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1. Heimatkunde von Altona und Umgegend - S. 30

1893 - Altona : Uflacker
— 30 — Namens Baur, den beiden Städten Altona und Ottensen schenkte, erbaut ist. Dieser edle Mann vermachte den beiden Städten sein ganzes bedeutendes Vermögen zur besseren Er- ziehung der armen christlichen Jugend, besonders in den ersten Lebensjahren. An der Weidenstraße, zwischen der Schauenburger- und der großen Bergstraße, liegt das Schul- Haus der 1. Mädchen-, und an der Schaueuburgerstraße, zwischen Weiden- und Steinstraße, das der 1. Knaben- Mittelschule, letzterem gegenüber ein Volksschulgebäude. An der Blumenstraße, zwischen Weiden- und Steinstraße, be- findet sich das evangelische Vereinshaus und daneben weiter nach O. die Speiseanstalt, in welcher in bedrängten Zeiten für arme Leute nahrhafte Speisen bereitet werden. Der Anstalt gegenüber, an der Südseite der Straße, liegt das Kinderhospital der Diakonissenanstalt. Diese ist an der Ecke der Blumen- und Steinstraße erbaut. Hier werden christliche Jungfrauen und Witwen für den Dienst der Kranken- pflege herangebildet. Daher ist mit der Anstalt ein Kranken- haus verbunden. Zu ihr gehört auch das Augustenstift an der Steinstraße, in welchem altersschwache und gebrechliche weibliche Personen verpflegt werden. Ferner unterhält die Diakonissenanstalt eine Warteschule und eine „Krippe" in einem Gebäude an der Gerberstraße. Die sog. Krippe gewährt Kindern im Alter von sechs Wochen bis zu zwei Jahren von morgens bis abends freundliche Aufnahme und treue Pflege. An der großen Bergstraße, zwischen Bürger- und Unzerstraße, liegt das Altonaer Kinderhospital. Gehen wir die große Bergstraße in westlicher Richtung zuende, so treffen wir an der Ecke der Allee die Navigationsschule, wo solche Leute, welche sich dem Seemannsberufe widmen, in allem unterrichtet werden, was zur Kunst der Schiffahrt erforderlich ist. An dieser Stelle ändert die Allee ihre Richtung; sie verläuft von hier aus nach S. Biegen wir nordostwärts in die Allee hinein, so sehen wir auf dem Platze vor der Göthestraße den Behnbrunnen, einen Springbrunnen, der vom Altona-

2. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 38

1843 - Altona : Schlüter
38 15. D ie Reue. Ein Landmann hatte mit eigenen Händen eine Reihe edler Obstbäume gezogen. Zu seiner großen Freude trugen sie die ersten Früchte und er war begierig zu sehen, von welcher Art sie sein möchten. Da kam der Sohn des Nachbars, ein böser Bube, in den Garten und lockte den Sohn des Landmanns, also daß sie hingingen und die Bäumchen allesammt ihrer Früchte beraubten, ehe denn sie völlig gereift waren. Als nun der Herr des Gartens herzutrat und die kahlen Bäumchen erblickte, da ward er sehr bekümmert und rief: Ach, warum hat man mir das gethan? Böse Buben haben mir meine Freude verdorben! Diese Worte gingen dem Söhnlein des Landmanns sehr zu Herzen, und er lief zu dem Sohne des Nachbars und sprach: Ach, mein Vater ist bekümmert um die That, welche wir verübt haben. Nun hab' ich keine Ruhe mehr in meinem Ge- müthe. Mein Vater wird mich nicht mehr lieben, sondern mit Verachtung strafen, wie ich verdient habe. Da antwortete jener: Du Thor, dein Vater weiß es ja nicht und wird es niemals erfahren. Du mußt es ihm sorg- fältig verhehlen und auf deiner Hut sein. Als aber Gotthold, — denn so hieß der Knabe —- zu Hause kam, und das freundliche Antlitz seines Vaters sah, da vermochte er nicht, wieder freundlich zu ihm hinaufzusehen. Denn er dachte, wie soll ich ihn fröhlich ansehen können, den ich betrübt habe? Kann ich doch mich selber nicht anblicken. Es liegt mir wie ein dunkler Schatten in meinem Herzen. Jetzt trat der Vater herzu und reichte jeglichem seiner Kinder von den Früchten des Herbstes, und Gotthold desgleichen. Da hüpften die Kinder herbei und fteuten sich sehr und aßen. Gotthold aber verbarg sein Angesicht und weinte bitterlich. Da hub der Vater an und sprach: Mein Kind, was weinest Du? — Und Gotthold antwortete: Ach! ich bin nicht werth, daß ich Dein Kind heiße. Ich kann es nicht länger tragen, daß ich vor Dir ein anderer erscheine, als ich bin und mich selbst erkenne. Lieber Vater, thue mir ferner nicht mehr

3. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 107

1843 - Altona : Schlüter
107 56. Die Krone des Alters. Wen der Schöpfer ehrt, warum sollen den nicht auch die Menschen ehren? Auf des Verständigen und Tugendhaften Haupte ist graues Haar eine schöne Krone. Drei Greise feierten zusammen ihr Jubelfest und erzählten ihren Kindern, woher sie so alt geworden. Der Eine, ein Leh- rer und Priester, sprach: „Nie kümmerte mich, wenn ich zu lehren ausging, die Länge des Weges, nie schritt ich anmaßend über die Häupter der Jugend hinweg, und hob die Hände nie auf zum Segnen, ohne daß ich wirklich segnete und Gott lobte; darum bin ich so alt geworden." Der Andere, ein Kaufmann, sagte: „Nie habe ich mich mit meines Nächsten Schaden be- reichert; nie ist sein Fluch mit mir zu Bette gegangen; darum hat mir Gott die Jahre geschenkt." Der Dritte, ein Richter des Volkes, sprach: „Nie nahm ich Geschenke; nie bestand ich starr auf meinem Sinn; im Schwersten suchte ich mich jederzeit zuerst zu überwinden; darum hat mich Gott mit einem Alter gesegnet." — Da traten ihre Söhne und Enkel zu ihnen, küß- ten ihre Hände und kränzten ihr Haupt mit Blumen, llnb die Väter segneten sie und sprachen: „Wie Euere Jugend, sei auch Euer Alter! Eure Kinder seien Euch, was Ihr uns seid: auf unserm greisen Haare eine blühende Rosenkrone." Das Alter ist eine schöne Krone; man findet sie nur auf dem Wege der Mäßigkeit, der Gerechtigkeit und Weisheit! Herder. 57. Die Pfeife. Als ich ein Knabe von sieben Jahren war, füllten mir einst, an einem Feiertage, meine Verwandten die Taschen mit Kupfer- münze.- Ich wußte nun nichts eiliger zu thun, als damit nach einem Kaufladen zu gehen, wo man Kinderspielwaaren verkaufte. Schon auf dem Wege dahin begegnete ich aber einem andern Knaben mit einer Pfeife, deren Ton mir so wohl gefiel, daß ich ihm freiwillig all' mein Geld dafür bot. Vergnügt über mei- nen Handel eilte ich wieder heim, und durchzog pfeifend das ganze Haus, denn meine Pfeife machte mir eben so viele Freude, als ich damit die ganze Familie belästigte. Als meine Brüder, Schwestern, Vettern und Basen von meinem Handel hörten.

4. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 140

1843 - Altona : Schlüter
140 dem wird sie je vergessen; und diese Hand, auf deren Wunde du deine mütterlichen Lippen drücktest, wird einstens gewiß dein graueö Haar niit Rosen- und Myrtenkränzen zieren." In schweigendem Entzücken traten nun die Gatten, von ihren Kindern begleitet, in die Stube, durch deren Fenster eben die untergehende Sonne den einladenden Tisch mit ihrem Rosen- schimmer röthete, und der Säugling in der Wiege sah mit weit offnen Augen ruhig um sich, und lächelte den glücklichen Eltern entgegen. Starke. 73. Die Mutter. Zn der Gegend von Rocroy arbeitete im Juni 1813 eine Bäuerin auf dem Felde, und hatte unterdeß ihren Säugling in den Schatten eines nahen Gebüsches gelegt, wo das Kindlein süß schlummerte. Plötzlich hört sie etwas rascheln, blickt hin, und sieht einen Wolf hervorspringen, der so eben den Rachen aufthut, um das Kind zu greifen und zu fressen. Aber eben so schnell springt die Mutter herzu, stürzt sich auf die Bestie und es beginnt ein heftiger und langwieriger Kampf. Endlich gelingt es der Frau, eine Scheere, ihre einzige Waffe, dem Wolf in den Leib zu stoßen. Er ist tödtlich verwundet, heult, weicht, wankt, stürzt nieder. Nun schließt die Mutter ihr gerettetes Kind in die Arme; ihre Kräfte sind aber erschöpft, die Sinne vergehen ihr, und, wie todt, sinkt auch sie zur Erde. — Unter- dessen waren die Nachbarn herbei geeilt und leisteten der Ohn- mächtigen alle mögliche Hülfe; aber sie gab kein Zeichen des Lebens mehr von sich, was man auch aufbot, sie wieder zu sich selbst zu bringen. „Legt ihr das Kind an die Brust!" rief endlich eine alte Frau. — Kaum war dieß geschehen, so athmete die Hingesunkene wieder, schlug dann freudig die Augen auf, blickte ihr Kind an und dann dankbar empor gen Himmel. „Das wußte ich wol!" sagte die Alte, „ich bin auch Mutter gewesen." Chr. Niemepcr. 74. Der Mend vor einem Festtage im Hause einer rechtschaffenen Mutter. Gertrud, die Frau eines Maurers zu Bonnal, war noch allein bei ihren Kindern. Die Vorfälle der Woche und der kommende festliche Morgen erfüllten ihr Herz. Zn sich selbst

5. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 135

1843 - Altona : Schlüter
135 O, kehrst du niemals, niemals wieder, Du selige Vergangenheit? Du unvergeßlich theure Stätte! ' — Und wär's ein Häuschen arm und klein — Und wenn ich Gold und Burgen hätte, In süßer Rührung dächt' ich dein! Du heilig Haus, geliebt vor allen! Wir denken dein in Leid und Glück, Und wohnten wir in Marmorhallcn, Wir denken doch an dich zurück. Kaltcnbrenner. 70. Die Lebensführer und Erzieher. Gott hat den Menschen auf seiner Pilgrimmschaft durch dieses irdische zum ewigen Leben mancherlei Führer gegeben: dw Eltern und die Lehrer, das eigene Gewichen, das Buch der Natur, das Buch der Geschichte der Menschen, das heilige Bi- belbuch und den werthen, heiligen Geist. Sie sollen uns füh- ren, leiten, bewahren, behüten, erretten, uns unsre leiblichen und geistigen Kräfte zur Ehre Gottes gebrauchen lehren, uns tüchtig machen für Zeit und Ewigkeit. Merke auf sie, höre auf ihre Stimme, laß dich leiten, führen, behüten, erretten, werde ein tüchtiger Erden- und einst ein seliger Himmelsbürger, Alles zur Ehre Gottes. Zn die Vater- und Mutterarme hat Gott den Menschen schon als zartes Kindlein gelegt; die Eltern sind die ersten und gröfesten Wohlthäter der Kinder hier auf Erden. Ihnen verdankt es nächst Gott sein Leben; in banger Stunde und unter Schmerzen ist es von der Mutter geboren, und hat diese mit dem eigenen Leben oft das Leben des Kindes erkauft; im Schweiße des Angesichts arbeiten Vater und Mutter, um dem Kinde auch Alles das zu erwerben, was es bedarf zu seines Leibes und Lebens Nahrung und Nothdurft. Ja nicht bloß das, was es zur Erhaltung des Lebens bedarf, sondern auch Alles, was das Leben erst zum Leben macht, was das menschliche Leben von dem thierischen unterscheidet, verdankt es den Eltern: sie haben es nicht bloß geboren, sie erziehen es auch, übergeben es der Schule und Kirche, damit es nicht bloß die Welt, sondern auch Gott und den Erlöser kennen lerne Joh. 17, 3., sorgen nicht bloß für sein leibliches Wohl, indem sie es eine bestimmte Berufsarbeit erlernen lasten, sondern auch für die geistige und ewige Wohlfahrt

6. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 136

1843 - Altona : Schlüter
136 desselben, indem sie es in der Zucht und Vermahnung zum Herrn erziehen. Ephes. 6, 4. Darum: 2 Mos. 20, 12: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. Sir. 3, 9.: Ehre sie mit der That, mit Wort und Geduld. Denn des Vaters Segen rc. Und weiter: Sir. 7, 29. 30. Ephes. 6, 1—8. 1 Tim. 5, 4. und Sir. 3, 14. 71. Das Bild der Mutter. Meine Mutter war ein Bild der Liebe, der Demuth und der stillen Gottergebenheit, wie kaum eine andere Frau, welche ich gesehen habe. Das war eine Liebe, welche wenig Worte machte, sondern immer nur in ihrem Herzen sprach: Herr Jesu! ich, deine arme Magd, will ganz deine sein; hier bin ich, leite du mich nach deinem Wohlgefallen. Dieser stillen Seele schien Alles, was dem Zorn, dem Haß, ja nur dem heftigen Unwillen gleichet, gänzlich ftemd, ja unmöglich zu sein: und ich habe nie ein hartes Wort über ihre Lippen gehen hören. Wenn der Vater, in dessen Natur eine starke Anlage zu heftigen Aufwal- lungen lag, je zuweilen aus menschlicher Schwäche auch ein heftiges Wort gegen sie sprach, da schwieg sie wie ein Lamm, that ihren Mund nicht auf. Mit den Dienstboten und Arbeitern zankte sie nie, sondern verwies ihnen das, was unrecht war, mit sanf- tem Ernst. Sie urtheilte nie hart über einen abwesenden Menschen, und mochte dieß Urtheilen auch an Andern nicht leiden. Und dennoch hat wol selten eine Frau in ihrer ganzen Umgebung so viel willige Unterwürfigkeit und Gehorsam, so viel Ehrfurcht und Liebe gefunden als diese. Viele rohe Dienstboten wurden in ihrem Haushalte gar bald sanft und gut und von dem Geiste der Gottesfurcht, des Fleißes und der Ordnung ergriffen, der von der Frau des Hauses ausging. Unser lieber Herr hat unter seinen Menschen zuweilen Gefäße bereitet, durch welche er nur wohlthun und segnen, gar nicht strafen will. Ein solches Gefäß der Liebe und des Segens war meine Mutter. Sie vermochte selbst uns Kinder nicht auf die gewöhnliche Art zu strafen; sondern dieses Strafamt übte der Vater stark und kräftig; die Mutter aber ward durch unsere Unarten nur betrübt und in sich gekehrt; und wenn wir Kinder dieß bemerkten, that es uns weher, als des Vaters Zucht und Strafe; denn wir hatten die Mutter gar lieb. Zuweilen aber, als die Kinder größer, und den gewöhnlichen Strafen entwachsen waren, sprach

7. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 147

1843 - Altona : Schlüter
147 die Forderungen der Religion und Sittlichkeit: Tugenden, die wir bald nur noch in der Geschichte und in Gedichten bewun- dern werden, wenn Gott nicht unserem in Zärtlichkeit und Selbstsucht aufgelösten Geschlecht vielleicht durch hartes Unglück eine strengere Erziehung gibt. Lange Ruhe erschlafft Körper und Geist; und wie die Menschen einmal sind, ertragen sie Unglück besser als Glück. Um das Glück zu beherrschen, musi man durchaus die Zuchtruthe einer Tante !gefühlt haben. Fr. Jacobs. 80. Die drei Söhne eines Bettlers. Es gibt allerlei Arbeiten, die der ärmste Bauersmann ohne Mühe anfangen kann, um sein Brot zu verdienen und Weib und Kind zu ernähren; wer nur aufmerksam, fleißig und sparsam ist, der verdirbt in der Welt nicht. Das beweiset die Geschichte von Hansjörg Schmid. Der alte Hansjörg war ein Bettler, der in Kriegsdiensten das rechte Bein verloren hatte. Er ging noch vor mehreren Jahren von Haus zu Haus in den Dörfern am Bodensee, bald zu Fischbach, bald zu Salmannsweiler, um Brot zu heischen. — Jetzt aber sitzt der alte Hansjörg als ein reicher Mann im Lehnstuhl, und die Leute wundern sich seiner, und Niemand weiß, woher er es hat. Da sagt der Eine: Er hat einen Schatz gefunden! — Nein, schreit der Andere, der Drache hat es ihm durch den Kamin gebracht! Nein, schreit der Dritte, er hat mit dem Teufel ein Bündnis; geschloffen! — Und ich läge: Ihr seid Alle insgesammt einfältige Tropfen. Ich will's euch besser sagen: Hansjörg hatte drei Söhne, die er, trotz sei- ner Armuth, in christlicher Tugend auferzog, und durch die Güte des Herrn Pfarrers und Schullehrers unentgeltich zur Schule schickte. An einem heißen Tage saß Hansjörg auf dem Felde, und theilte mit den drei Knaben sein Brot. „Buben!" sagte'hansjörg: „Ihr seid groß genug, und könnt mit Arbeiten euer Brot verdienen. Aber betteln dürft ihr nicht, denn Bettelbrot ist bitt're Noth! Diebesbrot bringt Galgentod! — Du da, Peter, bist vierzehn Jahre alt, hast zwer gesunde Augen — such' dir 7lrbeit. — Du, Gabriel, hast 10*

8. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 139

1843 - Altona : Schlüter
139 geschrei ihres Antonio sie auf. Sie stürzte vor die Hütte und sahe mit Beben, wie er die kleine zitternde Franziska herbei- führte, und hörte mit Erstarren, wie er von Weitem rief: „Mutter, sieh' nur, wie Franziskas Hand da blutet! Eine Natter hat sie gebissen." Ach Franziska, meine Franziska, eine Natter! Gott, warum ließ ich sie hier spielen! Hülfe! Ret- tung !" Das war Alles, was sie mit verschlungenen Armen ächzte, das war es, was sie einem eben vorüber eilenden Manne in gebrochenen Worten stammelte. „Junges Weib," sagte der Wanderer, „ich kann nicht weilen; mein Vater liegt in jenem Dorfe todtkrank; auch habe ich nur einen Rath: Seht, wo ihr einen Hund bekommt, der ihr das Gift aus der Wunde saugt, aber geschwind, geschwind! Sonst weiß ich mchts." Mit die- sen Worten ging der Mann vorüber und Clementine taumelte, wie vom Schwindel überfallen, und die Verzweiflung zuckte auf ihrem blassen Gesichte. Doch nach einem Augenblicke ward ihr Antlitz heiterer; sie erhob sich schnell und fteudig, wie wenn man Rettung sieht. „Ein Hund das Nattergift aus ihrer Wunde saugen?" sagte sie, „das wird ein Hund nicht thun, aber eine Mutter kann es, eine Mutter thut es!" und hastig zog sie ihre Tochter an sich, als ob sie von einem Ab- grund sie wegriß, und drückte die sanften Lippen auf die Wunde und sog, und sog so innig und lange, als könnte sie hundert- jähriges Leben aus dieser Wunde saugen. Indem sah Antonio den Vater sich nähern, stürzte ihm entgegen und erzählte ihm, was geschehen war und was die Mutter jetzt thue. Vor Ent- setzen erbleichte der junge Mann und wankte und hielt sich an dem nächsten Baume. „Was machst du, Vater?" rief der Knabe, und sprang auf ihn zu, als wollte er ihm helfen; aber noch ehe er ihn umfaßte, bebte er wieder zurück vor einer tod- ten Schlange, die er jetzt an des Vaters -Stab gewunden erblickte und stammelte: „Ach, die Natter war es, ja, so eine Natter hat unsere liebe Franziska gebissen!" „Nun Gottlob! Gottlob!" jauchzte der Vater; „das ist keine Natter, das ist eine unschädliche Schlange, die Niemanden tobten kann." Mit nassen Augen erreichte er die Hütte, umfaßte die Tochter mit der Mutter und schloß sie lange an seine Brust und rief mit trunkener Freude: „Böses, treffliches. Weib, wie hast du mich erschreckt! Aber Gott sei Dank, die Schlange war nicht giftig; der Herr sei gepriesen, wir bleiben noch beisammen! und deine Mutterliebe werde ich nie vergessen, und keins von deinen Kin-

9. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 163

1843 - Altona : Schlüter
163 rechnen, wie es möglich sei, täglich mit 15 Kreuzem auszureichen und noch so frohen Muthes dabei zu sein, und verwunderte sich darüber. Aber der brave Mann im Zwilchrocke erwiderte ihm: Es wäre mir übel gefehlt, wenn ich soviel brauchte! Mir muß ein Dritttheil davon genügen; mit einem Dritttheil zahle ich meine Schulden ab, und das übrige Dritttheil lege ich auf Ka- pitalien an. Das war dem guten Fürsten ein neues'räthsel. Aber der fröhliche Landmann fuhr fort und sagte: Ich theile meinen Verdienst mit meinen Eltern, die nicht mehr arbeiten können, und mit meinen Kindern, die erst lernen müssen; jenen vergelte ich die Liebe, die sie mir in meiner Kindheit erwiesen haben, und von diesen hoffe ich, daß sie mich einst in meinem müden Alter auch nicht verlassen werden. — War das nicht artig gesagt und noch schöner und edler gedacht und gehandelt? Der Fürst belohnte die Rechtschaffenheit des wackern Mannes, sorgte für seine Söhne, und der Segen, den ihm seine sterbenden Eltern gaben, wurde ihm im Alter von seinen dankbaren Kin- dern durch Liebe und Unterstützung redlich entrichtet. Aber ein Anderer ging mit seinem Vater, welcher durch Alter und Kränklichkeit freilich wunderlich geworden war, so übel um, daß dieser wünschte in ein Armenspital gebracht zu werden, das im nämlichen Orte war. Dort hoffte er wenigstens bei dürftiger Pflege von den Vorwürfen frei zu sein, die ihm da- heim die letzten Tage seines Lebens verbitterten. Das war dem undankbaren Sohne ein willkommenes Wort. Ehe die Sonne hinter den Bergen hinabging, war dem armen alten Greis sein Wunsch erfüllt. Aber er fand im Spital auch nicht Alles, wie er es wünschte. Wenigstens ließ er seinen Sohn nach einiger Zeit bitten, ihm die letzte Wohlthat zu erweisen und ihm ein Paar Leintücher zu schicken, damit er nicht alle Nacht auf blo- ßem Stroh schlafen müßte. Der Sohn suchte die zwei schlech- testen, die er hatte, heraus, und befahl seinem zehnjährigen Kinde, sie dem alten Murrkopf ins Spital zu bringen. Aber mit Ver- wunderung bemerkte er, daß der kleine Knabe vor der Thür eins dieser Tücher in einen Winkel verbarg und folglich dem Groß- vater nur eins davon brachte. Warum haft du das gethan? fragte er den Jungen bei seiner Zurückkunft. Zur Aushülfe für die Zukunft, erwiderte dieser kalt und bösherzig, wenn ich euch, o Vater, auch einmal in das Spital schicken werde. Was lernen wir daraus? — Ehre Vater und Mutter, auf daß es dir wohl gehe! — öebet. 11«=

10. Der Bildungsfreund in den Oberclassen deutscher Volksschulen - S. 160

1843 - Altona : Schlüter
160 Aber auch durch sie segnet uns Gott, selbst wenn wir es nicht erkennen, und ewig weise und gütig waltet über ihr die göttliche Liebe, so wie der Himmel sich in unwandelbarer Klarheit über der umdüsterten Erde wölbt. Endlich aber löset die Sonne der ewigen Liebe das Dunkel und wandelt selbst unsere Leiden zu Segnungen und Beweisen seiner Erbarmung. Herder. 85. Das gottselige Kind. Zn einer ehrlichen und fröhlichen Gesellschaft junger Leute ward das bekannte Königs-Spiel zur Kurzweil hervorgesucht, da dann unter andem von dem durchs Loos erwählten Könige einem Kinde geboten ward, das; es seinem alten Vater, der zugegen war, neunerlei Ehre anthun sollte. Das that es nun, ohne langes Bedenken, auf folgende Weise: 1) sagte es: Mein liebster Vater, ich danke euch für alles Gute, das ihr mir von Kind auf erwiesen habt, für alle Sorge und Mühe, die ihr meinethalben gehabt, und für alle Kosten, die ihr von dem, was ihr in Arbeit und saurem Schweiße erworben, auf mich und meine Wohlfahrt verwandt habet. 2) Küsset es ihm die Hand, mit Bezeugung seiner Dankbarkeit, für alle väterliche, wohlgemeinte Züchtigung. 3) Weil eben Apfel auf dem Tisch waren, nahm's einen, schälet und zertheilt ihn und bot die Hälfte dem Vater dar mit dem Anerbieten, wenn es einmal mit Gottes Segen zu einem Stücklein Brots kom- men, und es der Vater bedürfen sollte, daß es gern mit ihm theilen wollte. 4) Bücket es sich, löset ihm die Schuh auf, zog sie aus und setzt ihm die Pantoffeln hin, dabei meldend, daß ihm kein Dienst, seinem Vater zu erweisen, gering und ver- ächtlich sein sollte. 5) Weil es etwas späte auf dem Abend, sucht es ihm sein Nachtgeräthe und legt es ihm mit holdseligen Geberden hin. 6) Bot es ihm einen frischen Trunk, zum Schlaftrunk. 7) Hielt es dem Vater seine Backen dar, mit Begehren, daß er darauf schlagen sollte, zu bedeuten, daß es willig wäre, noch anitzo alle väterliche Erinnerung, und wenn sie auch mit Schlagen geschehen sollte, zu erdulden. 8) Unter- stund es sich, den Vater mit dem Stuhl aufzuheben und von der Stelle zu versetzen, anzuzeigen, wie bereit es wäre, da es nöthig, den alten schwachen Vater zu heben und zu tragen. 9) Kniet es nieder, und begehrte den väterlichen Segen, welchen
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