Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 83

1899 - Gera : Hofmann
✓ — 83 — andere wilde Tiere wurden durch Hunger, Peitschenknallen, Verwundung durch Fackeln oder Stacheln zur Wut gereizt und auf den Fechter zu einem Kampfe auf Leben und Tod losgelassen. Das gegenseitige Zer- fleischen von Mensch und Tier war Augenweide für das entartete Volk. Je mehr Blut floß und je mehr Tiere und Menschen fielen, — oft viele hundert —, desto gelungener war das Schauspiel! Unter den prächtigen Marktplätzen zeichnete sich der Tr ajan s mit einer Ehrensäule aus, die mit allerlei Bildwerk und Inschriften bedeckt war. Den Kaisern Titus und Konstantin wurden später schöne Triumphbogen errichtet (vergl. Abb. 81). Sehr ge- schickt und dauerhaft waren die Heer- straßen angelegt. Sie gingen von dem goldenen Meilensteine auf dem Forum Romanum aus und liefen nach allen Teilen des weiten Reiches. Großartig waren die Wasser- leitungen, prachtvoll und vielbenutzt die öffentlichen Badehäuser. Alle diese Bauwerke finden sich noch heute in Rom entweder in Trümmern oder in veränderter Benutzung. Neben dem unsinnigsten Luxus der Reichen in Rom seufzte das Elend der zahlreichen Armen. Die Sitten verfielen immer mehr. Die Götter wurden verlacht, die Ehen gebrochen, das Familienleben zerstört, die ehrliche Arbeit verachtet, die unsinnigsten Schwelgereien getrieben, Mitleid und Erbarmen gegen Unglückliche vergessen und täglich neuen Vergnügen nachgelaufen. Ein Dichter seufzte angesichts dieser Sittenverderbnis: „Es ist schwer, kein Spottgedicht zu schreiben!" 3. Seine kluge Regierung. Der Wille eines Einzigen lenkte die ungeheure Staatsmaschine. Aber klug ließ er die Republik zum Schein fortbestehen und begnügte sich, alle höheren Ämter in seiner Person zu vereinigen und sie sich jährlich erneuern zu lassen. Dem ruhebedürftigen Volke gab er Brot und Spiele. Den Erpressungen der Beamten wehrte er und führte feste Gehälter ein. Künste und Wissenschaften wurden besonders von seinem hochgebildeten Freunde Mäcenas gefördert. Vir- gilius dichtete die Änöide, Horatius seine Oden, Ovidius die Meta- morphosen und Phädrus seine Fabeln. Man nennt diese Zeit das Augusteische oder goldene Zeitalter der Litteratur. Das glückliche Volk nannte Augustus den „Vater des Vaterlandes". Seinen Nachfolgern rief man zu: „Sei glücklicher als Augustus und besser als Trajan!" Mon der römischen Schrift. Griechen und Römer schrieben auf Wachstafeln und Papyrusrollen, in den Zeiten nach Christi Geburt auch 6*

2. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 328

1899 - Gera : Hofmann
828 Immer bedeutsamer wurde die Stellung der Frauen am Anfänge dieses Jahrhunderts. Ihre Teilnahme am öffentlichen Leben und ihr Einfluß auf die Litteratur und die Volkswohlfahrt wuchsen von Jahr zu Jahr. In den Befreiungskriegen brachten sie begeistert die größten Opfer. Preußische Prinzessinnen erließen am 1. April 1813 einen Aufruf an die Frauen aller Stände, worin sie zur Mitarbeit an der Rettung des Vaterlandes aufforderten durch regelmäßige Gaben an Geld, Schmucksachen, Verbandstoffen, Wollen- und Leinenzeugen, durch Pflege der Verwundeten, Erquickung der Kämpfer u. s. w. Der Erfolg war ein großartiger, der Anteil der Frauen an der Befreiung des Vaterlandes ein reich gesegneter. Als Schutzgeist begleitete die Freiheitskämpfer das Bild der verklärten Königin Luise. Die arme, aber edelgesinnte Ferdinande von Schmettau opferte ihr reiches, schönes Lockenhaar auf dem Altar des Vaterlandes. Hofrat Heun ließ daraus Uhrbänder und Ringe Herstellen und löste dafür 3600 Mark. Eleonore Prohaska, die Heldenjungfrau, trat als „Jäger August Renz" in das Lützow'sche Freikorps, focht und fiel als Heldin in dem Gefechte an der Göhrde in Hannover. Glücklicher war die Mecklenburgerin Friederike Krüger. Sie brachte es im Aork'schen Korps zum Unteroffizier und kehrte, mit dem eisernen Kreuze und einem russischen Orden geschmückt, heim. Johanna Stegen half das Gefecht bei Lüneburg siegreich entscheiden, indem sie den Preußen, die sich schon zurückziehen wollten, aus einem umgestürzten französischen Munitionswagen im Kugelregen Patronen in der Schürze zutrug. Begeistert pries ein Rück er t den Opfermut der deutschen Frauen. Die Dichtkunst in ihrer schönsten Blütezeit haben deutsche Frauen wesentlich beeinflußt. Es braucht bloß erinnert zu werden an Goethes Mutter, die Frau Rat, an Schillers Gattin Charlotte von Lengefeld, an die Herzogin Amalie von Weimar und an die herrlichen Frauen- gestalten, die Goethe und Schiller in ihren Meisterwerken gezeichnet haben. Auch um die Volkswohlfahrt erwarben sich Frauen die größten Verdienste. Luise Scheppler, die treue Dienstmagd des Pfarrers Ob erlin im Stei nthale, führte zuerst den Gedanken der Kleinkinder- Bewahranstalten aus. Weitere Verbreitung erhielten diese wohlthätigen Anstalten durch die edle Fürstin Pauline von Lippe-Detmold. Als Gründerin der so segensreichen Frauenvereine muß Amalie Sieveking in Hamburg angesehen werden. Sie gründete in der Cholerazeit den Frauenverein „Tabea" für Armen- und Krankenpflege, der viel Elend gelindert hat. Auf ihren Wunsch wurde sie, wie ihre lieben Armen, in einem Sarge mit flachem Teckel begraben. Das Glück und Behagen des häuslichen Lebens hing haupt- sächlich von den Frauen ab. Sie entschieden über die innere Einrichtung des Hauses. Viel Porzellan, Zinngeschirr, Betten und Leinenzeug war ihr Stolz. Speise und Trank bereiteten sie selbst. Kaffee wurde der beliebte Früh- und Nachmittagstrunk. Immer rührten sie die fleißigen Hände, strickten, nähten, sotten Seife, gossen Lichte, schlissen Federn, spannen am Rade und besuchten sich in Spinustuben.

3. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 271

1899 - Gera : Hofmann
271 An allen künstlerischen Schöpfungen nahm sie den lebhaftesten Anteil. Von den Dichtern liebte sie besonders die Franzosen Racine, Corneille und Moliöre. Die damaligen geistlosen deutschen Reimereien konnten einen so lebhaften, feinen Geist nicht fesseln. Ihre geistvollen Briefe sind in einem vorzüglichen Französisch geschrieben, die meisten und besten an Leibniz und ihre Freundin Fräulein von Pöllnitz. Der letzteren schrieb sie einmal: „Ich will lieber, daß Sie an meinem Verstände, als daß Sie an meiner Freundschaft zweifeln." Besondere Liebe und Sorgfalt verwandte sie auf die Erziehung ihres Sohnes, der später als König Friedrich Wilhelm 1. den Thron bestieg. Als Erzieherin wählte sie die feingebildete französische Prote- stantin Frau von Rocoule, die dann auch den großen Friedrich erzogen hat. Der Sohn war beiden Eltern unähnlich und ließ sich wenig beeinflussen. Er war eine tüchtige, eigenartige Natur, aber maßlos heftig und eigensinnig. Auch die beste der Mütter konnte seine starre Eigenart nicht beugen. Er ärgerte sich über seine zarte Gesichtsfarbe, rieb deshalb das Gesicht mit einer Speckschwarte ein und legte sich in die Sonne, um braun zu brennen. Eine Schnalle verschluckte er, um sie nicht herzugeben. Er drohte sich aus dem Fenster zu stürzen, als seine Erzieherin ihm nicht den Willen that. Der so ganz anders ge- artete und doch geliebte Sohn ging später zu seiner Ausbildung auf Reisen. Mit Weh im Herzen ließ sie ihn ziehen und sah ihn auf Erden nicht wieder. Auf einer Reise nach Hannover zu ihren Eltern erkrankte sie und starb im Alter von 37 Jahren. Die Königskrone hatte sie nur 5 Jahre getragen. Schön und friedlich wie ihr Leben war auch ihr Sterben. Nicht eine Spur von Todesfurcht zeigte sie. Zu der weinen- den Freundin am Sterbelager sagte sie: „Haben Sie denn geglaubt, daß ich unsterblich sei?" Dem Geistlichen sagte sie: „Ich habe 20 Jahre über die letzten Dinge nachgedacht. Ich kenne keine Furcht vor dem Tode und hoffe, mit meinem Gott gut zu stehen!" König Friedrich war untröstlich über den unersetzlichen Verlust und suchte wenigstens in der düstern Pracht der Begräbnisfeierlichkeiten seinem Schmerze Ausdruck zu geben. Sophie Charlotte ist eine von den glücklichen Kronenträgerinnen gewesen, denn sie hat ihren Kreis ausgefüllt und ihre edle Natur rein und voll ausgelebt. 7. Friedrich I. starb gottergeben. Friedrichs Lebensabend war durch häusliche Kümmernisse und durch eine furchtbare Pest in Preußen getrübt. Seine letzte Freude war die Geburt eines Enkels, der bei dem glänzenden Tauffeste den Namen Friedrich erhielt. Die Nachwelt hat diesen den Großen genannt. Auf seinem Totenbette sprach Friedrich I.: „Die Welt ist nur ein Schauspiel, das bald vorübergeht. Wer nichts als dieses hat, ist übel dran." — „Gott ist gewißlich meines Lebens Kraft gewesen von Jugend auf; ich fürchte mich nicht vor dem Tode; denn Gott ist mein Licht und Heil." In einer Anweisung für die Erziehung des Kronprinzen sagt er: „Gleichwie andere Menschen durch Belohnungen und Strafen der höchsten Obrigkeit vom Bösen ab- und zum Guten angeführt

4. Deutsche Prosa - S. 142

1900 - Gera : Hofmann
142 Bernhard ten Brink. Bretterwelt hinausdrang. Und auch hier bietet seine Biographie uns charakteristische Zuge, die uns in sein Inneres einen Blick werfen lassen. Vom Jahre 1592 bis zum Jahre 1599 sehen wir den Dichter die Höhe seiner Kunst ersteigen und zugleich in der Kunstwelt und in der Gesellschaft sich eine gesicherte, allgemein anerkannte Stellung erobern. Im ersten Jahrzehnt des siebzehnten Jahrhunderts schafft er dann seine tiefsten, großartigsten Werke. Aber noch bevor er den Höhepunkt erreicht, sehen wir ihn die ersten Schritte thun, um sich für seine späteren Jahre in seiner Geburtsstadt ein ruhiges Heim zu bereiten. Shakspere hatte in London die Heimat und die Seinigen nie aus den Augen verloren; sobald er es vermochte, hatte er die Seinigen an seinem beginnenden Wohlstand teilnehmen lassen, zweifellos auch häufiger sie auf längere oder kürzere Zeit besucht. Bereits i. I. 1597 aber begann er sich in Stratford anzukaufen, den Plan vorzubereiten, den er dann nicht wieder fahren ließ. Und gegen das Jahr 1609 — etwas früher oder später — gelangte der lange gehegte Lieblingsgedanke endlich zur Verwirk- lichung. Der Dichter verließ die Bühne und die Großstadt und zog sich nach seiner stillen Heimat, zu Wald und Wiese, zu Frau und Kindern und Enkelin zurück, um die ihm noch beschiedenen Tage in edler Muße und ruhig beschaulichem Genuß zu verleben. So schloß sich das Ende seines Lebens wieder dem Anfang an zur schönen Voll- endung des Kreislaufes. Shaksperes Leben, mit dem seiner dramatischen Zeitgenossen ver- glichen, ist ebenso singulär, wie seine Werke sich unter den ihrigen ausnehmen. Der einzige unter ihnen, der keine akademische Erziehung genossen, der in einfachen Verhältnissen, in vertrautem Verkehr mit der Natur groß geworden, seine Bildung mehr dem Leben als der Schule ver- dankte. Früher als einer von den andern hatte Shakspere seine Zu- kunft gestaltet in einer Weise, die nichts Großes für ihn erhoffen ließ. Aber das, woran ein anderer zu Grunde gegangen wäre, wurde ihm nur ein Sporn, ein neues Lebensblatt mit frischem Mut zu beginnen. Enger als irgend einer seiner dramatischen Nebenbuhler schloß Shakspere sich in London dem Bühnenleben an. Aber weit entfernt, in dem lockeren Getriebe, wie so viele andere, an Seele und Leib zu Grunde zu gehen, erwuchs er zum Mann, zum Künstler und Dichter, zur geistigen und auch zur materiellen Selbständigkeit und Unabhängig- keit. — Wohlhabend, angesehen, berühmt, verließ er dann in der Kraft seiner Jahre das Theater und die Großstadt, um als Landedelmann in der Heimat seine Tage zu beschließen.

5. Deutsche Prosa - S. 132

1900 - Gera : Hofmann
132 Bernhard ten Brink. als unerklärter Rest übrig? — Nehmen wir Goethe, der uns zeitlich so nahe steht, über dessen Leben so reichliche Kunde fließt, Goethe, der sich selber herbeigelassen hat, uns über seine Entwickelung zu berichten, und der uns in „Dichtung und Wahrheit" ein Werk geschenkt hat, das Wilhelm Scherer einmal als „die Kausalerklärung der Genialität" be- zeichnet hat. „Kausalerklärung der Genialität" — wenn man hier wenigstens nur von einer „Kausalerklärung dieses besonderen Genius" reden könnte! — Aber finden wir diese in „Dichtung und Wahrheit"? Erfahren wir daraus irgendwo, wie Goethes Genie entstanden ist? — Nein, höchstens eine Reihe von Bedingungen lernen wir kennen, unter denen dieses Genie sich in bestimmter Richtung entwickelt hat! — Das ist alles — das eigentliche Ur- und Grundgeheimnis bleibt unauf- geklärt. Und so werden wir auch bezüglich Shaksperes unsere An- sprüche nicht zu hoch schrauben dürfen. Alles, was wir zu erreichen hoffen können, wird dieses sein: die Erkenntnis, daß die innere Ent- wicklung des Dichters, wie sie sich aus seinen Werken erschließen läßt, sich mit dem, was wir vom Leben des historischen Shakspere wissen, wohl verträgt, ja in manchen Umstünden dieses Lebens entschiedene Förderung gefunden haben muß. Bei dem Versuch, dies zu zeigen, werde ich Ihnen natürlich nicht die Biographie des Dichters von neuem vorerzählen; ich werde daraus vielmehr nur die Momente hervorheben, die für unseren Zweck von Bedeutung sind. William Shakspere war der älteste Sohn und das erste am Leben gebliebene Kind seiner Eltern, wurde daher von ihnen ohne Zweifel mit besonderer Liebe und Sorgfalt gepflegt. Er erwuchs in einem Hanse, wo auf der Grundlage ehrenhafter Arbeit ein behaglicher Wohlstand sich entwickelt hatte, und das sich in der Stadt Stratford eines hohen Ansehens erfreut haben muß. Sein Vater, John Shak- spere, zugleich Landwirt und Geschäftsmann, eine in derartigen Land- städten häufige Kombination, war von Michaelis 1568 bis Michaelis 1569 high bailiff, erster Amtmann in Stratford. Im September 1571 wiederum wurde er zum ersten Aldermann erwählt. Seine Mutter, Mary Arden, gehörte einer der angesehensten Familien der Grafschaft Warwick an, die sich entschieden zu der Gentry rechnen durfte. Shakspere erwuchs in einfachen, ziemlich primitiven Verhältnissen; bei seinen Eltern fand er keine höhere geistige Bildung. Auf der grammar-school seiner Vaterstadt, die er nach dem durchaus glaub- haften Zeugnis eines seiner ältesten Biographen besuchte, wird er in die Kenntnis des Lateins, in die Elemente der Logik und Rhetorik und so noch in manches andere eingeführt worden sein. Das meiste von dem, was er sich in derartigen Dingen erwarb, wird er sich späterhin als Autodidakt erworben haben. Und während

6. Deutsche Prosa - S. 162

1900 - Gera : Hofmann
162 Marie von Ebner-Eschenbach. gewendet, das Gemüt. Und bei aller scheinbaren Einfalt und Kunst- losigkeit ist er ein Denker und Dichter." Unter den lebenden Schriftstellern und Poeten wies Luise von Francois Konrad Ferdinand Meyer den ersten Rang an. Parteiisch aber machte ihre Freundschaft für ihn sie nicht. Eher zu streng ab- sprechend als zu milde, sind ihre Urteile über einzelne Novellen und Gedichte des Meisters. Es wurde mir vergönnt, in die Briefe, die er an die Verehrte schrieb, einen Einblick thun zu dürfen. Sie geben Zeugnis von der edlen Bescheidenheit des hochgefeierten Mannes, der wenig bekannten Schriftstellerin gegenüber. Vertrauensvoll teilt er ihr seine Pläne zu neuen Arbeiten mit und erbittet ihren Rat. Ihre Meinung ist ihm immer wichtig, wenn er auch manchmal widerspricht. Die Empfängerin verzeichnet das Eintreffen eines jeden dieser reich- haltigen Freundesbriefe in ihr Tagebuch, jeder einzelne hat sie erquickt und ihre Gedanken lange und lebhaft beschäftigt. Je mehr Luise von Francois in Jahren fortschreitet, desto un- litterarischer werden ihre Aufzeichnungen. Auf ihre schriftstellerische Thätigkeit wirft sie kaum noch einen Blick zurück. Die Schriftstellerin ist untergegangen in der aufopfernden Wohlthäterin der Armen, der treuen Freundin, der warmherzigen, fürsorglichen Verwandten. Am häufigsten und liebevollsten spricht sie in ihren Tagebüchern und Briefen von ihrem kleinen Neffen Leo. Sie teilt sich mit seiner Mutter in die Pflege des „Stümperchens;" jedes geringste Ereignis in seinem Kinderleben ist ihr von Bedeutung, sein Fortschreiten, sein Gedeihen ihr tiefstes Glück. Aus den Briefen der letzten Jahre spricht oft eine große ^ Müdig- keit und Sehnsucht nach Ruhe. Als ich ihr im Sommer den Tod eines mir sehr teuren Freundes anzeigte, schrieb sie: „Die wahr- haftige Liebe wünscht keinem ihrer Eigensten, nein, keinem Menschen die Dauer oder auch nur den Beginn unheilbarer Altersgebrechen." Und später: „Ich lebe noch — ich spaziere oder richtiger, schleiche von Bank zu Bauk, bei gutem Wetter ein Stündchen fast alle Tage, bin nicht eigentlich krank, nur altersmatt, das Augenlicht schwach. Vor einiger Zeit kam mein Landsmann und gütiger Freund, Geheim- rat Graefe aus Halle, zu mir, um meine Augen zu untersuchen und mir zu einer Operation des rechten, längst starreifen zuzureden; solange ich aber auf dem linken noch einen sehr schätzbaren Schimmer habe, denke ich nicht an eine Operation. Ich stehe ja im siebenundsiebzigsten Jahr! Meine Nichte, das gute Gretchen, „das Engelchen", wie ihre Bekannten sie nennen, war ein paar Wochen bei mir. Sie wollte mich zu sich holen nach Wiesbaden, mußte aber allein wieder abreisen."

7. Deutsche Prosa - S. 225

1900 - Gera : Hofmann
Erinnerungen. 225 treten, verhältnismäßig geringes Gewicht legten, im Vergleich zu anderen, die ihnen schwer wurden, die aber den Lesern und Beschauern viel weniger gelungen erscheinen. Ich erinnere nur an Goethe, der nach Eck er m ann s Bericht einmal geäußert hat, seine dichterischen Werke schätze er nicht so hoch, wie das, was er in der Farbenlehre geleistet. Soll ich nun Ihren Versicherungen und den Urhebern der an mich gelangten Adressen Glauben schenken, so mag es mir — wenn auch in bescheidenerem Maße — ähnlich gegangen sein. Erlauben Sie mir also, Ihnen kurz zu berichten, wie ich in meine Arbeitsrichtung hineingekommen bin. In meinen ersten sieben Lebensjahren war ich ein kränklicher Knabe, lange an das Zimmer, oft genug an das Bett gefesselt, aber mit lebhaftem Triebe nach Unterhaltung und nach Thätigkeit. Die Eltern haben sich viel mit mir beschäftigt; Bilderbücher und Spiel, haupt- sächlich mit Bauhölzchen halfen mir sonst die Zeit ausfüllen. Dazu kam ziemlich früh auch das Lesen, was natürlich den Kreis meiner Unterhaltungsmittel sehr erweiterte. Aber wohl ebenso früh zeigte sich auch ein Mangel meiner geistigen Anlage darin, daß ich ein schwaches Gedächtnis für unzusammenhängende Dinge hatte. Als erstes Zeichen davon betrachtete ich die Schwierigkeit, deren ich mich noch deutlich entsinne, rechts und links zu unterscheiden; später, als ich in der Schule an die Sprachen kam, wurde es mir schwerer als anderen, die Vokabeln, die unregelmäßigen Formen der Grammatik, die eigentümlichen Rede- wendungen mir einzuprägen. Der Geschichte vollends, wie sie uns damals gelehrt wurde, wußte ich kaum Herr zu werden. Stücke in Prosa auswendig zu lernen, war mir eine Marter. Dieser Mangel ist natürlich nur gewachsen und eine Plage meines Alters geworden. Wenn ich aber kleine mnemotechnische Hilfsmittel hatte, auch nur solche, wie sie das Metrum und der Reim in Gedichten geben, ging das Auswendiglernen und das Behalten des Gelernten schon viel besser. Gedichte von großen Meistern behielt ich sehr leicht, etwas gekünstelte Verse von Meistern zweiten Ranges lange nicht so gut. Ich denke, das wird wohl von dem natürlichen Fluß der Gedanken in den guten Gedichten abhängig gewesen sein, und bin geneigt, in diesem Verhält- nis eine wesentliche Wurzel ästhetischer Schönheit zu suchen. In den oberen Gymnasialklassen konnte ich einige Gesänge der Odyssee, ziemlich viele Oden des Horaz und große Schätze deutscher Poesie recitieren. In dieser Richtung befand ich mich also ganz in der Lage unserer ältesten Vorfahren, welche noch nicht schreiben konnten und deshalb ihre Gesetze und ihre Geschichte in Versen fixierten, um sie auswendig zu lernen. Was dem Menschen leicht wird, pflegt er gern zu thun; so war ich denn zunächst auch ein großer Bewunderer der Poesie. Die Neigung M. Henschke, Deutsche Prosa. 15

8. Deutsche Stammesgeschichte, deutsche Kaisergeschichte - S. 243

1894 - Gera : Hofmann
8. Zwei altdeutsche Messiaden. 243 Sacfttmle der Niederschrift der Straßburger Eidschwüre Ludwigs des Deutschen und Karls des Kahlen vom ^zahre 842 in „Nithards fränkische Geichrchten". (10. Jahrh.) Aus dem neunten Jahrhundert besitzen wir zwei Messiaden. Die erste, der „Heliand" (Heiland), in altniederdeutscher Mundart gedichtet, ist — bcr Borrede nach auf Befehl Ludwigs des Frommen (um 830) entstanden I" allittcriercnbcn Versen und in naiv volkstümlichem Ton erzählt der unbekannte sächsische Dichter das Leben Christi als das eines reichen, mächtigen milben deutschen Volkskönigs, ohne inbes seine göttliche Würbe je zu beeinträchtigen. Auch sonst ist alles bentsch in dem Gebicht: bte Jünger des Herrn smb des Königs Mannen, bic jübischen Städte sinb in beutsche Burgen 16*

9. Deutsche Stammesgeschichte, deutsche Kaisergeschichte - S. 353

1894 - Gera : Hofmann
Iv. Deutsches Leben zur Zeit der sächsischen Könige. 8. Die Klöster. 353 mit dem Hexameter: „Esse velim Graecus cum. sim vix, domna Latinus“, d. i. Kaum erst, Herrin, ein Lateiner, wär' ich schon gern der Griechen einer. Die Herzogin setzte den kleinen Dichter zu sich auf ihren Fußschemel, küßte denselben und wollte noch mehr dergleichen Verse hören. Da entschuldigte sich der Knabe hocherrötend durch neue Hexameter mit seiner Verlegenheit. Hierüber brach die Herzogin in ein herzliches Lachen ans, zog den Kleinen schmeichelnd an ihre Seite und lehrte ihn eine Antiphonie, die sie selbst ans dem Lateinischen ins Griechische übersetzt hatte. Dann wurde er huldreichst entlassen und begab sich mit seinem Oheim zu den Hofkaplänen, die Ekkehard ebenfalls zu unterrichten hatte, da Hadtoig nicht duldete, daß sie ungebildet blieben und dem Müßiggänge frönten. Fast zu jeder Ferienzeit ließ Hadwig den jungen Burkhard nach Hohentwiel bescheiden, damit er zu ihrem Vergnügen lateinische Verse aus dem Stegreif mache und von ihr Griechisch lerne. Als der Knabe, zum Jüngling herangewachsen, durch seine Bestimmung für immer von Twiel abgerufen wurde, beschenkte sie den Scheidenden mit einem Horaz und anderen Büchern, welche noch lange einen Schmuck der Klosterbibliothek bildeten. Auch die Lesungen des Vergil nahmen ein Ende. Ekkehard kam auf Verwenden der Herzogin als Rat, Kaplan und Erzieher des jungen Otto an den kaiserlichen Hof, was ihm später dem Beinamen „der Hofmann" eintrug. In kurzer Zeit gelangte er zu hohem Ansehen und Einfluß. Als man ihm die Abtei Ellwangen bestimmte, war er nicht abgeneigt, dieselbe anzunehmen; aber sein kaiserlicher Zögling und dessen Mutter Abelheib, beren Gunst er sich ebenfalls in hohem Grabe zu erwerben gewußt, hinderten ihn baran, weil der Hof seines Rates noch bebürfe, und machten ihm Hoffnung auf ein ansehnliches Erzbistum. Seinem heimatlichen Stifte St. Gallen leistete Ekkeharb in feiner einflußreichen Stellung treffliche Dienste. Am 23. April 990 starb er als Domprobst zu Mainz. Habwig überlebte ihn kaum vier Jahre. Nicht minber als St. Gallen erfreuten sich auch anbere Gotteshäuser der Werktätigen Teilnahme Habwigs, namentlich ihr eigenes Klösterlein zu Hohentwiel und das Kloster Petershausen bei Konstanz. Sie vermachte dem letzteren einen großen Meierhof zu Epfenborf in der Bar mit all feinen Zugehörungen an Leuten, Gütern und Rechten in den benachbarten Orten. Es scheint bies das letzte ihrer frommen Vermächtnisse gewesen zu sein, benn sie starb noch vor der kaiserlichen Bestätigung besfelben am 28. August 994 und würde zu Reichenau an der Seite ihres Gemahls begraben. Sie sank mit dem Lobe ins Grab, als junge Fürstentochter sich in ebelster Weise gebilbet und beschäftigt, als Gattin einen kränklichen Gemahl treu gepflegt, als Witwe ihre Tage zwischen den Genüssen der schönen Litteratur, den Pflichten ihrer Lanbcsverwaltung und den Werken der Frömmigkeit geteilt zu haben. 8. Die Klöster im Wittelatter als Kulturstätten. Gustav Freytag. Bilder aus der deutschen Vergangenheit. 1. Band. 7. Aufl. Leipzig 1872. Neben dem Geiste der Zerstörung, der feit dem Untergange des weströmischen Reiches in dem gesamten Abenblanbe zur Herrschaft gelangt war, Bilder a. d. Gesch. d. deutschen Volkes. I. 23

10. Bilder aus dem Deutschen Reiche - S. 522

1890 - Gotha : Behrend
522 Bilder aus der norddeutschen Tiefebene. aber die ungewohnte Weise stößt nicht ab, sie heimelt uns an. Ihre Sprache hat keine Ähnlichkeit mit den in ihrer nächsten Umgebung ge- sprochenen: der deutschen und slavischeu; sie erinnert wegen ihrer vollen Wortsormen in ihrem Klange so auffallend an das Griechische, daß man bei einer litauischen Predigt sich ebenso unnütz als nnabgesetzt abmüht, sie zu verstehen, weil man meint, der Redner spreche griechisch. Es giebt Menschen, die lieben Freunden und Verwandten so ähnlich sind, daß man sie unaufhörlich ansehen muß, obgleich man sich sagt, sie sind's nicht! Ähnlich ergeht es uns mit der litauischen Sprache. Der mild-melodische Klang, noch mehr das Gemütsleben, das sie offen- bart, macht sie uns lieb und wert. So drückt sie die Seeleneinheit der Gatten dadurch aus, daß sie für Gattin die weibliche Form des Wortes „selbst" (pati) verwendet und also der Mann sein Weib „mein selbst" nennt. Dagegen braucht der Bräutigam der Braut gegenüber niemals den Ausdruck „der Liebste" (metulis) oder „Bräutigam" (jannekis), sondern er nennt sich nie anders als „Knechtlein" (bern- glis), wie es denn früher Sitte war, daß ein Jüngling, der um ein Mädchen warb, sich bei den Eltern desselben auf längere Zeit als Knecht vermietete. Eine folche Sprache ist ganz besonders für das Volkslied geeignet, welches hier seit alter Zeit heimisch gewesen ist. Mädchen, Jungfrauen untereinander oder auch Jünglinge und Mädchen singen bei ihren fest- lichen Zusammenkünften Wechselgesänge aus dem Stegreife; wo eines aufhört, knüpft das andere an, und fast immer sind die Bilder aus der sie umgebenden Natur genommen. Möge ein Wechselgesang hier Platz finden, freilich in einer Übersetzung, die dem Original an Wohl- laut und Innigkeit nicht gleichkommt. Sie. S i e. mich aus dem Hause, daß ich späh' nach Wintermai und Sommerschnee. Ich treff' sie nicht, wer sagt mir an, wo ich die beiden finden kann? Ich schweife ohne Frieden in Flur und Wald umher, mir armen Kummermilden sind Herz und Füße schwer. Stiefmutter trieb im Zorn mit Worten spitz wie Dorn O du bist unbescheiden! Und doch — der Ring sei dein, kannst du von meinen Leiden daheim mich nur befrein. Da, nimm mein goldnes Ringelein, ich will von Herzen hold dir sein, hilf nur, daß ich nach Hause geh' mit Wintermai und Sommerschnee. Du sollst sie beide haben, du liebes, trautes Kind, sei nur für diese Gaben mir mild und hold gesinnt. Gieb mir dein goldnes Ringelein, versprich, daß du mir hold willst sein, und alsbald ich dann mit dir geh' nach Wintermai und Sommerschnee. So komm, du trautes Leben, komm mit zum Tannenhain. Da werde ich dir geben ein grünes Zweigelein, das gieb der Mutter froh und frei, denn Tannengrün ist Wintermai. Dann laß uns weiter ziehen zum wellenreichen Strand, laß da die Wellen fliehen durch deine ros'ge Hand und nimm den weichen Gischt der See, denn Meeresschaum ist Sommerschnee.
   bis 10 von 12 weiter»  »»
12 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 12 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 0
1 3
2 0
3 0
4 0
5 2
6 0
7 0
8 0
9 1
10 1
11 0
12 0
13 0
14 0
15 0
16 0
17 0
18 0
19 0
20 0
21 0
22 0
23 0
24 0
25 0
26 0
27 0
28 0
29 0
30 0
31 0
32 0
33 5
34 0
35 0
36 0
37 5
38 0
39 0
40 0
41 0
42 0
43 1
44 0
45 10
46 1
47 0
48 0
49 0

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 18
1 68
2 8
3 46
4 155
5 19
6 23
7 20
8 28
9 54
10 21
11 53
12 13
13 18
14 15
15 8
16 85
17 219
18 23
19 81
20 21
21 56
22 9
23 150
24 4
25 10
26 14
27 8
28 35
29 21
30 2
31 10
32 12
33 13
34 14
35 12
36 27
37 23
38 39
39 141
40 26
41 43
42 26
43 44
44 19
45 68
46 23
47 6
48 24
49 24
50 33
51 30
52 31
53 3
54 60
55 13
56 19
57 12
58 9
59 26
60 11
61 37
62 21
63 5
64 31
65 36
66 15
67 10
68 46
69 22
70 46
71 51
72 30
73 14
74 14
75 36
76 86
77 94
78 16
79 23
80 22
81 1
82 68
83 121
84 19
85 28
86 8
87 69
88 17
89 8
90 9
91 42
92 209
93 19
94 94
95 53
96 20
97 15
98 96
99 17

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 9
1 0
2 0
3 5
4 1
5 2
6 8
7 4
8 8
9 3
10 3
11 0
12 3
13 2
14 3
15 3
16 4
17 0
18 0
19 5
20 0
21 1
22 10
23 0
24 1
25 5
26 0
27 0
28 2
29 32
30 1
31 2
32 0
33 24
34 1
35 1
36 0
37 4
38 2
39 1
40 3
41 6
42 1
43 7
44 1
45 1
46 1
47 1
48 0
49 3
50 3
51 14
52 5
53 0
54 23
55 1
56 0
57 1
58 3
59 28
60 0
61 6
62 6
63 2
64 3
65 3
66 1
67 0
68 0
69 0
70 1
71 3
72 6
73 2
74 17
75 4
76 0
77 1
78 3
79 2
80 2
81 91
82 28
83 1
84 1
85 3
86 1
87 0
88 2
89 2
90 0
91 30
92 0
93 1
94 1
95 0
96 8
97 1
98 0
99 3
100 16
101 0
102 10
103 3
104 0
105 3
106 5
107 0
108 6
109 1
110 3
111 8
112 5
113 1
114 0
115 14
116 5
117 0
118 1
119 0
120 4
121 2
122 2
123 8
124 0
125 3
126 1
127 10
128 1
129 0
130 3
131 9
132 1
133 2
134 0
135 0
136 148
137 0
138 2
139 2
140 1
141 0
142 3
143 2
144 2
145 9
146 0
147 3
148 6
149 1
150 2
151 5
152 7
153 0
154 13
155 6
156 1
157 5
158 2
159 2
160 2
161 5
162 1
163 0
164 2
165 22
166 18
167 7
168 1
169 1
170 0
171 4
172 146
173 72
174 4
175 25
176 1
177 5
178 0
179 7
180 0
181 1
182 3
183 62
184 0
185 0
186 0
187 2
188 1
189 0
190 7
191 1
192 2
193 0
194 6
195 0
196 12
197 6
198 1
199 21