von 80 cm und darunter grobkörniger Sand. Wir entwerfen eine Skizze
und erhalten folgendes Bild:
Humus
20-30cm
Oelber u.
weisser
50-60 cm
Oelb-
tonschicht
(Lehm )
1, Wm
Grober
Allu-
Mb, 42. Durchschnitt der Struckfchen Lehmgrube.
In dein Lehm finden wir viele Steine, größere und kleinere,
Feuersteine und Granitblöcke, wie wir sie schon an den Straßen und Wegen
überall gefunden haben. Wir sammeln einige, um sie genau zu betrachten.
Zuerst die rundlichen, rötlichen Blöcke. Mit unserm Hammer versuchen
wir sie zu zerschlageu. Nicht leicht gelingt es, denn sie sind sehr hart.
Endlich springt ein Stück ab. Wir betrachten die Bruchstelle. Sie glitzert
und flimmert. Noch ein paar Schläge, und in viele kleine Stückchen zer-
springt der Stein. Da sehen wir kleine glitzernde Blättchen, kleine graue
Körner und lange rötliche oder weiße Leisten. Aus diesen drei Teilen
setzt sich der Granit zusammen. Die glänzenden Blättchen heißen Glimmer.
Man kann den Glimmer leicht iu Scheibcheu und Blättchen ablösen. Im
fernen Uralgebirge in Rußland gewinnt man große Scheiben Glimmer.
Wir finden sie manchmal vor den Feuerungstüren der Ofen. Wie weißes,
durchscheinendes Glas sehen sie aus. Ihr habt sie gewiß schon gesehen.
Dann haben wir noch die grauen Körner. Sie heißen Quarz und sind
sehr hart. Das Taschenmesser verderben wir, wenn wir versuchen, mit
ihm die Körnchen zu teilen. Der dritte Bestandteil sind die langen rötlich-
weißen Leisten. Das ist der Feldspat. Ihn können wir leichter in kleinere,
längliche Stückchen zerschlagen. Aus Feldspat, Quarz und Glimmer be-
stehen also die mächtigen Blöcke, die härtesten Steine, die wir in unsrer
ganzen Gegend überall umherliegen sehen. Aber hier haben wir einen
— 48 —
sehen, bis sie durch eine der schmalen Lücken im Gebüsch im Walde ver-
schwinden . . . Bald zeigt sich am Gestade der Jaguar, der schöne ameri-
kanische Panther, bald wandelt der Hocco (Crax alector) mit schwarzem
Gefieder und dem Federbusch langsam an der Uferhecke hin. Tiere der
verschiedensten Klassen lösen einander ab. „E8 como in el Paraiso" (es
ist wie im Paradies), sagte unser Steuermann, ein alter Indianer aus den
Missionen. Und wirklich, alles erinnert hier an den Urzustand der Welt,
dessen Unschuld und Glück uralte ehrwürdige Überlieferungen allen Völkern
vor Augen stellen; beobachtet man aber das gegenseitige Verhalten der Tiere
genau, so zeigt es sich, daß sie einander fürchten und meiden. Das goldene
Zeitalter ist vorbei, und in diesem Paradies der amerikanischen Wälder, wie
aller Orten, hat lange traurige Erfahrung alle Geschöpfe gelehrt, daß
Sanftmut und Stärke selten beisammen sind.
(b. Krokodile.) Das Krokodil im Apure bewegt sich sehr rasch und
gewaudt, wenn es angreift, schleppt sich dagegen, wenn es nicht durch Zorn
oder Hunger aufgeregt ist, so langsam hin wie ein Salamander. Läuft
das Tier, so hört man ein trockenes Geräusch, das von der Reibung seiner
Hautplatteu gegeneinander herzurühren scheint. Bei dieser Bewegung
krümmt es den Rücken und erscheint hochbeinichter als in der Ruhe. Oft
hörten wir am Ufer dieses Rauschen der Platten ganz in der Nähe; es ist
aber nicht wahr, was die Indianer behaupten, daß die alten Krokodile,
gleich dem Schuppentier, „ihre Schuppen und ihre ganze Rüstung sollen
aufrichten können." Die Tiere bewegen sich allerdings meistens gerade aus,
oder vielmehr wie ein Pfeil, der von Strecke zu Strecke seine Richtung
ändert; aber trotz der kleinen Anhängsel von falschen Rippen, welche die
Halswirbel verbinden und die seitliche Bewegung zu beschränken scheinen,
wenden die Krokodile ganz gut, wenn sie wollen. Ich habe oft Junge sich
in den Schwanz beißen sehen; andere haben dasselbe bei erwachsenen Kroko-
dilen beobachtet. Wenn ihre Bewegung fast immer geradliuicht erscheint, so
rührt dies daher, daß dieselbe, wie bei unseren kleinen Eidechsen, stoßweise
erfolgt. Die Krokodile schwimmen vortrefflich und überwinden leicht die
stärkste Strömung. Es schien mir indessen, als ob sie, wenn sie fluß-
abwärts schwimmen, nicht wohl rasch umwenden könnten. Eines Tags
wurde ein großer Hund, der uns auf der Reise von Caracas an den Rio
Negro begleitete, im Fluß von einem Ungeheuern Krokodil verfolgt; es war
schon ganz nahe an ihm, und der Hund entging seinem Feinde nur da-
durch, daß er umwandte und auf einmal gegen den Strom schwamm. Das
Krokodil führte nun dieselbe Bewegung aus, aber weit laugsamer als der
Hund, und dieser erreichte glücklich das Ufer.
(2. Der Orinoco.) Mit der Ausfahrt aus dem Apure sahen wir
uns in ein ganz anderes Land versetzt. So weit das Auge reichte, dehnte
sich eine ungeheure Wasserfläche, einem See gleich, vor uns aus. Das
durchdringende Geschrei der Reiher, Flamingos und Löffelgänse, wenn sie
in langen Schwärmen von einem Ufer zum andern ziehen, erfüllte nicht
mehr die Luft. Vergeblich sahen wir uns nach den Schwimmvögeln um,
deren gewerbsmäßige Listen bei jeder Sippe wieder andere sind. Die ganze
Natur schien weniger belebt. Kaum bemerkten wir in deu Buchten der
Wellen hie und da ein großes Krokodil, das mittelst seines langen Schwanzes
die bewegte Wasserfläche schief durchschnitt. Der Horizont war von einem
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian]]
TM Hauptwörter (200): [T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
— 49 —
Waldgürtel begrenzt, aber nirgends traten die Wälder bis ans Strombett
vor. Breite, beständig der Sonnenglut ausgesetzte Ufer, kahl und dürr wie
der Meeresstrand, glichen infolge der Luftspiegelung von weitem Lachen
stehenden Wassers. Diese sandichten Ufer verwischten vielmehr die Grenzen
des Stromes, statt sie für das Auge festzustellen; nach dem wechselnden
Spiel der Strahlenbrechung rückten die Ufer bald nahe heran, bald wieder
weit weg. Diese zerstreuten Laudschaftszüge, dieses Gepräge von Einsamkeit
und Großartigkeit kennzeichnen den Lauf des Orinoco, eines der gewaltigsten
Ströme der Neuen Welt.
(•3. Schildkröten.) Wenn man bedenkt, wie schwer der reisende
Naturforscher den Körper der Schildkröte herausbringt, wenn er Rücken-
und Brustschild nicht trennen will, so kann man die Gewandtheit des Tigers
nicht genug bewundern, der mit seiner Tatze den Doppelschild des Arran
leert, als wären die Ansätze der Muskeln mit einem chirurgischen Jnstrn-
mente losgetrennt. Der Tiger verfolgt die Schildkröte sogar ins Wasser,
wenn dieses nicht sehr tief ist. Er gräbt auch die Eier aus und ist neben
dem Krokodil, den Reihern und dem Galliuazogeier der furchtbarste Feind
der frisch ausgeschlüpften Schildkröten. Im verflossenen Jahr wurde die
Insel Pararuma während der Eierernte von so vielen Krokodilen heim-
gesucht, daß die Indianer in einer einzigen Nacht ihrer achtzehn, 12—15
Fuß lange, mit hakenförmigen Eisen und Seekuhfleisch daran, singen. Außer
den eben erwähnten Waldtieren tun auch die wilden Indianer der Olbereituug
bedeutenden Eintrag. Sobald die ersten kleinen Regenschauer, von ihnen
„Schildkrötenregen" genannt, sich einstellen, ziehen sie an die Ufer des Ori-
noco und töten mit vergifteten Pfeilen die Schildkröten, die mit empor-
gerecktem Kopf und ansgestreckten Tatzen sich sonnen.
(4. Am Casiqniare.) Am 14. Mai. Die Moskitos und mehr noch
die Ameisen jagten uns vor zwei Uhr in der Nacht vom Ufer. Wir hatten
bisher geglaubt, die letzteren kriechen nicht an den Stricken der Hängematten
hinauf; ob dies nun aber unbegründet ist, oder ob die Ameisen aus den
Banmgipfeln auf uns herabfielen, wir hatten vollauf zu tun, uns dieser
lästigen Insekten zu entledigen. Je weiter wir fuhren, desto schmaler wurde
der Fluß, und die Ufer waren so sumpficht, daß Bonpland sich nur mit
großer Mühe an den Fuß einer mit großen purpurroten Blüten bedeckten
Carolinea princeps durcharbeiten konnte. Dieser Baum ist die herrlichste
Zierde der Wälder hier und am Rio Negro. Wir untersuchten mehrmals
am Tage die Temperatur des Casiqniare. Das Wasser zeigte an der Ober-
fläche nur 24° (in der Luft stand der Thermometer auf 25,6°), also un-
gefähr so viel als der Rio Negro, aber 4—5° weniger als der Orinoco.
Nachdem wir westwärts die Mündung des Calo Eaterico, der schwarzes,
ungemein durchsichtiges Wasser hat, hiuter uns gelassen, verließen wir das
Flußbett und landeten an einer Insel, auf der die Mission Vasiva liegt.
Der See, der die Mission umgibt, ist eine Meile breit und hängt dnrch
drei Kanäle mit dem Easiquiare zusammen. Das Land umher ist sehr
sumpficht und fiebererzeugend. Der See, dessen Wasser bei durchgehendem
Lichte gelb ist, trocknet in der heißen Jahreszeit aus, und dann können es
selbst die Indianer in den Miasmen, welche sich aus dem Schlamm ent-
wickeln, nicht aushalten. Daß gar kein Wind weht, trägt viel dazu bei,
daß diese Landstriche so ungemein ungesund sind.
Marquardt, Quellenlesebuch. 4
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T178: [Rio Peru Hauptstadt Republik Stadt Brasilien San Südamerika Land Chile], T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne]]
— 41 —
Vier Mann schufen Raum, sechs Mann trugen Proviant und Gepäck, ein
Mann unterstützte mich bei der Routenausnahme. Die Pikade blieb natür-
lich übersät mit kniehohen Stümpfen des Bambusrohres; sie führte unter
liegenden Baumriesen hindurch oder darüber hinweg, ging möglichst oft
selbst im kalten Gebirgswaffer entlang, glitt Felswände von 50 — 80 m Tiefe
hinab, an denen uns nur Baumstämme einen Halt boten, und hin und
wieder wurde die Axt benutzt, um Bäume über hoch angeschwollene Gebirgs-
bäche als Brücke zu schlagen. Hier vermag nur der Träger zu folgen.
Die verwendeten deutschen Kolonistensöhne trugen auch 30 kg Traglast, wie
die farbigen Träger im tropischen Afrika; aber ihre Marschsähigkeit blieb
wegen der ungewohnten Arbeit eine geringe, so daß für die Transport-
fähigkeit besonders enge Grenzen durch die Kraftleistung der Träger gesteckt
waren.
Wer die Mühseligkeit solchen Verkehrs miterlebt hat, wird nicht daran
zweifeln, daß im gebirgigen Urwaldgelände eine höhere Entwicklung mensch-
lichen Wirtschaftslebens gar nicht oder nur langsam und schwer einsetzt,
und er wird sich nicht wundern, daß eben in diesen Wäldern Blumenaus
noch heute mit die wildesten Indianer, die es überhaupt gibt, Botokuden,
teilweise noch mit Steinbeilen ausgerüstet, Hausen, Menschen, die scheinbar
keine Haustiere kennen, nur wenige Tiere essen, von Pflanzen, besonders
Pinienkernen, Schnecken und Gewürm sich nähren und viel Erde anstatt
Salz fressen.
(5. Saumpfade.) Wo diese ersten Laufpikaden dauernden Zwecken
zu dienen haben, werden sie deshalb zur Benutzung von Tieren, namentlich
Maultieren hergerichtet, auf etwa eiuen Meter verbreitert und von Baum-
stümpfeu befreit.
Der Trausport auf solchen Saumpfaden, die entweder bis zur vorder-
steu vermessenen und der Besetzung durch Einsiedler harreudeu Kolonie
führen oder das Tiefland mit dem Hochland verbinden, erfolgt meist in
Maultierkarawanen in einer Stärke bis zu 30 und 40 Eseln, die im
Durchschnitt 6 Arrobeu (zu 16 kg) tragen. Einzelne Tiere tragen bis zu
8 und 9 Arroben. Diese „Truppen" werden mit zwei bis drei Mann
bedient, die den Tieren Sättel und Lasten auf- und abladen. Ein Madrin-
heiro, ein kleiner Junge, reitet auf der Madriuha, der Leitstute (die öfter
auch — ein Wallach ist), voraus. Die Madriuha hat eine Glocke um den
Hals gebunden, und die Esel, die von Natur Anhänglichkeit an die Pferde
haben, werden an dieses Leittier und sein Geläut von klein auf mit Bedacht
gewöhnt.
Die Tropeiros, die Bedienung der Truppe, erhalten neben zweimaliger
täglicher Kost (500 Reis für den Tag) 10—20 $ Lohn für die Dauer der
sechs- bis zehntägigen Reise. Vom Hochland der Blumenauer Komark bis
zur Küste stellt sich die Traglast gleich 6 Arroben Fracht dadurch etwa aus
10 H 000. Die Schnelligkeit der Truppe ist eine geringe, da die völlig frei
laufenden Tiere gerne weiden. Ein Zusammenkoppeln ist aber bei dem ein-
fach unglaublichen Zustand der Saumpfade nicht durchführbar, da jedes
Tier sich seine Spur zum Klettern und den besten Platz zum Spruug über
Gräben und^ Löcher selbst suchen muß. In der Banmschneiz in Rio
Grande do Snl fand ich auf Fahrstraßen zwölf Lastesel mit einer Kette
einer hinter den andern gekoppelt. Auf dem vordersten Tier saß der Leiter,
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut]]
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Maultierkarawanen Madriuha Rio
Grande
303 —
St. Wilhelm gerichtet, von dem entzückenden Gewirr des Schifflentstadens
erhält — hier spielen das belebende Element die leuchtenden Wüschestücke,
die die Waschfrauen unten in der Jll in ihren so straßburgerischen
schwimmenden Waschbaracken aufhängen.
Ihre volle Wirksamkeit, ihren intimsten Reiz aber verdanken diese
Häuser einem Motiv, das wir vom französischen Bürgerhaus her kennen,
den hölzernen Läden. Sobald man seine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt
gerichtet hat, wird man staunen, wie er den allgemeinen Eindruck einer
Stadt beeinflußt, wieviel Freundlichkeit und Anmut er z. B. den nord-
deutschen Städten entzieht, und wie er den Unterschied zwischen Berlin und
Paris zu verdeutlichen vermag. Durch ihn werden anch in Straßburg die
ganz anders gebauten Wohnhäuser aus der letzten französischen Zeit mit
jener älteren verwandtschaftlich verbunden.
Wer frühmorgens Straßburg verläßt, nimmt auf dem Weg vom
Inneren nach dem Bahnhof einen letzten starken Eindruck von dieser Stadt
mit: Hier schlafen die Häuser, die weiß und verträumt daliegen, wirklich:
denn sie haben ihre Fenster verschlossen, und sie werden erst dann erwachen,
wenn ein junger Arm jene aufstoßen wird.
(2. In den Hochvogesen.) Die Kammwanderuug ist eine der
größten Besonderheiten, die das Elsaß zu bieten hat. Denn es ist nun
einmal ein eigenartiges Gefühl, auf der Grenze zwischen deutsch und
französisch zu stehen, und woran wir seit unserem Aufenthalt im Elsaß so
oft erinnert worden sind, das Land jenseits der Vogesen liegt nun sichtbar
vor uns. Ein Schritt, und ich bin auf französischem Boden, ein paar
Minuten, und ich wandere schon talabwärts, hinab zu deu Menscheu, die
von anderer Art und Rasse sind, und die ich vielleicht lieben gelernt habe,
wenn ich nicht zu den Toren gehören mag, die Feindschaft zwischen ihnen
und uns predigen. Und wie weit liegt dies Welschland, von dem die
elsässischen Bauern sprechen, vor den spähenden Blicken offen; die ganze
lothringische Hochebene, das Tal der Menrthe mit Saint-Die und Lnneville,
das der Vologue mit dem schönen Gerardmer und den beiden großen Seen,
das der Mosel mit Epiual werden sichtbar, und dieselben weißen Straßen,
die im Reichsland begannen, streuen nun ihre krausen Bänder über ein
französisches Departement. Mit guten Augen, bei klarem Wetter und au
den geeigneten Ausblicken findet ein Glücklicher vielleicht sogar jedes der
zwölf Bistümer, die fchou im 16. Jahrhundert Speklin hier sah, im
Lothringischen, im Jura, in der Schweiz und im Rheintal.
Allmählich aber fangen wir wieder an, unserer nächsten Umgebung
Aufmerksamkeit zu schenken; denn wir nähern uns dem Gebiet des
berühmtesten Hochvogesentales, dem oberen Müustertal. Die Fahrstraße, die
uns zur Linken begleitet, ist die Sulzeruer, die Münster mit Urbeis ver-
bindet, und wenn wir wieder einen See unter uns liegen sehen, sind wir
anch schon auf der Höhe von Sulzern, vor dem die große Straße von
Münster nach der Schlucht das Kleintal verläßt und zum Kamm abbiegt.
Vielleicht erhält man von Münster den stärksten Eindruck, wenn man
es ohne Übergang von der Ebene aus aufsucht. Man steigt gegen Abend
in Colmar in die Bahn, die, unaufhörlich läutend, ins Fechttal führt —
wenn man in Münster aussteigt, ist es Nacht. Sofort merkt man, daß
man mitten in den Bergen ist; eine außerordentlich kühle Luft weht von
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
TM Hauptwörter (200): [T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T139: [Donau Rhein Main Tiefebene Teil Jura Alpen Tiefland Gebiet Fluß]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Paris Straßburg Welschland Schweiz Rheintal Colmar
— 307 —
und Alltäglichkeit aus der Ebene mitgebracht haben — dann bedauert man,
daß man beim Eintritt in den Hof nicht auch von dem Frieden umfangen
wird, der ans früheren Stichen und Ansichten vom Odilienberg spricht.
Vi. Die Pfälzer.
(„Die Pfälzer." Ein rheinisches Volksbild von W. H. Riehl. Stuttgart und
Augsburg. I. G. Cottascher Verlag, 1857. 408 Seiten, 4 Mark, geb. 5 Mark. S. 39
bis 40, 42—43, 86—87, 111 — 112, 188—191, 235-237, 243—244, 246—247, 288
bis 289.)
(1. Einteilung der Pfalz.) Die Vorderpfalz hat den Reiz des
Stromes mit seinen heimlichen waldgrünen Auen und Inseln, den Reiz der
Ebene mit ihrer Gartenkultur des üppigsten Feldes, die tausend von der
Natur schon künstlerisch komponierten und abgerundeten Bilder der Hart-
landschast mit den malerisch buuteu Städten und Dörfern, Kirchen und
Burgen, mit den Vordergründen der Kastanien- und Nußbaumalleen, mit
dem Mittelgrunde der Rebenhügel, mit dem Abschluß der harmonischen und
doch so originellen Linienführung der Hartberge. Das gebirgige Westrich
hat die Naturspiele seiner märchenhasten Felsblöcke, seine engen, dunklen
Schluchten, den tiefschattigen Buchenwald, die unberührte Naturfrische seiner
Bmnentäler, feiner inneren Höhenzüge. Die Landschaft des hügeligen
Westrich dagegen läßt sich nicht in so einfachen Zügen zeichnen. Hier wirkt
der Reiz der Übergänge, der Mannigfaltigkeit, der Reiz nicht großer Gesamt-
bilder, sondern einzelner kleiner Szenen und Gruppen, die im einzelnen
genossen sein wollen. Liebliche Wiesengründe, stille, friedliche Waldtälchen,
Fernsichten über kahle und doch dnrch ihre schönen Formen reizvolle Hügel-
wellen, freundliche, enge Städteprospekte, malerisch schmutzige und malerisch
reinliche Dörfer, düsteres Tannendickicht und lustiger Buchenwald, Getreide-
fluren und Torfmoorniederungen wechseln miteinander. Das Ganze ist
vielleicht etwas unruhig, aber doch voller Anmut, und wenn eine persönliche
Bemerkung hier am Orte ist, so möchte ich fröhliche Wochen unter Freunden
genießen in der Vorderpfalz, einsam wandern im gebirgigen Westrich, aber
dauernd wohnen im Westricher Hügelland.
(2. Das Hügelland vor der Hart.) Mit Stolz lenkt der Pfälzer
den Blick des Fremden auf diesen gesegneten Strich vor der Hart, „wo
selbst die Bettelleute Kapitalsteuer zahlen." Was Deutschland an Obst und
Gartenfrucht Köstliches bietet, das sindet sich hier. Schon die Ortsnamen
sprechen für das Alter dieser Kultur. Da finden wir ein Nußdorf, eiuen
Birnbach und Äpfelbach, eine Kästen- (Kastanien)-bnrg, selbst Waldreviere,
die ihren Namen vom Weinban herleiten, einen Ritter Schnittlauch von der
Kästenburg, einen Ritter von Knoblauch und einen von Holzapfel. Als die
Pfälzer unter Friedrich dem Siegreichen zur Schlacht bei Seckenheim an-
rückten, hatten sie ihre Helme mit Nußlaub geschmückt, dem echten Wahr-
zeichen des Landes. Seit unvordenklicher Zeit ziehen Kähne und Schiffe
mit pfälzischen Nüssen und Kastanien befrachtet den Rhein hinab nach
Holland; in unfern Tagen aber führt das Dampfschiff selbst frische Kirschen
von der Hart nach London. Von dem köstlichen Weinwuchs brauche ich
nicht wiederholt zu reden. Die neuere Zeit hat den pfälzischen Wein wieder
zu seinen mittelalterlichen Ehren gebracht, die eine Weile fast verschollen
20*
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
Extrahierte Personennamen: W._H._Riehl Cottascher Birnbach Holzapfel Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Odilienberg Stuttgart Buchenwald Buchenwald Westricher_Hügelland Deutschland Kästenburg Seckenheim Rhein Holland London
— 308 —
schienen, und wenn man nach Umständen 6000 Gulden für ein Stück 1852er
Deidesheimer Auslese zahlt, so ist selbst die alte Nebenbuhlerschaft zwischen
Pfalz und Rheingau wiederhergestellt. Vielleicht briugens die Pfälzer auch
uoch so weit wie die Schwaben, die in guten Jahrgängen Trauben von
solchem Gehalt erzielen, daß, wenn der Bürgermeister nur eiue Beere am
Mund zerdrückt, die ganze Gemeinde davon einen Rausch bekommt.
(3. Das gebirgige Westrich.) Es ist nicht ein Übergangsgebiet,
sondern eine scharfe Linie, welche den Ostrand des Westrich von der
Vorderpfalz scheidet. Ganz anderes Land, andere Leute kommen hinter dem
Vorwall der Hart. Es gibt keinen bestimmteren Gegensatz zu absolutem
Weinland als absolutes Waldlaud, und beides steht hier unvermittelt
nebeneinander. In manchen der fruchtreichsten Striche der Vorderpfalz
ist schon lange vor der französischen Revolution bitter geklagt worden über
die Entlegenheit der Waldungen, die schwierige Holzzufuhr und wahreu
Holzmangel. In vielen Waldgegenden des Gebirges dagegen mag man um-
gekehrt klagen über den Mangel an ausgiebigem Ackerboden bei Waldüber-
fluß. Doch begann schon im vorigen Jahrhundert die Ausführung der
Hochstämme als Floßholz zum holländischen Schiffbau diesem Überfluß
teilweise ein Ende zu machen.
Am Rheinufer finden wir reine Fischerdörfer, wie etwa Altripp, fast
ans eiuer Jufel gelegen, mit einer kleinen Gemarkung, die überwiegend ans
Wiese und Wald besteht, ein Dorf, deffen Bevölkerung gar keine andere
Wahl hat, als dem väterlichen Gewerbe der Schiffahrt und der Fischerei
treu zu bleiben. Das Fischerdorf Roxheim hat sogar eine „Fischkirchweih."
Vor der Hart stießen wir auf ebenso notwendige reine Weiudörfer. Hier
im gebirgigen Westrich haben wir etliche reine und ursprüngliche Holzhauer-
dörfer. So Dansenberg bei Kaiserslautern, welches erst in ziemlich neuer
Zeit von Holzhauern an einer lichten Stelle mitten im alten Reichswald
erbaut worden ist. Denselben Ursprung schreibt man der Gemeinde Linden-
berg hinter Neustadt zu. Das Emblem im Ortssiegel von Dansenberg —
ein Baum, darauf ein Vogel fliegt — wird auf die Vogeljagd gedeutet,
der weiland die Dansenberger Holzhauer in ihren Mnßestnnden nnter den
Fenstern ihrer Häuser obgelegen haben. Man sieht, im gebirgigen Westrich
atmet alles Waldesluft.
(4. Regsamkeit und Fleiß der Pfälzer.) Die Pfälzer gehören
zu den fleißigsten Landwirten Europas; eiu gesegneter Boden begünstigt
diesen Fleiß. Doch genügt dies nicht, die glänzenden Resultate der
pfälzischen Wirtschaft zu erklären. Es kommt noch die fränkische glückliche
Hand dazu, die Beweglichkeit, der Fortschrittstrieb, der Rationalismus des
Frauken. Der schwäbische Bauer ist nicht so hitzig, dagegen vielleicht noch
zäher in seinem Fleiße wie der Pfälzer; aber er ist nicht so flink, nicht so
gewürfelt, er hat jenen schlagfertigen fränkischen Mutterwitz nicht, für
welchen der Pfälzer ein ganz eigenes Wort besitzt: er ist nicht so „schlitz-
öhrig". Andere sprechen „schlitzhärig" und meinen, es bedeute einen Haar-
spalter. Das trifft aber den Sinn nicht, und der grübelnde Schwabe
wäre viel mehr eiu Haarspalter als der Pfälzer. Wer fo praktisch pfiffig
ist, wie einer, dem der Büttel schon einmal die Ohren geschlitzt hat, ist
schlitzöhrig, ein „durchtriebener" Schlaukopf. Kraft dieser angestammten
Lebensklngheit hat sich der Franke in der Pfalz, am Mittelrhein und Unter-
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
TM Hauptwörter (100): [T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
— 312 —
zu wandern, um sofort mitten in die absolute Kartoffelküche versetzt zu sein.
Die Leute vor dem Gebirge nennen die Westricher: „Kartoffelsäcke", und
diese danken ihnen mit einem „groben Pfälzer" und geben dafür ihren
Kartoffeln, oder wie hier das Volk sagt, „Grumbeeren", um so schmeichelndere
Beinamen. Es sind Feldhühner — mit dem Karst geschossen, Vaterlands-
Verteidiger — wider den Hunger.
(8. Sprachproben.) Der Schwabe fragt: „Wo gescht' na?", der
Alemanne: „Woane?", der Pfälzer: „Wo gefch'de anne?" — der Hesse
und Nassauer dagegen: „Wo gest'de hin?"
Der Alemaune und Schwabe kommandiert Pferde und Ochsen mit
„huscht und hott" (rechts und links), der badische Pfälzer des rechten Rhein-
users desgleichen; bei dem Pfälzer des linken Ufers hört man dagegen fchon
der fränkische Ruf: „haar und hott", im Westrich gauz entschieden. Doch
wäre es möglich, daß auch in der bayerischen Vorderpfalz der alemannische
Ruf noch hier und da im Schwange ginge.
Das schwäbische „Häfele" kennt man noch in der Pfalz, aber viel
besser schon das fränkische „Dippche". Gleich dem Alemannen wirft der
Pfälzer die Flickwörter „just" und „jnstement" noch fleißig in die Sätze und
beginnt auch wohl sein letztes Wort mit einem elsässischen „enfin". Er
weiß, gleich dem Alemannen, daß die Bienen auch Immen heißen, während
wir dies am Mittelrhein erst beim Schulmeister lernen müssen; er spricht
noch von „dausig" Gulden und vom „Bu" und hängt den Adjektiven das
zärtlich weiche i an — schöni, liebi, gnti usw. — als hätte er dies alles in
Hebels alemannischen Liedern gelesen. Er sagt auch wohl noch mit dem
Alemannen „nimmi" statt nicht wieder. Der hessische Franke kennt „nimmer"
nur als Schriftwort im Sinne einer verstärkten Verneinung.
In Alemannien und der Pfalz wachsen „Grumbeere", in Schwaben
„Grnmbire" und „Erdbire"; erst nördlich von Mainz werden ganz entschieden
Kartoffeln daraus.
B. Mitteldeutschland.
I. Der Rhein und sein Stromgebiet im Rheinischen Schiefergebirge.
(„Land und Leute," Monographien zur Erdkunde, In Verbindung mit hervor-
ragenden Fachgelehrten herausgegeben von A. Scobel. X. „Am Rhein". Die Rhein-
lande von Frankfurt bis Düsseldorf und die Täler des Rheinischen Schiefergebirges. Von
H. Kerp. Mit 182 Abbildungen nach photographischen Aufnahmen und einer farbigen
Karte. Bielefeld und Leipzig, Verlag von Velhagen & Klafing, 1901. 183 Seiten,
4 Mark. S. 48, 56—59, 101—102, 116, 155—157, 166—168, 173—174.)
(1. Weinlese und Weinbereitnng.) Vorwiegend drei Traubensorten
verdankt der rheinische Weinbau seineu großen Rus: dem Riesling, der
den Anspruch erheben kann, die edelste Traube der Welt zu sein, dem
Österreicher, der auch Sylvauer genannt wird, und dem Burgunder. Die
beiden erstgenannten Reben liefern den Weißwein, letzterer den Rotwein.
Der Riesling gehört zu den harten Sorten, er reift spät und liefert Weine,
die sich durch ihr herrliches Bouquet auszeichnen. Der Österreicher reift
früher und gibt gute, runde und volle Qualitätsweine, denen aber der Duft
der Rieslingsweine abgeht. Die rheinischen Rotweine zeichnen sich durch ein
eigenartiges, würziges Aroma aus.
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T139: [Donau Rhein Main Tiefebene Teil Jura Alpen Tiefland Gebiet Fluß], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
— 313 —
Eine frohe Zeit ist im Herbst die Zeit der Lese. Dann entfaltet sich
in den Weinorten Rheinlands ein lustiges Leben und Treiben. Wenn auch
unser heutiges Geschlecht mit manchen schönen alten Sitten gebrochen hat,
so ist doch die frohe Stimmung dieser Zeit geblieben. Sie kommt besonders
dann zur Geltung, wenn die Weinstöcke einen guten Behang haben, und
wenn neben einem gnten Ertrag — der Winzer redet von einem halben oder
dreiviertel Herbst — auch eine gute Qualität zu erwarten ist. Mit solcher
Ernte ist der Winzer wohl zufrieden; kennt er doch all die Feinde, die die-
selbe hätten vernichten können, die Tücken der Witterung, die Plageu der
Insekten und die Pilzkrankheiten. Helle Freude lacht aus seinem Auge,
wenn er sieht, wie uuter der Kraft der kochenden Sonne in den Beeren der
Trauben der Saft anfängt in Wein überzugehen. Er merkts an dem Dnrch-
sichtigwerden der Beeren. Die Gemeindeväter bestimmen jetzt die Schließung
der Weinberge. Selbst der Besitzer darf sie nicht mehr betreten. Während
des ganzen Tages geben die Hüter der Weinberge scharf acht.
Endlich sind die Trauben völlig reif. Der Beginn der Lese wird
öffentlich bekannt gemacht. Böllerschüsse künden den bedeutungsvollen Tag
an, und Glockenklang läutet ihn feierlich ein. So ist es wenigstens noch
in vielen Rheinorten.
Mit Jubel im Herzen steigt das Winzervölkchen hinauf in die Wein-
berge. Die Sonne hat die Herbstnebel zerstreut, und herrlich blickts sich
hinab in das liebliche Rheintal. Dort unten liegt das Heimatörtchen, so
traut gebettet am Ufer des blinkenden Stromes und umgeben von den
Gruppen der Obstbäume. Dort das Kirchlein mit dem alten, moosigen
Schieferdache. Selbst das eigene Wohnhäuschen ist zu sehen. Bald sind
schon die ersten Tragkörbe voll Trauben gepflückt. Die starken Burschen
tragen sie hinab. Dort unten hält auf dem Wege ein Ochsengespann.
Große Bottiche stehen auf dem Wagen, die die süße Last aufnehmen sollen.
Wie flink fpringen die Burschen die vielen Stufen des Bergpfades hinab!
Voll Lust schwenken sie die Mützen, nach oben und nach unten grüßend.
Dort oben aber, bei der Lese, sind die Mädchen bald in fröhlicher Stimmung.
Das Tal erklingt von frohen Weisen, bis ein Scherzwort alle zum Lachen
bringt und den Gesang verstummen macht.
Anch in dem Kelterraum der Winzerhäuser herrscht geschäftiges Leben.
Die ankommenden Bottiche werden in die Presse geleert. Schon fließt der
Traubensaft, der süße Most heraus. Wie herrlich er schmeckt! Die
Oechsle'sche Wage zeigt ein hohes Mostgewicht an. Das gibt ein Weinchen!
so schmunzelt der Alte, der von vielen guten Weinjahren, doch auch von
schlechten zu erzähleu weiß.
Nach etwa acht Tagen fängt der Most an zu gären. Er verliert
seinen süßen Geschmack und nimmt einen bitteren an. Zugleich wird feine
Farbe milchig trübe. Der erfahrene Winzer weiß fchon am Federweißen,
wie der Most jetzt heißt, heranszuschmecken, wie der spätere Wein wird.
Mit der fortschreitenden Gärung entsteht aus dem Federweißen der junge
Wein. Erst nachdem dieser geklärt ist und genug gelagert hat, kommt er
in den Handel. Im Frühjahr beginnen die Weinhändler, die Wirte, die
Kasinos ihre Weineinkäufe zu machen, und in manchen Weinorten, wie in
Bingen, Mainz, Rüdesheim, Kloster Eberbach, Kreuznach, Koblenz und
namentlich Trier finden dann öffentliche Weinversteigeruugeu statt. Daun
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
— 315 —
(3. Das Moseltal.) Übereinstimmend^) ist der reiche Rebenschmuck
der Bergwände, die ebenfalls aus schiesrigem Gestein bestehen; gleich ist auch
die große Zahl der Burgen, die malerisch die Berge krönen, sehr ähnlich
serner das Bild der Ortschaften, die an den Fluß sich betten, und deren
schiefergraue Dächer im Sonnenschein hell aufblitzen. Und doch wie ver-
schieden ist das Gesamtbild! Weniger großartig ist das Moseltal, wie auch
sein Fluß sich mit dem stolzen Rheinstrom nicht messen kann. Aber ein
reicherer Wechsel des landschaftlichen Bildes ist ihm eigen. Schon die viel
zahlreicheren Biegungen, die die Mosel macht, bewirken dies; denn bei jeder
Biegung öffnet sich dem Auge ein neues, oft völlig anderes Bild, während
sich im Rheintal jeder Blick ins Endlose verlängert. Am wenigsten ist die
unterste Strecke, von Cochem ab, durch Biegungen gegliedert, am reichsten das
mittlere Drittel zwischen Bernkastel und Cochem. Dort macht der Fluß
vielstundenlange Umwege, um fast zur uämlichen Stelle zurückzukehren. Am
meisten nähert er sich selbst nach der großen Schleife von Zell an der Stelle,
wo die ans hohem Felskamm gelegene Marienburg zur Betrachtung des
eigenartigen Landschaftsbildes mit einem doppelten Flußlaufe einladet.
(4. Blick ins Ahrtal.) Auf eine großartige Felsenlandschaft schauen
wir von der Burg Altenahr, dem Stammsitz des Grafengeschlechts von Are,
deren Bau bis ius zehute Jahrhundert zurückreichen soll, oder vom Weißen
Kreuz herab. Wohl zehnmal sehen wir die Ahr hinter den schroffen Fels-
wänden, die entweder mit zierlichem Buschwerk bewachsen oder bis hoch hinauf
mit Reben geschmückt sind, verschwinden und wieder hervorkommen. Bis
Walporzheim reicht der enge Teil des Ahrtales. Noch an vielen Punkten
entfaltet dieses mittlere Talstück seine eigenartige Schönheit. Zuweilen
erweitert das Tal sich etwas, und ein größerer Rebengarten nimmt uns auf.
Dann aber treten die Berge in malerischen Formen wieder näher an den
Fluß heran und zwingen ihn zu neuen Jrrlänfen. In dem kühlen Wasser-
gründe spielt die Forelle. Die rote Felsennelke schmückt das Gestein. Hie
und da sühren von der Landstraße Steinstufen hinauf zu den Weinbergen.
Wir wandern an der vielbesuchten Lochmühle und an dem in stillem Tal-
frieden liegenden Mayschoß vorüber und blicken hinauf zu den geringen
Resten der einst auf steiler Felshöhe so trotzig gelegeneu Saffenburg. In
breiterem Tal erholt sich die Ahr von ihren Jrrläusen. Dann grüßen wir
die Bunte Kuh, einen mit spitzer Nase aus der Bergwand heraustretenden
Fels. Der eigentümliche Name soll von einer Wette herrühren. Für den
Preis einer Kuh erkletterte ein Mädchen den Fels und wechselte auf der
vorspringenden Nase das Strumpfband. Gleich hinter der Bunten Kuh erreichen
wir Walporzheim, den weltberühmten Weinort, wo im St. Peter gar man-
cher Zecher des Weines Kraft erfahren hat.
(5. Der Kölner Dom.) Weiter westwärts wandernd, gelangen wir
zur Hochstraße, der Hauptgeschäftsstraße Kölns. Sie ist verhältnismäßig
schmal, und um so mehr tritt der lebhaste Verkehr, der sich zu jeder Tages-
zeit durch sie bewegt und in den Mittags- und Abendstunden fast zu stocken
droht, in die Erscheinung. Wir schließen uns der fluteuden Menge an und
ziehen an den glänzenden Geschäftsläden vorüber, bis wir auf dem Wallrafs-
platz plötzlich gebannt stehen bleiben. Wir stehen fast unmittelbar vor den
x) Mit dem Rheintal.
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil]]