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Oberhaupt des Volkes. An der Spitze der einzelnen Provinzen
des Landes stehen Vizekönige. Ihnen dienen wieder die „Mandarinen"
(Beamten).
Die Chinesen können auf eine uralte Kultur zurückblicken. Schon
lange vor Christi Geburt kannten sie Kompaß, Buchdruckerkunst,
Schießpulver-, Porzellan-, Glas-, Papier - und Seidenbereitung.
Sie konnten damals auch schon kunstvolle Elfenbeinschnitzereien und
Holzgegenstände herstellen. Bei ihrer Jahrtausende währenden,
strengen Abgeschlossenheit aber, wie diese vor allem durch hohe Ge-
birgswälle ringsum, durch Wüsten und das stürmische Meer (Tai-
sune) sowie durch die weite Ferne der gegenüberliegenden Gestade gegeben
war, blieben sie ohne jeden anregenden Berkehr mit andern Kultur-
Völkern, und das bedeutete schließlich auf vielen Gebieten ein völliges
Zurückbleiben hinter den ständig fortschreitenden kulturellenver-
Hältnissen des Abendlandes. So verknöcherte die chinesische Kul-
tur. Doch stehen die Chinesen heute noch unerreicht da in der Seiden-,
Lack- und Porzellanindustrie, in der Bereitung von Papier,
Holzarbeiten, Elfenbeinschnitzereien, Tusche u. a. m. (Hier sei
erwähnt, daß das Land reich an Erzen und Kohlen ist. In dem
Maße, in welchem diese Bodenschätze mehr und mehr ausgebeutet
werden, können sich auch andere Zweige der Industrie heben.) Ihre
Fremdenfeindlichkeit aber gegen die Europäer hat sich bis in unsere
Zeit erhalten. Sie kommt in jeweiligen Hetzereien und Aufständen
zum Ausbruch, welche dann selten ohne Blutvergießen abgehen. So
zeigen z. B. die Ermordung des deutschen Gesandten Freiherrn von
Ketteler, dieniedermetzelung chinesischer Christen, dieermordung
deutscher Missionare u. a. m. den glühenden Haß gegen die
Europäer und die europäische Kultur (Religion).
Unter den gewaltigen Bauwerken, welche die Chinesen einst
mit großem Fleiße und zäher Energie aufführten, sei neben dem
oben erwähnten Kaiserkanal (siehe das!) u. a. noch der Großen
Mauer gedacht, welche eine Länge von etwa 2000 km aufweist, über
Berg und Tal, über Flüffe und Kanäle führt und in bestimmten Ab-
ständen mit Türmen und Bollwerken versehen ist. Sie sollte gegen den
Einfall kriegerischer Völker von Norden (Wüste Gobi) und auch
aus dem Innern Asiens schützen. Sie ist heute so gut wie be-
deutungslos. Schiller hat dieses großartige Bauwerk in folgendem
Rätsel gekennzeichnet:
Ein Gebäude steht da von uralten Zeiten,
Es ist kein Tempel, es ist kein Haus;
Ein Reiter kann hundert Tage reiten,
Er umwandert es nicht, er reitet's nicht aus.
Jahrhunderte sind vorübergeflogen,
Es trotzte der Zeit und der Stürme Heer;
Heise u. Marquardt, Erdkunde für Lehrerbildungsanstalten. Iii. 7
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch]]
Extrahierte Personennamen: Christi Ketteler Schiller
— 99 —
sprang noch zum großen Teile rein egoistischen Trieben. — So
muß u. a. auch in der Rechtspflege noch vieles sich ändern, und gar
manche mittelalterliche, rohe Strafe — selbst für kleinere Ver-
gehen — widerstrebt unseren Anschauungen. So werden u. a. auch
noch harte Zwangsmittel angewendet, um den Verbrecher zum Ge-
ständnis zu bewegen. Auch die grausamsten Hinrichtungsformen
für zum Tode verurteilte Verbrecher werden ausgewählt.
Die Flüsse und die reichgegliederte Küste sind die Hauptsied-
Abb. 31. Peking. Der westliche Eckturm der Stadtmauer.
l u n g s l i n i e n. Die H a u p t st a d t des Kaiserreiches China (mit der Mandschurei
4400000 qkm — 8 mal Deutschland, 330 Mill. Einw, 75 auf 1 qkm)
ist Peking am Peiho. (Abb. 31—33.) Der Name bedeutet soviel wie
„Nördlicheshoslager". Es ist dieresidenz deskaisers von China.
Die Stadt hat etwa 1 Million Einwohner. Sie ist erst von den Mand-
schukaisern zur Hauptstadt erhoben worden. Ein großer Teil der
Stadt wird von Gärten, Tempeln, Teichen und verlassenen Palä-
sten eingenommen. In einzelnen Teilen sind die Straßen schmutzig
und voll Unrat, die Häuser ärmlich. Doch ist andererseits
in den Vierteln, wo größerer Reichtum herrscht, ein gewisser
Luxus nicht zu verkennen. Peking hat eine Universität und zahl-
reiche weitere Bildungsstätten. Die Umgebung der Stadt ist
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T186: [Stadt Insel Hauptstadt Tunis Handel Afrika Land Hafen Küste Algier], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe]]
Extrahierte Ortsnamen: Peking China Deutschland Peking China Peking
über Mursuk nach Kuka (am Tsadsee), von Bengasi über die Kufra-
Oasen und Borku nach Kuka, von Siwa über Audschila nach
Mursuk, von Dar-Fur nach Ägypten u.a.m. (Abb. 64.)
Die Bewohner gehören zumeist zur mittelländischen Rasse,
und sie sind entweder hamitischer Herkunft, wie die Tuareg (Berber)
im Westen und die Tibbu im Osten oder Semiten, wie die Araber
(Mauren). Dazu wohnen im Süden auch Neger. Die vorherrschende
Religion ist dermohammedanismus. Die Bewohner zerfallen in ver-
schiedene Stämme, die teilweise Viehzucht betreiben oder auch in den
Siedlungen der Oasen eine seßhafte Lebensweise führen, anderer-
seits aber auch infolge ihres kriegerisches Sinnes sich gegenseitig
befehden oder aber auf ihren flinken Rossen und Kamelen auch
die Karawanen überfallen und ausrauben, zu welch' schnödem
Handwerk sie der Charakter der Wüste ja nur allzusehr reizt. Auch
Abb. 63. Wüstenschiffe.
Aus einem Führer des Norddeutschen Lloyd.
ihre Kleidung ist dem Leben in der Wüste angepaßt, wie denn alle
diese Menschen widerstandsfähige, zähe Naturen sind, die dazu für
ihr Räuberhandwerk mit der nötigen Klugheit ausgestattet wurden.
Die fremden Mächte dringen bei der Besitzergreifung des Landes
immer tiefer in das Innere der Sahara vor. Den Franzosen gehört
der Westen mit Ausnahme von Tiris an der Westküste, das sich in
spanischem Besitze besindet. Frankreich hat von Norden (Algerien)
und Süden her immer weitere Gebiete seinem bisherigen Besitze
hinzugetan. Die wichtigste Siedlung dieses Gebietes ist Timbuktu,
am oberen Niger, einer der bedeutsamsten und ältesten Handels-
Plätze Afrikas. Hier laufen täglich Karawanen ein. Die wich-
tigften Erzeugnisse des Austauschhandels bilden Gold, Salz,
Elfenbein, Gummi, Straußenfedern und Datteln.
Die Türken beanspruchen Tripolis, Fessan und Barka. Die
Hauptstadt Tripolis liegt auf einer Landzunge im Mittelläu-
difchen Meere, hat lebhaften Handel und Industrie von Woll-,
TM Hauptwörter (50): [T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Bengasi Barka
Extrahierte Ortsnamen: Tsadsee Sahara Frankreich Algerien Timbuktu Niger Afrikas Tripolis
— 73 —
empfängt. So mußte die Stadt zum Welthafen aufblühen. Eng-
lischer Besitz ist auch die der Westseite Malakkas vorgelagerte
Insel Pinang, auch die Prinz Wales-Jnsel genannt, deren Erzeug-
nisse (vornehmlich Gewürze) ebenfalls einen wichtigen Gegenstand
der Ausfuhr bilden. — Die Andamanen und Nikobaren sind Straf-
kolonien für die politischen Verbrecher von Britisch-Jndien.
Das selbständige Königreich Siam, welches das Stromgebiet
des Menam und einen Teil der Halbinsel Malakka umfaßt, ist
-ip
Abb. 24. Rangun.
Aus einem Führer der Hamburg-Amerika-Linie.
etwa Vj6 mal so groß wie Deutschland und hat ungefähr 6^ Mill.
Einwohner. Die Bewohner haben sich sehr empfänglich für
europäische Kultur gezeigt. Studienkommissionen, der König
selbst und auch Mitglieder seiner Familie haben des öfteren Europa
und auch Deutschland bereist und dann ihre Erfahrungen für
ihr Vaterland in bester Weise zu verwerten gesncht. So
sind z. B. das siamesische Verkehrswesen und auch die siame-
fische Armee fast ganz nach deutschem Muster eingerichtet.
Auch die früher völlig despotische Regierungsweise des Herrschers
hat mancherlei Modifikationen zum Besseren erfahren und nähert
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T184: [Insel Amerika Portugiese Afrika Spanier Kolumbus Küste Entdeckung Jahr Indien], T20: [Indus Stadt Ganges Gang Hauptstadt Land Siam Indien Fluß Strom], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Ortsnamen: Malakka Rangun Deutschland Europa Deutschland
— 98 —
Frei steht es unter dem himmlischen Bogen,
Es reicht in die Wolken, es netzt sich im Meer.
Nicht eitle Prahlsucht hat es getürmet,
Es dienet zum Heil, es rettet und schirmet;
Seinesgleichen ist nicht auf Erden bekannt,
Und doch ist's ein Werk von Menschenhand.
In neuerer Zeit beginnen die Chinesen nun ihre Abgeschlossen-
heit und Abneigung gegen alles Fremde mehr und mehr aufzu-
geben. Binnenverkehr und Binnenhandel waren immer schon
sehr lebhaft. Letzterer wurde freilich immer etwas durch die will-
kürlichen Zölle der Mandarinen in seiner weiteren Entwickelung
gehindert. Aber der Außenhandel hebt sich zusehends, seit im
Laufe der letzten Jahrzehnte eine ganze Anzahl von Hafenplätzen
(Vertragshäfen) dem Verkehr und Handel mit den Fremden frei-
gegeben wurden. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts war
Kanton der einzige Ausfuhrhafen, und der Handel der Ausländer
war auch hier noch außerordentlich erschwert. Auch sonst ist in der
Entwickelung des chinesischen Volkes jetzt manche Wendung zum
Besseren zu erkennen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß der Blick auf
die in ihrer Kultur ausnahmsweise schnell vorgeschrittenen Japaner
(Kampf derjapaner mit den Russen, Port Arthur 1904—1905) die
Chinesen mit veranlaßt hat, aus ihrer törichten Reserve mehr und
mehr herauszutreten und zuerkennen, daß sie keine rechte Veran-
lassung haben, den „fremden Teufeln" mit Haß und Verachtung
entgegenzutreten. So senden sie heute auch schon Studienkommissionen
und Offiziere nach Europa (Deutschland), damit diese nach ihrer
Rückkehr die entsprechenden Verhältnisse und Erfahrungen im
eigenen Lande nutzbar machen können. Schulen und Universitäten
werden vereinzelt schon nach europäischem Muster eingerichtet.
Europäische Lehrer helfen den Unterricht in diesen Anstalten
reformieren. Telegraph und Telephon finden Eingang nach
europäischer Art. Eisenbahnen werden gebaut. Die Bedrückung
des niederen Volkes durch die Mandarinen sowie deren Bestech-
lichkeit sucht man zu beseitigen. Auch ist man schon mit dem Ge-
danken umgegangen, die Regierungsform neuzeitlich — den Kultur-
staaten entsprechend — zu gestalten. Dem Opiumlaster soll mit
aller Strenge gewehrt werden u. a. m. Und überall, wo wir an
größeren Plätzen unseres Vaterlandes Chinesen begegnen, da sind
sie vielfach schon äußerlich europäisch zugestutzt. Selbst der
ominöse Zopf ist zumeist der Schere gewichen, und auch euro-
päischer Sauberkeit scheinen sie schon zugänglicher zu sein. Und
dennoch wird der Haß wohl nie ganz verstummen. Erst höhere Stufen
der Religion und der allgemeinen Bildung können ihn völlig
dämpfen. Was bis jetzt auf dem Wege vorwärts geschehen ist, ent-
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
obschon wir in diesem Falle Hütten erwarten können, daß sie zugenommen
haben würde. Der Kindermord, welcher früher bis zu so einem außerordent-
lichen Grade herrschte, hat aufgehört; Ausschweifung ist in einem bedeutenden
Grade unterdrückt worden, und die mörderischen Kriege sind weniger häufig
gewesen.
Der Missionar I. Williams sagt in seinem interessanten Buche, daß
die erste Berührung zwischen Eingeborenen und Europäern unabänderlich
von der Einführung von Fieber, Ruhr oder irgend anderer Krankheiten
begleitet ist, welche große Zahlen des Volkes dahinraffen. Ferner behauptet
er: „Es ist sicherlich eine Tatsache, welche nicht widerlegt werden kann, daß
die meisten Krankheiten, welche auf den Inseln während meines Aufenthaltes
hier gewütet haben, von Schiffern eingeschleppt worden sind. Und was die
Tatsache noch merkwürdiger macht, ist, daß unter der Bemannung des
Schiffes, welche eine solche zerstörende Einschleppung verursacht, gar keine
Krankheit scheinbar vorhanden zu sein braucht." Diese Angabe ist nicht
völlig so außerordentlich, als sie auf den ersten Blick erscheint; denn mehrere
Fälle sind beschrieben worden, wo die bösartigsten Fieber ausgebrochen sind,
ohne daß die Parteien selbst, welche die Ursachen dazu waren, affigiert ge-
wesen wären. In der ersten Zeit der Regierung Georgs Iii. wurde
ein Gefangener, der in einem Kerker gefangen gehalten worden war, in
einer Kutsche mit vier Koustablern vor den Richter gebracht, und obgleich
der Mann selbst nicht krank war, starben doch die vier Konstabler an einem
sehr schnell verlaufenden fauligen Fieber; aber die Ansteckung verbreitete sich
nicht auf andere. Nach diesen Tatsachen möchte es beinahe scheinen, als ob
die Ausdünstungen von einer Anzahl eine Zeitlang zusammengeschlossen
gehaltener Menschen giftig wirkte, wenn sie von anderen eingeatmet werden,
und möglicherweise ist dies noch mehr dann der Fall, wenn die Menschen
verschiedenen Raffen angehören. So mysteriös dieser Umstand zu sein
scheint, so ist er doch nicht mehr überraschend, als daß der Körper von einem
Mitgeschöpf unmittelbar nach dem Tode und ehe noch die Fäulnis aufzu-
treten begonnen hat, häufig von einer so tödlichen Eigenschaft ist, daß ein
bloßer Stich mit einem bei seiner Sektion benutzten Instrument sich als
todbringend herausstellt.
Ii. In Australien und auf Samoa.
(„Samoa, die Perle der Südsee", & jour gefaßt von Otto E. Ehlers,
6. Aufloge; Berlin, Hermann Paetel. 1904, 191 Seiten, 4 Mark. S. 14, 15, 17, 18,
24, 25, 31—33, 4ü, 41, 48, 49, 75—77, 80—82, 129—131.)
(1. Adelaide.) Wer etwa nach Australien kommt in der Erwartung,
auf Schritt und Tritt von boxenden Känguruhs angerempelt zu werden,
das Emu seine Eier in die Rinnsteine legen und das Schnabeltier seine
ausgebrüteten Jungen an den Straßenecken säugen zu sehen, der wird sich
schon am ersten Tage schmerzlich enttäuscht sehen. Ich hatte, durch ameri-
kanische Erlebnisse gewitzigt, meine Erwartungen auf ein möglichst geringes
Maß herabgeschraubt und fand, daß ich gnt daran getan hatte, da ich nun-
mehr angenehm überrascht wurde.
Adelaide, die Hauptstadt Südaustraliens, die ich nach etwa halbstündiger
Eisenbahnfahrt durch schönes frischgrünes Weideland erreichte, macht mit
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T86: [Insel England Irland Schottland Kolonie Hafen Stadt Küste Hauptstadt Kamerun]]
Extrahierte Personennamen: Williams Otto Ehlers Hermann_Paetel
Extrahierte Ortsnamen: Georgs Australien Samoa Berlin Adelaide Adelaide
— 36 —
gegossen. Alle, die sich zur Zeit des Essens im Gehöste befinden, erhalten
einen Teil; denn der Kanake ist sehr gastfreundlich und ladet alle Anwesen-
den ein, mitzuessen. Würde jemand nicht eingeladen werden, so müßte er
das als eine Beschimpfung auffassen. Da der Wilde sich aber nicht zweimal
einladen läßt, so wartet man lieber, bis die lästigen Besucher sich entfernt
haben.
(8. Religiöse Vorstellungen.) Der Tambn^) ist bei den Kanaken
von viel höherer Bedeutung als das Geld bei uns. Aus dem einzigen
Grunde, sich ein großes Vermögen zu erwerben, würden sie nicht so sehr
nach den Muscheln streben. Dafür sind sie viel zu stumpfsinnig und zu
träge. Die Macht und Anziehungskraft des Tambu rührt vielmehr einzig
von ihrem religiösen System her. In ihrem krassen Materialismus haben
sie die Seligkeit ausschließlich vom Reichtum abhängig gemacht. Nur die
Reichen, die bei ihrem Tode viel Muschelgeld hinterlassen, gelangen zur
Ruhe, die Seelen der Armen dagegen müssen unstet umherirren. Aus diesem
Grunde ist das ganze Sinnen und Trachten des Kanaken auf Tambu ge-
richtet. Er will um jeden Preis zur Seligkeit gelangen, und deshalb strebt
er während seines ganzen Lebens nach dem, was ihn in den Besitz derselben
bringt. Er setzt seine Ehre und seinen Stolz darin, bei seinem Tode viel
Muschelgeld zu hinterlassen. Darum läßt sich denn auch leicht die Macht-
stelluug und das Ansehen der reichen Häuptlinge erklären, die mehrere
tausend Faden zusammengescharrt haben. Mit Tambu kann der Kanake sich
alles verschaffen, wonach sein Herz begehrt, da niemand demselben widersteht.
Jede Schwierigkeit, jeden Kampf, selbst die Blutrache kann er mit Tambu
beilegen. Vor keinem Verbrechen schreckt er zurück, weun ihm eine gute
Bezahlung in Aussicht gestellt wird; denn für Tambu ist jeder Kanake zu
jeder Schandtat bereit.
(9. Kannibalismus.) Trotzdem die Wilden das virua (Menschen-
sleisch) als ihre Leibspeise betrachten, so essen sie doch nicht ohne Unterschied
alles Fleisch. Der Gazelle-Bewohner verliert den Appetit, wenn es sich um
Leute handelt, die eines natürlichen Todes gestorben sind. Er verzehrt nur
diejenigen, die er im Kampfe erschlagen oder doch wenigstens abgeschlachtet
hat. Gewöhnlich verspeisen die Eingeborenen nicht die Leichen ihrer eigenen
Stammesgenossen, nehmen es aber in diesem Puukte nicht so genau. Hat
ein Mitglied eines Stammes ein Verbrechen begangen, das er mit dem Tode
sühnen muß, so veranstaltet der Häuptling eine Treibjagd auf ihn. Das
Fleisch des Erschlagenen verkaufen die Mörder an einen anderen Stamm
oder verzehren es selbst. Am begehrtesten aber sind die Leichen von er-
schlagenen Feinden und Fremden. Haben die Wilden infolge eines glück-
lichen Raubzuges vorab Menschenfleisch genug, so sparen sie die Kriegs-
gefangenen für später auf. Diese leben dann in der beständigen Angst, beim
nächsten Feste getötet zu werden. Sie müssen zusehen, wie ihre Leidens-
genossen einer nach dem anderen, je nach Bedars, abgeschlachtet werden, bis
endlich auch die Reihe an sie kommt.
i) Muschelgeld.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
— 171 —
Jahreszahlen der Ausbrüche, welche den Boden geschaffen haben, über welchen
wir schreiten. Zugleich hören wir, daß unser Weg jetzt ganz neu und erst
seit den letzten Ausbrüchen von 1878 in Gebrauch ist, weil früher der
Krater von der anderen Seite her, d. h. von dem atrio di cavallo her,
bestiegen wurde. Seit die Lava den Zugang von dort unmöglich gemacht
hat, ist die Beschwerde des Hinansklimmens viel größer geworden; der eigent-
liche Aschenkegel erhebt sich jetzt mit einer Steigung von 30 Grad und
mehr, und für schwächliche Personen hat die Tour dadurch allerdings etwas
Abschreckendes, ja Gefährliches erhalten. Mit gewissenhafter Genauigkeit
zeigte uns der Führer jeden Fleck, wo bald ein Russe, bald ein Engländer,
bald ein Franzose jemals umgekommen war. Manche dieser Opfer des
Vesuvs waren in der Tat einzig und allein den Strapazen der Besteigung
erlegen, aber immer durch ihre eigene Schuld. So hatte noch vor vierzehn
Tagen ein mehr als 60-jähriger alter Herr aus Frankreich sich auf diesen
Weg gemacht, zuvor aber den Freuden einer reichbesetzten Tafel und auch
dem glühenden Wein des Vesuvs reichlich zugesprochen. Beim Hinauf-
klimmen war er plötzlich zusammengebrochen, und ein Schlagfluß hatte
seinem Leben ein Ende gemacht. Wer den Italiener kennt, der kann sich
denken, mit welchem Behagen am Grausigen jeder Führer seinen Fremden
solche Tatsachen mitteilt, um dadurch die Schrecken des Berges größer und
sein eigenes Verdienst bedeutender darzustellen. Wir kannten diese Motive
sowohl wie die Ursachen jener Todesfälle und ließen uns dadurch nicht
anfechten. Aber verhindern konnten wir nicht, daß uns vom Observatorium
aus eine ganze Schar dienstbeflissener Menschen mit ihren Anerbietungen
und Schilderungen der Gefahren und Beschwerden des Berges begleitete.
Vier dieser Gesellen waren so hartnäckig und zähe in ihrer Zudringlichkeit
wie Fliegen, die man nur verjagt, um sie alsbald von einer anderen Seite
wieder erscheinen zu sehen. Zwei umschwärmten beständig meinen Begleiter
und zwei hefteten sich an meine Sohlen, während der Führer allen voran-
schritt, und nun ertönte es beständig, bald rechts, bald links, bald vor, bald
hinter mir: e molto lontauo, Signore, e troppo difficile per lei, e assai
pericoloso usw. (es ist sehr weit, Herr, es ist zu schwer für Sie, es ist
gauz gefährlich), wobei denn auch die vielen Todesfälle, die hier schon vor-
gekommen, als nachdrückliche Bekräftigung zum Überdrusse erzählt und
beschrieben wurden. Wir sollten durchaus diese vier Kerle für schweres
Geld dazu engagieren, uns mit Riemen den Aschenkegel hinaufzuziehen.
Aber frisch und kräftig, wie wir waren, dachten wir nicht daran, solche
mehr lästige als angenehme Hilfe zu gebrauchen, und ärgerten uns nur
darüber, daß die zudringlichen Meufchen sich in keiner Weise verscheuchen
ließen, sondern uns über eine Stunde lang unablässig verfolgten und
belästigten. Der Genuß_ der schönsten Aussichten und Naturwunder kann
einem durch diese italienische Landplage förmlich verbittert werden. Als die
Unverschämten schließlich sahen, daß wir in der Tat ohne ihre Hilfe den
Gipfel erreichen würden, legten sie sich zu guter Letzt noch aufs Betteln um
ein Trinkgeld und kehrten, als wir unwillig diese Prämie ihrer Unverschämt-
heit verweigerten, mit gräulichen Flüchen etwa auf der halben Höhe des
Kegels ^ um. Oft genug soll es ihnen freilich durch diese Praxis gelingen,
ihre Hilfe für die letzte Hälfte des Weges noch ebenso teuer zu verkaufen,
wie wenn sie die ganze Arbeit geleistet hätten. Aber für einen einigermaßen
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
— 220 —
einen Stock ans Weißdorn oder Eichenholz, mit dünnem, messingbeschlagenem
Griffe, mit allerlei in den Schaft eingekerbten Verziernngen, nach unten
anschwellend zu der Breite eines Talerstückes, wie denn auch meist eine
Geldmünze in das dicke, mit einem breiten Eisen- oder Messingrande um-
schlossene Ende eingenagelt ist: eine tödliche Waffe, sei es zum Stoßen mit
dem Griff oder zum Schlagen mit dem anderen Ende. Während der B6arner
zwar „höflich aber falsch" genannt wird, liegt in der ganzen Haltung des
Basken, in seinem offenen Blicke, seinem jeden Wechsel der Stimmung rasch
und treu wiedergebenden Gesichte, in dem Kopfe, den er stolz etwas zurück-
wirft, der Ausdruck der Ehrlichkeit zugleich und des Selbstbewußtseins.
Wenn uns ein baskischer Bauer, in seinem raschen Dahinschreiten einhaltend
und den Makita auf den Boden stemmend, sein „Egün hun" (Guten Tag!)
zuruft, so ist in seinem Gruß ebensoviel adeliger Anstand als Herzlichkeit.
Der Baske weiß sich jedem ebenbürtig, und er hat noch nie vor jemand den
Rücken gebeugt. Bis auf Andorra sind zwar jetzt die sämtlichen Freistaaten
verschwunden, die ehedem in den Pyrenäentälern bestanden haben; aber der
Baske ist stolz darauf, daß fein Volk einst den Stürmen der Völker-
Wanderung Widerstand geleistet, zur Vertreibung der Araber mitgewirkt, im
Mittelalter seine Freiheiten gegen jeden Übergriff des Adels geschützt und
noch dem Absolutismus Ludwigs Xiv. unübersteigliche Schranken gesetzt
hatte. Noch ist in den Basken von dem Freiheitssinn etwas vorhanden,
der den Grundartikel ihrer Verfassung eingegeben hatte: „So jemand einen
Mann, ein Weib, ein Dorf oder eine Stadt von Guipuzcoa zwingen will
zu was es auch fei kraft irgend einer Weisung unseres Herrn, des Königs
von Castilien, die nicht von der Volksversammlung gebilligt worden, oder
die unsern Rechten, Vorrechten, Gebräuchen und Freiheiten Eintrag täte, so
soll ihm ohne weiteres der Gehorsam verweigert werden. Wenn er darauf
beharrt, so soll er zum Tode gebracht werden."
(2. Am Gave de Pau.) Von der Terrasse des Schlosses und von
der Place-Royale, einem der schönsten Plätze der Welt, genießt man eine
unvergleichliche Aussicht, zunächst auf den Park und die Gärten, eine alt-
berühmte Zierde der Stadt Pau, dann auf den Fluß Gave und feine in
immer frischem Grün prangenden User, dann drüben auf die Wald- und
Rebenhügel, darunter diejenigen von Juranyon, wo ein so herrlicher Wein
gedeiht, daß der auf den Alleingenuß bedachte Heinrich Iv. die Reben von
seinen Soldaten bewachen ließ, und endlich auf die in hellblauem Lichte
schimmernde Pyrenäenkette mit dem einsamen Pic du Midi de Pau, die in
natürlichem Rahmen das mannigfaltige und doch so harmonische Bild ein-
faßt. Wenn nicht schöner, so doch vielleicht erhabener bietet sich der Anblick
der Pyrenäen demjenigen, welcher, von den Tälern und Eichenwäldern der
nördlichen Umgegend herkommend, mit einem Male aus der flachen Ebene
der „Landes", die hinter dem von hier aus nicht sichtbaren Pau beginnen,
das Panorama der Pyrenäen vom Pic d'orhy bis zum Pic du Midi de
Bigorre vor sich auftauchen sieht. Wir dürfen wahrlich den glücklichen Be-
wohnern von Pau nicht zu sehr verargen, wenn sie beim fortwährenden
Genüsse solcher Schönheiten, bei der Milde eines Klimas, die im Winter
noch diejenige von Rom und Nizza übertrifft, bei dem Reichtum einer
Natur, die den Landleuten das zum Unterhalt nötige Maß von Kastanien,
Feigen und Mais fast ohne menschliche Nachhilfe liefert, sich den größten
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Heinrich_Iv Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Weißdorn Andorra Ludwigs_Xiv Rom Nizza
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und den großen Handelszentralen. Was Frankreich dem Reisenden so der-
führerisch macht, ist, daß sich das ganze nationale Leben in einem Punkte
scheinbar, in Paris, zentralisiert. So deutlich findet man die Kräfte bei
uns nirgend vereinigt, und man zweifelt darum leicht, daß sie vorhanden
sind. Dem Reisenden erst wird es klar, welche Energien über das ganze
Land verbreitet sind; er erst sieht es recht, wie der Deutsche überall in der
Werkstatt weilt, und wie die Arbeit unter seiner derb zupackenden Hand
knirscht.
Und diese Arbeitsemsigkeit eben macht den Deutschen unliebenswürdig.
Er hat keine Zeit, auf andere einzugehen. Er muß sich selbst und seine
Arbeit durchsetzen: das füllt ihn ganz aus. So kommt es, daß man einen
anderen Gesichtsausdruck an den Menschen wahrnimmt, wenn man die
Grenze passiert hat. Etwas Hartes ist in den Zügen, eine geistlose, nn-
bewegliche Energie, eine mürrische Entschlossenheit. Die ganze neudeutsche
Bevölkerung scheint, so wenig hastig und temperamentvoll sie ist, immer wie
auf dem Sprung zu leben, scheint eilig, wie stehend, nur zu essen, um gleich
wieder schaffen zu können, wo der Franzose seine Mahlzeit mit Ruhe,
Behagen, Feierlichkeit und Form umgibt. Das Menschliche tritt im öffent-
lichen Leben mehr zurück. Es flüchtet sich in die Einsamkeit jeder Seele
und wird dort zu einer fast tragisch heftigen Sehnsucht, zu einer schmerz-
lichen Hoffnung. Und das macht den einzelnen nur noch mehr unliebens-
würdig, bei großer innerer Tüchtigkeit.
Iv. Die Franzosen.
(„Frankreich und die Franzosen" in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Eindrücke und Erfahrungen von Karl Hillebrand. Berlin. Verlag von R. Appenheim,
[fegt Karl I. Trübner, Straßburg i. E., 4. Aufl. 1898]. 343 Seiten, 3 Mark, geb. 4 Mark.
S. 23—29, 35—37, 46—48.)
(1. Redlichkeit.) Nirgends ist die Redlichkeit (probit<3) mehr zu
Hause als in Frankreich; sie ist allerorten, in der Stadt wie im Dorf, in
jedem Stande, vom Millionär bis zum letzten Proletarier zu finden. Groß-
artigen esoroes und Dieben wird man in Frankreich wohl begegnen, ob-
schon nicht mehr als in England oder Amerika: kleine Veruntreuungen
kommen absolut nicht vor. Dienstboten und Arbeiter sind von der skrupu-
lösesten Ehrlichkeit: Hausdiebstahl, Entwendung kleiner Gegenstände, Über-
Vorteilung sind Dinge, von denen man nie reden hört*).
Nie sieht man einen Fremden überfordern, aus seiner Unkenntnis der
Sprache oder der Münze Vorteil ziehen; kurz, der Franzose ist unbedingt
verläßlich in Geldsachen — vorausgesetzt, daß er nicht mit dem Staate zu
tun hat. Schmuggeln, der Regierung übertriebene Rechnungen vorlegen,
sich einer Steuer entziehen, die Höhe seines Einkommens falsch angeben —
eine Unwahrheit kostet ja den Kelten wie den Romanen nichts — sind tag-
tägliche Vorkommnisse, die niemand streng beurteilt. Der Staat ist eben
keine lebendige Person, der man zu nahe tritt, und was ihm zugute kommt
oder ihm entzogen bleibt, verteilt sich auf alle: der einzelne wird dadurch
~ *)J5)em Schreiber dieser Zeileu ist es z. B. iu 20 Jahreu und in den verschiedensten
seilen Frankreichs nie vorgekommen, etwas zu verschließen, und es ist ihm nie etwas
entwendet worden.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
Extrahierte Personennamen: Karl_Hillebrand Karl Karl_I.
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Paris Berlin Appenheim Straßburg Frankreich Frankreich England Amerika Frankreichs