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1. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 83

1899 - Gera : Hofmann
✓ — 83 — andere wilde Tiere wurden durch Hunger, Peitschenknallen, Verwundung durch Fackeln oder Stacheln zur Wut gereizt und auf den Fechter zu einem Kampfe auf Leben und Tod losgelassen. Das gegenseitige Zer- fleischen von Mensch und Tier war Augenweide für das entartete Volk. Je mehr Blut floß und je mehr Tiere und Menschen fielen, — oft viele hundert —, desto gelungener war das Schauspiel! Unter den prächtigen Marktplätzen zeichnete sich der Tr ajan s mit einer Ehrensäule aus, die mit allerlei Bildwerk und Inschriften bedeckt war. Den Kaisern Titus und Konstantin wurden später schöne Triumphbogen errichtet (vergl. Abb. 81). Sehr ge- schickt und dauerhaft waren die Heer- straßen angelegt. Sie gingen von dem goldenen Meilensteine auf dem Forum Romanum aus und liefen nach allen Teilen des weiten Reiches. Großartig waren die Wasser- leitungen, prachtvoll und vielbenutzt die öffentlichen Badehäuser. Alle diese Bauwerke finden sich noch heute in Rom entweder in Trümmern oder in veränderter Benutzung. Neben dem unsinnigsten Luxus der Reichen in Rom seufzte das Elend der zahlreichen Armen. Die Sitten verfielen immer mehr. Die Götter wurden verlacht, die Ehen gebrochen, das Familienleben zerstört, die ehrliche Arbeit verachtet, die unsinnigsten Schwelgereien getrieben, Mitleid und Erbarmen gegen Unglückliche vergessen und täglich neuen Vergnügen nachgelaufen. Ein Dichter seufzte angesichts dieser Sittenverderbnis: „Es ist schwer, kein Spottgedicht zu schreiben!" 3. Seine kluge Regierung. Der Wille eines Einzigen lenkte die ungeheure Staatsmaschine. Aber klug ließ er die Republik zum Schein fortbestehen und begnügte sich, alle höheren Ämter in seiner Person zu vereinigen und sie sich jährlich erneuern zu lassen. Dem ruhebedürftigen Volke gab er Brot und Spiele. Den Erpressungen der Beamten wehrte er und führte feste Gehälter ein. Künste und Wissenschaften wurden besonders von seinem hochgebildeten Freunde Mäcenas gefördert. Vir- gilius dichtete die Änöide, Horatius seine Oden, Ovidius die Meta- morphosen und Phädrus seine Fabeln. Man nennt diese Zeit das Augusteische oder goldene Zeitalter der Litteratur. Das glückliche Volk nannte Augustus den „Vater des Vaterlandes". Seinen Nachfolgern rief man zu: „Sei glücklicher als Augustus und besser als Trajan!" Mon der römischen Schrift. Griechen und Römer schrieben auf Wachstafeln und Papyrusrollen, in den Zeiten nach Christi Geburt auch 6*

2. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 328

1899 - Gera : Hofmann
828 Immer bedeutsamer wurde die Stellung der Frauen am Anfänge dieses Jahrhunderts. Ihre Teilnahme am öffentlichen Leben und ihr Einfluß auf die Litteratur und die Volkswohlfahrt wuchsen von Jahr zu Jahr. In den Befreiungskriegen brachten sie begeistert die größten Opfer. Preußische Prinzessinnen erließen am 1. April 1813 einen Aufruf an die Frauen aller Stände, worin sie zur Mitarbeit an der Rettung des Vaterlandes aufforderten durch regelmäßige Gaben an Geld, Schmucksachen, Verbandstoffen, Wollen- und Leinenzeugen, durch Pflege der Verwundeten, Erquickung der Kämpfer u. s. w. Der Erfolg war ein großartiger, der Anteil der Frauen an der Befreiung des Vaterlandes ein reich gesegneter. Als Schutzgeist begleitete die Freiheitskämpfer das Bild der verklärten Königin Luise. Die arme, aber edelgesinnte Ferdinande von Schmettau opferte ihr reiches, schönes Lockenhaar auf dem Altar des Vaterlandes. Hofrat Heun ließ daraus Uhrbänder und Ringe Herstellen und löste dafür 3600 Mark. Eleonore Prohaska, die Heldenjungfrau, trat als „Jäger August Renz" in das Lützow'sche Freikorps, focht und fiel als Heldin in dem Gefechte an der Göhrde in Hannover. Glücklicher war die Mecklenburgerin Friederike Krüger. Sie brachte es im Aork'schen Korps zum Unteroffizier und kehrte, mit dem eisernen Kreuze und einem russischen Orden geschmückt, heim. Johanna Stegen half das Gefecht bei Lüneburg siegreich entscheiden, indem sie den Preußen, die sich schon zurückziehen wollten, aus einem umgestürzten französischen Munitionswagen im Kugelregen Patronen in der Schürze zutrug. Begeistert pries ein Rück er t den Opfermut der deutschen Frauen. Die Dichtkunst in ihrer schönsten Blütezeit haben deutsche Frauen wesentlich beeinflußt. Es braucht bloß erinnert zu werden an Goethes Mutter, die Frau Rat, an Schillers Gattin Charlotte von Lengefeld, an die Herzogin Amalie von Weimar und an die herrlichen Frauen- gestalten, die Goethe und Schiller in ihren Meisterwerken gezeichnet haben. Auch um die Volkswohlfahrt erwarben sich Frauen die größten Verdienste. Luise Scheppler, die treue Dienstmagd des Pfarrers Ob erlin im Stei nthale, führte zuerst den Gedanken der Kleinkinder- Bewahranstalten aus. Weitere Verbreitung erhielten diese wohlthätigen Anstalten durch die edle Fürstin Pauline von Lippe-Detmold. Als Gründerin der so segensreichen Frauenvereine muß Amalie Sieveking in Hamburg angesehen werden. Sie gründete in der Cholerazeit den Frauenverein „Tabea" für Armen- und Krankenpflege, der viel Elend gelindert hat. Auf ihren Wunsch wurde sie, wie ihre lieben Armen, in einem Sarge mit flachem Teckel begraben. Das Glück und Behagen des häuslichen Lebens hing haupt- sächlich von den Frauen ab. Sie entschieden über die innere Einrichtung des Hauses. Viel Porzellan, Zinngeschirr, Betten und Leinenzeug war ihr Stolz. Speise und Trank bereiteten sie selbst. Kaffee wurde der beliebte Früh- und Nachmittagstrunk. Immer rührten sie die fleißigen Hände, strickten, nähten, sotten Seife, gossen Lichte, schlissen Federn, spannen am Rade und besuchten sich in Spinustuben.

3. Geschichtsbilder aus der allgemeinen und vaterländischen Geschichte - S. 271

1899 - Gera : Hofmann
271 An allen künstlerischen Schöpfungen nahm sie den lebhaftesten Anteil. Von den Dichtern liebte sie besonders die Franzosen Racine, Corneille und Moliöre. Die damaligen geistlosen deutschen Reimereien konnten einen so lebhaften, feinen Geist nicht fesseln. Ihre geistvollen Briefe sind in einem vorzüglichen Französisch geschrieben, die meisten und besten an Leibniz und ihre Freundin Fräulein von Pöllnitz. Der letzteren schrieb sie einmal: „Ich will lieber, daß Sie an meinem Verstände, als daß Sie an meiner Freundschaft zweifeln." Besondere Liebe und Sorgfalt verwandte sie auf die Erziehung ihres Sohnes, der später als König Friedrich Wilhelm 1. den Thron bestieg. Als Erzieherin wählte sie die feingebildete französische Prote- stantin Frau von Rocoule, die dann auch den großen Friedrich erzogen hat. Der Sohn war beiden Eltern unähnlich und ließ sich wenig beeinflussen. Er war eine tüchtige, eigenartige Natur, aber maßlos heftig und eigensinnig. Auch die beste der Mütter konnte seine starre Eigenart nicht beugen. Er ärgerte sich über seine zarte Gesichtsfarbe, rieb deshalb das Gesicht mit einer Speckschwarte ein und legte sich in die Sonne, um braun zu brennen. Eine Schnalle verschluckte er, um sie nicht herzugeben. Er drohte sich aus dem Fenster zu stürzen, als seine Erzieherin ihm nicht den Willen that. Der so ganz anders ge- artete und doch geliebte Sohn ging später zu seiner Ausbildung auf Reisen. Mit Weh im Herzen ließ sie ihn ziehen und sah ihn auf Erden nicht wieder. Auf einer Reise nach Hannover zu ihren Eltern erkrankte sie und starb im Alter von 37 Jahren. Die Königskrone hatte sie nur 5 Jahre getragen. Schön und friedlich wie ihr Leben war auch ihr Sterben. Nicht eine Spur von Todesfurcht zeigte sie. Zu der weinen- den Freundin am Sterbelager sagte sie: „Haben Sie denn geglaubt, daß ich unsterblich sei?" Dem Geistlichen sagte sie: „Ich habe 20 Jahre über die letzten Dinge nachgedacht. Ich kenne keine Furcht vor dem Tode und hoffe, mit meinem Gott gut zu stehen!" König Friedrich war untröstlich über den unersetzlichen Verlust und suchte wenigstens in der düstern Pracht der Begräbnisfeierlichkeiten seinem Schmerze Ausdruck zu geben. Sophie Charlotte ist eine von den glücklichen Kronenträgerinnen gewesen, denn sie hat ihren Kreis ausgefüllt und ihre edle Natur rein und voll ausgelebt. 7. Friedrich I. starb gottergeben. Friedrichs Lebensabend war durch häusliche Kümmernisse und durch eine furchtbare Pest in Preußen getrübt. Seine letzte Freude war die Geburt eines Enkels, der bei dem glänzenden Tauffeste den Namen Friedrich erhielt. Die Nachwelt hat diesen den Großen genannt. Auf seinem Totenbette sprach Friedrich I.: „Die Welt ist nur ein Schauspiel, das bald vorübergeht. Wer nichts als dieses hat, ist übel dran." — „Gott ist gewißlich meines Lebens Kraft gewesen von Jugend auf; ich fürchte mich nicht vor dem Tode; denn Gott ist mein Licht und Heil." In einer Anweisung für die Erziehung des Kronprinzen sagt er: „Gleichwie andere Menschen durch Belohnungen und Strafen der höchsten Obrigkeit vom Bösen ab- und zum Guten angeführt

4. Leitfaden der Bayerischen Geschichte für höhere Lehranstalten - S. 64

1908 - Bamberg : Buchner
64 3ur Verfassung?- und Kulwrgeschichte. wie sehr ferner die geistige Kultur geschdigt war, wurde an anderer Stelle (f. Hbjchn. 24) zum Teil schon angedeutet. Das Unwesen der Hexenprozesse, das weite Reich des Aberglaubens stand fester denn je; noch im 18. Jahrhundert wurden in Landshut und Kempten hexen ver-brannt. Das deutsche Nationalbewutsein schwand unter der Kriegsnot und der jahrelangen berschwemmung mit Auslndern. Man gefiel sich in sklavischer Nachahmung alles Fremden, besonders alles Franzsischen, in Sprache, Sitte und Gesellschaftsleben, in Literatur und Kunst. In Menge strmten die Franzosen als (Erzieher, Schauspieler, Kche, percken-ntacher usf. in das Reich, zumal an die Hfe, die eine (Ehre darein setzten, es dem Sonnenknig" an Prunk mglichst gleichzutun; aber auch hhere Stellen wurden gerne mit Auslndern besetzt und auf dem Gebiete des Geschmacks herrschten sie fast unumschrnkt. Es Mu jedoch anerkannt werden, da unter der Leitung der fremden Knstler auch viel bleibend wertvolles entstand. berhaupt schuf die Kultur der hfischen Zeit eine neue gesellschaftliche Bildung bis herab zu den heutigen Tischsitten, sie weckte in den hheren Gesellschaftskreisen den Sinn fr geistige Interessen, sie half die Pedanterie der Gelehrten, wie die Unduldsamkeit der Theologen berwinden, sie modernisierte den deutschen Menschen" (Dberl). Der bayerische Hof folgte der allgemeinen Seitstrmung. Seit der Vermhlung Adelaides von Savoyen mit Ferdinand Maria waren italienische und franzsische Familien in groer Zahl nach Mnchen gekommen. Man wollte glnzen, das Volk zu staunender Bewunderung hinreien, vom Auslnde gepriesen werden. In der Hauptstadt entstand eine italienische per, auf den Wellen des Wrmsees schaukelte der pompse Bucintoro", eine Nachbildung des gleichnamigen venezianischen Staatsschiffes (f. Kbschn. 18). Die ebenso genutzfrohe als geistvolle und kunstbegabte Kurfrstin war die Seele aller dem versailler Hofe abgesehenen Festlichkeiten und Vergngungen. Theater- und Balletauffhrungen, Opern- und Schferspiele, Maskeraden und Feuerwerke, Jagden zu Land und zu Wasser folgten einander in bunter Reihe, hfische Gelegenheitsdichter widmeten sich der Verherrlichung des Frstenpaares; ihre slich-schwlstigen Produkte halten freilich keinen vergleich aus mit den Schpfungen der zeitgenssischen Kunst. Die Anfnge der per, der rchestermusik, des ratoriums gehren in diese Seit; vor allem aber fanden die bildenden Knste eine bemerkenswerte Pflege. Sie standen in der zweiten Hlfte des 17. Jahrhunderts und darber hinaus im Zeichen der Sptrenaissance, des Barock-stils; seine Werke gaben sich in Form und Dekoration gesucht und prunk-haft-berladen, aber wirkungsvoll. (Es gehren hierher der ltere Teil des Nymphenburger Schlosses und die Theatinerkirche mit ihrer berreichen

5. Leitfaden der Bayerischen Geschichte für höhere Lehranstalten - S. 77

1908 - Bamberg : Buchner
Zur frheren Geschichte der frnkischen Lande. 77 Itche Grogrundbesitz. Dieser lie sich die Pflege der Heben angelegen sein, wie das z. B. Erlasse der Wrzburger Bischfe bekunden. Die Ausfuhr von Weinen wurde schon im Mittelalter eifrig betrieben; Bayern und Norddeutschland waren die besten Abnehmer, der Main eine wichtige Verkehrsstrae. Freilich fehlte es auch nicht an verkehrsfeindlichen Verfgungen; zudem zog sich der Anbau allgemach in die Flutler zurck und seit der Skularisation (1803) erstand dem Wein im Bier ein scharfer Nebenbuhler. Der Stiftung des Bistums Barnberg und seiner Bedeutung wurde hier und in anderem Zusammenhange (f. Rbschn. 6) bereits gedacht. Reiche Schenkungen wandte ihm Heinrich Ii. zu, darunter Besitzungen in Bayern und Schwaben, im Elsa, ja selbst in Krnten. Der damals gebaute Dom litt freilich spter durch Feuersbrnste - er stammt in seiner heutigen Gestalt aus dem 13. Jahrhundert und gehrt dem romanischgotischen bergangsstil an. Um die gleiche Seit entstand der Dom zu Idrziwrg, die grte romanische Kathedrale Deutschlands, und auch die Eistercienserklster Ebrach bei Bamberg und Langheim bei Lichtenfels gehen in die Tage der Hohenstaufen zurck. 3m 12. Jahrhundert (1124/25) predigte Bischof (Dtto von Bamberg mit groem Erfolge den Pommern das Christentum. Ein Zeitgenosse Xdillirams von (Ebersberg (s. Abschnitt 9 c) war (Ezzo in Bamberg, ein Geistlicher und Verfasser eines Gedichtes der das Leben und die Wunder Christi. 3n Wrzburg fand um 1230, nach einer spteren berlieferung, der edle Snger Walter von der vogelweide die letzte Ruhe und Konrad von Wrzburg (t 1287) machte sich als ebenso fruchtbarer wie gewandter epischer Dichter einen Namen. 3n Idrzburg versuchte sich die aufstrebende Brgerschaft während des 13. und 14. Jahrhunderts wiederholt von den Bischfen unabhngig zu machen, allerdings ohne Erfolg. Gar manche Familien wanderten daher aus, besonders nach Nrnberg. Ruch hier kam es Mitte des 14. Jahrhunderts zu einer Revolution der Znfte gegen die (Beschlechter; Vertreter der Znfte fanden Aufnahme in den Rat, im ganzen aber behaupteten die Patrizier die Herrschaft. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts blhte die Stadt mchtig empor und wurde bald der hauptplatz fr den sddeutschen Handel; die lvoll- und ederarbeiten, Leinwand, Harnische und lvffen, die zierliche Industrie Nrnbergs wurden vom Ausland eifrig begehrt" (Freytag), seine Handelsverbindungen erstreckten sich in weite Ferne. Rn Feinden fehlte es dem Brgertum nicht (s. o.) und so hielt es sich immer mit den tdffen vertraut; daneben verfgte Nrnberg schon im 14. Jahrhundert der eine stattliche, stets bereite Sldnerschar. 3m 15. und, trotz mancher Einbue infolge der groen Entdeckungen, noch im 16. Jahrhundert stand es auf dem Hhepunkt seiner Entwicklung und Enea Silvio Piccolomini, der nachmalige Papst Pius Ii., spricht 1458 /

6. Deutsche Prosa - S. 142

1900 - Gera : Hofmann
142 Bernhard ten Brink. Bretterwelt hinausdrang. Und auch hier bietet seine Biographie uns charakteristische Zuge, die uns in sein Inneres einen Blick werfen lassen. Vom Jahre 1592 bis zum Jahre 1599 sehen wir den Dichter die Höhe seiner Kunst ersteigen und zugleich in der Kunstwelt und in der Gesellschaft sich eine gesicherte, allgemein anerkannte Stellung erobern. Im ersten Jahrzehnt des siebzehnten Jahrhunderts schafft er dann seine tiefsten, großartigsten Werke. Aber noch bevor er den Höhepunkt erreicht, sehen wir ihn die ersten Schritte thun, um sich für seine späteren Jahre in seiner Geburtsstadt ein ruhiges Heim zu bereiten. Shakspere hatte in London die Heimat und die Seinigen nie aus den Augen verloren; sobald er es vermochte, hatte er die Seinigen an seinem beginnenden Wohlstand teilnehmen lassen, zweifellos auch häufiger sie auf längere oder kürzere Zeit besucht. Bereits i. I. 1597 aber begann er sich in Stratford anzukaufen, den Plan vorzubereiten, den er dann nicht wieder fahren ließ. Und gegen das Jahr 1609 — etwas früher oder später — gelangte der lange gehegte Lieblingsgedanke endlich zur Verwirk- lichung. Der Dichter verließ die Bühne und die Großstadt und zog sich nach seiner stillen Heimat, zu Wald und Wiese, zu Frau und Kindern und Enkelin zurück, um die ihm noch beschiedenen Tage in edler Muße und ruhig beschaulichem Genuß zu verleben. So schloß sich das Ende seines Lebens wieder dem Anfang an zur schönen Voll- endung des Kreislaufes. Shaksperes Leben, mit dem seiner dramatischen Zeitgenossen ver- glichen, ist ebenso singulär, wie seine Werke sich unter den ihrigen ausnehmen. Der einzige unter ihnen, der keine akademische Erziehung genossen, der in einfachen Verhältnissen, in vertrautem Verkehr mit der Natur groß geworden, seine Bildung mehr dem Leben als der Schule ver- dankte. Früher als einer von den andern hatte Shakspere seine Zu- kunft gestaltet in einer Weise, die nichts Großes für ihn erhoffen ließ. Aber das, woran ein anderer zu Grunde gegangen wäre, wurde ihm nur ein Sporn, ein neues Lebensblatt mit frischem Mut zu beginnen. Enger als irgend einer seiner dramatischen Nebenbuhler schloß Shakspere sich in London dem Bühnenleben an. Aber weit entfernt, in dem lockeren Getriebe, wie so viele andere, an Seele und Leib zu Grunde zu gehen, erwuchs er zum Mann, zum Künstler und Dichter, zur geistigen und auch zur materiellen Selbständigkeit und Unabhängig- keit. — Wohlhabend, angesehen, berühmt, verließ er dann in der Kraft seiner Jahre das Theater und die Großstadt, um als Landedelmann in der Heimat seine Tage zu beschließen.

7. Deutsche Prosa - S. 132

1900 - Gera : Hofmann
132 Bernhard ten Brink. als unerklärter Rest übrig? — Nehmen wir Goethe, der uns zeitlich so nahe steht, über dessen Leben so reichliche Kunde fließt, Goethe, der sich selber herbeigelassen hat, uns über seine Entwickelung zu berichten, und der uns in „Dichtung und Wahrheit" ein Werk geschenkt hat, das Wilhelm Scherer einmal als „die Kausalerklärung der Genialität" be- zeichnet hat. „Kausalerklärung der Genialität" — wenn man hier wenigstens nur von einer „Kausalerklärung dieses besonderen Genius" reden könnte! — Aber finden wir diese in „Dichtung und Wahrheit"? Erfahren wir daraus irgendwo, wie Goethes Genie entstanden ist? — Nein, höchstens eine Reihe von Bedingungen lernen wir kennen, unter denen dieses Genie sich in bestimmter Richtung entwickelt hat! — Das ist alles — das eigentliche Ur- und Grundgeheimnis bleibt unauf- geklärt. Und so werden wir auch bezüglich Shaksperes unsere An- sprüche nicht zu hoch schrauben dürfen. Alles, was wir zu erreichen hoffen können, wird dieses sein: die Erkenntnis, daß die innere Ent- wicklung des Dichters, wie sie sich aus seinen Werken erschließen läßt, sich mit dem, was wir vom Leben des historischen Shakspere wissen, wohl verträgt, ja in manchen Umstünden dieses Lebens entschiedene Förderung gefunden haben muß. Bei dem Versuch, dies zu zeigen, werde ich Ihnen natürlich nicht die Biographie des Dichters von neuem vorerzählen; ich werde daraus vielmehr nur die Momente hervorheben, die für unseren Zweck von Bedeutung sind. William Shakspere war der älteste Sohn und das erste am Leben gebliebene Kind seiner Eltern, wurde daher von ihnen ohne Zweifel mit besonderer Liebe und Sorgfalt gepflegt. Er erwuchs in einem Hanse, wo auf der Grundlage ehrenhafter Arbeit ein behaglicher Wohlstand sich entwickelt hatte, und das sich in der Stadt Stratford eines hohen Ansehens erfreut haben muß. Sein Vater, John Shak- spere, zugleich Landwirt und Geschäftsmann, eine in derartigen Land- städten häufige Kombination, war von Michaelis 1568 bis Michaelis 1569 high bailiff, erster Amtmann in Stratford. Im September 1571 wiederum wurde er zum ersten Aldermann erwählt. Seine Mutter, Mary Arden, gehörte einer der angesehensten Familien der Grafschaft Warwick an, die sich entschieden zu der Gentry rechnen durfte. Shakspere erwuchs in einfachen, ziemlich primitiven Verhältnissen; bei seinen Eltern fand er keine höhere geistige Bildung. Auf der grammar-school seiner Vaterstadt, die er nach dem durchaus glaub- haften Zeugnis eines seiner ältesten Biographen besuchte, wird er in die Kenntnis des Lateins, in die Elemente der Logik und Rhetorik und so noch in manches andere eingeführt worden sein. Das meiste von dem, was er sich in derartigen Dingen erwarb, wird er sich späterhin als Autodidakt erworben haben. Und während

8. Deutsche Prosa - S. 162

1900 - Gera : Hofmann
162 Marie von Ebner-Eschenbach. gewendet, das Gemüt. Und bei aller scheinbaren Einfalt und Kunst- losigkeit ist er ein Denker und Dichter." Unter den lebenden Schriftstellern und Poeten wies Luise von Francois Konrad Ferdinand Meyer den ersten Rang an. Parteiisch aber machte ihre Freundschaft für ihn sie nicht. Eher zu streng ab- sprechend als zu milde, sind ihre Urteile über einzelne Novellen und Gedichte des Meisters. Es wurde mir vergönnt, in die Briefe, die er an die Verehrte schrieb, einen Einblick thun zu dürfen. Sie geben Zeugnis von der edlen Bescheidenheit des hochgefeierten Mannes, der wenig bekannten Schriftstellerin gegenüber. Vertrauensvoll teilt er ihr seine Pläne zu neuen Arbeiten mit und erbittet ihren Rat. Ihre Meinung ist ihm immer wichtig, wenn er auch manchmal widerspricht. Die Empfängerin verzeichnet das Eintreffen eines jeden dieser reich- haltigen Freundesbriefe in ihr Tagebuch, jeder einzelne hat sie erquickt und ihre Gedanken lange und lebhaft beschäftigt. Je mehr Luise von Francois in Jahren fortschreitet, desto un- litterarischer werden ihre Aufzeichnungen. Auf ihre schriftstellerische Thätigkeit wirft sie kaum noch einen Blick zurück. Die Schriftstellerin ist untergegangen in der aufopfernden Wohlthäterin der Armen, der treuen Freundin, der warmherzigen, fürsorglichen Verwandten. Am häufigsten und liebevollsten spricht sie in ihren Tagebüchern und Briefen von ihrem kleinen Neffen Leo. Sie teilt sich mit seiner Mutter in die Pflege des „Stümperchens;" jedes geringste Ereignis in seinem Kinderleben ist ihr von Bedeutung, sein Fortschreiten, sein Gedeihen ihr tiefstes Glück. Aus den Briefen der letzten Jahre spricht oft eine große ^ Müdig- keit und Sehnsucht nach Ruhe. Als ich ihr im Sommer den Tod eines mir sehr teuren Freundes anzeigte, schrieb sie: „Die wahr- haftige Liebe wünscht keinem ihrer Eigensten, nein, keinem Menschen die Dauer oder auch nur den Beginn unheilbarer Altersgebrechen." Und später: „Ich lebe noch — ich spaziere oder richtiger, schleiche von Bank zu Bauk, bei gutem Wetter ein Stündchen fast alle Tage, bin nicht eigentlich krank, nur altersmatt, das Augenlicht schwach. Vor einiger Zeit kam mein Landsmann und gütiger Freund, Geheim- rat Graefe aus Halle, zu mir, um meine Augen zu untersuchen und mir zu einer Operation des rechten, längst starreifen zuzureden; solange ich aber auf dem linken noch einen sehr schätzbaren Schimmer habe, denke ich nicht an eine Operation. Ich stehe ja im siebenundsiebzigsten Jahr! Meine Nichte, das gute Gretchen, „das Engelchen", wie ihre Bekannten sie nennen, war ein paar Wochen bei mir. Sie wollte mich zu sich holen nach Wiesbaden, mußte aber allein wieder abreisen."

9. Deutsche Prosa - S. 225

1900 - Gera : Hofmann
Erinnerungen. 225 treten, verhältnismäßig geringes Gewicht legten, im Vergleich zu anderen, die ihnen schwer wurden, die aber den Lesern und Beschauern viel weniger gelungen erscheinen. Ich erinnere nur an Goethe, der nach Eck er m ann s Bericht einmal geäußert hat, seine dichterischen Werke schätze er nicht so hoch, wie das, was er in der Farbenlehre geleistet. Soll ich nun Ihren Versicherungen und den Urhebern der an mich gelangten Adressen Glauben schenken, so mag es mir — wenn auch in bescheidenerem Maße — ähnlich gegangen sein. Erlauben Sie mir also, Ihnen kurz zu berichten, wie ich in meine Arbeitsrichtung hineingekommen bin. In meinen ersten sieben Lebensjahren war ich ein kränklicher Knabe, lange an das Zimmer, oft genug an das Bett gefesselt, aber mit lebhaftem Triebe nach Unterhaltung und nach Thätigkeit. Die Eltern haben sich viel mit mir beschäftigt; Bilderbücher und Spiel, haupt- sächlich mit Bauhölzchen halfen mir sonst die Zeit ausfüllen. Dazu kam ziemlich früh auch das Lesen, was natürlich den Kreis meiner Unterhaltungsmittel sehr erweiterte. Aber wohl ebenso früh zeigte sich auch ein Mangel meiner geistigen Anlage darin, daß ich ein schwaches Gedächtnis für unzusammenhängende Dinge hatte. Als erstes Zeichen davon betrachtete ich die Schwierigkeit, deren ich mich noch deutlich entsinne, rechts und links zu unterscheiden; später, als ich in der Schule an die Sprachen kam, wurde es mir schwerer als anderen, die Vokabeln, die unregelmäßigen Formen der Grammatik, die eigentümlichen Rede- wendungen mir einzuprägen. Der Geschichte vollends, wie sie uns damals gelehrt wurde, wußte ich kaum Herr zu werden. Stücke in Prosa auswendig zu lernen, war mir eine Marter. Dieser Mangel ist natürlich nur gewachsen und eine Plage meines Alters geworden. Wenn ich aber kleine mnemotechnische Hilfsmittel hatte, auch nur solche, wie sie das Metrum und der Reim in Gedichten geben, ging das Auswendiglernen und das Behalten des Gelernten schon viel besser. Gedichte von großen Meistern behielt ich sehr leicht, etwas gekünstelte Verse von Meistern zweiten Ranges lange nicht so gut. Ich denke, das wird wohl von dem natürlichen Fluß der Gedanken in den guten Gedichten abhängig gewesen sein, und bin geneigt, in diesem Verhält- nis eine wesentliche Wurzel ästhetischer Schönheit zu suchen. In den oberen Gymnasialklassen konnte ich einige Gesänge der Odyssee, ziemlich viele Oden des Horaz und große Schätze deutscher Poesie recitieren. In dieser Richtung befand ich mich also ganz in der Lage unserer ältesten Vorfahren, welche noch nicht schreiben konnten und deshalb ihre Gesetze und ihre Geschichte in Versen fixierten, um sie auswendig zu lernen. Was dem Menschen leicht wird, pflegt er gern zu thun; so war ich denn zunächst auch ein großer Bewunderer der Poesie. Die Neigung M. Henschke, Deutsche Prosa. 15

10. Altdeutsches Lesebuch - S. 160

1905 - Bamberg : Buchner
160 behalten kau mit werdekeit, dag ist ein niitzin arbeit. — guotiu wip, hänt die sin, 1225 deste werder ich in bin, op mir decheiniu guotes gan, sit ich dig maer’ volsprochen hän. ist dag durch ein wip geschehen, diu mnog mir siieger werte jehen. 1230 Der hat sein Leben wohl bestellt. — Mich dünkt, daß Frau'n von echtem Sinn Ich fortan um so werter bin, Wenn eine gütig zu mir spricht, Weil ich vollendet dies Gedicht. Geschah das einer Frau zu Ehren, Soll sic mir holden Dank gewähren. (Wilhelm Hertz.) Gottfried von Strahtmrg, der Meister der Form unter den höfischen Epikern, dichtete um 1210 nach einem Werk des Touvères Thomas von Britanje das Epos von Tristan und Isolde. König Riwalin von Parmenien entführt Blanscheflur, die Schwester des Königs Marke von Kornwall; bald fällt er im Kampf und Blanscheflur stirbt bei der Geburt Tristans. Des verwaisten Knaben nehmen sich der ge- treue Marschall Rual und seine Frau wie eines eigenen Kindes an; so erhält der elternlose Königssohn, den sie nach seinem traurigen Geschick Tristan*) taufen, ritterliche Erziehung. Nu dag dag kint getoufet wart, nach kristenlichem site he wart, diu tugenderiche marschalkin nam aber ir liebeg kindelin in ir vil heinliche pflege: 2045 si weite wiggen alle wege und sehen, ob ime sin Sache stüende ze gemache. sin süegiu muoter leite an in mit also siiegem flige ir sin, 2050 dag si im des niht en gunde, dag er ze keiner stunde unsanfte nider getraete. Nu si dag mit im haete [2055 getriben unz an sin sibende jär, dag er wol rede und euch gebär *) „so nennen wir in Tristan.“ und von der äventiure nu heilet triste triure (Trauer), so was dag kint Tristan genant. (1999) 2041 nu dag, als nun. 2042 bewarn, bewahren, besorgen, behüten, versehen (nüt dem Sakrament der Taufe). 2044 aber, abermals, wieder. 2045 licinlieh, — heim(e)lich, eigentl. heimisch, dann heimlich, hier traut, liebevoll. 2048 der u. dag geuiaeb, Ruhe, Behagen, Bequemlichkeit. 2049 leite — legete. 2053 nider ge- traue, aufträte. 2056 der gebär, Gebaren, Benehmen.
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