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entgegen. Allein diese Täuschung schwand bald. Schon nach
achtzehn Monaten starb ihr königlicher Gemahl; und als die
junge Wittwe kurz nachher auch ihre Mutter verlor, entschloß
sie sich, nach Schottland zurückzukehren.
Hier, in diesem Gebirgslande, war während der Negie-
rung der Königin Mutter die Gährung der Gemüther auf's
höchste gestiegen. Johann Knor, ein schwärmerischer An-
hänger Calvin's, hatte durch seine heftigen Predigten das Volk
zu solcher Glaubenswuth entstammt, daß es die katholischen
Kirchen ausplünderte und die Priester mißhandelte. Damals
schon war Elisabeth geschäftig, die Flamme des Aufruhres zu
nähren. Sie wußte, daß die Wünsche und Hoffnungen aller
Katholiken in England auf Maria gerichtet waren; daß diese,
als Enkelin der ältesten Schwester Heinrich's Viii., auch als
die rechtmäßige Königin Englands erschien. Zu der unver-
meidlichen Eifersucht, welche Elisabeth als herrschsüchtige Kö-
nigin und als eitle Frau gegen die gefährliche Thronbewerberin
und gegen das schönere Weib empfand, gesellte sich noch Re-
ligionshaß. Darum beschloß sie, ihre königliche Verwandte zu
verderben. Mit finsterem, argwöhnischem Blicke beobachtete sie
jeden ihrer Schritte. Sobald sie die Nachricht bekam, Maria
schicke sich zur Rückkehr nach Schottland an, ließ sie in aller
Eile eine Flotte rüsten und alle Küsten sorgfältig bewachen,
um die schottische Königin einzufangen.
Am 15. August 1562 segelte Maria mit zwei Galeeren
und vier Transportschiffen von Calais ab. So lange ihr die
Küste im Gesicht blieb, ruhete ihr Blick auf dem schönen Lande,
wo sie von Kindheit an gelebt und als Königin geherrscht
hatte; und mit ausgebreiteten Armen rief sie: „Lebe wohl,
geliebtes Frankreich, lebe wohl!" Am folgenden Tage entstand
ein dichter Nebel, unter dessen Schutze ihre Galeeren dem
auflauernden englischen Admiral glücklich entgingen; drei Trans-
portschiffe aber fielen in dessen Hände. Mit steigender Augst
näherte sie sich der vaterländischen Küste; denn wie ihr Volk
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Extrahierte Personennamen: Johann_Knor Johann Elisabeth Maria Maria Elisabeth Maria Maria August Maria Maria
Extrahierte Ortsnamen: Schottland England Englands Schottland Frankreich
327
dessen Reihen er schon einmal gekommen war, in's Gefängniß
zurückgebracht und nunmehr von seinen theueren Unglücksge-
nossen, seiner Gemahlin, seiner Schwester und seinen Kindern
völlig getrennt. Nach seiner Entfernung brach ein großer
Lärm im Convente aus. Die Jakobiner verlangten, man solle
augenblicklich das Todesurthcil über den „Tyrannen" aus-
sprechen und dasselbe noch in dieser Nacht an chm vollziehen;
allein die Girondisten setzten es durch, daß wenigstens die bei
jedem Verbrecher üblichen Formen beobachtet wurden. So
wurde denn dem Könige erlaubt, sich einen Rath zu seiner
Vertheidigung zu wählen. Ludwig's Wahl fiel auf den be-
rühmten Rechtsgelehrten Tronchet, der keinen Augenblick mit
der Annahme dieses gefährlichen Prozesses zögerte. Ein durch
Talent und Rechtschaffenheit gleich ausgezeichneter Greis,
Malesherbes, einst königlicher Minister, bot dem Könige
seine Dienste an, und diese beiden Sachwalter wählten den
jungen talentvollen Dezvse zu ihrem Gehülfen. Jedoch ge-
wann der König durch diese Vergünstigung nichts als den
Trost: zu einer Zeit, wo keiner seiner Freunde, außer seinem
Kammerdiener, dem treuen Clery, sich ihm nahen durfte, mit
diesen edlen Männern im Verkehr zu stehen.
Am 26. Dezember wurde der König nebst seinen Sach-
waltern vorgeladen. Ehe sie in dem Sitzungssaale erscheinen
konnten, mußten sie eine Zeitlang im Vorzimmer warten; sie
gingen in demselben auf und ab. Ein Deputirter, der vor-
überging, hörte gerade, daß Malesherbes in der Unterredung
mit seinem erhabenen Schützlinge sich der Titel: „Sire! Ew.
Majestät!" bediente und fragte finster: „Was macht Sie so
verwegen, hier Worte auszusprechen, die der Convent geächtet
hat?" — „Verachtung des Lebens!" antwortete der ehrwür-
dige Greis. — Endlich wurden sie in den Saal gelassen.
Malesherbes konnte vor Rührung nicht sprechen; da trat der
feurige Dezisse auf und vertheidigte seinen König mit so be-
wunderungswürdiger Kraft und Gewandtheit, daß, wäre nicht
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TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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137
Und siche! mehrere Bischöfe knieten sofort am Fuße des
päpstlichen Thrones nieder und baten um die Erlaubniß, mit-
zuziehen. Und der Papst selbst heftete ihnen ein Kreuz von
rothem Zeuge auf die rechte Schulter. Auch eine unzählige
Menge Volkes ließ durch Anheftung eines solchen Kreuzes zu
diesem Zuge sich einweihen. Daher ihr Name Kreuzfahrer;
denn fahren heißt soviel als reisen oder ziehen. — In feurigem
Ungestüm eilte da-nn Jeder nach der Heimat, um sich zu dem
heiligen Streite zu rüsten. Ucberall wurde das Kreuz gepre-
digt. Eine allgemeine Bewegung entstand im Volke. Freudig
trennte sich der Mann von dem Weibe, das Weib von dem
Manne; die Eltern von den Kindern, die Kinder von den El-
tern. Der Landmann eilte vom Pfluge weg, der Hirt von sei-
ner Heerde. Mönche und Nonnen verließen ihre Zelle. Kein
Stand, kein Alter, kein Geschlecht wollte ausgeschlossen bleiben.
Eine neue Völkerwanderung brach aus, nur mit verschiedenem
Streben und in veränderter Richtung.
Der Winter des Jahres 1095 verfloß unter großen Zu-
rüstungcn. Sobald das Frühjahr eintrat, sah man keine Stadt,
kein Dorf, wo sich nicht Pilger sammelten; kein Feld, wo nicht
Zelte aufgeschlagen waren. Von allen Seiten ertönten Lieder
zum Lobe der Wallfahrt und des heiligen Landes.
Mancherlei Erzählungen von Zeichen und Wundern feuer-
ten den Eifer der Kreuzfahrer noch mehr an. Bei hellem Tages-
lichte wollte man am Himmel zwei Männer auf bäumenden
Rossen im heißen Kampfe mit einander gesehen haben, von
denen der eine, mit einem leuchtenden Kreuze bewaffnet, nach
mehreren Stunden den andern überwand. Hirten versicherten,
in der Stille der Nacht eine große Stadt am Himmel gesehen
zu haben, Jerusalem, im stralcnden Lichtglanze des christlichen
Sieges. Ja, cs hieß sogar, Kaiser Karl der Große habe die
Riegel seines Grabes zu Aachen gesprengt und wolle selbst das
Heer der christlichen Streiter ans Golgatha führen. Blutige
Wolken, drohende Kometen, große Schwärme fliegenden Gewür-
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77
Vater das Reich erworben, beruhigt und geordnet hatte. Seine
Schwäche stach um so greller hervor, je gewaltiger sich die Kraft
seines Vaters gezeigt hatte. Unter einem solchen Fürsten wurden
die alten Feinde des Reiches wieder aufgeregt. Auch im Innern
erhob sich wieder der alte Geist zügelloser Unordnung und Rohheit.
Der schwache Kaiser war der Regierung eines so großen
und dabei so unruhigen Reiches bald überdrüssig. Schon im
vierten Jahre seiner Regierung, im Jahre 817, nahm er eine
Theilung desselben unter seine drei Söhne Lothar, Pipin und
Ludwig vor. Er selbst wollte nur die Oberhoheitsrechte be-
halten. Diese Theilung aber ward die Ursache eines Unglückes,
das nicht nur über sein Hans, sondern auch über das ganze
Reich einbrach. Denn bei dieser Theilung hatte er seinen ältesten
Sohn Lothar außerordentlich begünstiget. Ihn hatte er zu seinem
Mitregenten und Theilnehmer an der Kaiserwürde ernannt, mit
eigener Hand ihm die Krone aufgesetzt und so die Eifersucht der
beiden übrigen Brüder angeregt. Der Funken dieser Eifersucht
wäre gewiß bald in die helle Flamme eines Bruderkrieges aus-
gebrochen, hätte nicht ein neuer Vorfall die Söhne gemeinschaft-
lich gegen den Vater in die Waffen gerufen.
Ludwig vermählte sich nach dem Tode seiner ersten Gemahlin
Irmengard mit der Judith, einer Tochter des bayerischen
Grafen Wels, und erhielt noch einen vierten Sohn, welcher
Karl der Kahle genannt wurde. Der Vater wollte seinem
kleinen Lieblinge, für welchen sich die Mutter so dringend ver-
wandte, auch gern ein Königreich geben und nahm deshalb eine
neue Theilung vor. Allein diese Theilung brachte viele Leiden
und Widerwärtigkeiten, wie über seine Familie, so über das
ganze Reich. Die älteren Söhne waren durchaus nicht geneigt,
etwas von dem abzutreten, was sie schon als das Ihrige an-
sahen. Sie empörten sich und wiegelten das Volk gegen ihren
Vater ans. Dann ergriffen sie die Waffen und rückten mit
Heeresmacht von drei Seiten gegen ihn an. Es war ihnen ein
Leichtes, den Vater gefangen zu nehmen; denn seine bereits
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Extrahierte Personennamen: Lothar Ludwig Ludwig Lothar Ludwig Ludwig Irmengard Judith Karl_der_Kahle Karl
62
führten ein sehr abgesondertes Leben, ohne alle Verbindung
mit anderen Völkern, ihr Land blieb den Fremden so gut wie
verschlossen. Darum konnten auch aus diesem Lande der Ge-
heimnisse nur dürftige Nachrichten herüberkommen. In der
frühesten Zeit von 3000 bis 2100 vor Chr. bestand Aegypten
aus mehren kleinen Staaten, deren jeder einen besonderen König
hatte. Der. älteste Staat, dessen die Geschichte gedenkt, entstand
am Eingänge des Delta. Sein Mittelpunkt war die Stadt
Memphis. Als Gründer derselben geben die Aegyptier den
König Men es an. Er und seine Nachfolger, insbesondere
Chephren, Cheops und Mykerinos, werden auch als die Er-
bauer der schönsten und größten Pyramiden bei Memphis an-
gegeben. Während in Unter-Aegypten das Reich von Mem-
phis blühete, hatte sich auch in Ober-Aegypten ein Staat ge-
bildet, der seinen Mittelpunkt in Theben fand. Beide Reiche
wurden unter eine Herrschaft vereinigt, die in Memphis ihren
Sitz hatte. Dieser Königsreihe gehört auch der früher erwähnte
Möris an.
Um das Jahr 2100 vor Chr. fielen plötzlich von Nordosten
her, zum Theil aus Arabien, Hirtenkönige, Hyksos genannt,
in Aegypten ein und eroberten den größten Theil des Landes.
Bereits Jahrhunderte lang hatten sie hier geherrscht, als sich
das obere Land gegen ihre Herrschaft erhob. Von Theben
ging der Befreiungskampf aus und währte achtzig Jahre. Da
erst, mm das Jahr 1650 vor Chr., wurden sie vertrieben, und
Aegypten gehorchte wieder einheimischen Herrschern. Nasch erhob
sich das Land zu einer großen Macht und herrlichen Blüthe.
Theben wurde nun auch der glänzende Mittelpunkt des neuen
Reiches. Hier verherrlichten sich die neuen Pharaonen durch
mächtige Bauten. Den Gipfel seiner Größe und seines Glanzes
erreichte es unter Set hos und feinern Sohne Ra ms es dem
Großen, von 1445 bis um 1328 vor Chr. Die Thaten beider
Herrscher schrieben die Griechen einem Einzigen zu, den sie
Sesöstris nannten. Die großen Eroberungen der Aegyptier
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132
der Zeit das Begräbniß des Hektar recht feierlich könne begangen
werden. Da eilte der glückliche Vater mit der theuren Leiche nach
der Stadt zurück, wo ihn die Seinigen mit freudiger Rührung
empfingen. Kein Grieche störte die traurige Todtenfeier.
Hierauf erneuerten sich wieder die Kämpfe. In einem der-
selben fiel auch Achilles, getroffen vom Pfeile des Püris. Die
Griechen wurden der langwierigen Belagerung endlich höchst
überdrüssig, und die meisten wünschten nichts sehnlicher, als
nach Hause zu den Ihrigen zurückzukehren. Zuvor jedoch sollte
noch ein Eroberungsversuch gemacht werden. Der gelang. Sie
baueten auf den Rath des Ulysses ein hölzernes Pferd von
Thurmeshöhe und brachten an dem weiten Bauche desselben eine
verborgene Thür an. Durch diese krochen Ulysses, Menelaus
Neoptolemus und mehre andere Helden, dreißig an der Zahl, in
den Bauch des Ungeheuers. Die Griechen schloffen sorgfältig
die Thür hinter ihnen zu. Dann verbrannten sie ihr Lager
und begaben sich auf die Schiffe, als wollten sie nach Hause
segeln. Männer, Weiber, Kinder, Alle strömten jetzt aus den
Thoren von Troja, Alle wollten das Wunderthier sehen,'Keiner
aber konnte sich denken, was das wohl zu bedeuten habe.
Siehe! auf einmal bringen trojanische Hirten einen gefan-
genen Griechen daher. Sr non hieß er; sie hatten ihn im
Schilfe des Ufers ertappt. Da freueten sich alle. Neugierig
stellten sie sich im Kreise um ihn herum und forderten, auf der
Stelle zu bekennen, was das Pferd bedeute. Das eben hatte
der Arglistige gewünscht; denn er hatte es früher mit seinen
Landsleuten verabredet, sich gefangen nehmen zu lassen und es
dann in der Gefangenschaft dahin zu bringen, daß die Trojaner
das Pferd in die Stadt führten. Er fing laut an zu weinen
und stellte sich lange, als könnte und dürfte er um Alles in der
Welt nicht das wichtige Geheimniß mit dem Pferde verrathen.
„Nein, ich bitte euch," schrie er, „tobtet mich nur lieber auf der
Stelle!" Um so neugieriger wurden die Trojaner. Mit Bitten
und Versprechungen drangen sie in ihn. Endlich schien es ihm
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250
Hütten und zeigten ihnen gar freundlich die Anlagen ihrer neuen
Stadt. Die Fremden konnten sich über die sonderbare Stadt
nicht genug wundern; sie besahen alles auf das Genaueste und
setzten sich dann neugierig zu den Spielen nieder. Aber wäh-
rend Aller Augen aus das Schauspiel gerichtet waren; siehe,
da stürzen auf ein gegebenes Zeichen die römischen Jünglinge
in die Haufen der Zuschauer, jeder ergreift sich in der Geschwin-
digkeit eine Jungfrau und schleppt sie in seine Hütte. Die be-
stürzten Eltern aber fliehen wehklagend auseinander.
Die Geraubten ließen sich in Rom von ihren Männern
bald besänftigen, aber ihre Väter daheim sannen auf blutige
Rache. Und in der That, wären jetzt die Volker alle vereint
gegen Rom angezogen, so wäre es wohl um den jungen Staat
geschehen gewesen. Da sie aber in ihrer Wuth eine gemeinschaft-
liche Rüstung nicht abwarten konnten, so wurden sie, einzeln wie
sie kamen, von dem Schwerte der Römer blutig zurückgewiesen.
Die größte Gefahr aber stand ihnen von dem kriegerischen
Volke der Sabiner bevor, die wohlgerüstet unter ihrem Könige
Titus Tat lus auf Rom loszogen. Nach mehren Gefechten
kam es in einem Thäte zwischen zwei Hügeln zu einer Schlacht.
Während die beiden Schlachtreihen grimmig gegen einander
standen, während schon die Pfeile herüber und hinüber flogen
und die Männer niederstreckten; da stürzten plötzlich die ge-
raubten Sabinerinnen mit fliegenden Haaren und zerrissenen
Kleidern mitten zwischen die feindlichen Reihen, fleheten hier-
zu ihren Männern, sie nicht zu Waisen, dort zu ihren Vätern,
sie nicht zu Wittwen zu machen.
Dieser Anblick rührte die Heere und ihre Führer. Alle
senkten die Waffen. Es erfolgte eine tiefe Stille. Und gerührt
traten die beiden Könige in ihre Mitte und schloffen Frieden
und Freundschaft. Fortan sollten beide Staaten vereinigt, die
Regierung von beiden Königen gemeinschaftlich zu Rom ge-
führt, und in den von Romulus gestifteten Senat von 100
Römern auch 100 Sabiner aufgenommen werden. Der Hügel
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43
und fielen aus Ehrfurcht vor ihm auf ihr Angesicht nieder.
Joseph kannte sie sogleich. Um sie aber zuvor zur Erkenntniß
und Besserung zu bringen, fuhr er sie hart an, schalt sie
feindliche Kundschafter und ließ sie in's Gefängniß werfen.
Dann ließ er neun wieder los, den zehnten aber hielt er als
Geißel zurück, um ihren jüngsten Bruder Benjamin zu bringen,
zum Zeichen, daß ihre Rede wahr sei.
Sie zogen ab und erzählten dem Vater alles, was ihnen
begegnet war. Der alte Mann jammerte und seufzete: „Ihr
bringet mich noch um alle meine Kinder. Joseph ist nicht mehr,
Simeon liegt in Ketten, und nun wollet ihr mir auch den
Benjamin nehmen! Nein, ich lasse ihn nicht ziehen; es könnte
ihm ein Unglück begegnen, und das würde mein graues Haar
mit Gram unter die Erde bringen!"
Indeß ging das Getreide wieder zu Ende. Da mußte der
Vater ihnen endlich seinen Benjamin mitgeben. „So ziehet
denn hin," seufzete er, „der allmächtige Gott schütze euch; ich
werde unterdessen sein wie einer, der aller seiner Kinder be-
raubt ist."
Die Brüder Joseph's kamen mit Benjamin glücklich an.
Sobald sie in dem Palast vor Joseph erschienen, fielen sie alle
auf ihr Angesicht nieder. Joseph erblickte den kleinen Benja-
min, küßte ihn und eilte weinend zur Thüre hinaus. Dann
trat er wieder herein und ließ das Essen austragen. Seine
Brüder mußten nun mit ihm speisen und kamen bei Tische nach
ihrem Alter zu sitzen. Hierüber wunderten sie sich sehr unter
einander, mehr aber noch, daß heute der fremde Herr so unge-
mein gnädig sei.
Joseph stellte seine Brüder noch auf eine harte Probe. Er
ließ jedem das Geld wieder in den Kornsack legen, wie dieses
auch das erstemal geschehen war, und in den Sack des Benjamin
auch seinen silbernen Becher. Und kaum waren sie abgezogen,
da ließ er ihnen nachsetzen und sie als Diebe anhalten. Alle
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Extrahierte Personennamen: Benjamin Benjamin Benjamin Benjamin Joseph Joseph Joseph Benjamin
44
betheuerten ihre Unschuld. Sie schwuren: „Bei wem hu den
Becher findest, der sei des Todes, wir übrigen wollen deine
Knechte sein." Die Säcke wurden durchsucht, und siehe, in
Benjamin's Sacke fiiibet sich der Becher! Da erschraken die
Brüder. Sie zerrissen ihre Kleider, luden die Säcke wieder auf
die Esel und zogen zur Stadt zurück. Voll Bestürzung erschienen
sie vor Joseph. Dieser sah sie finster an und sprach: „Warum
habt ihr mir das gethan? ' Und Juda nahm das Wort und
sprach: „O mein Herr, was sollen wir sagen! Gott hat irgend
eine Missethat an uns gefunden, darum begegnet uns dieses.
Siehe, wir alle sind deine Knechte!" — „Das sei fern," er-
wiederte Joseph, „nur der, welcher den Becher gestohlen hat,
ist mein Knecht, ihr anderen möget in Frieden zu eurem Vater
ziehen." Da traten sie vertrauensvoll näher zu Joseph und
stellten ihm vor, wie sehr der alte Mann den Benjamin liebe;
wie er sterben würde vor Gram, wenn er auch diesen verlöre;
wie die ganze Schuld auf sie zurückfallen würde. „Ach," seufzeten
sie, „wie können wir hinaufziehen zu unserem Vater, wenn
der Knabe nicht bei uns ist! Wie könnten wir den Jammer
mit ansehen, den wir über ihn bringen würden!" — Da
konnte Joseph sich nicht länger halten. „Ich bin Joseph!"
rief er; „lebt mein Vater noch?" und weinte laut auf. Die
Brüder erschraken. Nun fiel es ihnen schwer auf's Herz, was
sie einst an ihm verübt hatten. Er aber redete sie freundlich
an und sprach: „Fürchtet euch nicht, weil ihr mich hierher ver-
kauft habt. Gott hat mich vor euch her gesandt in dieses
Land, um euch einen Wohnsitz zu bereiten und mit allem
Nöthigen zu versehen. Eilet nun zum Vater und führet ihn
her, daß er und ihr alle hier in diesem Lande bei mir wohnet."
Unterdessen saß der alte Vater zu Hause und wartete mit
Schmerzen auf die Ankunft seiner Söhne. Da kamen sie auf
einmal mit Benjamin an, und ihr erstes Wort war: „Joseph,
dein Sohn, lebt und herrscht über ganz Aegypten!" Der alte
Mann wußte nicht, wie ihm war, und wollte es nicht glauben.
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Extrahierte Personennamen: Joseph Joseph Joseph Benjamin Joseph Benjamin
Vom Untergang des weströmischen Reichs bis zur Erneuerung rc. 61
spielen und Carls Tochter Emma in der Musik unterrichten. Einst
musicirten Emma und Eginhard, welche sich liebten, noch spät am
Abend. Da frischer Schnee gefallen war, welcher zum Verräther hätte
werdev können, wenn Eginhard über den Hof nach Hause gegangen
wäre, so nahm Emma, aus Besorgniß den Vater zu erzürnen, wenn er
Eginhards späten Besuch vernehme, den geliebten Freund und Lehrer-
auf den Rücken und trug ihn über den Hof. Aber Kaiser Carl pflegte
-des Nachts öfter auszustehen und am Fenster zu sehen. Eben als Emma
mit Eginhard unter seinem Fenster vorbeiging, erblickte der Vater beim
hellen Mondschein den seltsamen Zug. Am andern Tage ließ Carl
Beide vor sich kommen, gab ihnen einen Verweis wegen ihrer Unbe-
sonnenheit und ließ sie darnach trauen.
Carl war von hervorragender Größe. Seine Gestalt bot, er Carls körper
mochte sitzen oder stehen, eine höchst würdige, stattliche Erscheinung. Er tidj^a®e^en
hatte einen festen Gang, eine durchaus männliche Haltung, eine helle
Stimme und ein freundliches Gesicht. Durch seine einfache, regelmäßige
Lebensweise wurde seine an sich schon ungewöhnliche Körperkraft nur
noch erhöht, und es war ihm ein Leichtes, ein Hufeisen zu zerbrechen,
einen geharnischten Mann wie ein Kind emporzuheben und schwere
Lasten zu tragen. Er hatte drei Söhne, Carl, Pipin und Ludwig;
nur der jüngste überlebte den Vater. Als Carl 813 auf einer Jagd
in einer Schwäche der Füße die Vorboten des nahen Todes ahnete,
berief er die Großen des Reiches nach Aachen und enipfahl ihnen seinen
Sohn Ludwig als Nachfolger, legte diesem die heiligen Pflichten eines
Regenten ans Herz und ermahnte ihn, Gott zu fürchten und seine
Gebote zu halten, seine Verwandten zu lieben und seinem Volke mit
einem tugendhaften Lebenswandel voranzugehen.
Am 20. Januar 814 ward Carl von einem heftigen Fieber über- Sein Tod
fallen; er wollte sich mit seinem gewöhnlichen Heilmittel, mit Fasten, be-
helfen, allein sein Körper ging der Auflösung entgegen. - Am siebenten
Tage seiner Krankheit empfing er das heilige Abendmahl und am
folgenden Morgen verschied er. Mit sterbender Hand machte er über
Stirn und Brust das Zeichen des Kreuzes, faltete die Hände und sprach
leise mit geschlossenen Augen: „Vater! in deine Hände befehle ich
meinen Geist."
8. 16. Die Frauen in dem ersten Zeitabschnitt des Mittelalters.
In der ersten Periode des Mittelalters mußte durch die Einfälle
barbarischer Völker die Cultur des Abendlandes mit den, Untergange ®fjj
teig weströmischen Reiches sinken, und der kriegerische Geist jener Zeit,
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Extrahierte Personennamen: Emma Emma Emma Carl Emma Carl
Beide Carl Carl Ludwig Ludwig Carl Ludwig Ludwig Carl