem Beispiele Gregors des Dritten an die Franken, ein verhängnisvoller Schritt von den bedeutendsten Folgen, unter deren Gewicht die eben noch so stolz auftretende Langobardenmackt unterliegen mußte.
Bis vor wenigen Jahren hatten so gut wie keine Beziehungen zwischen den Frankenherrschern und den römischen Bischöfen bestanden. Von den
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Extrahierte Personennamen: März Ratchis Zacharias Ahistulf Gregors
Extrahierte Ortsnamen: Pavia Rom Ravenna Italien Spoleto Rom Byzanz
288 Die Franken bis zum Untergänge der Merowinger.
nahmestellung den Römern gegenüber einzunehmen, sondern gemeinsam mit diesen ihren Mitbürgern wie die Wehrlast so auch die Steuerlast für den Staat zu tragen. Aber freilich, wie die Besteuerung wohl vor allem aus Selbstsucht verlangt wurde, so wurde sie auch von den freien Franken aus Selbstsucht und aus trotzigem Festhalten am altgermanischen Brauch mit Ingrimm abgewehrt. Ein gewisser Parthenius, ein Römer, der am Hose Theudeberts eine hohe Stellung einnahm, wurde vom König mit der Ausführung dieser wichtigen Maßregel betraut, ein Beweis dafür, wie frühe auch römische Laien — nicht nur hohe Geistliche — im Frankenreich zu einflußreichen Ämtern gelangten und dazu gelangen mußten, wenn das römische Verwaltungswesen fortgeführt werden sollte. Auf dieser Fortführung aber beruhte nicht nur die Erhaltung der Kultur, sondern auch Macht, Reichtum und Bestand des Staates selbst. Nur wettn es gelang, auch die Germanen in diesem Reiche zu stärkerer Beugung unter die Staatsgewalt heranzuziehen, konnte der Staat zum herrschenden im Abendlande und — nach der Auflösung der fränkischen Monarchie — zur Wiege für die Staatenbildung des Mittelalters werden. Wir haben schon angedeutet, daß dieser Versuch wirklich gelang und welche günstigen Umstände sein Gelingen herbeiführten. Zunächst aber leisteten die Franken jenem römischen Staatsgedanken den trotzigsten Widerstand. „Die Franken," erzählt Gregor,*) „haßten den Parthenius bitter, weil er von ihnen Steuern eintreiben wollte, und fingen an ihn zu verfolgen. Und da er sah, daß er in großer Gefahr schwebe, floh er aus der Stadt Trier und bat zwei Bischöfe dringend, sie möchten ihn dahin zurück geleiten und den Aufruhr des wütenden Volkes durch Ermahnungen zu beschwichtigen suchen. Auf der Reife aber, als er nachts auf dem Lager ruhte, schrie er plötzlich im Traume laut auf und rief: „Weh, weh! Alle, die ihr da seid, kommt und helfet mir! Ich komme um." Da erwachten seine Begleiter von dem Geschrei und fragten ihn, was ihm denn wäre. Er antwortete: „Mein Freund Aufanius und mein Weib Papianilla, die ich ermordet habe, zogen mich vor ihren Richterstuhl und sprachen: Komm und gieb Rechenschaft! denn zwischen dir und uns soll gerichtet werden vor dem Herrn." Er hatte nämlich einige Jahre vorher aus Eifersucht sein unschuldiges Weib und feinen Freund getötet. Da aber die Bischöfe nach Trier kamen und die Bewegung des lärmenden Volkes nicht bewältigen konnten, wollten sie ihn in der Kirche verbergen. Sie steckten ihn daher in eine Lade und breiteten Gewänder darüber aus. die zum kirchlichen Gebrauch dienten. Aber das Volk drang in die Kirche und durchsuchte alle Winkel. Und da es ihn nicht fand, ging es wutknirschend wieder hinaus. Einer schöpfte jedoch Verdacht und sprach: „Da
*) Buch 3, Kap. 36. Giesebreckt 1, S. 147.
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134
Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
Sein Nachfolger war sein Bruder Paul der Erste, der ihm an Klugheit gleichkam und ihn an Unbedenklichkeit in der Wahl der Mittel noch übertraf.
Auf dem Langobardenthrou saß ein König, den nicht der Volkswille erkoren, sondern der römische Bischof mit fränkischer Beihilfe eingesetzt hatte. Geschwächt war das Reich, dem das von Ahistulf eroberte Gebiet und mehr als dies entrissen war, von dem die ganze südliche Hälfte, die Beneventaner und die Spoletiner, sich losgesagt hatten und das den Franken zinspflichtig war:
und schwach war auch der König, der sich bald in der übelsten Lage sah.
Kam er nämlich seinen Verpflichtungen gegen seine Gönner nicht ängstlich nach, so machte er sich diese fofort zu erbitterten Feinden; ließ er sich ihre Anmaßungen widerstandslos gefallen, so verscherzte er vollends die Achtung des Volkes, und sein Königsname ward zum leeren Schall. Fast ohne zu wollen
fand er sich bald genötigt, sich der entehrenden Bande zu entledigen, mit
denen er sich selbst die Hände gebunden hatte.
Im Innern fehlte es ihm nicht an Feinden; selbst unter der Geistlichkeit seines Reichs hatte er mächtige Gegner, wie den berühmten, streitbaren Mönch Anselm von Nonantula, einen Schwager Ahistulfs, der früher Herzog von Friaul gewesen war und endlich von Desiderius des Reiches verwiesen werden mußte. Nach außen hin suchte Desiderius die schlimmen Folgen wieder gut zu machen, die seine Thronbesteigung für das Reich gehabt, und das Preisgegebene wieder zu gewinnen. Er behielt einige der abgetretenen Städte zurück, besonders Bologna, Jmola, Osimo und Ancona. Sofort erhob der Papst Beschwerde beim Frankenkönig. Doch ließ sich Desiderius dadurch nicht abhalten, die Herzöge von Spoleto und Benevent zum Gehorsam zu bringen; er zog — ohne Zweifel von der Stimme des Volkes getrieben — gegen sie ins Feld, um sie für ihren Abfall von der Sache des Reiches zu bestrafen. Um aber dahin zu gelangen, mußte er päpstliches Gebiet betreten, den Kirchenstaat, durch den jene südlichen Herzogtümer ganz vom Königreiche abgetrennt waren; ohne Zögern that er es und zwang die Bewohner der Pentapolis zur Lieferung von Lebensmitteln für sein Heer. Dann besetzte er die beiden Herzogtümer, nahm den Herzog Alboin von Spoleto gefangen und setzte an Stelle des flüchtigen Liutpra n d von Benevent hier einen neuen Herzog, mit Namen Arichis, ein, einen trefflichen Mann, dem er später feine Tochter, die edle Adelberga, zur Frau gab.
Der Papst betrachtete des Königs Vorgehen mit Grund als offene Feindseligkeit gegen sich und sah zugleich mit Besorgnis, daß Byzanz sich den Langobarden näherte, um seine an den Papst verlorenen Besitzungen wiederzugewinnen. Als Desiderius 758 den Papst zu Rom besuchte und im Vertrauen aus seine Erfolge von ihm Zugeständnisse zu erlangen suchte,
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166
Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
Entkräftung war nach zweihnndertjährigem Bestände das Reich dieses ritterlichen deutschen Stammes, den die Natur aus härterem Stoffe als die edlen Ostgoten gebildet hatte, erlegen, sondern durch das übermächtige Bündnis der denkbar gefährlichsten Gegner, nämlich durch die geeinte Kraft des fränkischen Reiches und durch die Todfeindschaft des nach weltlicher Macht strebenden römischen Papsttums war es überwunden worden. Die Karolinger aber hatten sich durch die Erwerbung der eisernen Krone den Weg zum Kaiserthron gebahnt, und darin liegt die allgemeine weltgeschichtliche Bedeutung der zuletzt geschilderten Ereignisse. Jenes Bündnis der Frankenkönige mit dem Stuhle Petri, das zur Zerstörung des Langobardenreiches führte, bezeichnet einen entscheidenden Wendepunkt für die ganze nationale und religiöse Entwicklung Deutschlands und Italiens.
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Extrahierte Ortsnamen: Petri Deutschlands Italiens
192
Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
Das Geschlecht der Merowinge hatte einst in dem heidnischen Mythus von seinem göttlichen Ursprung eine religiöse Stütze seines Herrschergeschlechts besessen. Eine solche verschaffte sich auch Pippin, indem er zu seinem Staatsstreiche die Zustimmung des römischen Bischofs einholte. Kirchliche Weihe und Salbung sollten den Mangel der Rechtmäßigkeit ersetzen. Das neue Herrscherhaus und das Papsttum traten sofort in engste Beziehung. Pippin zog auf Bitten des Papstes nach Italien gegen den Langobardenkönig Ahistuls, der Rom bedrohte, entriß ihm die Eroberungen, die er in den vom Papste beanspruchten, dem Namen nach noch zum oströmischen Reiche gehörigen Teilen Italiens gemacht hatte, und überwies sie dem Gemeinwesen des heiligen Petrus.
Auf den Höhepunkt seiner Macht erhob sich das fränkische Reich unter Karl dem Großen (768 — 814). Als die Langobarden unter König Desiderius die Feindseligkeiten gegen das päpstliche Gebiet erneuerten, unterwarf er sie und machte sich selbst zum König des Langobardeureichs. Seit dem 5. Juni 774 urkundet er als rex Francorum et Langobar-dorum, ein Titel, der die Sonderstellung des Langobardenreichs zum Ausdruck brachte, welches der fränkischen Monarchie zunächst nicht so eng wie die übrigen Provinzen angegliedert wurde. In dreißigjährigem Kampfe zwang er die Sachsen unter die Herrschaft der Franken und des Christentums, der nun auch die Ostfriesen unterworfen wurden. Die Unbotmäßigkeit des Baiernherzogs Thassilos des Dritten bot den Anlaß, das letzte der in mero-wingischer Zeit selbständig gewordenen Herzogtümer zu beseitigen und $ eitern dem Reiche wieder völlig einzuverleiben. In glücklichen Kriegen gegen Avaren und Araber gelang es, die Reichsgrenzen im Osten und gegen Südwesten vorzuschieben.
Die Weltstellung, die Karl hierdurch errungen hatte, die Schutzherrschaft, die er in Sachen der römischen Kirche ausübte, fanden ihren zeitgemäßen Ausdruck in der Erneuerung des abendländischen Kaisertums. Zu Weihnachten 800 wurde Karl in Rom unter den Beifallsrufen des römischen Volkes von Papst Leo dem Dritten zum Kaiser gekrönt. Die Idee des neuen Kaisertums wurzelte in der Erinnerung an das römische Weltreich, das ja in die Ansänge aller germanischen Staatsbildungen hineinragte, hatte aber außerdem einen wesentlich kirchlichen Zusatz, indem der Kaiser als Beschützer der katholischen Christenheit die kirchliche Einheit des Abendlandes zur staatsrechtlichen Verkörperung bringen sollte, auf daß der Universalkirche die Universalmonarchie entspreche.
Diesen Bestrebungen zum Trotz wurde die Kaiseridee der Todeskeim des fränkischen Reiches. Der Gedanke der Universalmonarchie setzte die Unteilbarkeit der Reichsgewalt voraus. Allein ihr widersprach die herkömmliche Thronsolgeordnung, nach der die Reichsverwaltung unter
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Extrahierte Personennamen: Pippin Pippin Petrus Karl Karl Thassilos Karl Karl Karl Karl Leo Leo
Extrahierte Ortsnamen: Italien Langobardenkönig_Ahistuls Rom Italiens Sachsen Rom
— 158 —
Dieselben sind aber trotz ihres Wasserreichtums wegen der vielen
Wasserfälle — wenn diese nicht durch Kanüle umgangen sind —
nur teilweise schiffbar. Die bedeutendsten Flüsse sind : Tornea-Els,
Dal-Elf, Klar-Els (Göta-Els) und Glommen. — Unter den zahl-
reichen Seen sind die größten der Wen er-, Wetter- und Mälar-
see. Mit Benutzung der beiden ersteren Seen führt eine Kanal-
Verbindung aus dem Skager Rak in die Ostsee.
Iv. Das Klima ist im Westen infolge der oceanischen Lage
und der erwärmenden Nähe des Golfstromes viel milder als in
allen andern Ländern mit gleicher geographischer Breite. Das
Meer gefriert hier fast nie, und in den geschützten Fjorden gedeiht
selbst noch Obst. Weniger begünstigt ist die
Ostseite der Halbinsel. Südschweden ist fin-
den Getreidebau sehr geeignet. Im Hoch-
lande aber sind weite Flächen mit Gletschern
und ewigem Schnee bedeckt.
Hauptbeschäftigung der Bewohner ist in
Schweden Ackerbau und Viehzucht, in
Norwegen (Bild 51) hingegen Fischerei
51. (Heringe, Dorsch oder Kabeljau, wenn ge-
Norwegische Frauentracht. . ' ' ' N ' ?
trocknet, Stockfisch genannt). Von großer
Bedeutung ist der Bergbau auf Eisen, Kupfer und Silber. Einen
besondern Reichtum bilden die unermeßlichen Wälder, welche
den größten Teil des bebaubaren Bodens bedecken. — Die In-
dustrie ist in der Entwicklung gehemmt durch den Mangel an
Steinkohlen, der nur zum Teil durch den Reichtum an Wasserkräften
ersetzt wird. Sie beschäftigt sich vornehmlich mit Verarbeitung des
Holzes (Bautischlerei, Zündholzfabrikation) und des Eisens. — Leb-
haft ist der Seehandel (Norwegen allein hatte 1897 über 7000
Seeschiffe, darunter 960 Dampfer).
V. a) Skandinavien ist unter allen europäischen Ländern am
schwächsten bevölkert. Auf der großen Fläche von 776000 qkm
leben nur 7 Millionen Menschen, also wenig mehr als in dem
kleinen Belgien. Auf 1 qkm treffen 9 Bewohner.
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— 159 —
gewonnen: Gold, Platina, Silber, Eisen, Kupfer, Blei, Zink und
Salz. Auch hat Rußland mächtige Steinkohlenlager und ergiebige
Petroleumquellen (am Kaspischen Meere).
Trotz so reicher natürlicher Hilfsquellen steht die russische In-
dustrie noch hinter der westeuropäischen zurück, hat aber in den
letzten Jahrzehnten einen großen Aufschwuug genommen. Von Be-
deutung ist die Eisenindustrie, die Baumwoll-, Woll- und Leinen-
Weberei, die Lederfabrikation (Juchten) und Rübenzuckerbereituug.
Der Haudel Rußlands ist jetzt schon von großer Wichtigkeit
und dabei noch in steter Ausdehnung begriffen. Zur Ausfuhr ge-
langen vornehmlich: Getreide, Flachs, Hanf, Holz, Petroleum, Zucker,
Wolle, Tiere, Talg, Pelzwerk und Leder. Dagegen müssen fast samt-
liche Luxus- und ein großer Teil der Industrie-Artikel noch ein-
geführt werden.
V. a) Obwohl das europäische Rußland 106 Millionen Ein-
wohn er zählt, so ist es doch unter allen europäischen Ländern
nach Skandinavien am schwächsten bevölkert; denn aus 1 qkm
treffen nur 20 Menschen. Wäre Rußland so dicht wie z. B.
Deutschland bewohnt, so müßte es auf seinem Flächenraum von
5 390 000 qkm ungefähr 500 Millionen Einwohner haben; aber große
Bodenstrecken Rußlands sind des kalten Klimas wegen sehr schwach
bevölkert. So hat der Bezirk Archangelsk, der Deutschland an Größe
weit übertrifft, nur 350 000 Bewohner. — Die dichteste Bevölkerung
findet sich in der Mitte Rußlands. — Nur 16 Städte des un-
geheuren Reiches haben mehr als 100 000 Einwohner.
d) Bezüglich der Abstammung herrscht in der Bevölkerung
Rußlands eine sehr große Mannigfaltigkeit. Doch ist der slavische
Stamm so stark vorherrschend, daß ihm mehr als 4/5 der Gesamt-
bevölkerung angehören. Unter den verschiedenen Völkern des slavischen
Stammes bilden die Russen (80 Millionen) weitaus die Mehrzahl
gegenüber den Polen (71/2 Millionen). Außerdem leben in Rußland:
1. über 11/2 Mill. Deutsche'(besonders in den Ostseeprovinzen
und den südrussischen Kolonien);
2. 4 Mill. Letten (in Litauen und Kurland);
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Extrahierte Ortsnamen: Skandinavien Deutschland Archangelsk Deutschland Polen Rußland Kurland
— 173 —
Wässerung machen das eigentliche China zu einein der gesegnetsten
Länder der Erde. Hauptbefchäftiguug der Bewohner ist die
Landwirtschaft, welche mit größter Sorgfalt und Umsicht be-
trieben wird. In den nördlichen Provinzen wird vorzugsweise
Getreide gebaut, in den Mittlern und südlichen dagegen Reis,
Baumwolle, Seide (Maulbeerbaum), Ölgewüchse (Sesam) und
Znckerrohr, vor allem aber Thee. In den Gebirgsgegenden ge-
deiht der für die Arzneikunde sehr wichtige Rhabarber. Nach
träge die Eröffnung von 25 Häfen für die Ausländer erzwungen
wnrde. Zur Ausfuhr gelangen außer den genannten gewerblichen
Erzeugnissen hauptsächlich Thee, Rohseide und Rhabarber.
Die Chinesen (Bild 56), neben den Japanern das vornehmste
Volk der mongolischen Rasse, sind begabt, arbeitsam, höflich und sehr
genügsam, dabei aber auch betrügerisch und voll hochmütiger Ver-
achtung gegen alles Fremde. Unter den noch bestehenden Knltur-
Völkern sind die Chinesen das älteste. Viele der wichtigsten Er-
findungen kannten sie schon lange vor den Europäern. Aber auf
der einmal erreichten Stufe sind die Chinesen seit Jahrhuuderten
zuverlässigen Meldungen hat China
auch unermeßliche, bisher noch wenig
ausgebeutete Eifeu-, Kupfer- und
Steinkohlenlager, letztere vielleicht
die größten der Erde. — Die chinesische
Industrie steht in mancher Hinsicht
ans sehr hoher Stufe. Berühmt sind
chinesische Porzellanwaren, Färbereien,
Baumwoll- und Seidenwebereien, Pa-
Piere, Schnitzereien, Lackwaren ic.
(China ist die Heimat der Seidenraupe.)
Bild 56. Chinesischer Depeschenträger.
Der Handel Chinas ist bc-
deutend. Besonders lebhaft ist er mit
Rußland und Indien. Auch der See-
Handel hat einen großen Aufschwung
genommen, seit durch mannigfache Ver-
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Extrahierte Ortsnamen: China China China Chinas Indien
— 176 -
3. Tibet, das rauhe Hochland zwischen Himalaja und Kuenlün,
mit dem Hanptorte Lhassa (25 000 E.), der Residenz eines buddhi-
stischen Priesterkönigs, des Dalai-Lama.
4. Die Dsungarei und Ostturkestan, der westliche Teil des
hinterasiatischen Hochlandes. Kaschgar (80 000 E.) ist eine be-
deutende Handelsstadt.
Das Kaiserreich Korea
(218 000 qkm und 101/2 Millionen E.)
auf der Halbinsel gleichen Namens ist seit 1897 unabhängig. Erst
seit nenester Zeit sind einige Häfen den Ausländern geöffnet. Die
Hauptstadt Söul (Kiöng) hat 193 000 (?) Einwohner.
Das Kaiserreich Japan.
Es besteht aus den vier großen Inseln Jesso, Nippon
(Hondo), Schikoku und Kinfchiu, der Insel Formosa sowie aus
einer Menge — angeblich über 3000 — kleiner Inseln, darunter
die Kurilen und Liukiu, sämtlich gebirgig und vulkanreich (der Fudschi-
jama auf Nippou 3760 m). Das Klima ist milde, der Boden
sehr fruchtbar und durch deu Fleiß der Bewohner so ertrags-
fähig, daß Japan zu deu reichsten Ländern der Erde zählt.
Unter den Naturprodukten steht obenan der Reis, welcher
in uuübertrefflicher Güte erzeugt wird. Daneben werden noch alle
andern Getreidearten, sowie Thee und Banmwolle gebaut. Blühend
ist die Seidenraupenzucht. Die Wälder liefern den nützlichen
Kampferbaum. — Bedeutend sind auch die Mineralschätze
an Eisen, Kohlen, Schwefel, besonders aber an feinem Kupfer.
Die Industrie, schon seit alter Zeit in hoher Blüte, über-
trifft die der andern asiatischen Staaten und ist in manchen Artikeln
sogar der europäischen überlegen, so in der Porzellan-, Email- und
Lackwarenfabrikation. Berühmt ist auch japanisches Papier und die
kuustvolle Bearbeitung von Holz, Elfenbein u. f. w.
Der japanische Handel hat sich, seitdem das Land den
Fremden geöffnet ist (1854), schnell gehoben. Die wichtigsten Aus-
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Extrahierte Ortsnamen: Tibet Ostturkestan Korea Japan Japan
— 177 —
fuhrartikel sind: Seide und Seidenwaren, Thee, Reis, Kampfer,
Kupfer, Porzellan, Lack- und Papierware!?.
Japan zählt auf einem Flächenraum von 417 000 qkm 45 Mil
lionen E., ist also dichter bevölkert als das Deutsche Reich. — Die
Japaner (Bild 58) sind -— im Gegensatze zu den stammverwandten
Chinesen — dem europäischen Einflüsse leicht zugänglich, sehr gut
begabt und ungemein strebsam, die Errungenschaften der christlichen
Bild 58. Heiden in Japan bei einer religiösen Feier.
Civilisation sich anzueignen. Darum haben sich in Japan so schnell
wie in keinem andern asiatischen Staate europäische Sitten und Ein-
richtungen eingebürgert. Eisenbahnen und Telegraphen durchziehen
das Land; überall erstehen Fabriken; die Staatsverfassung und
Verwaltung, das Heer- und Unterrichtswesen sind nach europäischem
Muster eingerichtet. In ihrem Wesen freundlich und zuvorkommend,
doch mit Würde und Selbstbewußtsein, können die Japaner durch ein
ausgesprochenes Gefühl für Anstand und Schicklichkeit manchem
Europäer zuin Vorbild dienen.
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