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1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 103

1901 - Glogau : Flemming
— 103 — So hatte sich die deutsche Hansa ihr „Kontor" gesichert, und Now- gorod — da wo die Wolchow den Jlmensee verläßt — war die Hauptstätte des Tauschhandels. Man bezahlte im e>. Petershof die eingehandelten Waren nicht bar, sondern tauschte sie gegen die West- europäischen Erzeugnisse ein, worunter die flandrischen Tuche die vor- nehmsten waren. Nowgorod wuchs mächtig an Einwohnerzahl, es hatte zuletzt 400000 Bewohner, wurde überaus reich, und das russische Sprichwort besagte: Wer kann gegen Gott und gegen Nowgorod. Auch die umliegenden Städte blühten auf. Riga, dessen Name „Getreidespeicher" bedeutet, erhielt damals sein „hanseatisch-reichs- städtisches" Gepräge. Es wurde der gotische Dom mit herrlichem Gewölbe gebaut, und die Petrikirche erhielt ihren fast 140 m hohen Turm, den höchsten Turm in Rußland. Diese Machtstellung der Republik und der Reichtum Nowgorods reizte den Großfürsten Iwan den Großen (als Zar Iwan I. Wasiljewitsch), der sich eben von der mongolischen Oberhoheit befreit hatte und danach strebte, nach dem Fall des griechischen Kaisertums Rußland emporzubringen — er nahm ja deshalb auch den zweiköpfigen Adler in das russische Wappen auf —, und so eroberte er Nowgorod und machte der Selbständigkeit der Republik ein Ende. Wenn die frühere Bedeutung von Nowgorod Weliki (— Groß- neustadt) unwiederbringlich dahin ist, so hat sich der Handelsverkehr des modernen Rußlands jetzt in Nishnij Nowgorod (= Niederneustadt) konzentriert, und dieser Ort ist zur berühmtesten Messestadt in dem Zarenreiche geworden. * Die Stadt liegt äußerst günstig, gerade in der Mitte des ungeheuren Reiches, und zwar an der Wolga, da wo der mächtige Nebenfluß, die Oka, in die Wolga mündet. Auf dem rechten bergigen Ufer der Wolga liegt die Oberstadt, wohl 200 m über dem Wasserspiegel. Am Wasser des Flusses sind die Anlege- plätze der Dampfer, und dann geht es auf mächtiger Holzbrücke über die Oka, die fast 1 km breit ist, zum Messeplatze zwischen Oka und Wolga. Hier entwickelt sich 40 Tage lang vom 27. Juli ab der gewaltige europäisch-asiatische Großhandel, zu dem die Waren auf 7 großen Handelsstraßen herbeigeschafft werden; von Petersburg über Moskau, von Astrachan auf der Wolga, von dem chinesischen Kiachta über Tjumen, von Bochara über Orenburg, vom Schwarzen Meere über Taganrog, von den Kaukasusländern wiederum aus der Wolga und von Archangelsk her auf der Dwina und Kama. „Der Kauf- mann aus Paris und London macht hier mit dem Perser und Chinesen, der Schwede aus Finnland mit dem Jakuten aus Sibirien Handels- geschäste. Das Getreibe auf der Messe kann etwa nur mit dem Völkergewühl in Mekka verglichen werden." Man rechnet, daß in 1 Frühere Geographen sagen i es ist die äußerste Stadt Europa gegen Aufgang.

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 106

1901 - Glogau : Flemming
— 106 — anfangs sogar die Schubkarren und die Spaten zur Arbeit gefehlt haben; dafür legte der Zar selbst Hand an, und die Stadt, an der man 1703 zu bauen angefangen hatte, konnte schon im zweiten Jahre des Baues bezogen werden. Allerdings waren von den Arbeitern 100000 umgekommen infolge der Strapazen, der schlechten Ernährung und der bösen Sumpfluft. Heutzutage ist Petersburg eine Stadt der Paläste, der einst so reißende Newastrom ist eingedämmt und fließt 8 km entlang zwischen Granitquais; aber die Stadt liegt flach und niedrig, und ein Steigen des Meeres nur um 5 m würde hinreichen, um alle Straßen unter Wasser zu setzen. Die Bauart der Stadt ist weitläufig und ausgedehnt; man entbehrt in Petersburg das dicht- gedrängte Volksgewühl, wie man es in anderen volkreichen Residenzen findet. Die charakteristische Gruppierung der Stadtteile und Straßen fehlt, und das Auge hat keinen Anhaltepunkt in dem Meer von Palästen. Auf der nahen Insel Retusari ließ Peter der Große die Festung Kronstadt anlegen, ebenso wie er am Ladogasee oberhalb Petersburgs Schlüsselburg erbaute. Nach der Festung Kronstadt sührt durch den innersten Teil des finnischen Meerbusens der Morskoifanal, der den Schiffen den Zugang bis nach Petersburg ermöglicht. Denn dieser innerste Winkel des Meerbusens ist nur seicht; auch sollen die Schiffe in dem Wasser, das nicht salzig genug ist, leichter faulen und kaum 20 Jahre in ihren Holzteilen unversehrt bleiben. Ein großer Übel- stand ist es immer, daß die Newa 6 Monate zufriert und daß dann der Verkehr binnenwärts nur durch Schlitten unterhalten werden kann. Im Frühling strömen dann ungeheure Massen Binnen- länder nach der Riesenstadt, so daß man ihre Zahl aus über 150000 schätzt. Dadurch wird das Bild des Völkerlebens in der Stadt außer- ordentlich mannigfaltig, und in dem großen Newsky Prospekt, der sich wohl 4 km durch die Stadt zieht, kann man alle Nationalitäten Eu- ropas vertreten sehen. Das charakteristischte Element ist aber doch das Militär und die Uniform. Jeder neunte Mensch in Petersburg, rechnet man, ist Soldat, und zwar erscheinen hier alle Regimenter, von den Tscherkessen bis zu den Finnen in ihrem nationalen Auf- putz. Da nun aber in Rußland außer den Soldaten alle Beamten- klassen und selbst die Gymnasiasten und Studenten uniformiert^sind, so kann man sich denken, wie das überall von mehrfarbigem ^uche schimmert und von Goldborten, Litzen und Stickereien blitzt. Nach Abrechnung der Frauen und Kinder soll wohl die halbe männliche Bevölkerung uniformiert erscheinen, und die Zahl der in Civil Ge- kleideten tritt ganz zurück. Um Petersburg herum liegen die kaiser- lichen Lustschlösser Oranienbaum, Peterhos, „das russische Versailles", und Zarskoje Selo (d. h. kaiserliches Dorf). Auch die Sternwarte Pulkowa darf nicht vergessen werden.

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 126

1901 - Glogau : Flemming
— 126 — Zeit haben auch die poetischen Künste in Schweden ihre Pflege ge- fünften, und Esaias Tegner hat mit seiner Frithjossage ein in alle Sprachen übersetztes Meisterwerk geliefert. — Die heutigen Schweden, die man wegen der „von der Residenz und dem Adel beliebten sran- zösischen Tünche auch die Franzosen des Nordens" nennen möchte, deren Bezeichnung als „maritime Germanen" uns aber doch besser gefallen will, haben in ihrer äußeren Erscheinung etwas entschieden Germanisches: blaue Augen, blonde Haare und die Rosenwangen der Jugend. In ihrem Charakter prägt sich Ernst und Schweigsamkeit aus; auch soll der Reichtum an schönen Liedern, die wir aus den Konzertsälen kennen, weniger ein Erzeugnis der allgemeinen Volks- eigentümlichkeit sein als der Ausfluß der musikalischen Begabung der Gebildeteren. Die Natur des Landes verurteilt die Schweden zu ab- geschlossenerem Leben, und in der einsamen „stuga" ^Bauernhaus» werden mit wunderbarer Zähigkeit die Gestalten der nordischen Mythologie, der Trollen 1 und Elsen, des Strömkarls, Ägirs und des Neck festgehalten und ihre Thaten in wunderbaren Erzählungen von Geschlecht zu Geschlecht berichtet. Das Land ist lutherisch, das Ein- kommen der Pfarrer aus dem Lande mager genug, und die Schilderung eines solchen schwedischen Pfarrers, der gezwungen ist, Ackerbau und Fischfang zu seinem eigenen Erwerb zu treiben, ist in dem Roman: Tie Leute von Hemsoe ergötzlich zu lesen. In der Bodenbeschaffenheit des Landes kann man drei Gürtel oder Zonen unterscheiden. Die ungünstigsten Verhältnisse finden sich in der nördlichen, dem Norrlande, in das weit hinein von Norden her die Lappen übergesiedelt sind. Diese nördlichen Teile Schwedens sind weit rauher als die unter gleichen Breiten liegenden Küsten- streifen Norwegens. Der nördlichste Leuchtturm Schwedens steht in Haparanda, das unweit des nördlichen Polarkreises liegt, wo man am längsten Tage die Mitternachtssonne sehen kann. Übrigens giebt es auch weit nach Süden hinein in Schweden den Juni und Juli hindurch keine eigentliche Nacht. Haparanda baut Schiffe, die bis nach Brasilien segeln. Von hier dehnt sich bis Umea 140 Stuuden lang ein Wald aus. Der am weitesten nach Norden hinaufgehende Baum ist die Birke; doch bestehen die Wälder Norrlands größtenteils aus Nadelholz. „Gleichwie in dem Waldlande Rußlands erscheint auch ganz Norrland", sagt L. von Buch, „von einem hohen Punkte übersehen, als ein ungeheurer, grenzenloser Wald, den nichts unter- bricht als hin und wieder der leere Raum, den kleine Seen ein- nehmen, und kleine blaue Berge am Rande. Nur die Gegend der Flüsse ist bewohnt und belebt, das übrige traurig und tot. Auch an den rauschenden Flüssen, die nicht umsonst den Lachs heraussteigen 1 Trollhätta bedeutet Zauberhut.

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 87

1901 - Glogau : Flemming
M njzlland. |Lljjenn man — etwa von einem preußischen Landstädtchen aus — "*** die russische Grenze überschreitet und an der Tamoschna (Zoll- Haus) abgefertigt wird, so steht man dann in einem Lande, das, wie Humboldt sagt, allein in seinem europäischen Umsang bedeutend ^größer ist als die Fläche der uns zugekehrten Mondscheibe. Es erstreckt sich durch 25 Breitengrade vom 25. bis 70.0 nördl. Breite, von der Südseite der Krim, wo ein ewiger Frühling herrscht und die Weinstöcke im Winter unbedeckt bleiben, bis hinaus nach Kola, wo im Winter die Sonne fast 2 Monate nicht ausgeht, oder von den Filzzelten der Kalmücken und den Stanizen der Kosaken bis zu den Tundren der Samojeden und Syrjänen. Desgleichen ist die Ausdehnung des Landes in die Breite so ansehnlich, daß der Zeit- unterschied zwischen der östlichsten und westlichsten Stelle bereits 3 Stunden beträgt, daß also für den Uralbewohner die Sonne 3 Stunden früher kulminiert als für den Wallfahrer in Tschenstochau. Dies ungeheure Gebiet von 5l/2 Mill. □km ist nun durchweg Tief- land und besitzt nur eine mittlere Bodenerhebung von 167 m. Es finden sich ja einige Bodenanschwellungen, die aber selten eine Meeres- höhe von 300 m überschreiten, und man wird sich durch die Bezeich- nungen der Geographen nicht täuschen lassen, wenn sie von einer Livländischen, Kasanschen und Krimischen Schweiz sprechen. Aus der großen Tieflandstafel haben wir zehn Stromsysteme, die nicht nur selbst bemerkenswerte Wasseradern sind, sondern auch durch ein so reiches Kanalnetz miteinander in Verbindung stehen, daß Rußland in dieser Beziehung nur etwa mit China zu vergleichen ist.1 „Selbst die Nebengewässer der Nebenflüsse tragen im Sommer noch große Dampser." Eine echt russische Eigentümlichkeit sind die Woloks, schmale Isthmen zwischen zwei Flüssen, über die die Kähne geschleift werden, und die an die nordamerikanischen portales erinnern. Am interessantesten ist der kurze Wolok zwischen Tschussowaja, dem Neben- sluß der Kama, also zum Wolgasystem gehörig, und den Wasser- 1 Uber die Wassewechältnisie in Nußland s. Teil I., S. 56—57.

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 88

1901 - Glogau : Flemming
— 88 — laufen des Obi in Asien bei Jekaterinburg. Nicht genug, daß im Süden des Uralgebirges bis zum Kaspischen Meere hin sich das große Völkerthor sindet, durch das zum Schaden Europas die asiatischen Horden über Europa hineingebraust sind, sehen wir hier mitten im Ural auch die Möglichkeit gegeben, mit einem und demselben Kahn asiatische und europäisch-russische Wasseradern zu besahren. Die Paß- höhe in Jekaterinburg liegt übrigens noch bedeutend unter dem Pslaster von München. Die hauptsachlichste Wasserstraße in Rußland ist „das Mütterchen" Wolga mit ihrer Stromlänge von 3400 km und fast hinaus bis zur Quelle (bis Twer) schissbar. An ihr liegen 39 Städte und über 1000 Dörser. An der nordischen Quelle haben wir ein Sumpfgebiet, und au der Mündung Mandelbäume und Weinberge. 500 Dampfer verkehren auf ihr, und die Zahl der Barken ist beispiel- los. Mit Hilfe der Dampfer ist es jetzt möglich, die Frachten von Astrachan in einem Sommer bis Petersburg gelangen zu lassen, während sie früher in Rybinsk überwintern mußten. Was die* Barken betrifft, so wird ebenda eine Umladung vorgenommen. Es scheidet sich die obere und untere Wolgaschiffahrt, und die Waren werden aus den großen schweren Barken in leichtere Fahrzeuge ver- packt. Aus allen Flüssen, sobald das Eis aufgetaut ist, bewegen sich große Karawanen von Fahrzeugen, und die Hälste aller Frachten wird so durch diese Frühjahrsverschiffung an Crt und Stelle ge- schafft. Besondere Schwierigkeit macht die Überleitung der Barken aus der Twerza, einem Nebenfluß der Wolga, durch das Schleusen- system von Wischnei Wolotfchok in die Msta, einen Nebenfluß der Wolchow, so daß dann weiter durch Ladogasee und Newa die Waren bis nach Petersburg gelangen. Während Twerza und Msta von Natur nur kleinere Bäche sind, werden bei Ankunft der Barken- karawanen die Schleusen geöffnet, und „in unglaublich kurzer Zeit sind die Bäche zu majestätischen Strömen geworden", die wohl über 3 m Tiefgang haben. Die Barken haben aber, auch wenn sie in die Msta gelangt sind, noch eine Fährlichkeit zu bestehen, das sind die Borovitzkischen Wasserfälle, wo der Boden des Flußbettes aus lauter Felsen besteht und die Gefahr des Scheiterns bei ungenügender Wassertiefe befürchtet werden muß. Das Schiffsvolk hält vor dem Passieren dieser Stelle ein gemeinsames Gebet, der Eigentümer der Barke entblößt sein Haupt, wirst Brot und Salz in den^ tosenden Strom und ruft wie die alten homerischen Helden den ^tromgeist an: „Mütterchen Msta, wir bringen dir Brot und Salz, sei gnädig gegen uns". Der Anblick der schäumenden Wassermasse, der furchtbar krachenden, schwachen Fahrzeuge, das ungeheure Gewühl der Schiffe und Menschen, deren Aufmerksamkeit auf das äußerste gespannt ist, damit nicht ein Versehen den Verlust der Barke herbeiführt, soll ganz überwältigend sein. Das Holz der Fahrzeuge wird nach vollendeter

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 89

1901 - Glogau : Flemming
— 89 — Fahrt als Brennholz verkauft, und dieser ganze Vorgang ist den Be- wohnern von Ost- und Westpreußen wohl bekannt. Auch dorthin kommen die Weichsel herab oder aus der Memel und durch die Kanal- Verbindungen in den Pregel bis Königsberg barackenähnliche Flöße aus Polen und bringen Flachs oder Getreide. Die fahrzeugähnlichen hölzernen Kasten sind die Wittinnen, und die Wittinniker heißen aus der Weichsel Fliffaken, in Königsberg Dzimken. Auch hier werden die Fahrzeuge, wenn die Ladung gelöscht ist, an die Holzhandlungen verkauft. Das Üble bei der Wolgastraße ist nur, daß der Fluß in ein Binnenmeer mündet. Der Kaspische See ist eine Singularität in der Geographie, „der größte Steppensee", noch umfangreicher wie die Ostsee und ganz abgeschnitten von aller Meeresverbindung. Sein Spiegel liegt 26 m tiefer als das Meeresniveau, er ist in seinem südlichen Teile bis 1000 vi tief, allerdings im Norden auch recht seicht, so daß das Lot meist schon bei 5 oder 6 in den Grund er- reicht. Man hat für die Erklärung dieser geographischen Merkwürdig- keit eines 8000 Qm. großen Binnensees verschiedene Hypothesen ausgestellt und will den Kaspisee als einen Rest der großen Meeres- masse, die mit dem Eismeere zusammenhing, betrachten. Uns inter- essiert mehr die Bedeutung, die dieser „See" für Rußland hat, und die Rolle, die er in den Zeiten des Mittelalters spielte. Der Kaspische See ist für Rußland insofern von großer Wichtigkeit, als er meist rings von russischem Gebiet eingeschlossen ist. Er vermittelt den Ver- kehr mit Persien und dem Orient, doch aber nicht in dem Maße, wie das srüher geschehen ist. Astrachan, das diesen ganzen Verkehr in sich zu konzentrieren berufen ist, leidet unter ungünstigen Hasenver- hältnisfen. Schon von Zarizyn ab ist das ganze unterste Gebiet des Wolgastromes angeschwemmtes Land; daher nennt es Humboldt „Schlund des Kaspischen Meeres". Der Fluß strömt langsam durch Schils und Wiesengründe, spaltet sich bei Astrachan in 60 Arme, von denen der bedeutendste 7 km breit ist. Durch diese Verästelungen verslacht sich das Fahrwasser, und nur bei einer günstigen Wind- richtung können die Fahrzeuge vom See nach Astrachan gelangen. Mehr noch als durch den Handel hat Astrachan Wert durch seine Fischerei. Hier ist das „Comptoir" der unermeßlichen Fischereien in Wolga und Kaspischem Meer, welche viele Tausende von Menschen beschäftigen und jährlich Millionen von Rubeln abwerfen. Auch soll zur Zeit des Fischfangs sich die Einwohnerzahl verdoppeln. Den Hauptfang bilden Sterlet und Stör, aus dessen Rogen der Kaviar bereitet wird.1 Die Wolga soll übrigens gegenwärtig mehr und mehr an Wasser ver- lieren, da in Rußland die Waldungen zu unvernünftig abgeholzt werden. 1 Die Tataren nennen daher auch die Wolga Jti, d. i. die Freigebige. Die Strecke von Zarizyn bis zum Meere wimmelt von Heringen, und ein einziger Fang soll mitunter schon 80000 Heringe ergeben haben.

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 90

1901 - Glogau : Flemming
— 90 — Das Kaspische Meer hat als Vermittler des Verkehrs mit dem Orient das ganze Mittelalter hindurch eine große Rolle gespielt. Darauf deuten die zahlreichen Münzfunde an der ganzen Handels- straße bis nach Pommern hinein, und Rubel, die nationale Münze der Russen, heißt ursprünglich nichts anderes als Hacksilber, mit dem bekanntlich die orientalischen Händler die eingehandelten Waren be- zahlten. Dieses Verkehrs mit dem Orient bemächtigten sich schon frühe die großen italienischen Handelsrepubliken, Venedig und zuletzt namentlich Genua. Als infolge der Kreuzzüge Rom den Handels- verkehr mit den Türken verboten hatte und deshalb „der indische Warenzug, der über Ägypten gegangen war, sein Ende sand", grün- deten die Venetianer am Schwarzen Meere Niederlassungen, um die indischen Waren, die vom Kaspischen Meere herabgebracht waren, in Empfang zu nehmen. Die Waren nämlich gingen von Astrachan die Wolga hinauf bis dahin, wo zwischen Wolga und Don ein Wolok ist, überschritten diesen und wurden dann den Don hinab bis wieder ans Schwarze Meer geführt. Umgekehrt hat diesen Weg auch der Venetianer Marko Polo 1260 bei seiner berühmten Entdeckerfahrt ins mittlere Asien eingeschlagen. Bald aber verdrängten die Genuesen ihre Konkurrenten, und jetzt wurde Kaffa an dem Stretto di Caffa das Handelsemporium. Mächtig blühte die Stadt empor und soll an Einwohnerzahl Konstantinopel übertroffen haben; daher „das zweite Stambul". Später, als die Türken die Stadt einnahmen, ging es mit der Handelsbedeutung zurück. Die Russen nennen die Stadt Feodofia. Die russische Regierung hat auch neuerdings noch daran gedacht, eine direkte Wasserverbindung des Schwarzen Meeres mit dem Kaspisee herbeizuführen und hierzu die Manytschniederung zu benützen. Von dem Manytschsee zieht sich eine Flußverbindung nach dem Don und andererseits nach dem Kaspischen Meere, die aller- dings nur bei Hochwasser als dauernd angesehen werden könnte. Auch zwischen Don und Wolga soll früher ein Kanal existiert haben, den die Tatarenchane mit 17 Schutztürmen versahen. Der zweitgrößte Strom in Rußland ist der Dniepr, dessen Quelle nur durch slache Hügel von der Wolga und Düna getrennt ist. Smolensk an ihm beherrscht die Straße, die aus dem Westen Europas nach dem Herzen Rußlands führt, also nach Moskau, und aus ihr ist Napoleon 1812 gezogen. Der Nebenfluß Berefina sah am 26. November den Zusammenbruch Oes einst so stolzen Heeres und ist in der Geschichte deshalb berüchtigt. Von Kiew an durch- strömt der Fluß den uralisch-karpatischen Landrücken; die Ufer werden immer höher und steiler, so daß sie bei Krementschuk bis zu 80 m an- steigen, das Flußthal wird immer enger mit tiefem Felsenbett, und es finden sich hier die Stromschnellen, Porogi, die die Besahrung des Dniepr sehr beschwerlich machen. Daher siedelten sich auf den Inseln

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 91

1901 - Glogau : Flemming
— 91 — des Flusses in dieser Gegend russisch-normannische Ansiedler an, um von der Beraubung der Flußschiffer zu leben. Später folgten Kosaken. — Nach der rumänischen Grenze zu ist noch der Fluß Dniestr zu erwähnen, der Tyras der Alten, der eine reifende Strö- mung hat, so daß das Urteil des Ovid millo tardior amne Tyras sich wohl nur aus das Mündungsgebiet beziehen kann. Der kurze Laus der Newa endlich ist nicht allein durch seine merkantile Be- deutung von Wichtigkeit, wie wir das weiter unten sehen werden, sondern ganz Petersburg ist in einer noch nie dagewesenen Weise von dem Wasser des Flusses abhängig. Da die Stadt auf Sumpf- boden erbaut ist, liefert die Newa alles Wasser zum Kochen und — Trinken, und es sind zwei sür die ganze Stadt wichtige Festtage, wenn am 6. Januar unter feierlichen und religiösen Ceremonien die Wasserweihe vollzogen wird, und wenn bei Frühlingsansang das Eis des Flusses zu tauen ansängt und unter dem Donner der Kanonen der Kaiser den ihm überbrachten Becher des Newawassers aus das Wohl seiner Residenz leert. Den Reichtum Rußlands und seine ganze Machtstellung bedingt der Ural. Dies hat schon Ritter behauptet. Das etwa 2000 km lange Gebirge ist das einzige größere in Europa, das genau in der meridionalen Richtung verläuft, also eigentlich an die Streichungs- linien der amerikanischen Gebirge erinnert. Seine geringe Erhebung sichert ihm aber nicht einen so durchgreifenden Einfluß wie eben den Höhenzügen der westlichen Hemisphäre; dennoch empfiehlt es sich recht gut als Scheide zweier Erdteile. Die reichen Laubwälder Rußlands, also Europas, finden sich nur aus seiner westlichen Seite, weder die Eiche noch die Linde überschreiten seinen Kamm, und auf der asiatischen Seite beginnen die unermeßlichen Tannenwälder und weiter südlich die Steppenlandschasten Sibiriens. Die staunenswerte Bedeutung des Gebirges liegt vor allem in seinen Mineralschätzen. Fast un- erschöpslich sind die Eisensteinlager, so daß es 2/3 alles russischen Eisens liefert und die Bergbeamten äußerten: wir könnten ägyptische Pyramiden aus reinem Eisen bauen, wenn nur die Brennmaterialien da wären. Peter der Große siedelte am Ural Schmiede aus Tula an, beschenkte sie mit großen Waldflächen, und dieselben haben hier kolossale Reichtümer erworben, wie die aus der Geschichte der Na- poleoniden bekannten Demidoffs. Ebenso ansehnlich ist die Ausbeute des Gebirges an Edelmetallen, worunter die Goldseisen am Ostfuß des Urals besonders erwähnenswert sind. Das sonst selten gefundene Platina wird hier in reichem Maße gewonnen. Rußland machte sogar den gewagten Versuch, daraus Münzen prägen zu lassen; im ganzen waren davon schließlich 10 Millionen Mark im Umlauf, sie sind aber seit 1863 wieder eingezogen. Da Platin als Edelmetall nicht rostet, sindet es bei subtilen Wägungen als Gewicht seine Ver-

9. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 92

1901 - Glogau : Flemming
Wendung und ist auch sonst in der Technik unentbehrlich. Der Ural hat sich, wie dies Guthe ausführt, als einen bedeutenden Förderer der Kultur erwiesen und hat namentlich dazu beigetragen, daß Ruß- land seine wichtigen Kanalverbindungen erhielt; denn es galt, das uralische Eisen an die Ostsee zu bringen, um so mit Erfolg dem schwedischen die Spitze bieten zu können. Wenn vorhin über den Bedarf an Brennmaterialien eine Klage berührt wurde, so hat das seine Richtigkeit. Rußland hat ja Stein- kohlen gesunden, so am Ural selbst, dann bei Tula, und als der Krimkrieg ausgebrochen war und die russischen Dampfer nicht mehr englische Kohlen beziehen konnten, suchte man in der Umgegend Tauriens um so eifriger und sand zum Glück die Donezkohlen. Das hauptsächlichste Brennmaterial bleibt in Rußland aber doch immer das Holz der Bäume, und in den schier endlosen Waldslächen des nördlichen Rußlands schien ein Vorrat sast für die Ewigkeit dar- geboten.1 40 % des Gesamtareals oder über 2 Millionen □ km sind mit Wald bedeckt, und in diesen Holzmassen „steckt ein gut Teil des russischen Nationalvermögens". Leider muß neuerdings immer mehr zugestanden werden, daß eine ganz gewissenlose Waldverwüstung dieses kostbare Vermögen erheblich zu mindern beginnt, und wir hatten davon schon bei der verringerten Wassersülle der Wolga gesprochen. In Rußland nämlich verschlingt „das verschwenderische Heizen der Häuser unglaubliche Massen von Brennholz. Nicht nur die Wohn- zimmer werden geheizt, auch Flur und Stiegen müssen erwärmt werden, und zwar oft das ganze Jahr hindurch trotz des kontinentalen Sommers; fand doch ein Reisender mitten im Sommer trotz 25° im Schatten noch geheizte Wohnräume." Dazu kommt der Verbrauch der Badestuben, die sich sogar auf den Dörfern finden, und die nationale Bauart der Holzhäuser. In früheren wirtschaftlichen Perioden lieferte vielleicht das Land auch einem solchen massenhaften Bedarf gegenüber noch genug Holz; seitdem aber die Industrie aus- geblüht ist, macht sich Holzmangel fühlbar. Wohl zu beachten ist doch auch das Klima des Landes. Im Norden Rußlands sind die Gewässer 7—8 Monate von Eis bedeckt, im mittleren 5—6, im Süden 3 - Monate. Und trotz solcher Thatsachen lieben es die Russen, von der „Wärme" ihres Landes zu sprechen, und können sich aller- dings darauf berufen, daß bei der weiten Ausdehnung nach Süden bei ihnen „noch die Eitronen blühen" und das Kamel als Haustier erscheint. Kaiser Nikolaus hatte einen ausgeprägten Widerwillen gegen Pelze. Über die schwarze Erde oder das ^.schernosem habe ich schon 1 „Von den hochgelegeneren Dörfern genieszt man eine unbeschränkte Fernsicht über einen wahren Waldocean. Es erstarrt jeder heitere Gedanke, und man sehnt sich hinweg aus den endlosen düsteren Waldstrecken." Bode.

10. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 93

1901 - Glogau : Flemming
— 93 — im Teil I gesprochen.1 Erstaunlich sind die Mengen des geernteten Getreides, doch sind Mißernten mitunter nicht ausgeschlossen. Gleich- wie in den Pußten Ungarns, herrscht auch hier ein völliger Mangel an Steinen, so daß an den Bau von Chausseen nicht hat gedacht werden können. Bei Regen und Tauwetter sind die Poststraßen hier derart grundlos, daß 5—6 Pferde kaum im stände sind, eine Equipage fortzubewegen. Dadurch ist natürlich die Verwertung der Getreide- massen, die hier aus völlig ungedüngtem Boden wachsen, sehr be- hindert. Neuerdings hat man mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes in Rußland erfreuliche Fortschritte gemacht. Wir sehen zunächst einen gewaltigen Schienenstrang von Archangelsk, der Erzengelstadt (archi- angelus Michael), bis hinunter nach Sebastopol über 20 Breiten- grade hin, so daß diese Bahnlinie wohl die längste Eisenbahn in streng meridionaler Richtung in Europa zu nennen ist. Gerade in der Mitte dieser ganzen Strecke liegt Moskau, über dessen Bedeutung wir noch weiter unten sprechen werden. Die nördlichste Eisenbahn- station ist Uleaborg am Bosnischen Meerbusen unter 65 °. Rußland ist das Land der gewaltigen Rohproduktion, und die Ausfuhr des Getreides beträgt fast die Hälste aller Bahnsrachten. Da ist es von größter Wichtigkeit, daß Rußlands Eisenbahnnetz recht viel Anschlüsse an das Ausland hat. Es sind im ganzen aber nur 9 Eisenbahn- linien, die ins westliche Ausland führen. Wie ungünstig steht es da Deutschland gegenüber, dem richtigen Lande der Mitte, das 72 solcher Anschlüsse hat, und auch Frankreich zählt noch 37. Dafür will Ruß- land aber nach Lsten hin epochemachend auftreten durch seine Riesen- that der sibirischen Bahn, die in Wladiwostok und Port Arthur den Großen Ocean erreicht. - Auch wird man jetzt an einer anderen Stelle mit dem Dampsroß in Asien eindringen, da eine Bahn von Wladikawkas über den Kaukasus nach Tiflis geplant ist. Wenn wir im Norden Rußlands von einem Waldocean sprechen konnten, so hat der Süden, die Steppenregion, gar keinen Baum- wuchs. So erscheinen diese Gegenden seit über 2000 Jahren, seit Herodot, und man muß auch daraus verzichten, sie je mit Bäumen zu versehen, da sie felsigen sgranitischen oder kalkigen) Untergrund haben, so daß den Wurzeln der Bäume verwehrt ist, tief einzudringen. Da- sür bilden aber hier Staudengewächse einen wahren Wald, der so hoch ist, daß er zum Teil die Rinderherden verdeckt. Hans schießt bis zu 6 m auf. Diese Staudengewächse mit ihren kräftigen und holzigen Stengeln ersetzen das Brennholz und bilden den bekannten Burian, dem Viehmist als zweiter erwünschter Ersatz sür das Brenn- holz an die Seite tritt. Vorzüglich eignen sich aber diese großen * S. 61. 2 Teil I, S. 8 — 9.
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