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1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 10

1901 - Glogau : Flemming
— 10 — Britannien, über die Wogen), Räch England laufen alle Radien des Seeverkehrs zusammen, und das leuchtet nicht nur den Europäern ein, sondern auch den Amerikanern. Hat man doch triumphierend auf die verblüffende Thatsache hingewiesen, daß der schnellste Weg, um von New-^)ork aus Post, Passagiere und Güter nach Brasilien zu bringen, über den britischen Hafen — Liverpool führt. Und andererseits hat England von dem Mutterlande aus ein Kolonial- reich erworben, das den sünsten Teil der nicht vom Wasser bedeckten Landmasse unserer Erdoberfläche einnimmt. Wenn man weiter be- denkt, daß der vierte Mensch auf Erden ein englischer Unterthan ist, wird man das stolze Wort des Staatsmannes Fox begreisen können: England ist nur unser Absteigequartier, aber die Welt, die Welt — das ist das eigentliche England! 1 Wir treten in die dritte Periode der englischen Geschichte, in die Zeit des kolossalen industriellen Ausschwungs, die England „zur größten Werkstätte der Welt" gemacht hat. Die vorhandenen physi- kalischen Anlagen des Landes haben, wie Ritter sagt, diese staunens- werte Metamorphose herbeigeführt. Die unerschöpflichen Mineral- schätze des Bodens fanden dann erst ihre wahre Verwertung, als die schwarzen Diamanten, an denen England gleichermaßen reich ist, in ihrer Verwendbarkeit für den Maschinenbetrieb richtig erkannt waren. So hat sich Englands neueste Zeit eigentlich aufgebaut auf den drei Faktoren Eisen, Steinkohle und Dampfmaschine. Die Jndustrie- bezirke Englands drängen sich sozusagen um die Irische See herum und haben, abgesehen von den großen Kohlenlagern von Rewcastle und Südwales hauptsächlich ihre Stätte in dem westlichen Mittel- england und den Lowlands von Schottland, wozu noch in Irland, allerdings ohne die gleichzeitige Ausbeutung der unterirdischen Kohlen- schätze, die berühmte Leinenindustrie der Provinz Ulster kommt. Die Kohlenflöze haben in England einen fast unerschöpflichen Reich- tum. Es arbeitet in den Bergwerken eine halbe Million Arbeiter; bis unter das Meer werden in den Küstenstrichen die Atollen ge- trieben, so daß man zu Häupten die Brandung der See rauschen boren kann, und man rechnet aus den Kops der Bevölkerung einen Verbrauch von 4000 kg Kohlen. Da das Klima äußerst milde ist, — die englische Sprache kennt kein Wort für Schlitten — alfo zum Heizen nicht viel Kohlen im Lande verwendet werden, so kann man sich denken, einen wie enormen Verbrauch die industriellen Zwecke für sich in Anspruch nehmen. Und hier hat sich der kaufmännische Geift des Volkes und seine praktische Anstelligkeit in glänzendster Enthaltung gezeigt. Ter oben erwähnte Ritter sagt staunend, daj; * Daher hat auch der Seeheld Nelson die meisten Denkmäler in England.

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 12

1901 - Glogau : Flemming
— 12 — man hat den kolossalen Palast, nachdem er seiner ursprünglichen Be- stimmung gedient hatte, in weit vergrößertem Maßstabe wieder in Sydenham aufgebaut, um die Kühnheit des imposanten Baues zu ver- ewigen. Dort bleibt er nun dem staunenden Blick der Bewunderer- modernster Architektur erhalten und ausbewahrt. Die hohen Türme der Notredamekirche in Paris könnten sich recht gut unter dem Mittel- teil des Palastes bergen, und als das Handeltest in London gefeiert wurde, haben in dem Gebäude 30000 Zuhörer Platz gesunden. England hat in dem eben abgelaufenen Biktorianischen Zeitalter des 19. Jahrhunderts den Höhepunkt seiner glänzenden Entwickelung gehabt, und es ist eingetroffen, was Thomson in der ersten Hülste des 18. Jahrhunderts in dem Liede sang, das seitdem das berühmte englische Nationallied Rule Britannia geworden ist: thy cities shall with commerce shine All thine shall be the subject inain And eyery shore it circles, thine.1 Das Charakteristische ist, daß die Engländer zum größten Teil ein städtisches Leben sichren. Großbritannien, das eine kolossale Volksdichte besitzt, hat von seinen ca. 40 Millionen Einwohnern ein Drittel in den 24 Großstädten wohnen, und ebenfalls nur ein Drittel in den Landorten. Jeder siebente Engländer endlich ist Londoner, und damit kommen wir auf dieses Unikum im Weltenrund zu sprechen, von dem der Franzose sehr richtig gesagt hat: Londres n'est plus une yille, c'est une province couverte de maisons. lind diese ganz singuläre Bedeutung verdankt London seiner einzigartigen Lage; es ist die ,,Schifssstadt" (von dem eeltischen lhong Schiff), und schon Tacitus muß es nennen eopia ns^otiatoi-uni et comineatiium celebre, berühmt durch die Menge der Kausleute und den Handelsverkehr. Die ganze Fläche der Stadt umsaßt über 5 ^M., also etwa so viel wie das ganze Fürstentum Reuß ä. L., und daraus stehen die Häuser — so viel wie in der ganzen Lombardei —, von der mansion des Adligen bis zur cottage des Arbeiters. So ist es in Wahrheit das caput et compendium totius regni, wie es die alten Geographen nannten, und zwar spiegelt es in seinen einzelnen Stadtteilen die Zustände und Lebensäußerungen des gesamten Königreichs wieder. In Westminster und Westend ist es der Sitz des Hoses und des Parlaments, in der City vereinigt es den Großhandel, in South- wark ist es Fabrikstadt und in Eastend der erste Seehasen des Landes, der mehr Kaussahrteischisfe besitzt als ganz Frankreich. Natürlich sehten auch nicht die Schattenseiten einer so riesigen Menschen- * „Der Städte Pracht vor Handel glänzt, Ja dir nur lauscht das Meer — dir nur, Und jeder Strand, der es umkränzt!" in der Nagelschen Ubersetzung.

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 13

1901 - Glogau : Flemming
— 13 — anhäufung. Man hat behauptet, daß es vielleicht niemanden gäbe, der alle Straßen und Viertel von London gesehen hatte, und der Kohlendampf, für den in der schweren, nebligen Luft gar kein rechter Abzug vorhanden ist, hat namentlich im Herzen der Stadt alles wie mit schwarzem Lack überzogen, so daß Kuppel und Schiff der präch- tigen Paulskirche trotz aller Reinigung und Wäsche einen recht ver- räucherten Eindruck machen. Und dazu überkommt den Fremden das Gefühl der trostlosen Vereinsamung. „Die Ausdehnung, die Un- erschöpflichkeit Londons, die Unmöglichkeit, das Ende zu erreichen, und wenn man auch meilenlang sortgeht, bringt es mit sich, daß der Fremde sich in dieser Stadt so unheimlich einsam suhlt." Die Orientierung ist ja natürlich auch nicht leicht; giebt es doch 37 Königs- straßen, 10 Wellingtonplätze und 30000 Londoner, die den Namen Smith führen. Nirgends findet sich daher auch ein solches Massen- elend wie gerade in London, und schon vor 50 Jahren zählte man über 30000 Menschen, die keine bestimmte Beschäftigung oder nach- weisbare Existenzmittel hatten. Während also in der Regentsstreet die prachtvollen Läden alle Reichtümer der Erde aushäusen, während über die Londonbridge täglich eine Menschenmasse flutet, die man aus 120000 berechnet, neben 20000 Fuhrwerken, sterben zahlreiche Menschen den Hungertod, und namentlich um die Weihnachtszeit werden überall in Lmnpen oder Zeitungspapier gewickelte Pakete aufgelesen, die ausgesetzte Kinder enthalten; durchschnittlich im Jahre 3000. Diese letzte Betrachtung leitet dazu über, daß sich auch in dem Gesamtbilde, das wir hier zum Schlüsse von dein heutigen glänzenden Kulturzustande Englands entwersen müssen, neben den unleugbaren Lichtseiten tiese Schattenseiten finden werden. Was zunächst den Zustand der Landwirtschaft betrifft, so ist ja der Eindruck der landschaftlichen Bilder in den ebenen Partieen ein überaus wohlthuender und anmutiger, und das Nationallied rühmt in einem seiner Verse, to thee (o Britannien) belongs the rural reign. Die östliche Ebene Englands ist „ein reiches Getreide- und Wiesenland, unübertroffen an Fruchtbarkeit des Bodens und an Sorgfalt und Mannigfaltigkeit des Anbaus". Die Abgrenzungen der Felder aus lebendigen Hecken (fences) geben der landschaftlichen ^cenerie etwas ungemein Freundliches, und die überall befindlichen Baumgruppen, die den Wald anderer Länder ersetzen müssen, ver- schaffen Englands Bodenverhältnissen den Charakter des Parkartigen. Hierzu kommt die mit Recht bewunderte Viehzucht. Berühmt sind die Wagenpferde aus Aorkshire, die Schinken aus Westmoreland, die irischen Rinder und die schottischen Schafe. Aber es fehlt auch nicht an manchen Zügen, um uns dies Bild nicht allzu rosig erscheinen zu lassen. Das Zauberhafte des ganzen Eindrucks wird doch recht beeinträchtigt durch die Eigenart des Klimas. Der Golfstrom, der

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 17

1901 - Glogau : Flemming
— 17 — werk den Schornstein einer chemischen Fabrik mit 160 m, und im Schiffsbau und in den Armstrongkanonen galt Britannien lange Zeit als führende Meisterin der vervollkommneten Technik. ^ Aber mehr und mehr sängt dieser Ruhm an zu erblassen. Noch in den Zeiten, die der Aushebung der napoleonischen Kontinentalsperre folgten, überschwemmten die englischen Fabrikwaren bis zur Unerträglichst den deutschen Markt, und in Birmingham, dem „^.andladen der Welt", war alle mögliche Fabrikation vertreten, vom Luxusgegenstand bis zum Regenschirm und zur Stecknadel. Doch heute haben die ausländischen Jndustrieen sich gewaltig emancipiert. Von der ameri- kanischen zu geschweigen, ist vor allem die deutsche Fabrikation der englischen dicht aus den Fersen, und das made in Germany ist zum ehrenvollen Zeugnis geworden sür deutschen Gewerbsleiß und deutsche Energie in Bezug aus Handel und Vertrieb. Wir müssen aber noch eine andere Schattenseite des englischen Jndustrielebeus berühren. Man hat dem englischen Volkstum vor- geworfen, in der Zeit seiner neuesten ruhmwürdigen Entwickelung zu sehr den Krämergeist und engherzigen Egoismus spüren zu lassen; Egoismus an und sür sich könnte ja nicht so ohne weiteres dem Volke zum Vorwurf gemacht werden, gehört vielmehr zu den berech- tigten nationalen Eigentümlichkeiten. Jeder Engländer ist, wie man das glücklich gesagt hat, „eine Insel sür sich". Seine Vorliebe für sein eigenes Besitztum ist bekannt; das my liouse is my Castle kennzeichnet dieses stolze Glück und diese Freude an seinem Eigen- tum, die Behaglichkeit, sich auszuruhen an seiner fire side. Und alles in der Häuslichkeit soll gediegen sein, namentlich nach dem Grundsatz: Der Mensch ist, was er ißt, die Leibesnahrung, in der die krästigen Beefsteaks und mutton chops (Hammelrippchen) eine Hauptrolle spielen. Diese Lebensweise und Ernährung hatte schon dem alten Justus Moser imponiert, und er vergleicht, als er von der kolossalen Sprunggelenkigkeit der Eimbern berichtet, mit dieser Virtuosität der Vorfahren das fleifchgenährte und sportssrohe Eng- ländertum in seiner Zeit, wobei er mit etwas geringschätzigem Seiten- blick aus die Ernährung seiner Landsleute hinzufügt: Rübenfresser schickten sich dazu nicht lnämlich zu so staunenswerten Sprung- leistungen). Wenn also der Engländer weltbekannt ist in der Pslege und Ausgestaltung einer behaglichen Häuslichkeit, so hat sich in diese Richtung aus das persönliche Wohlbesinden allmählich ein kalter Geschäftsgeist eingeschlichen, der sich allzuwenig um das Wohl seiner Mitmenschen kümmert. Allerdings sind ja noch immer das gewaltige Greenwichspital sür die alten Seeleute und die Westminsterabtei mit 1 „Das ganze Land erscheint wie ein großer, dicht mit Geleisen belegter Bahnhof". Hanncke, Erdkundl. Aufsätze. Ii. 2

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 36

1901 - Glogau : Flemming
— 36 — stand der Zerstörungswut der barbarischen Landeskinder, und die Bendomesäule, die man wirklich umgestürzt hatte, gelang es später wieder aufzurichten und in ihren ehernen Tafeln zusammenzufügen. Ähnlich wie in Napoleon Vendee konnte man übrigens auch hier recht den Wankelmut der Menge und die wechselnden historischen Geschicke Frankreichs studieren. Ursprünglich schmückte das der Trajanssäule nachgeahmte Monument mit seinen an die Thaten von 1805 erinnernden Bronzeplatten die Statue Napoleons I., dann wurde diese in den realistischen Zeiten durch eine riesige Lilie er- setzt, und gegenwärtig sieht wieder ein Napoleonsbild* herab auf das Straßengetümmel. Der zweite Zertrümmerer des alten Paris, aber diesmal in wohlmeinender Abficht und in der Aufgabe eines Wohl- thäters der Stadt, war der Kaiser Napoleon Iii. Die alte Stadt war nicht schön, und es galt, mit eiserner Faust und eisernem Besen in dem Gewirr der Straßen und Gäßchen Wandel zu schaffen und eine Stadt der Paläste hinzuzaubern. Diese Absicht ist setzt erreicht; Paris ist eine der schönsten Städte geworden. Und der größte Schmuck der Stadt sind die Boulevards, die sich entlang der alten Umfaffungs- mauer hinziehen, schöne breite Straßen mit Alleen in der Mitte und eingefaßt von Palästen. Sie umsäumen von der Kirche Maddeine her im Norden die Stadt, 11 Straßen hintereinander, wie in einer Kette sich aneinander schließend. Und wiederum in dem Glanz und der Pracht dieser Straßen schießt den Vogel ab an luxuriösester Aus- stattung und an Großartigkeit des Verkehrs der boulevard des Ita- liens, „das eigentliche Rendezvous der Pariser feinen Welt". — In Paris ist es ein eigen Ding; mitten aus der zauberhaftesten Um- gebung, aus Ortlichkeiten, die geschmückt sind mit allen Reizen der Natur und erfüllt mit dem lebendigsten, frisch pulsierenden Leben, steigen wie Gespenster die schreckhaften historischen Erinnerungen auf und rufen uns Scenen ins Gedächtnis, die zu den abscheulichsten in der Geschichte gehören. Am ästende der Stadt, wo setzt die Juli- säule ragt, lag früher der düstere Vau der Bastille, und man wird hier an den 14. Juli 1789 erinnert, wo die Volksmassen diese Zwingburg des Despotismus erstürmten; von der Kirche S. Germain Auxerrois ertönte das Signal in der Bartholomäusnacht 1572; das scheußlichste Mordfest begann, und man berechnete schließlich, daß 2000 Hugenotten in Paris und etwa 20000 weiter in ganz Frank- reich von den fanatifierten Katholiken ermordet feien. Am äugen- fälligsten tritt der Kontrast einer reizvollen Gegenwart und einer schaurig-düstern Vergangenheit uns entgegen in der Place de la Concorde. Man nennt ihn den schönsten Platz der Welt. Mitten zwischen dem Tuileriengarten, den champs Elysees, von wo es hinausgeht in das berühmte bois de Boulogne, der Seine und den beginnenden boulevards gelegen, geschmückt mit dem Obelisken von

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 38

1901 - Glogau : Flemming
— 38 — veranschlagen sind wie Festungen, so hat sich bei dem Kriege von 1870 diese Thatsache für den Aufmarsch der französischen Truppen an der Landesgrenze als ein entschiedenes Behinderungsmittel heraus- gestellt. Die deutschen Truppen konnten in dem maschenartigen Netz Deutschlands rasch befördert werden; bei den Franzosen gab es immer den Umweg über die Hauptstadt, und die parallelen Ausstrahlungen nach der Grenze hin fehlten. ,Jm Bewußtsein des französischen Volkes hat sich erst allmählich die Uberzeugung Bahn gebrochen, daß Paris Herz und Mittelpunkt des Landes sei. Beranger in seinen chansons bringt nur seine glühende Vaterlandsliebe zum Ausdruck; Frankreich ist für ihn France adoree, douce contree, ober er nennt es reine du monde, o France, o nia patrie. U«d in seiner schönen nostalgie, wo die Freunde ihn in Paris die ländliche Heimat vergessen machen wollen, ruft er zum Schlüsse aus: adieu Paris, doux et brillant rivage, oü l'etranger reste comme encliaine! Ah je revois, je revois mon village, Et la montagne, oü je suis ne. Erst seit Viktor Hugo hat die wahnsinnige Vergötterung dieser einen „capitata dn monde civilise" begonnen, und einen Vorschmack von der dithyrambischen Begeisterung, mit der die neue Lehre verkündet wird, mögen die verstiegenen Phrasen des Dichters geben, worin er Paris „den Mittelpunkt" nennt, „in dem sich das Nervenleben der Welt kon- zentriert; wenn es schaudert, schaudern wir alle— und die pracht- volle Feuersbrunst des Fortschritts wird von ihm angefacht!" Was den Charakter der heutigen Franzosen betrifft, so hat man manche Züge, die von den alten Galliern berichtet werden, an den Enkeln und Abkömmlingen wiedererkennen wollen. Man hat das Urteil über die Celtenschlachten prima proelia plus quam virorum postrema minus quam feminarum esse zum Teil auch aus heutige Eindrücke übertragen, da in dem oft erwähnten elan das Stürmische des ersten Angriffs noch innner zum Ausdruck kommt. Mit voller Be- rechtigung hat man sodann das in der antiken Zeit beobachtete argute loqui der Gallier auch deu heutigen Franzosen als unverbrüchliches Erbstück zuerkannt. Die bonmots und geistvollen Antithesen sind ein unleugbarer Schmuck der französischen Sprachweise und ihrer klassi- schen Dramen. Endlich hat man daraus hingewiesen, daß im Gegen- satz zu dem rastlos rührigen Engländer der Franzose Freund einer behaglicheren Lebensweise ist und sehr charakteristisch den einen Wunsch an sich spüren läßt, als Rentier leben und sein Leben beschließen zu können. Damit hängt wohl auch die auffallende Langsamkeit in der Volksvermehrung zusammen, so daß Frankreich, das doch säst den- selben Flächenraum besitzt wie das Deutsche Reich, nur etwa vier

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 40

1901 - Glogau : Flemming
Die Mittelmeerländrr. 3jla§ Bcittelmeer war für die Alten die Thalatta, der Inbegriff des Meeres und aller maritimen Interessen. Der Okeanos verschwamm für sie im Dämmerlichte, und so blieb es wesentlich bis 1492, wo das dritte Zeitalter der Menschheit, nämlich nach dem potamischen und thalassischen das oceanische begann. So erscheint diese große Wasserellipse (2 Millionen □km) mit ihren beiden Brennpunkten Athen und Rom seit der Zeit des Altertums hoch- bedeutsam. Heutzutage hat sich dieser Ruhm etwas verflüchtigt; wir können das Mittelmeer eigentlich nur als Durchgangsmeer betrachten, seitdem der Kanal von Suez den Zugang zu dem Indischen und Stillen Ocean mit ihren weitaus wichtigeren Handels- und Lebens- interessen eröffnet hat. Das Mittelmeer zerfällt in eine Menge einzelner Becken und Buchten mit sehr verschiedener Tiefe. Das Adriameer ist wie unsere Ostsee stach, das Asowsche Meer (palus Maeotis der Alten) sogar so seicht, daß tiefer gehende Seeschiffe es gar nicht befahren können, und daß es in jedem Winter zufriert, und auch sonst finden sich an den Meerengen unterseeische Land- rücken, so daß z. B. über der von den Engländern Adventures ge- nannten Bank zwischen Sicilien und Afrika <ca. 120 km breit) das Meer nur etwa 60 m Tiefe hat und sich deshalb auch durch allerlei Tücken auszeichnet. „Die Araber tauften das Kap Bon das ver- räterische Kap, und die Griechen wagten es lange Zeit nicht, aus dem östlichen in das westliche Becken des Mittelmeeres überzugehen." Sonst hat das Mittelmeer aber auch sehr bedeutende Tiefen, so die fast oceanischen Abgründe im Süden von Kreta <4000 m) und die ^eile des Meeres südwestlich von Genua. Weil die Alten daran gewöhnt waren, das Mittelmeer als ein abgeschlossen für sich bestehendes Ganze zu betrachten, so entstand auch die Sage, daß der Timavus (jetzt Timavo) in dem kalkigen Plateau in der Nähe von Trieft die n7]yr] fraxätt)]g sei, der Quell des Meerwassers. Das Mittelländische Meer ist allerdings darin eigentümlich, daß bei seiner Lage in warmein, fast heißem Klima die Verdampfung größer ist als der Zufluß von süßein Wasser. Daraus erklärt sich

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 46

1901 - Glogau : Flemming
Fahrt durch den Apennin ist ermüdend; kahle Kalkselsenrücken um- geben uns, und viele Tunnel müssen wir passieren. Aber das Herz des Reisenden läßt keinen Unmut aufkommen, winkt ihm doch als nächstes Reiseziel — Florenz. Herz, ahnst du schon das himmlische Firenze, Wie es sich hebt am gelben Arnostrome mit seinen Tünnen, seinem Marmordome? Die „Stadt der Renaissance" mit ihrer zweihundertjährigen Blüte- zeit leuchtet ewig in dem Gedächtnis der Menschen, und wir haben alle Veranlassung, uns eingehender mit Firenze zu beschäftigen. Wohl der interessanteste Punkt in Florenz ist der Ponte Vecchio, eine Brücke, die, über den Arno gespannt, mit den Läden der Goldschmiede bedeckt ist. Sie verbindet zwei berühinte Paläste, die Ussizien und den Palast Pitti. Beides sind jetzt weltberühmte Gebäude mit den herrlichsten Sammlungen, der Pittipalast dient zugleich als Wohnplatz der könig- lichen Familie, wenn sie zum Besuche erscheint. Hier lernen wir recht würdigen, was wir oben über die besondere Erschließung des italischen Volkes zum „Kunstsinn" vorausschickten. Das „talentvollste Volk der Erde" erlebte in Florenz seine eigentliche Blütezeit — die Renaissance. Der ganze Renaissancestil ist hervorgegangen aus dem wieder erwachten Studium der Antike und begann im 15. Jahrhundert zu erwachen. Hauptsächlich findet er seinen Ausdruck in der Architektur, und zunächst weniger bei Kirchenbauten als bei Schlössern und Palästen. Das mittelalterliche Wohnhaus zeigte den burgähnlichen Charakter, und dem tragen auch die ersten Palastbauten der Renaissance noch Rechnung in der sogenannten Rustika des untersten Stockwerkes. Dann aber wird über ihr die Fassade belebt und gegliedert durch Gäulen- stellungen, rundbogige Fenster und ein ausladendes Gesims. Der Palast Strozzi ist der sprechendste Beweis der neuen geistvollen Stil- art, auch der Palast Pitti gehört zur Frührenaissance. Die An- Wendung dieser eigenartigen Auffassung in der Architektur für die Kirchenbauten fügte noch den Kuppelbau hinzu; das bewnndertste Monument bleibt in dieser Beziehung die Peterskirche in Rom, deren gewaltige Kuppel (150 111 hoch) sich über den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus wölbt. Neben der Architektur zeigte sich der er- wachende Kunstsinn in den herrlichsten Skulpturarbeiten, und gerade darin haben die Florentiner eine unverwüstliche Begabung gezeigt. Der Heros dieser Zeit ist der unsterbliche Michel Angelo mit seiner wunderbaren Kenntnis des anatomischen Körperbaues, der, wie das vielfach bei den Koryphäen der Renaissancezeit zu Tage tritt, die viel- seitigsten künstlerischen Talente in sich vereinigte und zugleich Maler, Bildhauer, Architekt und Dichter war. In den Nischen der Usfizien

9. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 121

1901 - Glogau : Flemming
— 121 — er dem alten Faust, der seine Leute ähnlich wie die Holländer in den Seeprovinzen mit Deicharbeiten und Polderschöpsungen emsig und segensreich schaffen läßt, die Worte in den Mund legt, er fühle sich zufrieden und beseligt: Im Vorgefühl von solchem Glück Genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick! Die Holländer sind zu rechten Wasserbaukünstlern geworden. Schon die mächtigen Seekanäle, die z. B. Amsterdam westwärts und nordwärts mit dem offenen Meere verbinden, und die bewunderten Schleusenbauten bei Katwyk, durch die der Rhein „aus seiner Ver- sandung in die See hinausbugsiert wird", beweisen dies; staunens- werter ist die Austrocknung des Haarlemer Meeres zu einem mächtigen Polder und kulturfähigen Lande, und neuerdings will man sogar den Zuydersee abdämmen, so daß etwa V3 der Wasserfläche für Ackerbau und Wiesenwuchs gewonnen wird. Denn Wiesen und Weiden sind dem Holländer immer erwünscht; beruht doch aus ihnen seine be- rühmte Viehzucht, deren Haupterträgnis die prächtigen Käse sind. Aber in erster Linie sind die Holländer doch eine seefahrende Nation, und in den Tooneels hört er am liebsten die Späße des Matrosen Jom und bewundert die Thaten des Seehelden Ruyter. Daher sind auch am mächtigsten die beiden See- und Handelsstädte Amsterdam und Rotterdam 1 emporgeblüht. Der Stadtbau von Amsterdam ist eigentlich schon an und für sich eine Kulturthat ersten Ranges. Man hat in den Sumps- und Moorboden mächtige Bäume hineingetrieben, um dann aus diesem Pfahlwerk erst die Steinbauten zu errichten. So steht das Rathaus aus einem Roste von 14000 mastbaumgroßen Pfählen, und Erasmus scherzte, er kenne Leute, die wie Krähen aus den Gipfeln der Bäume wohnen. Das Ungünstigste in diesen dam- städten ist die Beschaffung des Trinkwassers, und nach Rotterdam müssen eigene Schiffe das genießbare Wasser herbeischaffen. Niederländisches Wesen und holländische Eigenart haben von je auf uns Ostdeutsche einen bedeutungsvollen Einsluß gehabt. Schon Albrecht der Bär berief Ansiedler aus Flandern und Holland und nützte ihre fleißige Arbeit und ihre landwirtfchaftlichen Kenntnisse zum Besten seiner Mark; die Namen kleiner Städte, wie Niemegk und Brück, sollen an Nymwegen und Brügge erinnern. Dann kamen die Zeiten des Rittertums, und wieder will man in Deutschland die flandrische Einwirkung spüren. Denn über Flandern sollen zu uns die neuen bitten der französischen Ritter gekommen sein, was man aus den niederdeutschen Formen Wappen (und nicht Waffen), Tölpel (und nicht Dörfer) beweisen will. In den Zeiten der Blüte der 1 Über Rotterdams Handelsbedeutung s, Teil I, S. 59.

10. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 126

1901 - Glogau : Flemming
— 126 — Zeit haben auch die poetischen Künste in Schweden ihre Pflege ge- fünften, und Esaias Tegner hat mit seiner Frithjossage ein in alle Sprachen übersetztes Meisterwerk geliefert. — Die heutigen Schweden, die man wegen der „von der Residenz und dem Adel beliebten sran- zösischen Tünche auch die Franzosen des Nordens" nennen möchte, deren Bezeichnung als „maritime Germanen" uns aber doch besser gefallen will, haben in ihrer äußeren Erscheinung etwas entschieden Germanisches: blaue Augen, blonde Haare und die Rosenwangen der Jugend. In ihrem Charakter prägt sich Ernst und Schweigsamkeit aus; auch soll der Reichtum an schönen Liedern, die wir aus den Konzertsälen kennen, weniger ein Erzeugnis der allgemeinen Volks- eigentümlichkeit sein als der Ausfluß der musikalischen Begabung der Gebildeteren. Die Natur des Landes verurteilt die Schweden zu ab- geschlossenerem Leben, und in der einsamen „stuga" ^Bauernhaus» werden mit wunderbarer Zähigkeit die Gestalten der nordischen Mythologie, der Trollen 1 und Elsen, des Strömkarls, Ägirs und des Neck festgehalten und ihre Thaten in wunderbaren Erzählungen von Geschlecht zu Geschlecht berichtet. Das Land ist lutherisch, das Ein- kommen der Pfarrer aus dem Lande mager genug, und die Schilderung eines solchen schwedischen Pfarrers, der gezwungen ist, Ackerbau und Fischfang zu seinem eigenen Erwerb zu treiben, ist in dem Roman: Tie Leute von Hemsoe ergötzlich zu lesen. In der Bodenbeschaffenheit des Landes kann man drei Gürtel oder Zonen unterscheiden. Die ungünstigsten Verhältnisse finden sich in der nördlichen, dem Norrlande, in das weit hinein von Norden her die Lappen übergesiedelt sind. Diese nördlichen Teile Schwedens sind weit rauher als die unter gleichen Breiten liegenden Küsten- streifen Norwegens. Der nördlichste Leuchtturm Schwedens steht in Haparanda, das unweit des nördlichen Polarkreises liegt, wo man am längsten Tage die Mitternachtssonne sehen kann. Übrigens giebt es auch weit nach Süden hinein in Schweden den Juni und Juli hindurch keine eigentliche Nacht. Haparanda baut Schiffe, die bis nach Brasilien segeln. Von hier dehnt sich bis Umea 140 Stuuden lang ein Wald aus. Der am weitesten nach Norden hinaufgehende Baum ist die Birke; doch bestehen die Wälder Norrlands größtenteils aus Nadelholz. „Gleichwie in dem Waldlande Rußlands erscheint auch ganz Norrland", sagt L. von Buch, „von einem hohen Punkte übersehen, als ein ungeheurer, grenzenloser Wald, den nichts unter- bricht als hin und wieder der leere Raum, den kleine Seen ein- nehmen, und kleine blaue Berge am Rande. Nur die Gegend der Flüsse ist bewohnt und belebt, das übrige traurig und tot. Auch an den rauschenden Flüssen, die nicht umsonst den Lachs heraussteigen 1 Trollhätta bedeutet Zauberhut.
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