Von der ersten französischen Revolution bis zur Gegenwart. 311
unendlicher Liebe überwachte die edle Fürstin ihre Anstalt, besuchte
dieselbe täglich und half und ermahnte liebreich, wo es Noth that.
Sie kannte die Kinder mit Namen, beobachtete ihre Fortschritte und
ermunterte sie zum Guten. ^ Ihre letzte Schöpfung war die Gründung
des berühmten Katharinenstiftes, einer höheren Töchterschule, welche im
August 1818 zu Stuttgart eröffnet wurde. Durchdrungen von der
Ueberzeugung, daß das weibliche Geschlecht im häuslichen Kreise seine
volle Bestimmung durch Natur und Herkommen angewiesen sinde, sorgte
sie für eine diesem hohen Berufe entsprechende geistige und sittliche
Ausbildung. Die Religion, welche ihr selbst Sache des Herzens und
Bedürfniß war, sollte die nie versagende Stütze sein, welche die Töchter
aus ihrer Wanderung durch das Leben begleiten und beschützen sollte.
Leider war der seltenen Fürstin und edlen Wohlthäterin ein langes
Leben nicht beschieden; schon im 30. Jahre endete sie ihre gesegnete
irdische Laufbahn, um in den Herzen Aller, welche ihr beglückendes
Wirken zu würdigen wissen, ein unsterbliches Denkmal zu hinterlassen.
In gleicher Weise wirkte die Fürstin Pauline von Lippe-Detmold,
eine geborne Prinzessin von Bernburg. Sie hatte sich in ihrem 27.
Jahre nach eigner Wahl mit dem regierenden Fürsten von Detmold
vermählt (1796), verlor aber schon wenige Jahre nachher ihren Ge-
mahl durch den Tod (1802). Panline, eine gründlich gebildete,
fromme und thatkräftige Frau, übernahm die Regierung für ihren
minderjährigen Sohn und überschaute rasch die Mängel und Bedürfnisse
ves Landes. Nirgends waren Anstalten für eine zweckmäßige Armen-
versorgung; der Geisteskranken sich anzunehmen hatte man bisher nicht
gedacht, der Wohlthätigkeit fehlte die weise Anwendung, dem Unter-
richte der Jugend die unentbehrliche Planmäßigkeit, der Ausbildung
künftiger Lehrer und Erzieher jegliche Gelegenheit. Diesen fühlbaren
Mängeln abzuhelfen hielt sich Pauline für berufen, und ihr ganzes
Streben war seitdem darauf gerichtet, Gutes zu wirken und zu schaffen.
Eine allgemeine Verbesserung des Armenwesens, eine Pstegeanstalt zur
Aufbewahrung für kleine Kinder, eine Erwerbs- und Freischule, ein
freiwilliges Arbeitshaus, ein Hospital, eine Waisenanstalt, ein Schul-
lehrerseminar — dies Alles war das Werk ihrer landesmütterlichen
Sorgfalt in den ersten Jahren ihrer vornlundschastlichen Regierung.
In hoher Achtung stand bei ihr der eifrige Generalsuperintendent von
Köln, an dessen „Beiträgen zur Beförderung der Volksbildung" sie
sich selbst betheiligte. Unter diesen ihren schriftstellerischen Arbeiten ist
ihr „Glaubensbekenntniß über die Verpflichtungen des Staales zur
Fürstin Pan-
line Christine
Wilhelmine
von Lippe-
Detmold
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Extrahierte Personennamen: August Pauline_von_Lippe-Detmold Pauline
314
Dritte Periode der neueren Geschichte.
mit Thränen gelobten, sich zu bessern, um solcher Wohlthaten sich
würdig zu zeigen und ihren Kindern sorgende Mütter werden zu können.
Elisabeth errichtete eine Schule sür die Kinder der Gefangenen und
den Newgater Franenverein (1819) nebst einer von einer Vorsteherin
und 12 Frauen geleiteten Lehr- und Arbeitsschule sür verurtheilte Ge-
fangene. Durch sie geschah es, daß Viele, welche ohne Unterricht und
religiöse Unterweisung erhalten zu haben in die Gefängnisse von New-
gate gekommen waren, dieselben in nützlichen Beschäftigungen, in Religion
und Kenntnissen wohl unterwiesen wieder verließen. Hiermit nicht zu-
frieden unternahm Elisabeth, welche seit 1800 die Frau des Kaufmanns
John Fry in London war, Reisen nach Amerika, Deutschland und
Frankreich, untersuchte überall das Gefängnißwesen und suchte zur Ver-
besserung desselben beizutragen, was in ihren Kräften stand. Allent-
halben erhielt sie zahlreiche Beweise der öffentlichen Anerkennung für
ihre menschenfreundliche, uneigennützige Thätigkeit, welche erst mit
ihrem in Newgate (1835) erfolgten Tode endete.
Wie Miß Fry, so haben seitdem bei allen Gelegenheiten, insbe-
sondere deutsche Frauen einen äußerst regsamen Sinn, welcher ganz
Die Wohl- ihrer ausgeprägten Gefühlsrichlung entspricht, an den Tag gelegt und
Imine'tih bethätigt, wenn es galt, der arnien und leidenden Menschheit Hülfe
Gegenwart, und Rettung zu bringen. Fast jede deutsche Stadt hat Frauenvereine
aufzuweisen, welche sich nothleidender Greise, verschämter Armen, ver-
wahrloster Kinder rc. auf die uneigennützigste Weise anzunehmen nicht
müde werden. Und diese edle, aufopfernde Thätigkeit haben die deut-
schen Frauen niemals großartiger beurkundet, als in den Zeiten des
deutschen Befreiungskrieges. Frauen und Jungfrauen pflegten allent-
halben die Verwundeten, speisten die Hungrigen, besorgten die Kranken-
häuser mit Gefahr des eignen Lebens und thaten Gutes, wo sie es
konnten. Mit Thränen des tiefsten Schmerzes hatten sie ihren Ange-
hörigen die Waffen in die Hand gegeben und mit ihrem Segen ent-
lassen, um den Feind deutscher Freiheit und Sitte niederzuwerfen und
selbst alles Leid und Ungemach zu ertragen!
Auf dem Gebiete der Wohlthätigkeit, der Förderung allgemein
menschlicher Zwecke, der Linderung großer Noth und der Hebung des
geistigen und sittlichen Wohls der niederen Volksklassen ist die weib-
liche Thätigkeit mit ihrem praktischen Sinne, ihrer unermüdlichen
Sorgfalt, ihrer vollständigen Hingebung und bewundernswerthen Opfer-
freudigkeit bis zur Stunde auf die segensreichste Meise wirksam gewesen.
Sie hat namentlich in der Gestalt der „Barmherzigen Schwestern"
und der „Diakonissinnen" auf dem Boden der katholischen und prote-
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Extrahierte Personennamen: Elisabeth Elisabeth John_Fry Fry
Extrahierte Ortsnamen: London Amerika Deutschland Frankreich
Bon der Reformation bis zum westfälischen Frieden.
107
beibehielt, ist darum hinter der neuen Rechnung gegenwärtig um zwölf
Tage zurück und wird 1900 einen weiteren Tag zurückbleiben. Der
Gregorianische Kalender wurde von den Protestanten nicht angenommen,
weil der gelehrte Landgraf Wilhelm von Hessen bewies, daß auch die
neue Rechnung an einem Irrthum leide. Erst 1777 ward der ver-
besserte Reichskalender auf Anrathen Friedrichs des Großen allgemein
angenommen.
§. 7. Die Frauen des ersten Zeitraums.
Das Zeitalter der Reformation zeigt, daß die Frauen wie bei Berühmte
der Gründung und Ausbreitung des Christenthums, auch für die 5rauen-
Kirchenverbesferung lebhafte Theilnahme verriethen. Um die Person
Luthers selbst erblicken wir drei würdige Frauen, welche auf den Re-
formator den größten Einfluß übten: seine Mutter Margaretha Linde- Margaretha
mann, welche bis zu ihrem Tode (1531) für ihre mütterliche Sorgfalt
und strenge Erziehung der treuesten kindlichen Anhänglichkeit sich zu u. Katharina
erfreuen hatte; die wohlthätige Frau Ursula Cotta, welche des armen con ®Dra-
Chorschülers sich mitleidig annahm und demselben Wohnung und Unter-
halt in ihrem Hause gab (S. 3)*), und seine Frau, Katharina von
Bora. Sie hatte sich 1525 mit Luther vermählt. Zwei Jahre vor-
her war sie mit acht andern Nonnen heimlich aus dem Kloster Nimptsch
bei Grimma entflohen, weil, wie sie erklärte, solch Leben der Seele
Seligkeit halben von ihr nicht länger zu dulden sei. Katharina war eine
vortreffliche Hausfrau, eine sorgsame Mutter und eine liebende Gattin.
„Es ist mir mit meiner Käthe Gottlob wohlgerathen; denn ich habe
ein fromm, getreu Weib, auf welches sich des Mannes Herz verlassen
darf; sie verdirbt mirs nicht!" so lautet Luthers Urtheil über seine
Frau. Aus vielen Briefen Luthers an Katharina, die uns erhalten
sind, leuchtet ein überaus zufriedenes, heiteres Eheleben hervor. Sie zeigen
auch, daß Katharina eine verständige und gebildete Frau war, welche
auf Luthers Charakter gut einwirkte. Zeitgenossen bemerken, daß Luther
nach seiner Verheirathung bedeutend milder und sanfter gegen seine
Gegner aufgetreten sei. Katharina war Mutter von drei Söhnen und
drei Töchtern, welche in Strenge und Gottesfurcht aufwuchsen und der
Eltern Freude waren. 1542 erkrankte Luthers vierzehnjährige Tochter Äthers T°<h-
Magdalena, ein Mädchen von vortrefflichem Gemüthe und hellen termagda.
lene stirbt * **)
1542.
**) Luther vergalt diese Wohlthat später dadurch, daß er Ursula's Sohn,
welcher in Wittenberg studirte, an seinen Tisch nahm.
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Wilhelm Friedrichs Margaretha_Linde-_Margaretha Katharina Ursula_Cotta Katharina_von
Bora Katharina Gottlob Luthers Katharina Katharina Katharina Äthers_T°
34
Erste Periode der neueren Geschichte.
Die Wieder-
täuferjohann
Mnthiesen,
Johann
Bockhold und
ihre Genossen
richten in
Münster
gräulichen
Aufruhr an.
1533—34.
ein, wo die förmliche Lossagung vom Papste erfolgte (1537). Die
zu diesem Zwecke abgefaßte Schrift Luthers, die sogenannten Schmal-
kalder Artikel, die beiden Katechismen Luthers, bilden mit der Augs-
burger Confession und der Apologie die symbolischen Bücher oder Be-
kenntnißschristen der lutherischen Kirche.
10. Die Wiedertäufer und die Jesuiten.
Zwei Ereignisse jener Tage schienen damals den Fortgang der
Reformation zu gefährden: der Unfug der Wiedertäufer in Munster
und die Stiftung des Jesuitenordens durch Ignatius Loyola.
In der westfälischen Stadt Münster waren seit dem Bauernkriege
häufig Unruhen zwischen den Bürgern und dem Bischof vorgekommen;
der Prediger Rottmann hatte angefangen die neue Lehre zu verkündigen.
Darum verließ das Domcapitel mit seinen Anhängern die Stadt und
mußte es geschehen lassen, daß in den sechs Pfarrkirchen die evan-
gelische Predigt gehalten wurde, während die Domkirche dem katholi-
schen Gottesdienste verblieb. Allein bald brachen neue und gefährlichere
Unruhen aus. Die Wiedertäufer hatten sich nach ihrer Niederlage in
Sachsen in die Niederlande begeben. Von da kamen Einzelne nach
Münster. Unter diesen Schwärmern zeichneten sich der Bäcker Jo-
hann Mathiesen aus Hartem und der Schneider Johann Bockhold
von Leyden aus. Als sie durch ihre Weissagungen das Volk auf-
regten, wurden sie aus der Stadt gewiesen. Allein sie kehrten zu-
rück, brachten den Prediger Rottmann, den reichen Tuchhändler
Knipperdolling und den Bürger Krechting auf ihre Seite und predig-
ten in den Straßen Buße und Wiedertaufe. Durch ihre Reden
und Prophezeiungen wurde die Menge bethört; überall standen
Propheten auf und entzückte Jungfrauen, welche den Himmel offen
und die Engel herabsteigen sahen. Die Weiber tobten in Masse aus
den öffentlichen Plätzen umher, jauchzten laut auf, hielten rasende
Tänze oder sielen wie todt darnieder. Besonders zeichneten sich dabei
die Nonnen aus, welche ihre Klöster verlassen hatten. Man gewahrte
unter ihnen Jungfrauen aus den edelsten Familien, welche von ihren
Eltern und Verwandten vergeblich zur Rückkehr aufgefordert wurden.
„Ihr seid nicht unsre Eltern," riefen sie, „denn ihr habt uns in die
Häuser des Todes und der Hölle begraben." Die Verirrungen waren
so ansteckend, daß selbst Edelfrauen und Töchter der Unigegend ihre
Männer und Väter verließen und nach Münster eilten, namentlich eine
Frau von der Recke mit drei Töchtern.
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Extrahierte Personennamen: Johann
Bockhold Johann Ignatius_Loyola Rottmann Schneider_Johann_Bockhold Johann Rottmann
Von der Reformation bis znm westfälischen Frieden.
115
bewiesen. Er bat sie, sich ruhig zu verhalten, und nahm es auf sich,
den Herzog von Alba zu Allem, was billig sei, zu vermögen. Auch
brachte er es bei demselben wirklich dahin, daß er auf der Stelle einen
Befehl an die Armee ausfertigte, das geraubte Vieh den Eigenthümern
ohne Verzug wieder auszuliefern. Sobald die Gräfin der Rückgabe
gewiß war, bedankte sie sich aufs schönste bei ihren Gästen, welche
sehr höflich von ihr Abschied nahmen.
Ohne Zweifel war es diese Begebenheit, die der Gräfin den
Beinamen der Heldenmüthigen erwarb. Man rühmt noch an ihr die
Standhaftigkeit, mit welcher sie die Reformation in ihrem Lande för-
derte. Vielen protestantischen Geistlichen, welche um der Religion
willen verfolgt wurden, gewährte sie Schutz und Beistand. Sie starb
allgemein verehrt im 58. Jahre ihres Lebens.
In anderer Weise war damals für das Wohl ihrer Heimath
thätig ein armes Mädchen, Barbara Uttmann aus Annaberg. Sie
war 1514 geboren und gilt als die Erfinderin der Spitzenklöppelei,
worin sie dem armen Landvolk im Erzgebirg Unterricht ertheilte. Da-
durch ward sie die Veranlassung, daß seitdem Tausende in jener Gegend
Beschäftigung und Brod fanden. Ihre uneigennützigen Bemühungen
würdigte ein reicher Grubenbesitzer und wählte sich das fieißige, fromme
Mädchen zur Lebensgefährtin. Als begüterte Hausfrau setzte sie bis
zu ihren letzten Lebenstagen die Unterweisung des armen Landvolks im
Spitzeuklöppeln fort, und gesegnet von Kindern, Enkeln und Tausenden,
welche sie vor Noth und Elend gerettet hatte, starb sie 1561. Ihr
Grab ziert ein prachtvolles Monument von Alabaster mit der Aufschrift:
Ein thätiger Geist, eine sinnige Hand,
Sic ziehen den Segen ins Vaterland.
Wie Philipp der Großmüthige und Wilhelm V. von Hessen der
Sache des Protestantismus sich ganz hingaben, so sehen wir auch
mehrere hessische Fürstinnen von gleichem Eifer für die gute Sache
beseelt. Philipps Gemahlin Christina, eine Tochter der Herzogs
Georg von Sachsen, eine würdige Mutter ihres Landes, führte wäh-
rend der Gefangenschaft ihres Gemahls die Regierung von Hessen,
nachdem sie zweimal fußfällig den Kaiser um Gnade angefleht hatte.
Sie hatte 1540 ihrem Gemahl die Erlaubniß gegeben, sich das edle
Fräulein von der Saal zur linken Hand antrauen zu lassen, weßhalb
diese gewöhnlich die linke Landgräsin genannt wird. Christina erhielt
von Philipp viele Briefe aus seiner Haft, welche alle mit den Worten
„liebes Weib" beginnen. Sie erlebte die Freilassung ihres Gemahls
nicht mehr, sondern starb bereits 1549 vor Gram und Sehnsucht.
8*
Barbara
Uttmann.
Hessisch-Für-
stinnen
machen sich
um die Re-
formation
verdient,
insbesondere
Christina,
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Extrahierte Personennamen: Barbara_Uttmann Philipp_der_Großmüthige Philipp Wilhelm_V._von_Hessen Wilhelm_V. Philipps Philipps Christina Georg_von_Sachsen Christina Philipp Philipp Barbara
Uttmann Christina
162
Zweite Periode der neueren Geschichte.
wundernswerth. Er wünschte, daß seine Nüssen selbst im Aeußern den übrigen
Europäern gleichen sollten, und verbot, wie bereits erwähnt, das Tragen
langer Bärte und Röcke. Die Frauen, welche bisher abgeschlossen und zu-
rückgezogen lebten, führte er ins Leben ein, damit sie die rohen Sitten
der Männer milderten. Während früher die Heirathen nur aus Befehl
der Eltern geschlossen worden waren und die zukünftigen Gatten sich
zuerst am Hochzeitstage sahen, verordnete Peter der Große, daß zu
einer Ehe die Bekanntschaft und freie Zustimmung der Brautleute
erforderlich sei. „Wenn ein Monarch den Namen des Großen verdient,
so ist es Peter. Er war Selbsteinrichter und Haushalter seines Reiches,
ein allenthalben umherwirkender Genius, der hier anordnete, schuf und
lenkte, dort anregte, lohnte und strafte; überall aus unermüdlicheni
Triebe er selbst, nie durch ihn ein Anderer." Seine Wißbegierde
und Wahrheitsliebe, seine rastlose Thätigkeit und Ausdauer, seine
Unerschrockenheit in Gefahren, seine Ruhe bei Widerwärtigkeiten,
seine Dankbarkeit für treue Dienste müssen auch von seinen Gegnern
lobend anerkannt werden. Freilich hatte er neben diesen großen Vor-
zügen noch größere Fehler, welche er zwar selbst kannte, aber nicht
ablegte. Er war roh und dem Trünke übermäßig ergeben, prügelte
seine Frau, seine Minister und seine Günstlinge und nahm es mit
Sitte und Anstand nicht genau. Sein zügelloses Leben bereitete ihm
körperliche Leiden, welche zuletzt durch eine heftige Erkältung unheilbar
wurden. Er starb 1725 und hinterließ außer Alepei's Sohn Peter
nur zwei Töchter, Anna und Elisabeth; seine zwei Söhne waren ge-
storben.
Nach Peters Fürst Mentschikow hatte die kaiserliche Garde für Katharina ge-
nmb Katha- Wonnen, und durch ihren Einfluß wurde sie zur Selbstherrscherin aller
rina Selbst- Reußen ausgerufen. Sie war die Tochter armer liefländischer Leib-
all^Reuße.r eigenen und nach dem Tode ihrer Eltern von einem Küster aufgenom-
men worden. Ein lutherischer Geistlicher in Marienburg erzog die
hülflose Waise mit seinen Kindern. Katharina hcirathete 1701 einen
schwedischen Dragoner, welcher seine Frau im folgenden Jahre verließ,
um in den Krieg zu ziehen. Als die Russen Marienburg erstürmten,
wurden die Einwohner zu Gefangenen gemacht. Katharina siel als
Beute dem russischen General zu, welchem die verständigen Antworten
der schönen Frau und ihr Benehmen so sehr gefielen, daß er ihr die
Aufsicht über sein Hauswesen übertrug. In gleicher Eigenschaft diente
sie hierauf in dem Hause des Fürsten Mentschikow, bei welchem der
Kaiser sie sah. Peter fühlte sich von ihrer Schönheit und ihrem Ver-
stände so gefesselt, daß er sie zu sich nahm. Sie trat zur griechischen
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Extrahierte Personennamen: Peter_der_Große Peter Peter Anna Elisabeth Peters_Fürst_Mentschikow Katharina Katharina Katharina
1
Von der ersten französischen Revolution bis zur Gegenwart. 0i6
immer näher rückenden Ungewitter zu steuern, warum wurden sie weder
geschätzt, noch geachtet und ihrer politischen Wirksamkeit Ende als
Volksglück ersehnt? Weil sie zwar äußere Frömmigkeit, aber nicht jene
von der wahren Gottesfurcht so unzertrennliche Reinheit des Herzens
und Wandels bewiesen; weil sie mit Jesu einfacher, wahrer, edler Lehre
gaukelnden Unsinn zu mischen strebten, weil sie die Gewissensfreiheit
zu beschränken sich bemühten, dem wahren protestantischen Geist des
Forschens, des Weiterstrebens, der Selbstüberzeugung, Fesseln anzulegen
versuchten und das Wichtigste der Religion in sogenannter Lauterkeit
der Symbolik, nicht in der einfachen Christuslehre und den moralischen
Handlungen suchten. Giebt es irgend etwas, Regenten und Unter-
thanen liebender, unauflöslicher an einander zu knüpfen, was geschickter
wäre, der Vereinigungspuukt aller Stände zu sein, als ein Glaube,
eine Hoffnung für alle, als gemeinsamer Hinblick auf eine vollkommnere
Welt und den freundlichen Richter der sanftesten, beglückendsten Lehre?
Wer wäre jetzt noch verblendet und leidenschaftlich genug, uni der
Staatsverfassung Dauer zuzutrauen, wo Gewalt das einzige anerkannte
Gesetz wurde?"
Paulinens Sorgfalt und Klugheit behütete das Fürstenthum vor
schweren Kriegsdrangsalen. Nach- der Schlacht bei Jena (1806) be-
zeichnete Napoleon I. das Fürsteuthum Lippe durch einen Armeebefehl
als eins derjenigen Länder, welches mit Kriegsrequisiten jeder Art ver-
schont bleiben sollte, und als sie später in Angelegenheiten ihres Landes
nach Paris reisen mußte, ward ihr Napoleons Hochachtung und Jose-
phinens innige Freundschaft zu Theil. Im Jahre 1820 schloß die
edle Fürstin ihre thätige Laufbahn, welche durch ihren Wohlthätigkeits-
sinn, ihre Kenntnisse und ihre schriftstellerische Thätigkeit so viel des
Guten gewirkt hat.
Für die in den Gefängnissen büßende Menschheit ward die Thätig-
keit einer Engländerin, Elisabeth Fry, von großer Wichtigkeit. Sie
war die Tochter des Gutsbesitzers John Gurney in Newgate und er-
hielt eine sorgfältige christliche Erziehung. Als sie von dem Elende
der gefangenen Verbrecher in Newgate hörte, verschaffte sie sich die
Erlaubniß dieselben zu besuchen. Das bildschöne, jugendliche Mädchen
erschrack bei dem Anblicke der 300 Missethäterinnen, welche verwildert
und verwahrlost mit ihren in Lumpen gehüllten Kindern schmutzig und
dürftig ohne Trost und Hoffnung zusammenlebten. Die Erscheinung
Elisabeths überraschte die Gefangenen, und als sie ihnen Unterstützungen
an Kleidern und Nahrungsmitteln und geistlichen Zuspruch und Trost
spendete, da erlebte sie die Freude, daß ihr die verwahrlosten Mütter
Elisabeth
Fry, der
Engel der
Gefängnisse.
1780—1845
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Extrahierte Personennamen: Paulinens Napoleon_I. Napoleons Elisabeth_Fry John_Gurney Mütter
Elisabeth
Fry
Von der Reformation bis zum westfälischen Frieden.
113
Wie Martin Luther an Katharina von Bora, so hatte Ulrich Annarein-
Zwingli in Zürich an Anna Reinhart eine würdige Lebensgefährtin
gefunden. Anna Reinhart war zuerst an Georg Meyer in Knonau Knonau wird
vermählt gewesen, aber frühzeitig Wittwe geworden. Zwingli war ^wmgii's
durch ihr Söhnchen Gerold, einen fleißigen, aufgeweckten Knaben, der
Fanlilie bekannt geworden und hatte sich 1524 mit Anna vermählt.
Die geschäftige Lästerzunge warf ihm vor, er habe die steinreiche Wittwe
nur genommen, um in Zürich fortan in Saus und Braus leben zu
können. Allein wir wissen aus Zwingli's Schriften, daß Anna aller-
dings 400 Gulden Kapitalvermögen und prächtige Kleider, Ringe und
andere Kostbarkeiten besessen, aber vom Tage ihrer Verehelichung den
Plunder nicht einmal angerührt, geschweige zur Schau getragen hat.
Sie war eine überaus schlichte, gebildete und gottesfürchtige Frau, las
fleißig und am liebsten in der heiligen Schrift und nahm an den
wissenschaftlichen Bestrebungen jener Zeit lebhaften Antheil. Daneben
besuchte, tröstete und unterstützte sie die Nothleidenden und Armen und
verwaltete pünktlich und sparsam das eigene Hauswesen. Als 1531
ihr Gemahl auf Befehl des Zürcher Raths die Truppen in den Krieg
gegen die katholischen Stände als Feldprediger begleiten mußte, entließ
sie ihn mit heißen Segenswünschen. Ihre bangen Ahnungen hatten
sie nicht betrogen. In der unglücklichen Schlacht bei Kappel verlor
Zwingli sein Leben, und mit ihm fielen am gleichen Tage Anna's
Sohn, ihr Tochtermann, ihr Schwager und ihr Bruder. Mit frommem,
gottergebenem Sinn ertrug die edle Frau die harten Schläge des
Schicksals; man sah sie fortan nur noch im Kreise ihrer Kinder und
in der Kirche. 1538 starb sie, beweint von Allen, welche die tugend-
hafte Wittwe kannten.
Gleichzeitig mit Luther lebte Katharina, Fürstin von Schwarzburg-
Rudolstadt, welche durch ihr entschlossenes Betragen den fürchterlichen
Herzog von Alba beinahe zum Zittern gebracht hätte. Als Kaiser
Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg aus seinem Zuge nach Franken
und Schwaben auch durch Thüringen kam, wirkte Katharina einen
Sauvegardebrief bei ihm aus, daß ihre Unterthanen von der durch-
ziehenden spanischen Armee nichts zu leiden haben sollten. Dagegen
machte sie sich verbindlich, Brod und Bier gegen billige Bezahlung
aus Rudolstadt an die Saalbrücke schaffen zu lassen, um die spanischen
Truppen, welche dort übersetzen würden, zu versorgen. Doch gebrauchte
sie dabei die Vorsicht, die Brücke dicht bei der Stadt abbrechen und in
einer größeren Entfernung über das Wasser schlagen zu lassen, da-
Cassians Geschichte. Iii. 2. Stuft, v. Stacke.
8
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T20: [König Sohn Maria Heinrich Tochter Karl Herzog England Haus Gemahlin], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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Vom westsä!. Frieden bis zur ersten französischen Revolution. 19»
kommen zweifelte. Man hielt sie einmal für todt, und der Matrose
stand schon bereit, die kleine Leiche dem Meere zu übergeben. Da
drückte die Mutter ihr Kind noch einmal an ihr Herz und fühlte, daß
noch Leben in ihm sei. Françoise wurde gerettet. Allein der Vater
starb, nachdem er sein ganzes Vermögen durchgebracht hatte, und da
die Mutter die Schulden ihres Mannes zu bezahlen sich außer Stand
sah, überließ sie dem Vornehmsten ihrer Gläubiger die elfjährige
Françoise als Unterpfand. Da Françoise hier in der evangelischen
Religion auferzogen wurde, fühlte sich die Mutter als eifrige Katholikin
darüber beunruhigt und wollte ihr Kind in die Messe führen. Fran-
ziska weigerte sich; da sprach die Mutter: „Du hast mich also nicht
lieb?" „„O ja"", entgegnete Franziska, „„allein meinen Gott habe
ich noch viel lieber."" Da sie demungeachtet mit zur Kirche gehen
mußte, hier aber dem Altare den Rücken kehrte, erhielt sie von der
Mutter eine Ohrfeige. Françoise bot ihr auch die andere Wange
dar und sprach: „Schlage nur zu, es ist schön für seine Religion zu
leiden." Eine Verwandte, Madame de Neuillant, übernahm hierauf die
Erziehung von Françoise und legte ihr, um das Kind zu demüthigen,
die härtesten Arbeiten auf; sie mußte dem Kutscher die Pferde striegeln
helfen, einer Bäuerin zuweilen die Haare auskämmen und die Hühner
füttern und warten. Darum pflegte sie später oft scherzend zu sagen:
„Mein Regiment hat früh auf dem Hühnerhofe angefangen." Von
der Frau von Neuilly kam die schöne Indianerin, wie man Françoise
häusig nannte, in das Kloster der Ursulinerinnen, wo sie zur katholischen
Kirche übertrat. Ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit erregten allge-
meine Bewunderung; doch wies Françoise alle Bewerbungen von sich
und kehrte nach dem Ableben ihrer Mutter in das Haus ihrer Er-
zieherin zurück, welche sie nach wie vor hart hielt. Ihre traurige
Lage erregte das Mitleid des in der Nachbarschaft wohnenden Dichters
Scarron und bewog ihn, um die Hand der sechzehnjährigen Françoise
zu werben. Scarron war nicht reich und an allen Gliedern gelähmt;
allein seine Familie stand in hohem Ansehen, und sein Haus vereinigte
die größten Geister der Hauptstadt. Es dünkte der armen Waise an-
genehm, der Mittelpunkt einer so ausgewählten Gesellschaft zu werden,
und sie nahm den Antrag Scarrons unbedenklich an. Ihre Ehe war
glücklich, und Françoise erfüllte nicht nur gewissenhaft alle ihre Pstichten
als Hausfrau und Pflegerin des kranken Gatten, sondern erweiterte
auch ihre Kenntnisse auf bewundernswerthe Weise. Als aber ihr Mann
1660 starb, sank sie in die vorige Noth zurück, und schon war sie im
Begriffe als Erzieherin nach Portugal abzureisen, als ihr Frau von
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Zweite Periode der neueren Geschichte.
Montespan eine Pension vom Hofe verschaffte. Zwei Jahre später
ward sie Erzieherin der königlichen Kinder. Der König war ihr an-
fangs wegen ihres religiösen Eifers abgeneigt; allein die Liebe und
Anhänglichkeit, welche sie jederzeit ihren Pfleglingen erwies, rührten
den König so sehr, daß er ihr 100,000 Livres schenkte, wofür sich
die Wittwe Scarrons 1674 das Gut Maintenon kaufte, nach welchem
sie sich nun nannte. Von Tag zu Tag stieg sie in der Gunst des
Königs, welchem die Launenhaftigkeit der Montespan unerträglich war,
und der die sanfte, bescheidene und geistreiche Frau von Maintenon
nun zu seiner Vertrauten machte. Diese beschloß nun, den König zu
Gott zurückzuführen, redete ihm freundlich von seinen Pffichten und
gewann dadurch sein Herz. Zunächst erreichte sie es, daß der König
mit der Montespan brach, alle Gunst ihr zuwandte und sie zur
Hofdame des Dauphin erhob. Er kannte kein größeres Vergnügen,
als sich Stunden lang mit ihr zu unterhalten, und da 1683 seine
rechtmäßige Gemahlin Marie Therese gestorben war, so vermählte er
sich heimlich 1685 mit ihr. Frau von Maintenon erlangte nun einen
unbedingten Einfluß auf alle Angelegenheiten, setzte es durch, daß bei
den Hoffesten Sitte und Anstand gewahrt wurden, und veranlaßte den
König zur Frömmigkeit und zu Werken der Mildthätigkeit. So ent-
warf sie den Plan zu einer Anstalt für uubegüterte Mädchen der
höheren Stände. Auf ihre Bitten stiftete Ludwig Xiv. in der Abtei
von St. Cyr unweit Versailles ein Institut, in welchem 250 Mädchen
von 36 Nonnen und 20 Laienschwestern unentgeldlich erzogen, unter-
richtet und beim Austritte mit 1000 Thalern ausgestattet wurden.
Diese Bildungsschule erhielt ihre ganze Einrichtung von Frau von
Maintenon, und als der König ihr öffentlich alle Rechte und Ehren
einer Stifterin zuerkannt hatte, sandten die Mädchen ihrer Vorsteherin
ein goldenes mit Lilien bestreutes Kreuz zu, in welches die Worte ge-
stochen waren:
Elte est notre guide fidèle
Notre félicité vient d’Elle.
„Mein Trost ist St. Cyr!" sagte Frau von Maintenon sehr häufig;
dort fühlte sie sich am glücklichsten.
Die mächtige, hochgeehrte Frau konnte es aber nicht erreichen,
daß der König seine Vermählung mit ihr veröffentlichte. Sie verließ
daher selten das Schloß Versailles; der König und die ganze königliche
Familie bewiesen ihr eine Ehrfurcht, wie sie die Königin nie genossen
hatte. Dabei blieb sie bescheiden und anspruchslos. Oft arbeitete
der König mit seinen Ministern in ihrem Zimmer, während sie las.
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Extrahierte Personennamen: Montespan Scarrons von_Maintenon Gott Marie_Therese von_Maintenon Ludwig_Xiv Ludwig von
Maintenon von_Maintenon