Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Sagen - S. 9

1912 - Berlin : Oehmigke
9 Nun hatte er aber seinen weiten Chormantel um, der bis unten hinab zugeknöpft war. Darunter fing sich sogleich der Wind und hemmte den Fall. Er schwebte wohlbehalten und unversehrt mitten auf den Markt hinab, wo er zur größten Ver- wunderung der Käufer und Verkäufer ankam. Ob er dann seinen Gefährten ihren Anteil am Gewinn gegeben hat, weiß man nicht; sie mögen aber auch wohl nicht mehr danach ver- langt haben. Wilhelm Schwartz (Sagen der Mark Brandenburg). 8. Sagen vom Slandbilde des Großen Kurfürsten. Wenn man das Standbild des Großen Kurfürsten auf der Langen Brücke genau betrachtet, so soll es einem vorkommen, als habe der Kurfürst vor sich ein Kind sitzen. Darüber erzählt die Sage: Als der Große Kurfürst regierte, war ein gewaltiger Religions- krieg, in dem das Morden kein Ende hatte, so daß selbst oft die Kinder in der Wiege nicht geschont wurden. Nun kam der Große Kurfürst einmal durch ein brennendes, von seinen Bewohnern verlassenes Dorf und fand in einem Hause ein Kind in der Wiege; das Kind lachte ihn freundlich an. Voll Mitleid nahm der Kur- fürst es auf, setzte es zu sich aufs Pferd und befahl, daß man auf- hören solle mit Morden. — Einige behaupten aber, das sei nicht in jenem Kriege, sondern am Tage der Fehrbelliner Schlacht gewesen. Da habe der Kurfürst irr einem von den Leuten ver- lassenen Dorfe, durch das er gekommen, das Kind weinend vor einer Hütte gefunden und mit sich aufs Pferd genommen. Dar- um habe ihn auch in der Schlacht keine Kugel getroffen; jenes Kind sei sein Schutzgeist gewesen. Das Standbild hat aber noch ein anderes Merkmal, das nicht jeder weiß. Das Pferd des Großen Kurfürsten hat keine Hufeisen. Die hatte der Meister, der das Standbild gegossen hat, angeblich vergessen, rrnd als er es nachträglich bemerkte, soll er sich deshalb von der Brücke in die Spree gestürzt haben. In der Neujahrsnacht übrigens, hieß es immer, dreht sich der Große Kurfürst in der Mitternachtsstunde auf seinem Posta- rnent um. Wilhelm Schwartz (Sagen der Mark Brandenburg).

2. Sagen - S. 18

1912 - Berlin : Oehmigke
18 gangen und dadurch vor der Übrigen Schicksal bewahrt worden. Als sie zurückkehrte und an Stelle des Dorfes einen vom Winde gekräuselten See erblickte, glaubte sie, sich verirrt zu haben, und durchkreuzte die Gegend nach allen Richtungen hin, bis sie einen alten Mann traf, der mit ihr ging und bestätigte, daß hier kein Irrtum möglich, sondern das Dorf in die Tiefe gefunken sei. Wehklagend fiel sie auf dem danebenliegenden Hügel nieder. — Als die bl aß gelben Lichtstrahlen der aufgehenden Sonne über ihr Antlitz huschten, war es kalt wie Morgentau, und die sonst purpurnen Lippen waren fahl wie Nebelstreifen. Die naheliegenden Anwohner holten sie zur Bestattung. Da bemerkte man an der Stelle, wo sie gesessen und geweint hatte klares Wasser aus dem Berghang sickern und sich schließlich als kleine München durch den tiefen Sand mühsam dem See zu- arbeiten. Das waren ihre Tränen, die der Berg zurückgab und noch gibt; denn noch jetzt schleichen im Hochsommer wie im Winter verstohlene Tropfen über die sandige Wegstraße. Später wollte man zu verschiedenen Malen Menschen- stimmen unter dem Wasser gehört haben; aber immer noch war keine bestimmte Nachricht zu erhalten, bis sich eines Tages fol- gender Fall ereignete: Zwei Fischern, die mit dem Ziehnetz (sackartiges Netz mit zwei langen Seitenwänden) am Vormittag zu derselben Stunde, da man den Wanderer aus dem Dorfe getrieben hatte, dort fischen, bleibt plötzlich das Netz festsitzen, und alle Bemühungen, es weiter zu schaffen, bleiben vergeblich. Darüber ärgerlich, fängt der eine an zu fluchen. Kaum aber hat er einige Worte gesprochen, als ihnen ein verworrenes Geschrei, ähnlich, wie wenn Kinder einen Betrunkenen verhöhnen, entgegentönt; auch bemerken sie int Sack des Netzes ein furchtbares Hin und Her, so daß die Zugleinen zittern. Dann wird alles still, und das Netz läßt sich federleicht an das Ufer ziehen, enthält aber zu ihrem größten Erstaunen keinen einzigen Fisch. Später soll der See lange unbefischt geblieben sein, was den späteren Pächtern nicht unangenehm gewesen ist. An dem Ufer nach Westen zu hat man Torf gestochen und viele menschliche Skelette gefunden, was diese Sage wohl noch befestigt hat. Gustav Stimming („Der Bär").

3. Sagen - S. 49

1912 - Berlin : Oehmigke
49 40. Rotmützeken. Bei einem Reetzer Fischer im Oderbruch vermietete sich einst ein Knecht, der immer eine rote Mütze trug, weshalb er im Dorf „Rotmützeken" genannt wurde. Alle Sonntage, wenn die andern Leute zur Kirche gingen, stieg er auf den Stallboden, wo allerlei kleine Männer, die „Unnererdschken", zu ihm kamen und Spiel und Lärm und lautes Lachen mit ihm vollführten. Wenn dann die Hausleute aus der Kirche zurückkehrten, kam „Rotmützeken" wieder vom Stallboden herunter und war munter und guter Dinge. Das dauerte eine ganze Zeit, wohl über Jahr und Tag. Eines Sonntags, es war am Sonntag nach Weihnachten, stieg er auch wieder auf den Stallboden, während die andern zur Kirche waren, und das Lärmen und Poltern und Lachen nahm wieder feinen Anfang wie früher, nur viel wilder und lauter. So ging es wohl eine Stunde. Als aber der Prediger auf der Kanzel eben Amen gesagt hatte, da gab es einen Knall, der die Kirche und alle Häuser im Dorf erschütterte, und als die Leute nach Hause stürzten, fanden sie die Stallbodentür weit auf die Straße geschleudert, Rotmützeken aber an einem Kreuz- balken erhängt. Sie begruben ihn in einer Ecke des Kirchhofs. Er hatte aber nicht Ruh im Grabe. Immer in der Sonntags- nacht nach Weihnachten erschien er auf dem Kirchhof, und die Hirten, die damals (wo im Sommer das Bruch unter Wasser stand) oft noch um die Weihnachtszeit ihr Vieh auf die Weide trieben, sahen ihn dann, wie er auf dem bretternen Kirchhofs- zaun saß und mit dem Kopfe schüttelte. Er war dürr wie ein Skelett; aber er trug immer noch die rote Mütze. Daran hatten sie auch erkannt, daß es kein anderer sein konnte als „Rotmützeken". Theodor Fontane (Oderland). 41. Gründung des Klosters Lehnin. 1. Dem Markgrafen Otto, dem Sohn Albrechts des Bären, diente Wußo. Der war früher ein wilder Heide gewesen und hatte gedürstet nach dem Blute der Fremden, die eine fremde Sitte und einen fremden Gott in das Land seiner Väter ein- führen wollten. Einst war er mit dem Markgrafen in der Um- gebung Brandenburgs zur Jagd ausgeritten, und sie waren in. No hl. Unsere Mark Brandenburg. I. Teil. 4

4. Sagen - S. 102

1912 - Berlin : Oehmigke
102 nehmen, und noch heute trägt der Schloßherr eifrigst für die Er- haltung der zahlreichen, schönen Ringelnattern Sorge, die zur Zeit des Sonnenscheins auf Wegen und Beeten des Schloß- parts spielen. August Trinius (Märkische Streifzüge). 78. Die Weiber von Drossen. Die gute Stadt Drossen war in tausend Ängsten. Der beute- gierige und ausschweifende Herzog Hans von Sagan, den sie auch den „bösen Hans" nannten, hatte sie bedroht, weil angeblich einer der Mannen des Herzogs von der Stadt gefangen gehalten wurde. Da aber der Rat von Drossen nicht das geringste von einem solchen Gefangenen wußte, konnte er diesen auch nicht ausliefern und weigerte sich, das verlangte Sühnegeld zu zahlen. Da ritt der Herzog, dem es nur auf einen Vorwand zur Plün- derung ankam, mit einem Haufen Gewappneter gegen die Stadt, und so stark war der Anprall, daß der Rat schon alles preisgeben wollte, um nur das nackte Leben zu retten. Da kam er aber bei den Frauen schön an. Die waren auch zusammengetreten und hatten Beratung gepflogen, und bald eilten alle nach den Stadtmauern, wohin sie große Kessel mit siedendem Brei trugen. „Macht Platz, ihr Männer!" ertönte es aus der Frauen Munde, „wir wollen dem Mordbuben die Hölle heiß machen." Da gossen sie über die Brustwehr der Mauer den zischenden Brei, daß er sich wie Lavaströme über die an- stürmenden Feinde ergoß. Die flohen alle in wilder Hast und mit schrecklichen Wunden bedeckt auseinander, ohne sich weiter um den Herzog zu kümmern. Auch dieser erhielt seinen Lohn mit einem Kübel voll heißen Breis, daß er querfeldein ritt und nie wieder daran dachte, mit der Stadt Drossen in Fehde zu treten. Von jenem Geschehnis soll aber das alte märkische Sprich- wort herrühren: „Der Hans hat sich das Maul verbrannt." Paul Kunzendorf (Sagen der Provinz Brandenburg.) 79. Der Riese von Züllichau. Das Stadtwappen von Züllichau zeigt von altersher einen Riesen auf einer Mauer zwischen zwei Türmen sitzend, der zur Wehr eine Lanze in der Hand hält. Dieses Bild ist gestiftet zur

5. Sagen - S. 91

1912 - Berlin : Oehmigke
91 Priesters freute, der ihm einige Stunden so angenehm verbringen half, sich mit ihm wie mit seinesgleichen unterhielt und so gar nichts von Bekehrungseifer verspüren ließ. Als der Tuchmacher den Ge- fangenen fo weit hatte, daß er sich mit ihm auch von allen möglichen pfiffigen Gaunerstreichen erzählte, brachte er das Gespräch auch einmal auf den Kirchenraub. Der Jude stutzte zwar, ging aber doch darauf ein, verwickelte sich jedoch bald derart, daß der andere ihn lachend fragen konnte, wie er es nur so geschickt angefangen habe, alle Spuren so gut zu verbergen. Da ging der Gefangene wirklich in die Falle und ließ sich abfragen, daß er unterwegs in der Richtung auf Pritzwalk zu von einer großen Angst wegen der Hostie befallen worden sei, und daß er, um sich von dieser Angst zu befreien, die Hostie am Kreuzwege, wo der Galgen steht, vergraben und die Stelle unter dem Galgen mit einem großen Stein zugedeckt habe. Nun führte man den Juden vor das Tor hinaus und räderte ihn. Die Hostie aber wurde unter dem großen Stein an der be- zeichneten Stelle ausgegraben und mit großer Feierlichkeit in die Kirche nach Pritzwalk gebracht. Sie war blutig, und wo sie ge- legen hatte, war das Erdreich auch mit Blut getränkt. Dieses Erd- reich wurde sorgfältig ausgehoben und ebenfalls als ein Heiligtum verwahrt. Nun wandte sich der Pfarrer von Pritzwalk an seinen Bischof Heinrich von Havelberg, daß er seine Kirche bei den Christen als heiligen Ort in Aufnahme bringen sollte; der Bischof zeigte sich jedoch nicht besonders eifrig für die Sache. Da ritt er einmal von seinem Schlosse in Wittstock nach Pritzwalk, denselben Weg, den damals der Jude genommen hatte. Als er in die Nähe des Galgens kam, wurde er plötzlich krank, so daß er von seinem Pferde herab- gehoben werden mußte. Nun geriet er in große Herzensangst; denn daß er gerade an dieser Stelle krank wurde, erkannte er als ein Zeichen Gottes, und er gelobte sofort, das Heiligtum in Pritz- walk zu besuchen, was er bis jetzt zu tun unterlassen hatte. Kaum hatte er dies Gelübde getan, so fühlte er seine Krankheit schwinden. Nun hatte er an sich selber die Wunderkraft des Heiligtums er- fahren und zweifelte nicht länger daran. Tief ergriffen ging er nach derstelle, wo die Hostie gelegen hatte. So wie er daselbst anlangte, umleuchteten ihn himmlische Strahlen, und als er den Blick auf- wärts richtete, sah er den Himmel offen und den Herrn selbst mit seinen himmlischen Heerscharen. Nun rief er, zur Erde nieder-

6. Sagen - S. 37

1912 - Berlin : Oehmigke
37 31. Friedrich Wilhelm l. als Ehestifter, An einem schönen Morgen geht Des Königs strenge Majestät in Potsdams schatt'gen Lindenwegen. Kommt eine Jungfer ihm entgegen, hübsch, artig und vor allem schlank und wie ein Flügelmann so lang. Es heitert sich das Angesicht des Königs, er besinnt sich nicht: „Sie geht nach Potsdam, liebes Kind? Bestelle Sie mir das geschwind!" Und tritt gleich in ein Häuschen hier, verlangt Tint', Feder und Papier, schreibt Order mit höchsteigner Hand, streut dick darauf den märkischen Sand und drückt den preußischen Adler draus und sagt zur Schönen: „Da, nun lauf und gib's in der Kaserne ab !" wobei er ihr 'nert Gulden gab. Das Mädchen hat die Majestät nun erst erkannt, und zweifelnd geht, den Inhalt ahnend, sie zum Tor, und Tränen brechen schon hervor. Da kommt ein zitternd Mütterlein, gekrümmt vom Alter, runzlig, klein, die sagt: „Was ist dir, liebes Kind?" „Ach, Mutter, trage Sie geschwind den Brief da drüben hin nur eben, ich will Ihr gern den Gulden geben." „Den Brief — den Gulden — ei, recht gern!' Und sie geht tapfer zur Kasern! Der Oberst sprach: „Wart' Sie ein wenig!" erbricht den Brief — „Ein Brief vom König!‘ Er pustet von der Schrift den Sand, er liest, was frisch geschrieben stand, liest zweimal, dreimal diesen Brief, worauf er Kriegsrat gleich berief. Denn was stand in dem Schreiben drin?

7. Sagen - S. 63

1912 - Berlin : Oehmigke
63 5. „Hei, Rache, ihr Krämer in Mauer und Pfahl! Nun hütet euch, Bürger von Nauen! Heut geb' ich den Geiern und Krähen ein Mahl, und über euch Grausen und Grauen!" 6. Die Sonne brütet auf Horst und Luch. — Der Quitz und seine Getreuen, sie rächen an Krämern Hader und Trug. — „Heut muß euch der Haß gereuen!" 7. Nun eilet, ihr Bürger, und rettet die Stadt! Schon lecken und lodern die Flammen. Wer Hände zum Helfen und Löschen hat, nun eilet und lauset zusammen! 8. Am Markte hält lachend und höhnend der Quitz. „Ihr Krämer, so nahm ich euch Rache." Er hält geruhig in Sattel und Sitz und schaut, wie der Brand sich entfache. 9. Nun raucht es und qualmt es und quillt's empor, die Flamme leckt gierig und lodert. — „Drum ritt ich voll Rache durch Luch und Moor, weil Friesack in Trümmern vermodert. 10. Verbrannt meine Burg, vertrieben mein Weib, drum auf euch Entsetzen und Grauen! Nun schirmt die Stadt und schützet den Leib, verhaßte Bürger von Nauen!" 11. Die Sonne versinkt im Luch so rot und leuchtet auf rauchende Trümmer. „Wie bracht' ich euch, Krämer, Feuer und Tod! Wie klingt so süß Gewimmer!" 12. Nun reitet der Quitz durch Lanken und Luch, durch wogende Felder und Auen, und hinter ihm Heulen, und hinter ihm Fluch, und um ihn Grausen und Grauen. Wilhelm Kotzde. 50. Purnphut. Pumphut oder Pumpfuß war ein wandernder Müllergeselle von großer Kraft. Wenn Pumphut in den Mühlen vorsprach

8. Sagen - S. 73

1912 - Berlin : Oehmigke
73 da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl, der von Ribbeck sich beide Taschen voll. Und kam in Pantinen ein Junge daher, so rief er: „Junge, Wiste 'ne Beer?" Und kam ein Mädel, so rief er: „Lütt Dirn, kumm man röwer, ick hebb' 'ne Birn." So ging es viele Jahre, bis lobesam der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam. Er fühlte sein Ende, 's war Herbsteszeit; wieder lachten die Birnen weit und breit, da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab; legt mir eine Birne mit ins Grab." Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus, trugen von Ribbeck sie hinaus; alle Bauern und Büdner, mit Feiergesicht sangen: „Jesus, meine Zuversicht," und die Kinder klagten, das Herze schwer: „He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?" So klagten die Kinder. Das war nicht recht; ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht. Der neue freilich, der knausert und spart, hält Park und Birnbaum strenge verwahrt; aber der alte, vorahnend schon und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn, der wußte genau, was damals er tat, als um eine Birn' ins Grab er bat. Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus ein Birnbaumsprößling sproßt heraus. Und die Jahre gehen wohl auf und ab; längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab, und in der goldenen Herbsteszeit leuchtet's wieder weit und breit. Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her, so flüstert's im Baum: „Wist 'ne Beer?" Und kommt ein Mädel, so flüstert's :„Lütt Dirn, kumm man röwer, ick geb' di 'ne Bicn." So spendet Segen noch immer die Hand des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Theodor Fontane.

9. Sagen - S. 83

1912 - Berlin : Oehmigke
83 guter Humor gewann die Oberhand, und sie nickte bejahend mit dem Kopfe. Die Kleinen kehrten alsbald unter den Ofen zurück und begannen ihr Fest. Aus der Kelleröffnung wurden Tischchen heraufgebracht, andre deckten weiße Tücher darüber, Lichterchen wurden aufgestellt, und ehe viele Minuten um waren, saßen die Kleinen an ihren Tischen und ließen sicksts schmecken. Frau von Beeren konnte die Züge der einzelnen nicht unterscheiden; aber sie sah die lebhaften Bewegungen und erkannte deutlich, daß alle sehr heiter waren. Nach dem Essen wurde getanzt. Eine leise Musik, wie wenn Violinen im Traum gespielt würden, klang durch das ganze Zimmer. Als der Tanz vorüber war, ordneten sich alle wieder zu einem Zuge und erschienen abermals vor dem Bette der jungen Frau. Sie dankten für freundliche Aufnahme, legten ein Angebinde nieder und baten die Mutter, des Geschenkes wohl acht zu haben: die Familie werde blühen, solange man das Geschenk in Ehren halte, aber werde vergehen und verderben, sobald man es mißachte. Dann kehrten sie unter den Ofen zurück; die Lichterchen erloschen, und alles war wieder dunkel und still. Frau von Beeren war unsicher, ob sie gewacht oder geträumt hatte. Sie sah sich nach dem Angebinde um; es lag auf der Wiege des Kindes. Es war eine kleine Bernsteinpuppe mit menschen- ähnlichem Kopf, etwa zwei Zoll lang und der untere Teil in einen Fischschwanz auslaufend. Dies Püppchen, das Leute, die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts lebten, noch gesehen haben wollen, führte den Namen „Allerhühnchen" (Alräunchen) und galt als Talisman der Familie. Es vererbte sich von Vater auf Sohn und wurde ängstlich bewahrt und gehütet. Einer der Nachkommen war „Geist von Beeren". Er küm- merte sich wenig um das wunderliche Familienerbstück. Er liebte nicht Sagen und Geschichten, Tand und Märchenschnack, und ihm fehlte Pietät und der Sinn fürs Geheimnisvolle. Allerhühnchen hatte lange im Schrank gelegen, ohne daß seiner erwähnt worden wäre. Da führte das Weihnachtsfest eine lustige Gesellschaft bei Geist von Beeren zusammen, und der Zufall wollte, daß einer der Gäste vom „Allerhühnchen" sprach. „Was ist es damit?" hieß es von allen Seiten, und kaum daß die Frage gestellt worden war, so wurde auch schon die Geschichte zum besten gegeben und das Allerhühnchen herbeigeholt. Geist 6*

10. Sagen - S. 100

1912 - Berlin : Oehmigke
100 tot geglaubt hatten, und die erste Frau nahm die mitgebrachte zweite mit Freuden neben sich auf. Beide Frauen wurden die besten, verträglichsten Freundinnen und blieben dies bis an ihr seliges Ende. Das Bildnis der Türkin wird noch unter den Jagow- schen Familiengemälden gezeigt, sie ist danach ganz ausnehmend schön gewesen. Sie ist, wie man sagt, zu Großen-Garz begraben; in dem Kirchengewölbe daselbst zeigt man noch ihren einbalsa- mierten Körper. Auch zeigt man dort zwei Leichensteine, auf welchen zwei weibliche Figuren ausgehauen sind; das sollen die beiden Frauen dieses Ritters sein. Der Ritter stiftete zum Andenken an seine glückliche Heim- kehr auf den Grünen Donnerstag eine Armenspende, daß alle Armen, soviel deren sich einfinden würden, auf dem Schlosse mit Erbsen und Stockfisch, welche seine Familie bei seiner Rück- kehr gegessen, gespeiset werden und ein Stück Speck und Brot mit auf den Weg bekommen sollten. Noch vor nicht langen Jahren war dieses Bettlerfest so besucht, daß an die fünfhundert Armen dahin wallfahrteten. I. D. H. Temme (Die Volkssagen der Altmark). 76. Die weiße Taube. Eine Spreewaldsage. Ums tote Kindlein die Mutter weint, das längst mit den Engelcheu ist vereint; sie hat tags und nachts keine Ruh', klagt immerzu. Und ob sie Blümchen im Lenze sieht, ob's Vögelchen fort nach dem Süden zieht, und ob Mond, ob Sonne scheint, — sie klagt und weint. Da schwebt herab von dem Himmelszelt ein Täubchen nach dieser Erdenwelt; zu der Mutter Kämmerchen hin sieht man es ziehn. „Der Herrgott, Mütterchen, will es nicht, daß Sorge um mich dir dein Herz zerbricht; laß das Klagen fernerhin sein, sonst leid' ich Pein?"
   bis 10 von 201 weiter»  »»
201 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 201 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 7
1 14
2 0
3 2
4 21
5 14
6 0
7 8
8 0
9 1
10 19
11 0
12 0
13 0
14 1
15 0
16 1
17 0
18 0
19 9
20 1
21 12
22 0
23 0
24 0
25 0
26 0
27 0
28 0
29 1
30 0
31 0
32 0
33 14
34 0
35 0
36 3
37 40
38 0
39 4
40 0
41 2
42 0
43 3
44 0
45 180
46 0
47 1
48 0
49 2

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 0
1 7
2 1
3 35
4 6
5 0
6 0
7 0
8 1
9 6
10 1
11 1
12 6
13 5
14 1
15 2
16 16
17 43
18 0
19 1
20 0
21 4
22 2
23 5
24 13
25 80
26 3
27 4
28 2
29 0
30 8
31 3
32 0
33 0
34 1
35 20
36 2
37 1
38 4
39 26
40 3
41 8
42 13
43 28
44 0
45 80
46 24
47 0
48 0
49 0
50 0
51 0
52 55
53 0
54 4
55 0
56 0
57 0
58 1
59 1
60 0
61 2
62 0
63 0
64 2
65 0
66 1
67 0
68 3
69 0
70 0
71 12
72 2
73 0
74 0
75 0
76 1
77 21
78 0
79 0
80 0
81 9
82 3
83 1
84 1
85 0
86 0
87 9
88 1
89 0
90 0
91 3
92 187
93 0
94 16
95 1
96 0
97 0
98 8
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 76
1 3
2 6
3 23
4 0
5 20
6 27
7 16
8 11
9 2
10 0
11 5
12 31
13 8
14 0
15 4
16 1
17 0
18 21
19 9
20 0
21 0
22 5
23 0
24 36
25 26
26 5
27 0
28 23
29 33
30 0
31 2
32 12
33 240
34 20
35 7
36 0
37 0
38 0
39 24
40 5
41 4
42 16
43 60
44 0
45 2
46 28
47 35
48 1
49 0
50 57
51 77
52 113
53 0
54 134
55 1
56 3
57 1
58 10
59 167
60 2
61 15
62 27
63 3
64 5
65 23
66 6
67 3
68 1
69 1
70 0
71 24
72 11
73 3
74 158
75 35
76 3
77 0
78 4
79 2
80 4
81 339
82 30
83 8
84 12
85 1
86 1
87 0
88 1
89 8
90 2
91 60
92 1
93 0
94 2
95 7
96 0
97 5
98 2
99 5
100 101
101 0
102 54
103 0
104 0
105 14
106 8
107 0
108 11
109 14
110 8
111 31
112 14
113 2
114 8
115 48
116 21
117 0
118 1
119 10
120 21
121 15
122 4
123 17
124 39
125 16
126 11
127 188
128 0
129 6
130 1
131 136
132 2
133 3
134 0
135 0
136 1042
137 1
138 3
139 2
140 3
141 0
142 22
143 13
144 0
145 20
146 4
147 1
148 11
149 3
150 0
151 10
152 84
153 0
154 20
155 11
156 8
157 19
158 0
159 4
160 16
161 7
162 2
163 1
164 15
165 23
166 88
167 19
168 5
169 18
170 1
171 0
172 109
173 310
174 0
175 383
176 3
177 90
178 1
179 96
180 8
181 6
182 46
183 529
184 6
185 3
186 0
187 20
188 10
189 2
190 9
191 0
192 6
193 5
194 8
195 4
196 51
197 2
198 1
199 27