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151. Geschichte des Altertums - S. 66

1895 - Freiburg im Breisgau : Herder
66 Das Altertum. Die orientalischen Völker. Frbung mit dem Saft der Purpurschnecke (Pelagia) und der Trompetenschnecke (Buccinum). Die beiden Grundfarben des Purpurs, rot und schwarz, wuten sie durch allerhand Mischungen zu den mannigfaltigsten Farbenber-gangen (Nancen) zu verndern. Stoff und Frbung verlieh den Purpur-gewndern einen auerordentlichen Wert, so da sie Luxustracht der Fürsten und Groen wurden. Die Erfindung des nur zu Schmuck verwendeten Glases haben nicht die Phniker, sondern die gypter gemacht; aber erstere stellten es am reinsten dar (besonders in Sarepta). Wie sie den Bergbau nach dem Abendland brachten und zuerst auch das Gold des Pangos-Gebirges in Thrakien frderten, so verarbeiteten sie auch die Metalle zu Gerten aller Art. Sie lieferten Waffen, kupferne Kessel und Becken, goldene und silberne Trinkgefe und Tafelgeschirr, Halsbnder und sonstigen Schmuck. Wenn bei Homer mehrmals besonders knstlerische Werke von sidonischen Mnnern stammen, so weisen die Gold- und Silberfunde von Myken trotz der vielleicht teilweise nicht-phnikischen Ornamentik jedenfalls auf orientalische Fabrikation und ph-nikischen Import. Als Baumeister verwendete Salomon Phniker bei der Er-richtung des Tempels zu Jerusalem. Gewhnlich wird ihnen auch die Erfindung der Buchstabenschrift nachgerhmt und ein Gott Thaut (Hermes, Kadmos?) als Erfinder genannt. Sie haben ihr Alphabet von den Babyloniern erhalten, aber die Schrift nach Griechenland gebracht. Den Griechen bermittelten sie die hochentwickelte Kultur des Orients und lehrten sie auch die Schiffbaukunst. Die Schler folgten den Spuren ihrer Lehrmeister, wetteiferten mit ihnen und berflgelten sie schlielich. 1). Schicksale Phnikiens. Kriegerischer Unternehmungsgeist war dem Volke, dessen ganzes Streben auf friedlichen Erwerb ging und dessen khnste Seemnner sich hchstens auf den Seeraub verlegten, vllig fremd. Die Regierung in den Kolonialstdten lag in den Hnden des Geldadels; zwei gewhlte Oberbeamte, Richter" (sofet, Suffeten), hatten die Verwaltung und das Recht zu den. Einzelne Erhebungen, wie z. B. des tributverweigernden Utika (unter Hiram, 966936), unterdrckte man mit den Sldnern. Als der bedeutendste Herrscher erscheint immer Hiram von Tyrus, dem König Salomon 20 Städte in Galila ver-pfndete, um seine Bauschulden zu decken. Sonst hren wir fast nur von Thronwirren. Der Schwiegervater König Achabs von Israel, Jtubaal von Sidon (885854), grndete Botrys nrdlich von Byblus in Phnikien, und in Numidien Auza (Auzea, in der Nhe des jetzigen Anmale). Unter seinem Urenkel Pygmalion (820774) soll seine Schwester Elissa (Dido Astarte), die Gemahlin des Melkart-Priesters Sichus, zur Auswanderung gezwungen worden sein und Karthago gegrndet haben.

152. Geschichte des Altertums - S. 142

1895 - Freiburg im Breisgau : Herder
142 Das Altertum. Die Griechen. anlaste, derselben in der demokratischen Institution des Ephorats ein Gegengewicht zu schaffen. Der Stifter fiel durch Mrderhand. Ursprnglich wohl eine der brgerliche Flle richtende Behrde, fnf an der Zahl, vom König ernannt auf einjhrige Amtsdauer, benutzten die Ephoren (d. i. Auf-sehet) die Zeiten innerer Unruhen zu bedeutender Erweiterung ihrer Macht. Nachdem sie ihre Wahl aus dem Volke durch das Volk erreicht hatten, eroberten sie ein knigliches Recht nach dem andern, so da sie seit dem 5. Jahrhundert als die eigentlichen Machthaber erscheinen, ja als Tyrannen-kolleg. Sie leiteten Gerusia und Apella und fhrten die Beschlsse derselben aus, urteilten mit den Geronten der Kriminalverbrechen und konnten jeden Beamten wegen seiner Amtsfhrung vor Gericht fordern, selbst die Könige zur Rechenschaft ziehen, mit den Geronten zu einem Gericht vereinigt der jeden Beamten das Todesurteil fllen, die Könige in Haft nehmen bis zur gerichtlichen Entscheidung; fr sich allein durften sie Verhaftungen und Geld-ben ansetzen. Sie bten als Sittenrichter die Aufsicht der jeden Privat-mann, besonders der die Jugenderziehung, der die Periken und Heloten und besaen gegen letztere in der Kryptia diskretionre Gewalt. Sie allem durften neue Gesetze vorschlagen und konnten in dringenden Fllen sogar Beamte in der Verrichtung ihres Amtes einstellen; spter wurden sie auch Schatzmeister und hatten demnach unbestritten die hchste und gefhrlichste Gewalt in Hnden. Alle neun Jahre beobachteten sie in einer sternenhellen Nacht den Himmel: eine fallende Sternschnuppe war das Zeichen, da die Könige einen religisen Versto gemacht hatten; bis zu einer aus Delphi oder Olympia eingeholten Entscheidung muten die Könige sich jeder amtlichen Thtigkeit enthalten. Ein monatlicher Eid auf die Verfassung vor den Ephoren, das steht wohl ziemlich einzig in der Weltgeschichte da. Das Ephorat leitete schlielich die ganze innere und uere Politik. c. ffentliche Erziehung. Da die Eroberer sich gegenber der alten Bevlkerung des Landes in der Minderzahl befanden, sahen sie sich zu steter Kriegsbereitschaft gezwungen. Ihre Lage ntigte sie zu der fast ausschlielich kriegerischen Ausbildung, welche Sparta seinen eigenartigen Charakter aufprgt, den eines Feldlagers selbst im Frieden. Spartas Existenz hing von seiner Wehrkraft ab. Diese zu erhalten war der Zweck der strengen Zucht, die das ganze Leben der Spar-tarier regelte. Damit der Spartiate ein gehorsamer, nchterner Brger und im Felde ein unberwindlicher Krieger werde, berwachte der Staat die ganze Heranbildung des jungen Geschlechts. Die neugeborenen Kinder wurden von den ltesten der Phyle auf ihre krperliche Tauglichkeit untersucht, die ge-birechlichen in einer Felsenschlucht des Taygetos ausgesetzt. Die krftigen und

153. Geschichte des Altertums - S. 310

1895 - Freiburg im Breisgau : Herder
310 Das Altertum. Die Rmer. Die Lyrische Kolonie Karthago (Neustadt) verdankte ihre Blte der gnstigen Lage unweit der alten Mndung des Bagradas in fruchtbarer Landschaft, hinter dem besten Hafen Nordafrikas, dem Golfe von Tunis. Frhe von Tyrus unabhngig und dieses berflgelnd, ward es die erste Handels- und Seemacht im Westen des Mittelmeeres und gegen die Griechen, besonders in der Kyrenaika, erst Schutz und Vorort der liby-phnikischen Städte Utika, Gro- und Klein-Leptis, Hadrumetum, Hippo u. a., dann Be-Herrscherin derselben, wie es noch berall geschehen ist, wo der Schwache sich an den Mchtigen lehnte. Auerdem legte Karthago von der kyrenischen Grenze bis nach Mauretanien viele hundert Städte an, die in strenger Unter-thnigkeit gehalten wurden. In diesen Kolonien vereinigte es die libyschen Eingeborenen und schickte denselben aus seiner rmern Brgerschaft einen phnikischen Grundstock, den es mit Landbesitz ausstattete und mit der Magi-stratur oder dem Ehrenrechte bekleidete; dadurch erreichte es einen doppelten Zweck: 1. es entledigte sich armer Brger und machte sie reich, 2. diese muten der Mutterstadt treu bleiben, wenn sie sich in ihrem Besitz und Vor-recht erhalten wollten. Ein Teil der Libyer vermischte sich nicht mit den Phnikern und trieb Ackerbau, ein anderer fhrte, landeinwrts gedrngt, ein unabhngiges Nomadenleben (Numider), hielt sich jedoch von dem Einflsse der Karthager in keiner Weise frei; denn die Fürsten und Huptlinge der Libyer vertauschten das Zelt mit festen Stdten und Burgen, heirateten adelige Tchter aus Karthago und gerieten in eine der Untertnigkeit verwandte Bundesgenossenschaft. Diese Stmme waren Abnehmer karthagischer Fabrikate, lieferten Pro-dukte ihrer Jagd und Viehzucht; ihre Karawanen vermittelten den Handel Karthagos nach dem innern Afrika, welches hinwiederum seine Schtze an die Ksten lieferte: Goldstaub, Elfenbein, Gummi, Ebenholz und Sklaven. Besonders war es der Stamm der Nasamonen, der im Dienste des kartha-gischen Handels die Sahara durchzog und vielleicht bis an den Niger vor-drang. Die Kultur der Nigerlnder, von welcher am Ende des vorigen Jahr-Hunderts der Reisende Mungo Park berrascht war, geht vermutlich auf diesen alten lebhaften Verkehr zurck. Den Hauptvorteil aber zog immer Karthago. Die Libyer und Libyphniker lieferten ihm Fuvolk, mit denen die karthagischen Feldherren die Soldtruppen zu zgeln im stnde waren; die Numider stellten leichte Reiterei. Die unterworfenen Orte und Land-schaften entrichteten in Naturalien und Geld hohe Abgaben, welche die Herr-schende Stadt in bedrngten Zeiten bis zur Hlfte des Ertrags steigerte. Bei der rationellen Bewirtschaftung des Bodens, welche die Karthager be-trieben die lateinische Bearbeitung der Schrift des Mago der die Acker-Wirtschaft wurde vom rmischen Senate den italischen Landwirten empfohlen,

154. Geschichte des Altertums - S. 318

1895 - Freiburg im Breisgau : Herder
318 Das Altertum. Die Rmer. denen freilich eine kurzsichtige Kriegspartei wieder zu weitgehende Forderungen stellen wollte, einen verhltnismig gnstigen Frieden, den der unber-wundene Hamilkar vermitteln mute und mit vieler Klugheit vereinbarte unter folgenden Bedingungen: 1. Die Karthager treten Sicilien ab und zahlen fr die abziehenden Truppen auf den Kopf das Lsegeld von 18 De-naren (12 Mark); 2. sie entrichten eine Kriegsentschdigung von 1000 Ta-lenten sogleich und von 2200 Talenten (im ganzen = 16 500 000 Mark) in zehn Jahresraten. Ferner muten sie, wie natrlich, die rmischen Gefangenen ohne Lsegeld freigeben; dagegen blieb ihnen die geforderte Auslieferung der Waffen und berlufer erlassen, und in dem gegenseitigen Versprechen, die Bundesgenossen weder anzugreifen noch dem Bundeshaupt abspenstig zu machen, lag die Anerkennung der politischen Unabhngigkeit Karthagos. <1. Ergebnisse des Krieges. ) Sicilien wurde, auer dem Gebiete Hierons, die erste rmische Provinz (provincia pro vincia anstatt des Festlandes, nmlich Italien; vgl. pro consule). In einem solchen aueritalischen Verwaltungsbezirk leitete die brgerlichen und militrischen Geschfte ein Stellvertreter des Konsuls, ein Prokonsul oder ein Prtor (seit 227 gab es vier Prtoren). Fr die Finanzen, stand ihm ein Oustor zur Seite. Die Städte erhielten eine Municipalverfaffung; aus den allein zu den mtern fhigen vermgenden Brgern entstand der sptere Provinzialadel. brigens besaen auch einzelne Städte in den Provinzen das latinische Recht oder Kolonialrechte, sowie das ius italicum (s. oben S. 301). ) In die Zeit nach dem Kriege fllt wohl auch die weitere Demokra-tisierung der Centuriatkomitien, die mit der Tribusordnung in der Weise in Verbindung gesetzt werden, da alle Klassen gleiche Stimmenzahl erhalten und jede 70 Centurien umfat, 35 iuniores und 35 seniores. Die Prrogative wird durch das Los bestimmt. r) Gegenseitige Verluste während des Krieges. Der Krieg hatte beide Staaten auerordentliche Opfer gekostet an Geld, Menschen und Schiffen, ungerechnet die Verluste durch Verwstung. Die Zahl der- Menschenopfer lt sich nicht bemessen. An Schiffen waren den Rmern 600 groe Linienschiffe, ihren Gegnern 500 zu Grunde gegangen. Und was war das Endergebnis der gewaltigen Anstrengungen? Beide Städte haten sich aufs bitterste; beide wuten, da dieser Krieg die Entscheidung nicht herbeigefhrt hatte und ein zweiter, noch grerer bevorstehe; es kam feit-dem darauf an, welche Republik am besten gerstet auf den Kampfplatz treten werde.

155. Mancherlei für Jung und Alt - S. 446

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
446 Sprechen von Anmut umlagerten Lippen. Der ganze Kopf aber war zumeist etwas vorgebeugt, als ob es der zarten Gestalt schwer werde, ihn zu tragen; oder wegen der Gewohnheit, ihr kurzsichtiges Auge ganz dicht auf die Gegenstände zu senken. Zuweilen aber hob sich dieser Kopf, um ganz aufrecht den zu fixieren, der vor ihr stand, und namentlich dann, wenn sie eine humoristische Bemerkung oder einen Scherz machte; dann hob sich lächelnd ihr Haupt, und wenn sie neckte, lag dabei auf ihrem Gesichte etwas von einem vergnügten Selbstbewußtsein, von einem harm- losen Übermut, der aus dem ganz außergewöhnlich großen, trotz seiner Gutmütigkeit so scharf blickenden hellblauen Auge leuchtete." Hier auf dem ländlichen Edelsitze erschwang sich die Muse Annettens zur vollen Höhe und Reife. Diese Muse hatte einst in jungen Jahren sehr kindlich begonnen: mit keinem geringern Gegenstand als mit der Besingung eines Hähnchens. Die Dichterin erzählt es scherzhaft selbst in einem spätern Liede, „Das erste Gedicht" überschrieben, das sich unter den letzten Gaben findet. Sie hatte nämlich als Kind es besonders ge- liebt, stundenlang das alte Gemäuer mit dem Zinnenbau zu umstreichen, mit schauerndem Mut in unbesuchte geheimnisvolle Räume zu dringen und auf Entdeckungen und Abenteuer auszugehen. Eines Tages nun schlich sie den schwer verpönten Gang über die Wendelstiege des finstern Turmes hinauf, die unterm Tritte bog, kletterte bis hoch zum Hahnen- balken empor unter der Wetterfahne und verbarg dort unter des Daches Sparren „ein heimlich Ding". Und dieses heimliche Ding, das Enkel sollten finden, wenn einst der Turm zerbrach, das etwas sollte künden, was ihr am Herzen lag: Es war, ich irre nicht, In Goldpapier geschlagen Mein allererst Gedicht! Mein Lied vom Hähnchen, was ich So still gemacht, bei Seit' Mich so geschämt, und das ich Der Ewigkeit geweiht! Bald wuchsen dieser kindlichen Muse die Schwingen und sie machte sich an größere erzählende Gedichte. Das erste hieß „Walther", eine romantische Ritter-Epopöe im Stil von Ernst Schulze's „Bezauberter Rose", aber ungleich plastischer, frei von jeder Verschwommenheit und von voll- kommen tadelloser Form. Was sie überhaupt von dichterischen Vorbildern jener Zeit kennen lernte, hatte keinen dauernden Einstuß auf die Ent- wicklung ihres Talents, da dieselben ihrem kernhaften Wesen zu fremd waren und ihrem plastischen Trieb nicht zum Durchbruch verhelfen konnten.

156. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 26

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
26 I. Beschreibende Prosa: Geschichtliche und geographische Charakteristik. Wenn es außerdem in seinen Ausbreitungs- und Erhebungs-Verhält- nissen der beschränkteste, am leichtesten überschauliche, am meisten gegliederte, am meisten gangbare, belebte und bewegte, in seinen klimatischen der am meisten gemäßigte und einheitliche; wenn es vermöge der durch alle diese Eigenschaften geförderten Entwicklung seiner Völker der herrschende, geistig gestaltende, fortbildende Erdteil, der Vorkämpfer der höheren Tendenzen der Menschheit ist: so mußte natürlich die Mitte eines solchen, d. h. Deutsch- land, eine ganz andere Bedeutung erhalten, als die Mitte jener kolossaleren Erdteile, welche eine derartige Natur und Wirksamkeit nicht aufzuweisen haben; es mußten die Bezüge zu dem vergleichungsweise mit letzteren klein zu nennenden Ganzen und zu den übrigen einzelnen Teilen desselben be- schleunigter, gedrängter, fester, gewissermaßen unvermeidlicher und not- wendiger werden. Auf diese Weise ist Deutschland in der That vermöge seiner centralen Lage für den Zusammenhang dieses Ganzen unentbehrlich, ist, wie für den Körper der Herzschlag, sein Lebenspunkt. Nur durch Deutsch- land werden die übrigen Teile Europas zu einer wahrhaften Einheit zusammengehalten. Sich anschließend an das mittlere sowohl der südlichen wie nördlichen Glieder desselben, verknüpft es den Süden mit dem skan- dinavischen Norden; und mit den entsprechenden Erhebungsformen ebenso an dem gebirgigen West-Europa wie an dem flachen Ost-Europa an- liegend und in sie übergehend, vermittelt es die Verbindung der gegliederten und gebirgigen atlantischen Länder im Westen mit den einförmigen und weiten sarmatischen Ebenen im Osten. Ringsum in Europa befindet sich kein Land und keines der angrenzenden Meere, mit welchem Deutschland nicht verwachsen oder mittelbar in leichte Berührung zu bringen ist. Rings um dasselbe wie um ihren Mittelpunkt gruppieren sich Rußland mit Polen, Skandinavien, Großbritannien, die Niederlande (Holland und Belgien), Frankreich, die Schweiz, Italien, die Türkei, Ungarn, Galizien und stehen mit ihm in unmittelbarer oder durch die vorhin genannten Gewässer, die ihm einen kurzen und leichten Weg nach Süd-, Nord- und Nordwest- Europa eröffnen, in naher, mittelbarer Verbindung. Alle diese Länder, obwohl Teile eines größern Landorganismus, des Kontinents Europa, haben doch auch wieder jedes im Vergleiche zu den übrigen durch Lage, Begrenzung, innere Gestaltung und durch Be- völkerung ein eigentümliches Gepräge und stellen in gewissem Grade kleinere Individuen auf der Oberfläche jenes größern Ganzen dar. Dem- nach kommen von allen Seiten her mit dem in der Mitte gelegenen Deutschland eine Zahl Länder-Individuen in Berührung, und es ist undenkbar, daß sie nicht, jedes in seiner Weise, sowohl auf dasselbe in höherem oder niedrigerem Grade Einstuß geübt als auch von daher

157. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 297

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
6. Wesen der Romanze und der Ballade. 297 Stoff ruhig, plastisch, hell und durchsichtig dar; dabei zeigt sie die dem Volke eigene gemessene Breite, eine gewisse Umständlichkeit in der Aus- führung, die sich bei jedoch gleichmäßig fortschreitender Erzählung oft auch auf kleine Momente erstreckt. Dieser epischen Behandlung unterliegt nun ein Stoff, der die charak- teristischen Eigenschaften des Spaniers, vorzugsweise des Kastiliers, auf das treueste wiederspiegelt. Diese sind aber hochfliegender Nationalstolz, tiefe Frömmigkeit, ritterliches Ehrgefühl und heißblütige Phantasie. Eben- dieselben Eigenschaften durchziehen den ganzen Stoff der Romanze. Der- selbe zeigt uns ein national begeistertes Volk im Kampfe gegen einen Feind, den es um so tapferer angreift, als es, durchdrungen von der Wahrheit seiner Religion und derselben in frommem Glauben auf das innigste ergeben, in dem politischen Feinde auch einen religiösen Gegner bekämpft; derselbe zeigt uns Helden, die bei christlicher Frömmigkeit und oft demutsvoller Bescheidenheit dennoch, entflammt von Gedanken des Idealen und Romantischen, in ritterlichstem Streben nur das hohe Ziel der vollen Freiheit des Vaterlandes und der Niederwerfung des Islams kennen. So faßt das dichtende Volk die Begebenheiten mehr von einem idealen Standpunkte auf und läßt daher, um die idealen Beweggründe des Handelns der ritterlichen Helden deutlich erkennen zu lassen, auch die Tendenz, die Idee derselben mit Hilfe der Reflexion hervortreten. Ein solcher Stoff hat nichts Schauerliches, nichts Grauenhaftes, er ist vielmehr, wenn auch nicht oft heiter, sondern meistens ernst, fast stets durchzogen von einer gewissen Milde, die uns angenehm berührt und uns selbst mit furchtbaren, grausigen Kämpfen zu versöhnen versteht. Daher erscheint uns auch der Cid vom Volke gefeiert, wenngleich in Widerstreit mit der Geschichte, als das Ideal eines christlichen Helden, den jede ritter- liche Tugend, Tapferkeit, Freiheitsliebe, Frömmigkeit, Demut, Hochherzig- keit u. s. w., auf das glänzendste ziert. Der lebhaften Phantasie des spanischen Volkes endlich entsprechend, liebt die Romanze in vollem Einklänge mit dem sonnigen, farbenprächtigen Laude, auf dessen Boden sie blühte, lichtvolle Schilderungen, glän- zende Einzelheiten, stimmungsreiche und schwungvolle Diktion. Der epischen Ebenmäßigkeit, der ruhigen Entwicklung der Er- zählung angemessen, ist die Romanze ursprünglich stets in Versen mit fallen- dem Rhythmus geschrieben, und zwar so, daß der vierfüßig trochäische Vers der Nationalvers des spanischen Volkes genannt werden kann. Bei dem großen Reichtume, den die spanische Sprache au voll tönenden Vokalen besitzt, sind die Verse stets durch Assonanz, oft auch durch Reim ver- bunden. Diese Form, die sogenannten Redondilien (Redondillas), weisen schon die ältesten Romanzen auf. Bald jedoch führte mau, wie auch die

158. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 454

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
454 Ii. Lehrende Prosa: Philosophische Propädeutik, Pädagogik und Ethik. ohne feindlich zusammenzustoßen; hier liegen für alle gemeinsame Ziele, und es ist doch zugleich in ihrer Auffassung und Verfolgung jeder Eigen- tümlichkeit, der Völker wie der Individuen, der freieste Spielraum ge- lassen. Je lebendiger ein Volk von dem Werte der Bildung durchdrungen ist, je höher es die geistigen und sittlichen Interessen stellt, je ernster, hingebender und selbstloser es sie verfolgt, um so harmonischer wird sich sein nationales Leben dem der Menschheit einfügen, um so vollständiger wird in demselben der Gegensatz der Nationalität und der Humanität gelöst sein. Unter allen neueren Völkern ist nun wohl keines, dem die Erfüllung dieser Forderung durch seine natürliche Begabung wie durch seine bis- herige Entwicklung in höherem Maße erleichtert würde, als dem unsern. In der deutschen Art lag es ja von jeher, sich mehr nach innen als nach außen zu wenden, sich mit den sittlichen, religiösen, philosophischen Fragen lebhafter und anhaltender zu beschäftigen, als mit den Dingen, welche den meisten für die Macht und den Wohlstand der Völker die wichtigsten zu sein scheinen. Das deutsche Volk hat sich diesem Zuge seiner Natur Jahrhunderte lang einseitig überlassen, und es hat deshalb die Erfolge, die es im Gebiete des geistigen Lebens errang, mit langer Vernachlässigung und schwerer Schädigung seiner materiellen Interessen erkauft. Als andere Völker sich zu starken Nationalstaaten zusammen- faßten, ging von Deutschland der epochemachende Anstoß zur Befreiung und Umgestaltung des religiösen Bewußtseins aus; aber seiner politischen Einheit wurden durch den Streit der Konfessionen unheilbare Wunden geschlagen. Als unsere Nachbarn jenseits der Vogesen ihr Staatswesen unter krampfhaften Zuckungen ernenebten, feierten wir das goldene Zeit- alter unserer Poesie und unserer Philosophie; aber unser Vaterland lag blutend und zerrissen zu den Füßen des fremden Eroberers. Während andere durch Handel und Industrie zu hohem Wohlstände gelangten, blieb Deutschland in seiner wirtschaftlichen Entwicklung um ebensoviel zurück, als es in der Wissenschaft und Litteratur seinen Nebenbuhlern vorauseilte. Wenn Engländer und Franzosen in stolzem Nationalgefühl andere Völker nicht selten verletzten und hochmütig auf sie herabsahen, waren die Deut- schen zwar immer geneigt, das Fremde anzuerkennen und sich anzueignen, aber sie ließen sich auch nur zu oft verleiten, das Einheimische zu ver- achten und zu verleugnen, der nationalen Selbstüberhebung Selbstweg- werfung entgegenzubringen. In unsern Tagen hat sich dieses geändert; das heutige Deutschland darf sich in seinem wirtschaftlichen wie in seinem politischen Leben, in seinen kriegerischen so gut wie in seinen wissenschaft- lichen Leistungen jedem andern in freudigem Selbstgefühle zur Seite stellen; es war unserem glücklichen Geschlechte beschieden, die Höhe zu

159. Dichtung der Neuzeit - S. 198

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
198 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab. Iphigenie erscheint als das Ideal nicht einer heidnischen, sondern einer mit wahrhaft christlichen Tugenden geschmückten Jungfrau. Der reine Adel ihrer hoheitsvollen Seele, die mit den sonst nur auf christlichem Boden gedeihenden Tugenden der Selbstverleugnung, der Opferwilligkeit, der Dankbarkeit, der Wahrheitsliebe und der jung- fräulichen Reinheit geziert ist, verscheucht nicht allein die um des Bruders Seele lagernden finstern Geister und sühnt den alten Fluch des Tanta- lidenhauses, er macht sogar den Feind zum Freunde. Zeigt so das Stück in seiner Titelheldin einen von christlicher Kultur und Gesittung durchhauchten Charakter, so ist der Aufbau desselben von antiker Ein- fachheit, indem Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung auf das strengste gewahrt sind, und eine völlig klassische Ruhe bei ebenso anmutigem als erhabenem Stile über das Ganze ausgebreitet ist. Daher ist die „Iphigenie", in welcher hellenische Schönheit und germanische Gemüts tiefe harmonisch verschmolzen sind, mehr und mehr als ein wunderhelles Seelengemälde, als eine der edelsten und schönsten Schöpfungen des Goetheschen Genius anerkannt worden und gilt mit Recht als ein unsterbliches Meisterwerk der deutschen Literatur. Gleich der „Iphigenie" bedurfte auch „Torquato Tasto" \ Schauspiel in fünf Aufzügen, ursprünglich in Prosa geschrieben, langer Zeit, ehe es 1789 zu glänzender Vollendung gelangte. Noch im Jahre 1787, nach der Vollendung der „Iphigenie", schrieb Goethe aus Rom: „Täte ich nicht besser, eine ,Iphigenie in Delphi' zu schreiben, als mich mit den Grillen des Tasso herumzuschlagen? Und doch habe ich auch dahinein schon zu viel von meinem Eigenen gelegt, als daß ich es fruchtlos auf- geben sollte." Und in der Tat sind in keinem Drama so viele Bezüge zu Goethes Person und Stellung zu finden als in „Tasso". Hatte doch auch Goethe in Weimar das Mißverhältnis zwischen Talent und Leben, den inneren Zwiespalt des Dichters und des Welt- und Hofmannes hinreichend an sich selbst in Erfahrung gebracht. Daher liegt der Angel- punkt des Stückes in dem Verhältnis Tastos zu Antonio, des Dichters zum Staatsmann, des Mannes der Phantasie, der Illusion, des Idealismus zu dem Vertreter der Nüchternheit, der Wirklichkeit, des Realismus; denn in diese beiden Personen, in Dichter und Minister, hat Goethe seine Person zerteilt, damit so zwei Männer entständen, „die darum Feinde sind, weil die Natur nicht einen Mann aus ihnen formte". Auch die Zeichnung des Hofes zu Ferrara bietet eine offenbare Parallele zu dem von Weimar, und läßt sich unschwer in dem Herzog Alfons von ' Vgl. Teil Iii, S. 176: „Goethes Torquato Tasso" von Rosenkranz

160. Dichtung der Neuzeit - S. 213

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 38. Schillers Werke. — Die lyrischen und epischen Dichtungen. 213 zugleich aber auch seine sittliche Tapferkeit, indem er die Liebe zu einer Dame, die ihm gegenüber nur ein leichtfertiges Spiel ihrer Eitelkeit getrieben hat, aus seinem Herzen reißt. „Ritter Toggenburg" offenbart uns die Allgewalt der Liebe, die selbst im schwersten Leid ver- nichteter Hoffnung doch noch in der Nähe der geliebten Person das einzige Lebensglück findet. „Der Gang nach dem Eisenhammer" besingt die Diensttreue und Frömmigkeit, die unbewußt alle Arglist und Tücke zu Schanden macht („Gott selbst im Himmel hat gerichtet"), und verkündet zugleich die Lehre, daß das Böse selbst sich vernichtet, und daß im Leben nichts zufällig ist. In den ideal gehaltenen Stoff versenkt der Dichter in seiner hohen und edeln Empfindungsweise sich ganz hinein, so daß Frau von Staöl nicht mit Unrecht über ihn rühmt: „La conscience est sa muse.“ „Das oft dünne, durchsichtige Gewebe der objektiven Darstellung wird dicht durch die goldenen Fäden, die der Sänger aus seiner eigenen Seele spinnend in dasselbe einträgt." Es ist, als wenn der Dichter unter fremder Maske sein eigenes ideales Denken und Empfinden, sein sittlich gestimmtes und geweihtes Gemüt ausspräche. Diese etwas lyrische Behandlung des an sich epischen Stoffes bringt eine wohltuende, leben sw arme und ergreifende Darstellung hervor, die noch anziehender erscheint durch die dramatische Handlung, wie sie vorzugsweise „Der Taucher", „Der Handschuh", „Der Graf von Habsburg" und „Die Kraniche des Jbykus" bekunden. Die Handlung wird noch mehr belebt durch den Dialog, den mehr oder weniger jede Romanze zeigt. Ebensosehr benutzt der Dichter zur Hebung des Ganzen glanzvolle Schilderungen, wie die unübertreffliche Zeichnung des Meeres- strudels im „Taucher", des Theaters in den „Kranichen des Jbykus", der Bestien im „Handschuh" und im „Kampf mit dem Drachen". Nicht minder werden Szenerie und Staffage farbenreich ausgeführt und mit aller Klarheit geschildert. Alle diese einzelnen Zeichnungen verletzen jedoch die szenische Einheit nicht, sie bilden vielmehr einen Bestandteil der Handlung selbst. Mit dieser dramatischen Gestaltung des Stoffes, der glanz- vollen Schilderung verbindet sich der erhabene Schwung der Sprache. Dieselbe ist, wenn auch dem Tone nach im einzelnen ver- schieden, allgemein, ideal und klangvoll, in starken wie in milden Tönen gleich reich. Sie ist belebt durch veranschaulichende Bilder- pracht, sowie durch einen Reichtum schlagender Antithesen, durch besondere Steigerungsformen und durch Alliterationen, die meistens Tonmalerei bezwecken.
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TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
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