250
und Teller in Gold gemalt und gebrannt, die Wände mit Gemälden
und Stickereien bedeckt, die Fußböden mit kostbaren Teppichen ausgelegt
und die Wappenschilder und Stammbücher des Geschlechts durch kostbare
Malereien ausgeziert.
Das 17. Jahrhundert ist nicht minder reich an hervorragenden
Männern auf dem Gebiete der Wissenschaft, der Erfindungen und
der Kunst. Freilich in Deutschland hatte der große Krieg das geistige
Leben völlig niedergedrückt und geschädigt. Nur einige poetische Blüten
traten aus dem verkümmerten Volksleben hervor.
Der deutsche Astronom Kepler fand die drei Grundgesetze der
Planetenbewegung, der Italiener Galilei die Pendel- und Fallgesetze.
Der Italiener Torricelli erfand das Barometer, der Holländer Drebbel
das Thermometer, Otto von Guericke in Magdeburg die Luftpumpe.
Die deutsche Dichtkunst befand sich im 17. Jahrhundert im
Verfall. Man ahmte die lateinischen und romanischen Dichter sklavisch
nach und gefiel sich in einer widerlichen Sprachmengerei. Gegen diese
Entdeutschungen bildeten sich mehrere Gesellschaften zur Pflege der
deutschen Sprache und Dichtkunst. Martin Opitz von Boberfeld
stellte in seinem Buche „Von der deutschen Poeterei" die durch den Wortton
bestimmte Versmessung auf. An ihn schließt sich die erste schlesische
Dichterschule, die in der Form die Hauptsache und in der dichterischen
Begabung Nebensache sah. Aus diesem Kreise sind der Dramatiker
Gryphius, der geistvolle Epigrammendichter Friedrich von Logau
und der gemütstiefe Liederdichter Paul Fleming zu nennen. Be-
merkenswert ist noch der Jesuit und eifrige Bekämpfer der Hexenprozesse
Friedrich von Spee („Trutznachtigall"). Aus dieser Zeit ist von
wirklichem poetischen Wert nur das Kirchenlied, in welchem besonders
Paul Gerhardt (f 1676) sich auszeichnete. Die spätere zweite
schlesische Dichterschule verirrte sich in Ungeschmack und Schwulst.
Ein echt volkstümliches Werk ist Grimmelshausens Roman „Der aben-
teuerliche Simplicissimus", der die Greuel des 30 jährigen Krieges schildert.
Fragen: Woher die lange Dauer des Dreißigjährigen Krieges? — Welche
Frauen sind erwähnt und wie? — Welche Wirkungen hatte der Westfälische
Friede? — Frankreichs Stellung zu Deutschland! — Was bewog Gustav Adolf
zum Kriege? — „Wallenstein" von Schiller. „Der Tod des Grafen Mansfeld"
von Förster. „Wallenstein vor Stralsund" von Günther. „Schloß Eger" von
Fontane. „Wallenstein" von Goethe. — „Der Friede" von Lingg.
75. Cromwell in England (um 1650.)
1. Sein Gegner auf dem Throne. In England vereinigte
Jakob I., Sohn der Maria Stuart und Nachfolger Elisabeths, Schott-
land und England und nannte sich König von Großbritannien
und Irland. Er war ein engherziger Monarch, der durch seinen
Eigensinn, seine Laune und Willkür die Liebe aller Parteien verscherzte.
Nach der mißglückten Pulververschwörung, durch welche der König samt
dem Parlament in die Luft gesprengt werden sollte, wurden die Katholiken
aufs äußerste verfolgt.
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T150: [Maria König Theresia Kaiser Franz Karl Friedrich Joseph Frankreich Sohn], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler]]
Extrahierte Personennamen: Kepler Otto_von_Guericke Otto Martin_Opitz_von_Boberfeld Gryphius Friedrich_von_Logau Friedrich Paul_Fleming Friedrich_von_Spee Friedrich Paul_Gerhardt Grimmelshausens Gustav_Adolf Gustav Adolf Schiller Günther Fontane Goethe Lingg Cromwell Jakob_I. Maria_Stuart Maria
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Magdeburg Westfälische Frankreichs Deutschland England England England Irland
Normet |itr süchehnten Ausiage.
Die ministeriellen Bestimmungen vom 31. Mai 1894 über das Mädchen-
schulwesen haben eine teilweise Umarbeitung der Geschichtsbilder, mannigfache
Ergänzungen und eine eigene Ausgabe für Mädchenschulen nötig gemacht.
a. Nach diesen Bestinunungen gilt als allgemeines Lehrziel: „Kennt-
nis der vaterländischen Geschichte. Bekanntschaft mit den wichtigsten Ereig-
nissen der alten Geschichte und mit denen der Geschichte der großen modernen
Kulturvölker, soweit diese für die vaterländische Geschichte von Bedeutung
sind. Der Unterricht erstrebt Stärkung und Vertiefung der Liebe zu Vater-
land, Heimat und Herrscherhaus, Verständnis für das Leben der Gegenwart
und die Aufgaben unseres Volkes. Dieser Aufgabe hat die Schule auch
mittelbar durch die Feier der vaterländischen Gedenktage zu genügen."
b. Lehraufgaben: „Der Geschichtsunterricht beginnt mit dem 2. Schul-
jahr der Mittelstufe. Er hat zunächst die Aufgabe, durch Lebensbilder der
hervorragendsten Gestalten unserer vaterländischen Geschichte, ganz besonders
der Herrscher und Herrscherinnen aus dem Hause Hohenzollern, und durch
anschauliche Darstellung klar begrenzter bedeutungsvoller Begebenheiten und
Zustände die Schülerinnen mit kräftigem persönlichen Interesse zu erfüllen
und ihnen die nötigen Halt- und Mittelpunkte zu geben. Der Unterricht
der Oberstufe hat Einzelnes auszuführen, den Zusammenhang herzustellen,
die kulturgeschichtlichen Ergänzungen zu geben; er mündet in eine zusammen-
hängende Darstellung der neusten deutschen Geschichte bis zur Gegenwart aus".
Klasse V und Iv: Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte bis
zur Gegenwart. — Deutsche Sagen.
(Für diese Stufe hat der Verfasser „Das erste Geschichtsbuch, ein
Lehr- und Lesebuch für den ersten Geschichtsunterricht im Anschluß an die
Heimatkunde", verfaßt*).
Klasse Iii: Die Hauptthatsachen der griechischen und der römischen Ge-
schichte unter Betonung des kulturgeschichtlichen, möglichst durch Anschauung
zu vermittelnden Stoffes, besonders der griechischen Kunst im Perikleischen,
der römischen Kultur im Augusteischen Zeitalter. — Römer und Germanen.
Klasse Ii: Deutsche Geschichte bis zum westfälischen Frieden mit Hervor-
hebung der kulturgeschichtlichen Momente und des deutschen Frauenlebens.
Klasse I: Fortführung der deutschen Geschichte vom westfälischen Frieden
bis zur Gegenwart mit wachsender Hervorhebung der brandenburgisch-preu-
ßischen Geschichte. (Friedrich Wilhelm I., die Zeit Friedrichs des Großen, das
Zeitalter der französischen Revolution, der napoleonischen Herrschaft und der
Befreiungskriege, die Kämpfe von 1864,1866,1870,71; die Einigung Deutsch-
lands, das neue Reich und seine Entwickelung.) Ausblicke auf die Geschichte
Englands, Frankreichs, Italiens, Österreichs und der Vereinigten Staaten.
o. Methodische Bemerkungen (im Auszuge): „Dem Geschichtsunter-
richte fällt im Verein mit dem Unterrichte in der Religion und im Deutschen
*) 5. Auflage, mit 57 Abbildungen. Gera, Theod. Hofmann. 1899. Preis75pf., geb.90pf.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm_I. Friedrich Wilhelm_I. Friedrichs Hofmann
Gedenkworte.
81
strebend, höher und höher dringend, niemals am Ende, solange sein
Herz noch schlüge — der Träger und die Verkörperung der höchsten
irdischen Erlösung, die der Dichter unserer Welt dereinst ersehnt und
vorgehalten hatte: im Anfang war die That.
So ist er gewaltig und ganz er selber gewesen, bis in seinen
letzten Tag. Eine Erscheinung von persönlicher Macht, wie das wahrlich
nicht arme Jahrhundert seit dem ersten Napoleon keine gesehen hat;
und Bismarck war unendlich reicher und tiefer als Napoleon. Mehr
als ein Menschenalter hindurch war er der Ausdruck, der Gestalter
seiner Zeit, wir haben das Gefühl, daß sie nicht nur für Deutschland,
daß sie für Europa das „Zeitalter Bismarcks" bleiben wird und daß
wir die Epoche von 1870 erst mit ihm begraben. Wir haben das
Gefühl und haben es immer gehabt, daß wir hoch begnadigt waren,
den Genius so leibhaft unter uns, vor unseren Augen zu haben. Wenn
wir je vergangenen Geschlechtern den Umgang mit den Heroen der
Menschheit, die unter ihnen weilten, beneidet haben — auch dir wird
dieser Neid einst gelten: das sagte sich dankbar jeder, der einmal er-
schauernd und erhoben, Angesicht gegen Angesicht, vor diesen ersten unter
den lebenden Menschen treten gedurft.
Otto von Bismarck wurzelte in festbestimmtem Boden, in einer
festbestimmten Epoche; seine besondere Art, seine besonderen Schöpfungen
sind, wie alles Irdische und wie seine Lebensdauer selbst, zeitlich be-
grenzt: sie sind wandelbar, sie sind sterblich. Wer könnte sich das ver-
hehlen? Aber noch weniger zweifeln wir heute an dem anderen: ein
gutes Stück seines Lebens ist dennoch ewig. Wann hat ein einzelner
ein Volk so überschwenglich reich und mit so innerlich gefesteten Gaben
beschenkt? Was er zum Abschluß brachte, war ja die Entwickelung
langer Jahrhunderte; was er aufrichtete, war zugleich das Ergebnis
alter und starker allgemeiner Kräfte: die werden es auch künftig tragen
helfen, und wir hoffen und vertrauen, daß es, einmal geschaffen, durch
sich selber fortdauern wird; sein Untergang wäre ja nur denkbar im
Untergänge unseres Vaterlandes selbst. Daß aber jene Schöpfung wirk-
lich vollendet ward und wie sie vollendet ward, das ist fein Werk, und
tief hat sich sein Wille und sein Wesen in sie hineingeprägt: so lange
wirkt auch fein Eigenstes in ihrem Gefüge und ihrem Geiste mitbe-
stimmend und unaustilgbar nach. Und mehr als das. Wie könnte
die Lehre seines Daseins zu Grunde gehen? Hat er nicht, in der
Fülle seiner Kraft und seines Ernstes, sein Volk erzogen, vier Jahr-
zehnte lang? Hat er ihm nicht die Güter seines Staates und seiner
Einheit ergreifend durch Wort und That an das Herz gelegt? Hat er
nicht Zug und Geist, Willen und Strenge in unser aller Leben ge-
pflanzt, den Geist der Wirklichkeit, der Treue, der Entschlossenheit, der
M. Henschke, Deutsche Prosa. 6
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T71: [Deutschland Krieg Preußen Volk Napoleon Frankreich Macht Frieden Europa Land]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Otto Bismarck
96
Herman Grimm.
Es war eine gewaltige Bewegung, als sich das Italien des
15. Jahrhunderts auf die Hinterlassenschaft der antiken Völker warf
und Deutschland ihm in diesem Bestreben nachfolgte.
Eine neue Kunst, eine neue Gelehrsamkeit, eine erneute Religion
waren die Früchte dieser Anstrengung. Es schien, als sollte damals
schon der Gewinnst für alle folgenden Zeiten gezogen und sichergestellt
sein; aber noch einmal dennoch ging fast alles wieder verloren. Ein
Zufall, könnte man sagen (wenn bei so ungeheuren Ereignissen dieses
Wort erlaubt wäre), brachte gerade in den Zeiten, in denen die
Dinge sich am schönsten zu entwickeln schienen, die Throne von mehr
als halb Europa in eine einzige Hand zusammen. Ein wunderliches
Glücksspiel war es, durch das bei so viel sich kreuzenden Heiraten und
Todesfällen der einzige Karl der Fünfte zurückblieb, dem alle Einsätze
zufielen. Und indem die Familie dieses Mannes, die keine nationale
Dynastie sein konnte, weil zu verschiedenartige Nationen ihr gehorchen
sollten, mit der größten Anstrengung zwei Jahrhunderte lang jede
nationale Bestrebung in ihren Landen zu unterdrücken und das prote-
stantische nördliche Deutschland zumeist in seiner freien Entfaltung
niederzuhalten bestimmt war, brachte sie es endlich doch nur dahin,
daß sie selbst samt ihren Völkern langsam zu Grunde ging, während
Frankreich, der alte Feind der Habsburger, politisch und litterarisch
allmächtigen Einfluß gewann. Erst nachdem auch dieser überwunden
und abgethan war, trat Deutschland wieder ans. Sich zurückwendend
zu den antiken Völkern und den Italienern der vergangenen Jahr-
hunderte, hob es sich zu frischer Blüte empor. Soll diese neueste
Arbeit, die bei uns geschah, mit dem Namen eines einzigen Mannes
symbolisch umfassend bezeichnet werden, so sagen wir Goethe, und
wollen wir den entscheidenden Moment seines Lebens nennen, in dem
er für die große Mission gleichsam die letzte Weihe erhielt, so sagen
wir Goethes Reise nach Italien.
Auch die Blüte des französischen Geistes entstand aus der An-
eignung der italienischen Kultur und aus dem Studium der antiken
Muster. — Die bildenden Künste wurden in Frankreich nicht weiter
gebracht, die Litteratur jedoch auf eine hohe Stufe erhoben. Und
selbst dann noch blieb diesen Bestrebungen ihr eigentümliches Wachs-
tum, als auch in Frankreich die bürgerliche Unabhängigkeit in Politik
und Religion der ärgsten Unterdrückung anheim fiel. Der Aplomb
und dennoch die Leichtigkeit, mit der die Franzosen die Dinge an-
griffen, die elegante Deutlichkeit der Sprache, die für die feinsten
Nüancen des Gedankens immer neue Wort- und Satzkombinationen
bereit hatte, bewirkten im Reiche der Schriftstellerei eine Umwälzung,
wie etwa die Einführung der Artillerie in der Kriegführung. Es er-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Personennamen: Herman_Grimm Karl Goethe Goethes
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Europa Deutschland Frankreich Deutschland Italien Frankreich Frankreich
270
Ferdinand Cohn.
welche wir bisher auf diese Fragen erlangten; denn nicht in abgerissenen
Lehrsätzen läßt sich die geistige Arbeit der Wissenschaft davontragen:
wer von ihr Gewinn haben will, darf sich nicht scheuen, den
Weg selbst zu verfolgen, auf welchem die Ergebnisse gewonnen und
gesichert wurden. Wer am edlen Wein der Erkenntnis sich stärken
will, muß selbst die Traube pressen, er muß die trübe Gärung
abwarten, ehe mit wieder gewonnener Klarheit sich Blume und Geist
entwickelt.
Auf einzelne der hier berührten Probleme soll in den späteren
Abschnitten dieses Buches näher eingegangen werden; hier habe ich
meine Aufgabe darauf beschränkt, öffentlich Rechenschaft abzulegen von
den Zielen, welche die Männer der Wissenschaft, in der ich selbst meinen
Lebensberuf gefunden, anstreben, und welchen sie trotz der wechselnden
Probleme der verschiedenen Zeitalter durch beharrliche Arbeit immer
näher gekommen sind seit jenem Moment, wo die Botanik vor zweiund-
zwanzig Jahrhunderten durch das Genie des Aristoteles und Theophrastos
zu einem selbständigen Gebiete menschlicher Forschung gestaltet wurde.
Es ist mein Wunsch und meine Hoffnung, auch in weiteren Kreisen
eine erhöhte Teilnahme zu erregen für die Leistungen unserer Meister,
welche auch an ihrem Teile dazu beitrugen, dem Namen deutscher
Wissenschaft Ehre zu machen und der deutschen Nation in unserem
Zeitalter den hohen Rang unter den Kulturvölkern Europas zu er-
kämpfen. Wenn gleichwohl die Strömungen, welche unsere botanische
Welt erregen, in den weiteren Kreisen des Volkes kaum empfunden
werden, so liegt, wie ich gezeigt zu haben glaube, die Ursache nicht in
der esoterischen Natur ihrer Probleme, welche gerade zu den wichtigsten
Aufgaben der Naturwissenschaft gehören; ich suche vielmehr die Schuld
darin, daß unsere Schulen nach hergebrachter Methode in der auf-
wachsenden Generation den Sinn für die Natur und ihre Erscheinungen
nicht genug wecken, und ihr nicht die nötigen Vorkenntnisse mitgeben,
ohne welche freilich ein warmes Interesse und ein lebendiges Verständ-
nis naturwissenschaftlicher Fragen unmöglich ist. Gerade in der gegen-
wärtigen Zeit, wo die Frage von der Erziehung des deutschen Volkes
wieder in Fluß geraten, und wo die Männer, welchen die Leitung
unserer idealen Interessen anvertraut ist, es als ihre höchste Aufgabe
erkannt haben, daß die Kulturerrungenschaften unserer bisherigen ge-
schichtlichen Entwickelung, daß vor allem die Zukunft des deutschen
Reichs sicher zu stellen ser durch eine wissenschaftliche und sittliche
Heranbildung der Jugend: halte ich es für meine Pflicht, bei jeder
Gelegenheit dafür einzutreten, daß jene hergebrachte Vernachlässigung
der Naturwissenschaften endlich aufhöre, und wie jener alte Römer am
Schluß jeder seiner Rede sein eetsrura eermoo anbrachte, gleichviel ob
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand_Cohn Ferdinand
386
Charlotte Duncker.
wird. Das alles giebt dem täglichen Gang der Dinge im englischen
Hause eine größere Ruhe, eine gewisse Vornehmheit, welche dem Durch-
schnitt auch der gebildeten Häuser bei uns vielleicht allzu wenig eigen
ist. Aber welcher Deutsche möchte die hilfreiche Beweglichkeit vermissen,
mit welcher die deutsche Hausfrau, die Tochter des Hauses in jede
augenblicklich entstehende Lücke der Ordnung und Behaglichkeit selbst-
vergessen und geschickt mit eigener Thätigkeit einzugreifen pflegt? wer
sähe nicht gern, wie bei uns dem zärtlich geehrten Haupt der Familie
die bescheidensten Dienstleistungen von den Kindern, ja von der Gattin
selbst mit zuvorkommendem Eifer erwiesen werden.
Der Wohlstand unseres Landes, welcher durch die Verheerungen
des dreißigjährigen Krieges, durch die Opfer, welche die diesem folgenden
Kriege bis in das zweite Jahrzehnt unseres Jahrhunderts gefordert
haben, seine alten Wurzeln und Vorräte eingebüßt hat, verhält sich
zum Wohlstand Englands wie eine dünne Humusdecke auf neu ge-
wonnenem Boden zu altem, wohlgepflegtem Kulturlande; in allen Be-
völkerungsschichten ist die Tradition des Wohllebens und des Wohl-
habens unterbrochen worden, in den unteren Klassen hat mit der Ver-
armung der Sinn für Sauberkeit, gesundheitsmüßiges Leben, äußere
Wohlanständigkeit gelitten und bei den spärlichen Zunahmen des Be-
sitzstandes sich noch nicht hinreichend ersetzt. Die geistige Kultur, welche
nicht so gründlich zerstört worden war wie die materielle, hat sich in
den höheren Ständen, namentlich in dem bei uns zahlreichen und
dadurch das Niveau und den Charakter der Bildung beeinflussenden
Lehr- und höheren Beamtenstande rascher hergestellt und fortentwickelt
als die äußere Lebenspraxis und die Bedingungen dessen, was der
Engländer mit dem ihm eigenen Wort Komfort bezeichnet. In dem
Zuschnitt unserer gebildeten Häuser an Besitz und Gewohnheiten; im
Verhalten, in der Kleidung und in den Leistungen der Dienenden; in
dem vertraulich absolutistischen Ton, in welchem der Herr mit den
Dienenden zu verkehren genötigt ist und in den mancherlei kleinen und
kleinlichen Regierungsausgaben, welche der deutschen Hausfrau zufallen,
sprechen diese Übelstände sich aus. Es muß, vornehmlich in diesen
Regionen, das Streben des deutschen Hauses sein, dem Mißverhältnis
zwischen geistiger Kultur und notgedrungener materieller Entbehrung und
Arbeit abzuhelfen; nicht durch gewaltsame Steigerung des Erwerbs oder
durch vornehme Unthätigkeit, sondern durch weise Ökonomie der Kräfte,
durch Heranbildung der Dienenden zu ehrenwerter Fachtüchtigkeit, und
durch Verzicht auf müßige Arabesken und Besonderheiten, auf welche
der auch in seinen äußerlichen Gewohnheiten allzu individualistische
Deutsche übergroßen Wert legt. Deshalb sollen und wollen wir nicht
verzichten auf den Gewinn, welchen die deutschen Frauen aus den Er-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
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40
Adolf Trendelenburg.
Friedrich übernahm sie. Wenn er also für die Ergänzung der zerrissenen
Lage Leib und Leben, Land und Leute einsetzte, so trieb ihn etwas
Größeres als die Ruhmbegierde, die man gern in erster Reihe nennt,
als der Wunsch, aus dem Namen seines Königreichs eine Wahrheit zu
machen. Es war die Grundbedingung des Staats, für welche Friedrich
in Schlesien alte Ansprüche seines Hauses erhob und in Westpreußen
selbst das zweideutige Recht benutzte, welches das unruhige und ver-
wirrte Polen durch die Verlegenheiten, die es immerfort bereitete, den
Nachbarn zu seiner Teilung darbot. So führte Friedrich sein Reich
jener Autarkie, jener Zulänglichkeit entgegen, welche die Alten in
dem Begriffe des Staats obenan stellten. Das war ein Preis seiner
Siege.
Aber die genügendere Abrundung des Gebiets und die genügendere
Macht des Landes genügt für sich nicht. Sie hat nur Wert als die
Bedingung zu einem Bessern, das dadurch werden kann, als die Grund-
lage eines Höheren, das sich daraus erhebt; sie ist nur der feste Boden
für den sichern Fuß und den sichern Schritt, auf welchem der ganze
Leib ruht. Auch die Alten verstanden jene Zulänglichkeit in einem
größern und vollern Sinne. Das Volk soll ans sich selbst die Be-
friedigung seiner Bedürfnisse schaffen; es soll unabhängiger und freier
werden, indem es aus eigenen Quellen schöpft und die eigenen Kräfte
des Landes fruchtbar macht, oder, wo es das nicht kann, in dem großen
Austausch der Völker ebenso viel und mehr an eigenen Erzeugnissen
bietet und absetzt, als an fremden nimmt; es wird dadurch menschlicher
werden, indem es sich in vielseitigen menschlichen Thätigkeiten regt und
bewegt und die verschiedensten Richtungen des Lebens gegen einander
austauscht und ausgleicht. Der Begriff der Zulänglichkeit fordert also
erhöhte Kraft der Produktion der hervorbringenden Thätigkeit in jeder
Weise und Gattung. Dem König stand dies Ziel vor Augen. Wir
sehen es z. B., wenn er in jenem Überblick über die Staaten Europas
im Jahre 1740 der Handelsbilanz, einem der äußeren Kennzeichen für
die Zulänglichkeit der Staaten, und den erzeugenden innern Kräften
des Staats seine Aufmerksamkeit zuwendet. Keine Zeit seines Lebens
offenbart es herrlicher, wie ihm auch der Krieg nur Mittel für die
Wohlfahrt des Landes war, als das an staatsmännischen Schöpfungen
reiche Jahrzehnt von dem Dresdner Frieden bis zum Anfang des
siebenjährigen Krieges. Friedrich kannte nicht die innere Unruhe eines
Helden, wie Karls Xii. von Schweden, der die Spannung der Kriegs-
thaten wie um ihrer selbst willen suchte. Friedrich erfüllte das Wort,
das einst Aristoteles mitten unter dem Waffenrnhm und Waffenlärm
der Maeedonier schrieb, aber das damals nicht zu seinem Rechte kam:
„Die nicht mannhaft eine Gefahr bestehen können, seien Sklaven der
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Adolf_Trendelenburg Adolf Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Karls Friedrich
Zum Gedächtnis Friedrichs des Großen.
41
Angreifenden, aber der Krieg sei um des Friedens willen da, die
kriegerische Unruhe nur um der friedlichen Muße willen, und der
Frieden und die Muße für die Bildung."
Friedrich hat die Verbesserungen und Gestaltungen während der
Friedensjahre in dem Anfang seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges
bezeichnet. Der König richtet seinen Blick nach allen Seiten des Staats,
uni zu sehen, wo etwas fehle, und schafft Rat und Mittel zur Abhilfe;
er erspäht die verborgenen Bedingungen für neue fruchtbare Thätigkeiten
und bereitet den Boden für neue Gründungen. Friedrich wußte, daß
der Erwerb einer Provinz nicht der Friedensschluß oder die Urkunde
der Verleihung sei, sondern die Förderung ihres eigentümlichen Lebens,
ihres innern Gedeihens und in diesem Sinn erwarb er und fesselte er
Schlesien und Ostfriesland, wie später Westpreußen, durch heilsame
Einrichtungen und eine gerechtere Verteilung der Abgaben. Wir sehen
ihn in den bezeichneten Jahren überall thätig und wir sehen im Frieden
wie im Kriege seinen erhabenen und scharfen, seinen alles überschauenden
und in alles eindringenden Blick. Hier tilgte er in jener Zeit ein-
gewurzelte Mißbräuche der Verwaltung und verstand es, einen wach-
samen und unbestechlichen, einen pflichttreuen und verschwiegenen Be-
amtenstand zu erzeugen; dort schuf er ein einsichtiges Landrecht und
unparteiische Rechtspflege. Hier baute er oder verstärkte er Festungen,
wie in Schlesien, und sorgte für Zucht und Übung des Heeres oder
gründete ein Haus für die „verwundeten, aber unüberwundenen Krieger;"
dort nahm er fördernd an Wissenschaft und Kunst teil. Hier ermunterte
er die Gewerbe, z. B. die Zuckersiederei in Berlin, die Manufakturen
in Potsdam und Brandenburg, in Frankfurt a. O. und Magdeburg;
dort legte er Eisenwerke an. insbesondere für die Zwecke des Geschützes,
oder verbesserte Salinen. In dieser Zeit versuchte er den Seidenbau
und pflanzte Maulbeerbäume, in späterer Zeit setzte er den Anbau der
Kartoffel durch. Hier öffnete er dem Handel neue Wege, wie in Emden,
oder erleichterte ihn, wie er z. B. den Stettiner Handel von dem
schwedischen Zoll bei Wolgast durch das neue Fahrwasser und den neuen
Hafen von Swinemünde befreite: dort entwässerte er Niederungen und
bebaute sie mit fleißigen Dörfern, wie in dem Oderbruch. Es ist für
seine Weise zu denken bezeichnend, wenn er da, wo er des glücklichen
Anbaues dieser weiten, früher sumpfigen Strecken durch zwölfhundert
Familien erwähnt, die Worte hinzufügt: „das bildete eine neue kleine
Provinz, welche thätiger Fleiß der Unwissenheit und Trägheit ab-
gewonnen hatte."
Aber vor allen Dingen baute der König das Land mit dem Gesetz.
„Die Gesetze sollen reden, aber der Monarch schweigen," sagt er in
seinem politischen Testamente, und im Gegensatz gegen die Justiz unter
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König]]
Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Friedrich
46
Adolf Trendelenburg.
Befreiung aller seiner Lande von den Reichsgerichten bedurfte? sollte
er sich scheuen, ein allgemeines und unbeschränktes privilegium de non
appellando zu erwerben, damit nur die Idee der Rechtseinheit im
Reiche keinen Eintrag litte? Sein Beispiel einer neuen bessern
Rechtspflege wog diesen Nachteil auf und beförderte bald den Wett-
eifer der übrigen Deutschen. So wirkte Friedrich, indem er von den
deutschen Reichsgerichten abfiel, mehr zum deutschen Heil, als wenn
er darin beim alten deutschen Reich geblieben wäre. Ähnlich war es
auf dem politischen Gebiete. Da er dem vorbereiteten Schlag seiner
Feinde zuvorkommen mußte, konnte ihn in seinem kräftigen Gange das
Puppenspiel einer Reichsacht so wenig kümmern, als die „eilende Exe-
kutionsarmee," welche schon in der Kundmachung durch die Ironie eines
Druckfehlers eine elende hieß. Wenn man zugesteht, daß dem neuen
Staate Friedrichs ein berechtigter Gedanke zum Grunde lag, so war
später der Fürstenbund ein notwendiger politischer Schutz dieses Ge-
dankens gegen Josephs Ii. Vergrößerungspläne. Wenn man ihn als
eine undeutsche That Friedrichs bezeichnet wie eine Aufwiegelung der
Fürsten gegen den Kaiser unter dem Vorwand der deutschen Freiheit
und der deutschen Rechte: so vergißt man, daß ihm kein Reichsrecht
entgegenstand und daß er die Fürsten auf ein im Reich verloren ge-
gangenes Gefühl gemeinsamer Kraft, ans diese erste Bedingung für
Deutschlands Wiederbelebung, hinführte. Übrigens begann der Fürsten-
bund nur zu erfüllen, was Pufendorf 120 Jahre früher als politische
Notwendigkeit vorausgesagt hatte.
Endlich trifft den König Friedrich der Vorwurf, daß er die deutsche
Art mit französischer Bildung, mit französischem Wesen getrübt und
versetzt habe. Ohne Zweifel liegen hier die Schranken seines Geistes.
Friedrich fühlt sich geistig nur wohl, wenn er in französischer Luft
atmet. Er sammelt französische Dichter und Gelehrte um sich, einen
Voltaire und La Mettrie, d'argens und Maupertuis; er schreibt, er
dichtet französisch; er stellt noch zu einer Zeit die französische Litteratur
der deutschen als Muster auf, als diese schon ihren Lessing gehabt hatte,
als schon ihr großes Zeitalter wie ein neuer Tag unsers Zeitalters an-
gebrochen war; er ist so dem Deutschen abgeneigt, daß er sich als Kron-
prinz Christian Wolfs Metaphysik, dessen deutsch geschriebene „Ver-
nünftige Gedanken" ins Französische übersetzen ließ, um sie dann zu
lesen, ja zu bewundern, st Es liegen hier die Schranken, welche Ge-
wöhnung und Vorliebe der Wirksamkeit seines großen Geistes zogen.
Es war Friedrichs Sache nicht sich imponieren zu lassen, aber in der
französischen Litteratur ist es ihm begegnet. Der Gang der damaligen
0 Vgl. Friedrichs des Großen Briefwechsel mit Suhm.
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Extrahierte Personennamen: Adolf_Trendelenburg Adolf Friedrich Friedrich Friedrichs Friedrichs Friedrich Friedrich Maupertuis Christian_Wolfs Friedrichs Friedrichs Friedrichs
Zum Gedächtnis Friedrichs des Großen.
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ihnen wissen wollte." „Der erste wahre, höhere, eigentliche Lebensgehalt",
sagt er kurz vorher, „kam durch Friedrich den Großen und die Thaten
des siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie" — und an einer
anderen Stelle: „Blickten wir nach Norden, so leuchtete uns von dort
Friedrich, der Polarstern, her, um den sich Deutschland, Europa, ja die
Welt zu drehen schien."
Wir messen auch hier die Größe Friedrichs an seiner allgemeinen
Wirkung; er wirkte auch da in deutschem Sinne, wo er selbst, wie in
der Litteratur, von der deutschen Richtung am weitesten entfernt war.
Je vielseitiger die That eines Lebens ist, desto mehr werden sich
neben dem innern Zweck auch die Seitenwirkungen vervielfachen. Sie
führen aus der nächsten Absicht, aus dem eigentlichen Werk in das
unabsehliche, unberechenbare Gebiet der Folgen, in die Gegenwirkungen
fremder Kräfte. Auch das Übel kann gute Seitenwirkungen haben,
wie z. B. wenn die rohe Gewaltthat die entgegenstehenden Kräfte erregt
oder als Bedingung zum Bessern neue Lagen des Lebens schafft. Aber
das Übel bleibt dennoch ein Übel, während das Große durch sich selbst
auch in seinen Seitenwirkungen groß erscheinen wird. Dahin rechnen
wir in Friedrich Ii. das mächtige Ansehn seines Beispiels. Wenn in
Österreich und selbst in Frankreich preußische Einrichtungen und Übungen
des Heeres eingeführt wurden, wenn in Josephs Ii. Reformen Friedrichs
Gedanken wie im Abbild erscheinen: so wird in diesen Seitenwirkungen
Friedrichs Größe selbst aus dem Lager und dem Staat der Feinde
zurückgespiegelt.
Bis dahin betrachteten wir Friedrich in seinem Werke, so wie in
der Fülle der Wirkungen, die von ihm ausgingen. Friedrichs Geist
ist mitten darin.
Aber in der Geschichte heißt nicht bloß sein Werk groß, sondern
er selbst heißt der Große. Darum mögen wir noch einen Blick auf
seine Persönlichkeit werfen.
Es ist gewöhnlich, ja fast unvermeidlich, daß die Vielseitigkeit der
Bestrebungen und Betrachtungen mit der Spannung und Sammlung,
die Allgemeinheit der Richtungen mit der Bestinuntheit im einzelnen,
die Vertiefung in theoretische Studien und poetisches Spiel mit der
nach außen gekehrten Kraft eines schlagfertigen, ausharrenden Willens
im Gegensatz oder im umgekehrten Verhältnis stehen. Es ist gewöhn-
lich, daß diese entgegengesetzten Bewegungen einander hindern und
schwächen. Nur in dem seltenen und großen Manne werden sie, statt
einander zu beeinträchtigen, einander beleben und ergänzen. In der Ver-
einigung und in dem Ebenmaß der Gegensätze wird seine Größe liegen.
In dem Helden und Staatengründer sucht niemand den Dichter
oder Geschichtsschreiber, den wissenschaftlichen Taktiker oder Philosophen.
M. Henschke, Deutsche Prosa. 4
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T157: [Friedrich Wilhelm Iii Kaiser König Karl groß Preußen Kurfürst Jahr], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone]]
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Europa Friedrichs Frankreich Josephs