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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 36

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
36 Iii. v. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. Wie oft hatte Fichte einst in Jena und in Berlin gegen dies Unwesen geeifert. Unter seinen Getreuen entstand bereits im Jahre 1811 der Plan einer Burschenschaft oder Deutsch-Jüngerschaft; der Philosoph billigte das Unternehmen und fügte nur, da er seine Leute kannte, die besonnene Mahnung hinzu: die Burschen sollten sich hüten, mittelalterlich und deutsch zu verwechseln, und das Mittel, die Verbindung, nicht höher stellen als den Zweck, die Belebung deutschen Sinnes. An diese Berliner Entwürfe knüpften jetzt die Jenenser wieder an. Sie kannten den Ernst des Waffenhandwerks und wollten durch Ehrengerichte die rohe Rauflust bändigen; sie hatten im Kriege als eines Volkes Söhne Schulter an Schulter gekämpft und forderten völlige Gleichheit aller Studenten, Abschaffung des Pennalismus und aller der Vorrechte, welcher der Grafenbank noch auf manchen Universitäten zustanden. Ihr letzter und höchster Gedanke aber blieb die Einheit Deutschlands: in einem einzigen großen Jugendbunde, der alle landsmannschaftliche Sonderbünde vernichtete, sollte sich die Macht und Herrlichkeit des Vaterlandes verkörpern................ Ursprünglich war eine unbestimmte patriotische Sehnsucht der einzige politische Gedanke der Jenenser Burschen. Sie schwärmten für ein abstraktes Deutschtum, so wie es einst in den Reden an die deutsche Nation verherrlicht worden; von der lebendigen preußischen Staatsgesinnung, welche sich Fichte ant Abend feines Lebens gebildet hatte, ahnten sie nichts. Jeder Unterschied von Preußen, Bayern und Sachsen sollte verschwinden in dem einen Begriffe der Deutfchheit; und da nun unter allen deutschen Einzelstaaten keiner ein so handfestes Leben befaß wie der preußische, so gerieten diese jungen Träumer, die doch beständig von der Herrlichkeit des Befreiungskrieges redeten, unmerklich auf denselben Abweg wie die Nemesis und die Isis!): sie begannen den Staat, der jenen Krieg fast allein geführt hatte, mit Anklagen zu überhäufen. Unter den Begründern der Burschenschaft befand sich ein einziger Preuße: der Berliner Maßmann, ein ehrlicher, sehr mäßig begabter junger Schwärmer, der unklarste Kopf von allen den Berserkern aus Jahns engerem Kreise. Die anderen waren sämtlich Thüringer, Mecklenburger, Kurländer, Hessen, bayrische Franken, und ihnen allerdings fiel es nicht fchwer, ihren heimatlichen Staat in einer allgemeinen Deutfchheit einfach untergehen zu lassen. Auf den preußischen 1) Zeitschriften der Jenenser Professoren Luden und Oken.

2. Geschichtliches Lesebuch - S. 38

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
38 Iii. v. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. beständige Krieg gegen die akademischen Gesetze, worin die Landsmannschaften ihren Ruhm gesucht hatten, jetzt Plötzlich aufhörte; und wie viel edler ward der ganze Ton des akademischen Lebens, seit die Gesänge Arndts und Schenkendorfs auf den Kommersen erklangen und eine ganze Schar junger Poeten, der Holsteiner Binzer voran, immer neue kräftige Burschenlieder aufbrachte. Fast alle die ernsten Lieder, welche der deutsche Student heute zu singen pflegt, sind erst damals aufgekommen; auch das Weihelied der Studenten, der Landesvater, erhielt erst jetzt durch eine glückliche Umarbeitung seinen schönen vaterländischen Sinn. Die christliche Frömmigkeit, die sich allerdings oft prahlerisch zur Schau stellte, war bei beit meisten echt und innig; mancher der jungen Träumer erschien wie verklärt durch die fromme Freude über alle die Wunder, welche Gott an diesem Volke gethan........... Bereits im Sommer 1814 hatte sich in Jena eine Wehrschaft gebildet, die ihre Leute durch ritterliche Übungen für den vaterländischen Waffendienst vorbereitete. Im folgenden Frühjahr traten dann die Mitglieder von zwei Landsmannschaften, die des schalen alten Treibens müde waren, mit einigen Wildert zusammen, und am 12. Juni 1815 ward die neue Burschenschaft, nach altem Jenenser Branch, durch einen feierlichen Aufzug über den Marktplatz eröffnet. An der -Spitze standen zwei Theologen aus Mecklenburg, Horn und Riemauu, und ein begeisterter Schüler von Fries, Scheidler ans Gotha, durchweg stattliche, brave junge Männer, die sich im Kriege tapfer geschlagen hatten. Der erste Sprecher, Karl Horn, der späterhin als Lehrer Fritz Reuters weitereu Kreisen bekannt wurde, blieb bis ins hohe Alter dem Enthusiasmus seiner Jugend treu und starb in dem frommen Glaubeu, daß er mit der Stiftung der Burschenschaft „ein Werk des Herrn" gethan habe. Die neue Verbindung brach sofort mit allen Unsitten des Pennalismus und wurde nach rein demokratischen Grundsätzen durch einen freigewählten Ausschuß und Vorstand regiert; ihr Ehrengericht brachte die Duelle auf eine bescheidene Zahl herab und wachte streng über ehrenhafte Sitte. Schon ein Jahr nach der Stiftung hatten sich alle anderen Verbindungen in Jena aufgelöst, und die Burschenschaft erschien nunmehr wirklich, wie sie es wollte, als ein Bund der gesamten christlichdeutschen Studentenschaft. In diesen ersten Tagen herrschte noch durchaus der gute Ton einer warmen vaterländischen Begeisterung. Welch ein Abstand gegen die Roheit früherer Tage, wenn die

3. Geschichtliches Lesebuch - S. 40

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
40 Iii. v. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. wollten das Ansehen der Burschenvorsteher überhaupt nicht gelten lassen, da die berühmten akademischen Häuptlinge nur selten geistreiche Menschen sind. Wider solche Gegner half nur diktatorische Härte; die Einseitigkeit, deren jede neue Richtung, zumal unter jungen Männern, bedarf, steigerte sich in der Burschenschaft bald bis zum Terrorismus. In Jena gelang es, alle abweichenden Meinungen vorläufig zum Schweigen zu bringen, und nun schwoll das Selbstgefühl der Burschen unleidlich an. Gewichtig schritten an jedem Nachmittag die Herren des Vorstandes und des Ausschusses auf dem Marktplatze auf und nieder, das Wohl des Vaterlandes und der Hochschulen in gemessenem Gespräche erwägend; sie fühlten sich als Herrscher in diesem kleinen akademischen Reiche, zumal da die meisten Professoren den jungen Herren eine ganz unbillige, aus Angst und Wohlwollen gemischte Ehrerbietung erwiesen; sie sahen im Geiste schon die Zeit, wo ganz Deutschland von den Jüngern der Burschenschaft regiert würde. Die patriotischen Zorn- und Prachtreden erklangen immer kräftiger und schloffen schon zuweilen mit dem Trumpfe: „unser Urteil hat das Gewicht der Geschichte selbst, es ist vernichtend". Wie viele alte Burschenschafter sind bis zur Grube in dem glücklichen Wahne geblieben, daß die Burschenschaft eigentlich das neue deutsche Reich gegründet habe; Arnold Rüge schilderte noch ein halbes Jahrhundert später den langen Einheits- und Freiheitskampf der neuen deutschen Geschichte wie eine einzige große Pro -patria = Panferei zwischen Burschenschaften und Corps. Und sicherlich hat mancher redliche junge Mann die erste Ahnung von der Herrlichkeit des Vaterlandes auf der Burschenkneipe gewonnen; aber der politische Idealismus jener Tage war zu gestaltlos, um eine bestimmte Gesinnung hervorzurufen. Der ersten Generation der Burschenschaft gehörten neben einzelnen liberalen Parteiführern, wie H. v. Gagern, auch viele Männer an, welche späterhin eine streng-konservative Richtung einschlugen, so Leo, Stahl, W. Menzel, Jarke, Hengstenberg. Die wortreiche Schwärmerei, die unklare Sehnsucht und die beständige Verwechslung von Schein und Wirklichkeit waren der Entwicklung des politischen Talents nicht günstig. Im großen Durchschnitt sind aus der Burschenschaft mehr Gelehrte und Schriftsteller hervorgegangen, aus den Reihen ihrer späteren Gegner, der Corps, mehr Staatsmänner. Vorderhand war die Burschenschaft in Jena obenauf. Ihr Ruhm ward auf allen Universitäten verkündet und lockte neue Geuoffeu her-

4. Geschichtliches Lesebuch - S. 42

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
42 Iii. v. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. und gleich sind; Urfeinde unseres deutschen Volkstums waren von jeher Drei: die Römer, Möncherei und Soldaterei." Dadurch ward freilich der gesamtdeutsche Charakter des Festes von vornherein getrübt. Die katholischen Universitäten des Oberlandes, die ohnehin mit den norddeutschen noch keinen regelmäßigen studentischen Verkehr unterhielten, konnten keine Einladung erhalten; die Freiburger Burschen mußten für sich allein am 18. Oktober auf dem Wartenberge bei Donaueschingen ihr Siegesfeuer anzünden. Von den österreichischen Hochschulen war nicht die Rede, da sie dem deutschen Studentenbrauche ganz fern standen, auch, mit Ausnahme der Siebenbürger Sachsen und weniger Ungarn, noch fast kein Österreicher in Deutschland studierte. Aber auch auf den preußischen Universitäten hatte die Burschenschaft noch so wenig Anhang, daß allein Berlin der Einladung Folge leistete. So war denn bei der Feier der Völkerschlacht gerade die Studentenschaft der beiden Staaten, welche allein schon bei Leipzig für die Sache der Freiheit gefochten, fast gar nicht vertreten; und alle die wundersamen Märchen, womit die Liberalen der rheirtl)(indischen Länder die Geschichte des Befreiungskrieges auszuschmücken liebten, fanden freien Paß. Schon lange zuvor hatte die Presse mit mächtigen Trompetenstößen den großen Tag angekündigt. Eine freie Zusammenkunft von Deutschen aller Länder allein um des Vaterlandes willen war diesem Geschlechte eine so erstaunliche Erscheinung, daß sie ihm fast wichtiger vorkam als die weltbewegenden Ereignisse der letzten Jahre. Im Lause des 17 Oktobers langten an fünfhundert Burschen in Eisenach an, etwa die Hälfte aus Jena, dreißig aus Berlin, die übrigen ans Gießen, Marburg, Erlaugen, Heidelberg und anderen Universitäten der Kleinstaaten; die rüstigen Kieler hatten nach Turnerbrauch den weiten Weg zu Fuß zurückgelegt. Auch vier der Jenenser Professoren fanden sich ein: Fries, Oken, Schweitzer und Kieser. Jede neu eintreffende Schar ward schon am Thore mit stürmischer Freude begrüßt und dann in den Rautenkranz geleitet, um dort vor den gestrengen Herren des Ausschusses auf dreitägigen Burgfrieden Urfehde zu schwören. Anderen Tags in der Frühe stieg „der heilige Zug" bei hellem Herbstwetter durch den Wald hinauf zu der Burg des Reformators: voran der Burgvogt Scheidler mit dem Burschenschwerte, darauf vier Burgmänner, dann, von vier Fahnenwächtern umgeben, Graf Keller mit der neuen Burschenfahne, welche die Jenenser Mädchen ihren sittenstrengen jungen Freunden kürzlich gestickt hatten, dann endlich die

5. Geschichtliches Lesebuch - S. 37

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Iii. ü. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. 37 Universitäten schlug die Burschenschaft nur langsam Wurzel, zunächst in Berlin. In Breslau wendeten sich ihr zuerst die neupreußischen Lausitzer zu; den Schlesiern wollte es lange nicht in den Sinn, daß der Staat Friedrichs des Großen einem gesinnungstüchtigen Teutonen nicht mehr gelten sollte als Bückeburg oder Darmstadt. Die Jenenser dagegen und die radikalen Gießeuer, die sich der burschenschastlichen Bewegung am frühesten anschlossen, bekämpften nicht nur jede berechtigte Regung preußischen Selbstgefühls als „undeutsches Preußentum", sie scheuten sich auch nicht, aus der Geschichte des Befreiungskrieges alles Preußische, alles was ihr Farbe und Leben gab, auszustreichen. Das Liederbuch der Burscheuschaft, A. Folleus „Freie Stimmen srischer Jugend", gab alle die schonen Kriegslieder, welche von Preußens Ruhm erzählten, verstümmelt wieder, der Name Preußens kam in der ganzen Sammlung gar nicht vor. In Arndts Husarenliede schwur Blücher nicht mehr „dem Franzmann zu weisen die preußische Art", wie der Dichter gesungen hatte; jetzt hieß es „die altdeutsche" oder gar „die deutscheste Art". Überdies hatten die Führer der Burschenschaft zumeist unter den Lützowern gedient und sich dort gewöhnt, als Mitglieder einer „rein-deutschen Freischar" mit Geringschätzung aus die preußische Linie herabzusehen, die im Kriege so viel glücklicher war als sie selber. So geschah es, daß diese Enthusiasten des Deutschtums der lebendigsten Kraft unserer nationalen Einheit von Haus aus fast ebenso unfreundlich gegenüberstanden wie die Turner. Begreiflich, daß der kindliche Glaube an die unfehlbare Weisheit „des Volks" und eine platonische Vorliebe für republikanische Formen sich unter den Burscheu noch häufiger fand als unter den Männern. Die landständischen Verfassungen schienen der Jugend vornehmlich darum nötig, weil sie, gleich der Mehrzahl der älteren Liberalen, den Partikularismus allein in den Kabinetten suchte: wenn nur erst in jedem deutschen Lande eine Verfassung besteht, meinte Karl Sand, dann wird es nur noch Deutsche, keine Bayern und Hannoveraner mehr geben! Immerhin war in diesen ersten Jahren von krankhafter Aufregung unter den jungen Leuten noch wenig zu spüren. Anmaßlich genug zogen sie freilich daher, in ihrer wunderlichen christlich-germanischen Tracht, im Barett, dunklen Rock und Weiberkragen, und der neue Turnerbrauch, der auch nach Jena bald hinüberdrang, ließ sie nicht liebenswürdiger erscheinen. Aber unter der rauhen Schale lag ein gesunder Kern. Die Behörden selbst waren verwundert, als der

6. Geschichtliches Lesebuch - S. 60

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
60 Iv. v. Sybel, Einwirkung der Julirevolution auf Deutschland. horsam unter den Satzungen der klerikalen Hierarchie auferlegt hatte. Der Kampf mit den Staatsgewalten konnte nicht ausbleiben. In Preußen entspann er sich in Sachen des theologischen Universitätsunterrichts und der gemischten Ehen: nach langen Verhandlungen kam es 1837 zum offenen Zwiespalt, und die Regierung ließ den wortbrüchig gewordenen Erzbischof von Köln nach Minden in Haft bringen, den in gleichem Sinne wirkenden Erzbischof von Posen aber durch gerichtliches Urteil absetzen. Das Kölner Domkapitel und der Fürstbischof von Breslau hielten zur Regierung, bei der rheinischen und polnischen Bevölkerung jedoch zeigte sich eine heftige Gärung. Eben damals war in München der eifrig klerikale Herr von Abel leitender Minister geworden und ließ der ultramontanen Presse bei den heftigsten Angriffen gegen Preußen freien Lauf, und dieses Mal erhob auch Metternich, welcher soeben den Jesuiten den von Kaiser Franz stets geweigerten Zugang nach Österreich eröffnet hatte, keinen Einspruch gegen die bundeswidrige Verstattung schrankenloser Preßfreiheit. So war in allen deutschen Landen eine in den mannigfachsten Farben durch einander wirbelnde Bewegung der Geister erwacht. Der ganze bisherige Zustand war ohne eine Spur materieller Auflehnung durch eine kecke Kritik in Frage gestellt. Da trat 1837 ein Ereignis ein, welches die politische Agitation für ein volles Jahrzehnt in ihren Bestrebungen fixierte und ihr einen unverrückbaren gemeinsamen Zielpunkt gab: der Verfassungssturz in Hannover durch den neuen König Ernst August. Unter lügenhaften Vorwänden, hauptsächlich zu dem Zwecke freierer persönlicher Verfügung über das Staatsvermögen unternommen, stand die Umwälzung sowohl mit dem Landrecht als mit der Wiener Schlußakte in schreiendem Widerspruch. Der Unwille in ganz Deutschland trat offen an das Licht, als mit einem neuen Gewaltstreich der König sieben Göttinger Professoren, die unter Dahlmanns Vorgang ihrem Verfaffungseide treu zu bleiben erklärten, kurzer Hand absetzte und drei derselben aus dem Lande jagte. Die deutschen Volksvertretungen, Universitäten, Spruchlollegien wetteiferten, in den schärfsten Beschlüssen und Gutachten der öffentlichen Entrüstung Ausdruck zu geben; die Verteidigungsschriften Dahlmanns und Jakob Grimms fanden die weiteste Verbreitung; ein großer Verein, der sich zur Unterstützung der Vertriebenen gebildet hatte, gewann Mitglieder in allen deutschen Städten. Dagegen war in Hannover selbst nach der ersten Aufwallung bei der bedächtigen niedersüchfischen Bevölkerung der Kampfeseifer weder heiß noch thätig, indessen kam es zu einer

7. Geschichtliches Lesebuch - S. 88

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
X n v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. Friedrich Harkort in einer Druckschrift begründete und den westfälischen Ständen vorlegte. Aber wie konnte der König in diesem Augenblicke, da die Verhandlungen über den Zollverein noch schwebten, sich auf so weit aussehende Entwürfe einlassen? Er erwiderte den Rheinländern, ihr Handelsstand würde, so hoffe er, selber die Mittel für jene Bauten zu finden wissen. Unterdessen hatte der rührige Unternehmer Gerstner in Böhmen die Bndweis-Linzer Eisenbahn zustande gebracht (1828); sie diente jedoch lediglich der Abfuhr des Salzes aus dem Salzkammergute, wurde nur mit Pferden betrieben und konnte als. große Verkehrsstraße nicht benutzt werden. Eine Menge v°n, Projekten tauchten auf, alle noch so unklar und nebelhaft, daß selbst der unternehmende russische Finanzminister Eancrin zu Gerstner spöttisch sagte: in hundert Jahren werde für dergleichen wohl die Zeit kommen. Die Staatsmänner klagten sämtlich über die tolle „Eisenbahn-Manie". Noch war man ja nicht einmal über die technischen Vorbedingungen einig. Hanptmann v. Prittwitz in Posen, einer der tüchtigsten Ingenieure des deutschen Heeres, empfahl statt des Stephenson-schen Systems die Anlage „schwebender Eisenbahnen" in der Art der Drahtseilbahnen. Vornehmlich ward bezweifelt, ob große Bahnstrecken in dem armen Deutschland überhaupt einen Ertrag bringen könnten; die meisten glaubten, uur zwischen nahe benachbarten größeren Städten, wie Berlin und Potsdam, würde sich die Unternehmung lohnen. Mit feuriger Begeisterung, wie er jeden neuen Gedanken ergriff, wendete sich König Ludwig von Bayern den Eisenbahnplänen zu. Er besaß an dem Bergrat Josef v. Baader, dem Bruder des Philosophen, einen geistreichen Sachverständigen, der gern in kühnen Plänen schwelgte und sich selbst den Veteran des deutschen Eisenbahnwesens nannte. Er ließ sich auch nicht beirren, als sein Ober-Medizinal-Kolleginm ihm beweglich vorstellte, der Dampfbetrieb werde bei den Reisenden wie bei den Zuschauenden unfehlbar schwere Gehirnerkrankungen erzeugen, und damit mindestens die Zuschauer Schutz fänden, müsse der Bahnkörper mit einem hohen Bretterzäune umgeben werden. Ludwig sendete seinen Architekten Klenze nach England, Belgien und Frankreich, um sich über das Eisenbahnwesen zu unterrichten, und hörte es gern, wenn ihm Feldmarschall Wrede von einem bayerischen Kriegsbahnnetze sprach, das in der Festung Ingolstadt seinen Mittelpunkt finden sollte. Am stärksten lockte ihn der Gedanke einer großen Bahn von Lindau nach Hof, die sich über Leipzig und Magdeburg bis Hamburg fortsetzen, den Zollverein zusammenhalten, Deutschlands

8. Geschichtliches Lesebuch - S. 92

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
92 Vii. v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. stand. Unterdessen leitete Hauptmann Kunz den Bau umsichtig und thatkräftig. Eine Lokomotive, der Komet, wurde in England angekauft und eine Weile für Geld zur Schau gestellt; auch der Wagenbauer und der erste Lokomotivenführer kamen aus England. Im April 1837 konnte endlich die erste Strecke von Leipzig nach einem nahen Dorfe befahren werden; dicht gedrängt standen die Massen zu beiden Seiten der Bahn, kein lautes Wort ließ sich hören, so schreckhaft wirkte der unerhörte Anblick. Dann mußte „der Einschnitt" bei Machern ausgeschaufelt werden, durch eine Bodenwelle, welche der Reisende heute kaum bemerkt; von weither kamen die Fremden, auch der länderkundige Frhr. v. Strombeck, um das Wunderwerk zu betrachten und gründlich zu beschreiben. Der schwierigste Kunstbau der Bahn, der Tunnel bei Oberau, wurde durch Freiberger Bergleute ganz nach Bergmannsbrauch wie ein Stollen von vier niedergesenkten Schachten aus in Angriff genommen; als alles beendet war, bildeten die Knappen in ihrem Paradeanzug, mit Fackeln in der Hand, im Tunnel Spalier, um den ersten durchbrausenden Zug mit dem alten Glückaus-Ruf des Erzgebirges zu begrüßen. . . . Derweil die Deutschen sich noch an ihrer ersten großen Eisenbahn abmühten, versuchte schon eine andere folgenschwere Erfindung, die deutsche Erfindung der elektro magnetischen Telegraphie sich Raum zu schaffen. Das alte optische Telegraphenwesen hatte in Preußen während der jüngsten Jahre eine hohe Ausbildung erlangt. Auf eine Anfrage aus Berlin traf die Antwort aus Koblenz schon binnen vier Stunden ein, freilich nur bei hellem Wetter. Wenn das hohe Balkengerüste auf dem Turmhause in der Dorotheenstraße einmal den ganzen Tag hindurch ununterbrochen seine rätselhaften Bewegungen ausführte, dann meinten die Berliner bedenklich, die Zeiten würden schlimm. Aus Petersburg konnten die Nachrichten durch den Telegraphen und durch Kuriere in fünfzig Stunden befördert werden, und man hoffte noch auf größere Beschleunigung, da der Zar soeben bei Fraunhofer in München 450 Fernröhre für die russischen Telegraphen bestellt hatte. Aber der optische Telegraph diente ausschließlich deu Behörden. Ein rascher Nachrichtendienst für den allgemeinen Gebrauch ward erst möglich, als der junge Wilhelm Weber nach Göttingen kam und Gauß entzückt ausrief: der Stahl schlägt auf den Stein. Der Physiker und der Mathematiker, sie verbanden den elektromagnetischen Apparat ihrer Sternwarte durch einen 3000 Fuß langen Draht, über den Turm der Johanniskirche hinweg, mit dem Physikalischen Kabinett

9. Geschichtliches Lesebuch - S. 95

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Vii. D. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland. 95 und Extra-Convois; es war leider die Zeit, da das junge Deutschland die Zeitungssprache von Grund aus verwälscht hatte. Unerbittert durch seine Leipziger Erfahrungen arbeitete List rastlos weiter. Er gründete ein Eisenbahn-Journal, das sich freilich nicht lange halten sonnte, weil es in Österreich verboten wurde, und zwang durch sein Beispiel die Presse, auf die so lange vernachlässigten volkswirtschaftlichen Fragen gründlich einzugehen. Um seiner Bahn die Fortsetzung nach Norden zu sichern, begab sich List 1835 nach Magdeburg, und die Kaufmannschaft, die erst vor sechs Jahren alle Eisenbahnpläne abgewiesen hatte, nahm ihn jetzt mit offenen Armen auf; allen voran der wackere Oberbürgermeister Francke, einer der angesehensten Bürger der Monarchie, denn wie im Süden die Abgeordneten, so galten im Norden die Gemeindebeamten, Kospoth in Breslau, Bärensprung in Berlin, Demiaui in Görlitz, als die eigentlichen Volksmänner. Die Magdeburger rühmten sich: unsere Eisenbahn nach Leipzig wird die erste Bahn der Welt sein, welche die Grenzen verschiedener Staaten durchschneidet! Francke trat an die Spitze eines Ausschusses und sendete nach Berlin eine Eingabe, welche das Ministerium zwang, die Eisenbahnfrage ernstlich ins Auge zu fassen. So brachte List auch in Preußen die Kugel ins Rollen. . . . Die Verhandlungen währten sehr lange. Eine Kommission aus Räten aller Ministerien ward gebildet; der Kriegsminister sendete einen seiner besten Offiziere, den gelehrten Oberst Peucker. Dann beriet das Staatsministerium, endlich noch der Staatsrat. Der Streit ward sehr lebhaft; die alten Minister hegten Zweifel, die jüngeren, Rochow, Mühler, Alvensleben hielten zu dem Kronprinzen, weil sie der Zukunft vertranten. Der Gegenstand war noch so neu, so unberechenbar, so gänzlich unerprobt, daß niemand sich einen Sachkenner nennen durfte und die tüchtigsten Männer in ihren Meinungen sehr weit auseinander gingen. Der geniale Beuth, der doch noch in seinen besten Jahren stand und sonst jeden technischen Fortschritt mit Feuereifer begünstigte, betrachtete die Eisenbahnen sehr mißtrauisch. Ihr erklärter Gegner aber war General Aster, der erste militärische Ingenieur des Zeitalters, obwohl er doch selbst bei seinen Festungsbauten schon oft kleine Eisenbahnen in Betrieb gesetzt hatte. Er meinte: „die Eisenbahnen halten wegen der Kostbarkeit der Anlage und einer ziemlichen Ausschließlichkeit des Gebrauchs mit anderen weit wohlfeileren und in ihrer Anwendung teilbaren Erfindungen, wie z. B. Buchdruck und Schießpulver, den Vergleich nicht aus".

10. Geschichtliches Lesebuch - S. 42

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
42 Iii. v. Treitschke, Burschenschaft und Wartburgfest. und gleich sind; Urfeiude unseres deutschen Volkstums waren von jeher Drei: die Römer, Möncherei und Soldaterei." Dadurch ward freilich der gesamtdeutsche Charakter des Festes von vornherein getrübt. Die katholischen Universitäten des Oberlandes, die ohnehin mit den norddeutschen noch keinen regelmäßigen studentischen Verkehr unterhielten, konnten keine Einladung erhalten; die Freiburger Burscheu mußten für sich allein am 18. Oktober aus dem Wartenberge bei Donaueschiugeu ihr Siegesfeuer anzünden. Von den österreichischen Hochschulen war nicht die Rede, da sie dem deutschen Stndenten-branche ganz fern standen, auch, mit Ausnahme der Siebenbürger Sachsen und weniger Ungarn, noch fast kein Österreicher in Deutschland studierte. Aber auch auf den preußischen Universitäten hatte die Burschenschaft uoch so wenig Anhang, daß allein Berlin der Einladung Folge leistete. So war denn bei der Feier der Völkerschlacht gerade die Studentenschaft der beiden Staaten, welche allein schon bei Leipzig für die Sache der Freiheit gefochten, fast gar nicht vertreten; und alle die wundersamen Märchen, womit die Liberalen der rheinbündischen Länder die Geschichte des Befreiungskrieges auszuschmücken liebten, fanden freien Paß. Schon lange zuvor hatte die Presse mit mächtigen Trompetenstößen den großen Tag angekündigt. Eine freie Zusammenkunft von Deutschen aller Länder allein um des Vaterlandes willen war diesem Geschlechte eine so erstaunliche Erscheinung, daß sie ihm fast wichtiger vorkam als die weltbewegenden Ereignisse der letzten Jahre. Im Lanfe des 17 Oktobers langten an fünfhundert Burschen in Eisenach au, etwa die Hülste aus Jena, dreißig aus Berlin, die übrigen ans Gießen, Marburg, Erlaugen, Heidelberg und anderen Universitäten der Kleinstaaten; die rüstigen Kieler hatten nach Turnerbrauch den weiten Weg zu Fuß zurückgelegt. Auch vier der Jeueuser Professoren fanden sich ein: Fries, Oken, Schweitzer und Kieser. Jede neu eintreffende Schar ward schon am Thore mit stürmischer Frende begrüßt und dauu in den Rauteukrauz geleitet, um dort vor den gestrengen Herren des Ausschusses auf dreitägigen Burgfrieden Urfehde zu schwören. Anderen Tags in der Frühe stieg „der heilige Zug" bei hellem Herbstwetter durch den Wald hinaus zu der Burg des Reformators: voran der Burgvogt Scheidler mit dem Burschenschwerte, darauf vier Burgmänner, dann, von vier Fahnenwächtern umgeben, Graf Keller mit der neuen Burschenfahne, welche die Jenenser Mädchen ihren sittenstrengen jungen Freunden kürzlich gestickt hatten, dann endlich die
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