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Das Karolingische Reich.
den Schutz der Kirche als höchste Pflicht seiner neuen Würde zu über-
nehmen. Er kehrte nach seinem gewöhnlichen Sitze Aachen heim und
ließ sich als Kaiser von allen Uuterthanen einen Eid der Treue schwö-
ren. Das Ereigniß war ein sehr solgenschweres wegen der Verhältnisse,
die sich aus ihm und dem durch dasselbe zum Bewußtsein gebrachten
Verhältnisse ableiteten. Es war ein christliches Kaiserthum im Abend-
lande begründet. Dadurch war die Auflösung der Beziehungen des
oströmischen Kaisers zu dem Abendlande, wie sie durch dessen lhatsäch-
liches Aufgeben des Abendlandes und seinen Bruch mit dem Oberhaupte
der Kirche schon eingetreten war, förmlich ausgesprochen. Der Papst
erschien dabei als die Quelle von Entscheidungen in Fragen des Völker-
rechtes. Zugleich war seine Vermittlung bei der Erneuerung des Kai-
serthums um so natürlicher, als er in den verflossenen Zeiten der Willkühr
die geeignetste Person gewesen war, das preisgegebene Herrscherrecht
zu bewahren, dainit es einst einen neuen Träger fände. Von keiner
geeigneteren Stelle, als von derjenigen, die den Mittelpunkt einer geist-
lichen Weltregierung bildete, konnte die Begründung einer neuen weltli-
chen Gewalt erfolgen. Die Kirche sah sich nun wenigstens im Abendlande
für immer den Einflüssen der Willkühr entzogen, mit welcher der ost-
römische Kaiser in geistliche Angelegenheiten eingriff. Den Völkern des
Abendlandes aber war in dem nunmehrigen Kaiser ein Bild der Ehr-
erbietung gegen die Kirche und der Fürsorge für dieselbe hingestellt.
Zugleich erhielt derselbe zu dem Vorrange, den ihm die Größe seines
Reiches vor den übrigen Fürsten gab, noch denjenigen, welcher aus den
mit seinem Amte verknüpften geistlichen Zwecken entsprang. Za er er-
hielt den Anspruch auf eine Oberhoheit über die Fürsten außerhalb seines
Reiches, die sich nicht auf deren Gebiete, sondern auf die Förderung
des Christenthums in denselben bezog. Auch der Kirche und dem Papste
gegenüber erhielt der Kaiser eine bestimmte rechtliche Stellung, wenn
gleich bei dem freundschaftlichen Verhältnisse Karls und Leo's dasselbe
nicht ausdrücklich abgegrenzt worden ist. Mit dem Lehensverhältniß
hat dieses neue Verhältniß keinen Zusammenhang. Von beiden Personen
steht weder der Papst dem Kaiser, obgleich er ihm die Würde verliehen,
noch der Kaiser dem Papste, obgleich er ein Gericht über ihn gehalten,
als Lehensherr gegenüber. Doch der Papst, als die höchste geistliche
Macht der Christenheit, und der Kaiser, als die höchste weltliche Macht
der abendländischen Christenheit, sind so enge verbunden, daß eine wech-
selseitige Abhängigkeit besteht. Das fränkische Reich hat Gebiete, welche
von der Ausübung der den königlichen Grafen übertragenen verwalten-
den, richtenden und militärischen Thätigkeit in sofern befreit sind, als
ein eigener Beamter des Gebietes die Stelle des königlichen Grafen
vertritt und der königliche Graf sich an denselben hinsichtlich aller Namens
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234 Frankreich bis zum Ende des elften Jahrhunderts.
bildung kam. Damit hing zusammen, daß die rechtlichen Bestimmungen
im Süden allgemeinere Geltung erhielten und dem Lande eine größere
Einheit gaben. Denn indem schon im neunten Jahrhundert in Frank-
reich das persönliche Recht, wonach Jeder durch seine Abstammung an
die Gesetze eines besondern Volksstammes gewiesen war, verschwand,
und für Jeden das in dem betreffenden Gebiete heimische Recht zur
Geltung kam, wurde im Süden, wo die verhältnißmäßig sehr wenig
zahlreichen deutschen Ansiedler sich leicht in die romanische Masse ver-
loren, das römische Recht allgemeine Richtschnur, während im Norden,
wo dem Inhalte nach deutsches Recht überwog, das aus der altdeut-
schen Zeit Ueberlieferte sich in den einzelnen Kreisen des Lehenswesens
nach Maßgabe örtlicher Einflüsse verschieden gestaltete. Aus ähnlichen
Gründen erhielten sich im Süden in den größeren Städten die Ge-
meindeverfassungen in einer Weise, daß hier der Stand der Freien
geschützter war und willkührlichen Eingriffen mit mehr Erfolg begegnen
konnte. Wurden alle diese Keime einer neuen Ordnung aber durch die
äußeren Verhältnisse noch vielfach in ihrer Entwicklung gehemmt, so
war auch die Thätigkeit der Kirche, obgleich sie naturgemäß der äußeren
Ordnung, ohne welche sie ihren Beruf nicht zu erfüllen vermag, die
mächtigste Bnndesgenossin war, vielfach gelähmt, weil rohe Gewalt oft
ihrem Worte die Macht raubte, und weil ihre Diener zum Theil dem ihnen
obliegenden Amte durch Verwicklung in die Wirren des Lehenswesens ent-
fremdet wurden. Vermöge des Berufes, die Völker zu erziehen, mußte
die Kirche für die Erhebung der königlichen Macht, die sie als eine
heilige erkennen lehrte, aus allen Kräften wirken. Auch konnten die
Bischöfe nur von einer Stärkung der königlichen Macht die Erhaltung
ihrer Selbstständigkeit hoffen. Wie das Lehenswesen in Frankreich die
Königsgewalt ganz verschlungen hatte, waren auch die Bischöfe hinsicht-
lich der kirchlichen Güter die Lehensträger der Lehensträger geworden,
und wenn sie auch auf den von den Königen berufenen Versammlungen
ebenso gut, wie auf denen ihrer unmittelbaren Lehensherren erschienen,
gingen diese in ihren Bemühungen, die Bischöfe von sich abhängig zu
machen, so weit, daß sie sich oft die Investitur derselben aneigneten,
wozu ihnen Seitens der Kirche nie das Recht zugestanden wurde. In
solcher Stellung mußten sich die Bischöfe in endlosen Kampf mit dem
gewaltthätigen Lehensadel verwickeln, und dessen Auflehnung gegen Recht
und Sitte häufte und schärfte die kirchlichen Strafen. Eine Erweiterung
der Strafe des Bannes, die sich an dem rohen Sinne der Zeit oft
unwirksam zeigte, oft aber auch den Uebelthäter vor den Richterstuhl
des Bischofs führte, war dessen Ausdehnung auf ein ganzes Gebiet, das
Jnterdict genannt, worin das Verbot Gottesdienst zu halten und die
Sakramente öffentlich auszuspenden enthalten war. Unter solchen
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frank- Frankreich