126. Eine gefährliche Eisenbahnfahrt.
603
Die wenigen in dem zurückgelassenen Bahnzuge befindlichen bayerischen Kranken, Berwundeten und Rekonvaleszenten, welche noch marschfähig waren, schlossen sich an und mit tiefer Betrübnis den Bahnzug im Stiche lassend kehrten die Angehörigen der Feldeifenbahn-Abteilnng als die Letzten der Stadt Orleans den Rücken. Zögernd marschierten die Bayern rückwärts, aber noch war die Hoffnung nicht erloschen, daß die rettende Lokomotive sich nahe. Erst als der Bahnhof allmählich außer Sicht kam, schwand alle Hoffnung den zurückgelassenen Zug zu bergen. So erreichte die kleine Schar Les Anbrais, den wenige Kilometer von Orleans gelegenen großen Rangierbahnhof und hier, wo alles noch in tiefer Ruhe und kein Mensch zu sehen war, machten die Bayern nochmals Halt, sich fast die Augen nach ihrer Retterin ausschauend. Da — plötzlich — lieblicher hat kaum je eine Musik lauschenden Ohren geklungen — der Pfiff einer Lokomotive; das konnte nur der „von der Tann" sein und mit Jubelruf empfangen dampfte cutch schon die Maschine heran. Allerlei kleine Unfälle, Roftverschlacknng, Wasseraufnahme u. a. m. hatten sie aufgehalten.
Nun aber war guter Rat teuer. Sollte man nochmals in die Löwenhöhle zurück, wo vermutlich der bayerische Zug schon gestürmt und demoliert und das Schicksal der Gefangenschaft, wenn nicht Ärgeres, den Umkehrenden sicher war? Befehlen konnte man das nicht; so rief der Ingenieur: Freiwillige vor, und im Augenblicke saßen und standen etwa 20 der wackeren Geniesoldaten, alle mit den gefürchteten Chassepots wohlbewaffnet, auf dem Tender, während Ebermayer mit dem Bahnmeister die Maschine bestiegen hatte; und vorwärts ging es wieder nach Orleans, was die Maschine laufen konnte.
Da stand noch der verlassene Zug, unangetastet, wenn anch wild umtobt von dem andrängenden Volke. Einzelne deutsche Soldaten, welche erst nach dem Abmarsch der Bayern sich noch ans der Stadt an den Bahnhof gerettet, hatten mit ihren Waffen die andrängende Menge immer noch im Schach gehalten. Im Nn war die Maschine an den Zug angekuppelt, alles schien gewonnen, da — meldet der Zugführer ganz phlegmatisch, daß die Maschine fein Wasser mehr habe! Man muß wissen, was eine Lokomotive ohne Wasser ist, eine unbehilfliche, tote Masse, um den ganzen Schrecken der Leute zu ermessen. Und die Wasservorrichtungen im Bahnhof unheilbar zerstört! Hatte man doch auch schon tags vorher und desselben Tages früh die Maschine nur mittels Schlauches und einer von der Stadt requirierten Feuerspritze mit Wasser versehen können! Aber die Spritze mußte noch an einem benachbarten Weiher stehen und richtig, sie zeigte sich unberührt, und als, wie auf einem lecken Schiffe, das Kommando ertönte: „Alle Mann an die Pumpe!", da wurde die Pumpe mit einem Feuereifer bedient, wie vielleicht vorher selten bei der größten Feuersbrunft. Es vergingen peinliche Minuten, bis endlich das Wasser am ersten Probierhahnen sprang. Nun genug! Schon will der Führer Dampf geben, doch Halt! Man mußte auch sorgen, daß, wenn unter-
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614
132. Auf Vorposten vor Paris.
Es standen fest in heißer Schlacht Die Männer all aus Deutschlands (Bauen, Doch Großes haben auch vollbracht, Wie sie, die edlen deutschen Frauen.
Wo mit dem Tod ein Krieger rang, Daniederlag an schwerer Wunde,
Da halfen sie und es erklang (Bar reicher Trost aus schönem Munde.
Es konnte sich in größter Not Ihr herrlich Wirken voll entfalten. Man sah sie, von Gefahr umdroht, Gleich Engeln ihres Amtes walten.
Wenn oftmals schon verloren schien Des wackern Helden junges Leben, Hat ihre treue Pflege ihn Den Seinen noch zurückgegeben.
Drum, preiset ihr die große Zeit,
Die Kämpen all aus deutschen (Bauen, Ein voller Kranz sei auch geweiht Dem Opfermut der deutschen Frauen!
132. Auf Vorposten vor Paris.
Von Karl Stielet.')
Folgen wir der Kompagnie, die heute Nacht den Vorpostendienst zu versehen hat und lautlos durch die Dämmerung dahinzieht!
Eine Grabesstille herrscht unter den Soldaten; in gebückter Stellung geht es weiter, an den Mauern entlang, zwischen den Gängen der Gärten und Häuser hin; immer näher kommen wir an den Feind; man kann die Mündung der Geschütze erkennen, die hinter den Schießscharten vorstarren, man kann das Weiße im Auge des Gegners sehen, wie der Soldatenausdruck lautet. Kaum 150 Schritte stehen sich die Vedetten gegenüber, hinter ihnen wartet das Feldpikett, das von den Trümmern einer zerstörten Villa gedeckt ist. Nur sachte — sachte! — Wie ein Mann sich bewegt, fällt drüben ein Schuß auf ihn. Und „drüben" liegt Paris — Paris, die Magdalena dieses Jahrhunderts; sie, die einst im Jubel der Weltlust glänzte und jetzt in Sack und Asche daniederliegt! Paris, das Medusenhaupt, vor dessen finstern Blicken Europa bebte, dem unter allen Völkern nur das deutsche Volk furchtlos in die Augen geschaut. Fürwahr, es ist ein Vulkan an Kraft und ein Ozean an Stürmen, dies stolze Paris, und heute stehen die deutschen Heere zum dritten Male auf seiner Erde und pochen an seine Pforten.
So glühen wohl die Gedanken, wenn man draußen steht aus dem einsamen Posten, wenn Auge und Ohr hinüberspäht.
Alles ist still in weiter Runde — man hört das Getöse und das Ge-woge der Weltstadt, wie man ans Meilen hin die Wogen des Meeres hört, die ans Ufer branden; man hört die Glocken läuten und die Arbeit dröhnen in all den langen Straßen, man atmet die Seufzer der sterbenden Magdalena. So stehen wir auf unserem Posten die lange, bange Nacht, eigentlich recht allein und verlassen, — aber auch die Weltstadt ist allein; und was ist Ein-
x) „Durch Krieg zum Frieden", S. 142 ff. Stuttgart 1886, Boriz.
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Extrahierte Ortsnamen: Paris Deutschlands Paris Paris Paris Paris Europa Paris Stuttgart
648
142. Unser Prinzregent Luitpold.
erhabene Szenen eines großen Krieges sah er und dann wieder als frohgemuter Jäger
„Felsenhörner, verklärt im goldnen Strahl,
Und bämmernb mitten inne das grünste Alpental . . "
Seine Kindheit war ein Idyll. Über die deutschen Schlachtfelder schritt wieder der Säemann, einer lohnenden Ernte gewiß. Des Neugeborenen Großvater, König Max Joseph, durfte nun ganz und voll das sein, wozu ihn sein heiteres und gütiges Gemüt bestimmte: ein Friedenssürst, ein väterlicher Freund seines Volkes. Daß der drittgeboreue Sohn des Kronprinzen in der Taufe den echt deutschen Namen Luitpold erhielt, war wohl nicht allein dem Stammvater des Hauses, dem tapferen Ungarnbesieger zu Ehren, es entsprach so ganz Ludwigs nationaler Gesinnung. Wie entschieden dieser königliche Patriot ans deutsche Erziehung in seiner Familie drang, beweist die bekannte Stelle in den Verhaltungsmaßregeln, die er dem Lehrer seines Erstgeborenen, dem Schottenpriester Mac Jver, erteilte: „Teutsch soll mein Sohn werden, ein Bayer, aber teutsch vorzüglich, nie Bayer zum Nachteil der Teutschen!" Den Erzieher Luitpolds, von Hohenhausen, ermahnt der König, daß er den Prinzen unermüdlich ansporne sich durch eigenen Wert seines bevorzugten Standes würdig zu erweisen. Eine tüchtige Erziehung traf mit glücklicher Veranlagung zusammen. Auch unsere Tugenden bedürfen einer Schule. Dank dieser ist unser Fürst bei tiefer Religiosität nicht unduldsam, immer wohltätig und doch kein Verschwender, für die schönen Künste begeistert und doch ein Mann von common sense, von vollem Verständnis für die Bedingungen und Schranken der realen Welt.
Auf körperliche Kräftigung und Abhärtung des Prinzen wurde großer Wert gelegt, der Jüngling in allen den Künsten unterrichtet, welche die Muskeln stählen, die Sinne schärfen, und indem sie uns gewandt, beweglich, selbstsicher machen, unsere Willens- und Tatkraft steigern. Gewiß wird der Fürst im Wohlgefühle seiner fast jugendlichen Rüstigkeit seines Lehrers, des Turnvaters Maß manu, dankbar gedenken. Ein unermüdlicher Tänzer, vorzüglicher Fechter, schneidiger Reiter, unübertroffener Schütze und Bergsteiger — so wird nns der Jüngling, von denen, die ihm näher standen, geschildert. Wie er als Sohn, was er den Seinen war, erfahren wir aus einem Gedicht, das ihm König Ludwig zum 12. März 1843 widmete:
„Iweiunbzwanzig Jahre schon sinb Dir geworben, boch niemals Hast Du die (Eltern gekränkt, Frenbe bereitend allein!"
Eine Fürstenerziehung nach edelsten Grundsätzen ließ König Ludwig seinem Liebling angedeihen. „Luitpold soll alle erforderlichen Kenntnisse erwerben", schrieb der König 1838 an seinen Sohn Otto, „denn sollte er einstmals auf den Thron gelangen (mein Vater und Du waren auch Nachgeborene), foll er wohl vorbereitet sein!" Ein prophetisches Wort, ein gutes Wort! „Bereit sein" ist alles.
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142. Unser Prinzregent Luitpold.
649
Sobald der Prinz großjährig geworden war, bestürmte er den Vater sich dem Heeresdienst widmen zu dürfen. Daß er sich für die Artillerie ^entschied, beweist den Ernst und die Einsicht des Königssohnes. „Man sagt, daß nach dem Beispiel der Römer die Legion eine Armee im Kleinen sein müsse," sagt Napoleon in der Kritik einer militärischen Schrift, „und doch nimmt man ihr das Notwendigste, das Wichtigste, die Artillerie. Doch trotz der hohen Meinung, die der größte Feldherr der neuen Zeit von ihr hegte, war die Bedeutung der Artillerie damals keineswegs allgemein anerkannt, die Mißachtung der Waffe in der sriederizianischen Zeit wirkte noch nach. Auch für diese Zukunftsmusik kam erst nach und nach das Verständnis.
„Luitpold sahen wir," schreibt König Ludwig am 31. August 1840 an seinen Sohn Otto, „zwei Batterien im Feuer manövrierend, und das sehr gut: er ist ein ganz anderer Mensch bei seinen Kanonen!" Das heißt: im Dienst kannte der Prinz nur die militärischen Tugenden. Mit Leutseligkeit und Nachsicht, die einem hohen Herrn sonst so wohl stehen, zieht man keine Soldaten. Im Dienste streng und stramm, im außerdienstlichen Verkehr freundlich ohne Vertraulichkeit, so gewann er das Zutrauen des Soldaten und den Respekt der Kameraden.
Auch seine Aufgabe als Reichsrat nahm er ernst. König Friedrich Wilhelm Iv. von Preußen rühmt in Briefen an den Kronprinzen Maximilian wiederholt die Rechtschaffenheit und den Eifer des Neffen in seiner parlamentarischen Tätigkeit und dessen Takt in bedenklichen Krisen.
Auf die Lehrjahre folgten die Wanderjahre. Natürlich zog es den Sohn Ludwigs I. zunächst nach Italien. Ein junger, liebenswürdiger Grandseigneur, für die Schönheit der bildenden Kunst ebenso empfänglich wie für die Schönheit der lebendigen Natur, verlebte er sicherlich herrliche Tage in Venedig, in der Blumenstadt, in der ewigen Noma. Doch die köstlichste Frncht und den besten Sögen brachte ihm sein Aufenthalt in Neapel. Dort in der Villa Chiatamone begegnete er der Prinzessin Augusta, Tochter des Großherzogs von Toskana. Damit brach für ihn ein beglückender Liebesfrühling an. Nicht oft können Söhne und Töchter fürstlicher Familien nach ihrer Herzensneigung wählen, anderseits führen Neigungsheiraten nicht immer zu einer glücklichen Ehe. Unser Prinz warb aus Liebe um die Hand des Mädchens und seine zwanzigjährige Ehe war ununterbrochenes Glück. Eins waren die Gatten in ihrer Weltanschauung, in der Auffassung ihrer Pflichten, in den Grundsätzen, nach denen sie ihre Kinder erzogen. Aus dieses stillfreudige, nie getrübte Eheleben in einem fürstlichen Hause muß heute, da wir unsere beste Kraft zum Kampfe um die Zukunft nur aus unserm ureigensten germanischen Wesen schöpfen, mit besonderem Nachdruck hingewiesen werden. »Severa illic matrimonial« („Ernst und streng ist dort das Eheleben").
Bald nach der Rückkehr des Prinzen in die Heimat fand die Werbung statt und nach neuen Reisen in Spanien, Portugal und Marokko führte
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Extrahierte Ortsnamen: Italien Venedig Neapel Toskana Spanien Portugal Marokko
172
33. Der Trifels.
dieser Gefangenschaft des Löwenherz zu erzählen. Einst klang durch des Turmes Mauern Harfenklang und ein Lied, das nur ihm und dem treuen Blondel, seinem Sänger, bekannt sein konnte. Er sang dazu die zweite Strophe uni) draußen rief es: „O Richard, o mein König!" Es war Blondel selbst, der an allen Burgen ucich seinem geliebten Herrn gespäht und nun mit 50 Gefährten den Trifels gestürmt haben soll.
Das Lösegeld Richards setzte Heinrich Vi. instand seine Ansprüche
auf Sizilien durchzusetzen. Mit 24 Fürsten, Grafen und Edeln seines Reiches
zog der Kaiser am 9. Mai 1194 hier ein um den Angriff aus Italien zu beraten. Konstanzens Erbe ward gewonnen, fürchterliches Strafgericht über die sizilianischen Großen gehalten, viele derselben wurden aus den Trifels geschleppt, darunter der kühne Seeheld Margaritone und Graf Richard selbst, der Kaiserin eigener Vetter, nachdem beide vorher geblendet worden waren. Der Aussprnch des englischen Chronisten, „daß keiner diesen Kerkern mehr entronnen, der einmal hinabgestiegen", rechtfertigte sich jetzt nur zu sehr unter der Regierung eines Herrschers, dessen Leichnam noch nach fünfhundert Jahren den finstern Ernst und Trotz zeigte, der sich in seinem Leben so gewaltsam
aussprach.
Unter Philipp von Schwaben senfzte der Erzbischof Bruno von Köln
in den Kerkern des Trifels und als Friedrich Ii. das Reich zu altem Glauze zu bringen fnchte, ließ er seinen Sohn Heinrich als römischen König aus dem Trifels zurück, wo er in der Burgkapelle dem Vater die Treue schwor, da dieser in den Kampf gegen die Ungläubigen zog. Doch der irregeleitete Jüngling vergaß der Treue, empörte sich, und als der erzürnte Vater in seine Staaten zurückeilte, floh der Sohn auf deu Trifels, der jedoch dem Kaiser die Tore öffnete. Im Gefängnis büßte der Sohn seine Untreue, bis er starb. Des Kaisers jüngerer Sohn empfing die Feste, deren Besitz über das Schicksal der Krone und des Reiches entschied.
So war sie stets die Lieblingsburg und die Hauptstütze des großen hohen-staufischen Herrscherhauses gewesen und der romantische Duft, der um die Heldengestalten dieses Geschlechts sich breitet, weht um die einsamen Mauern uni) die verfallenen Türme des Trifels mehr als um alle anderen Burgen Europas.
Alle die lieder- und fangesreichen, alle die heldenmütigen, unglücklichen Stammgenossen dieses Geschlechtes wandeln vor dem träumenden Blicke durch die hohen, zerfallenen Hallen; und er vor allen, der so gerne hier weilte, des großen Rotbarts großer Enkel, der schöne Sohn der holden Konstanzia, Friedrich der Zweite, der über sein Jahrhundert emporragt, einsam wie der Trifels über den dunkeln Wald — strahlend und übergössen von dem ganzen Zauberlichte der Poesie feiner Zeit und in dem Glanze der Geschichte Deutsch-laubs, Italiens, Europas — prangenb gleich der Sonne selber. Aber diese Sonne an dem hohenstaufischeu Sternenhimmel ging unter hinter Firenznolas
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Extrahierte Ortsnamen: Sizilien Italien Europas Italiens Europas
284
54. Die Sendlinger Bauernschlachl (1705).
Sie schwenken die Sense, die Keule, das Schwert,
Fünfhundert sind mit Büchsen bewehrt, Und wie die Schneelahn wächst die Schar Von den Bergen rollend im Monde klar. Ein Fähnlein himmelblau und weiß Trägt vor dem Zug ein riesiger Greis; Das ist der stärkste Mann des Lands, Derschmiedvonkochel, der Meier Hans ; Von seinen Söhnen sieben Ist keiner zu Haus geblieben.
„O Kurfürst Max Emanuel,
Wir müssen's bitter klagen,
Daß du für Habsburg Leib und Seel' So oft zu Markt getragen!
Du Belgradstürmer, du Mohrentod,
Du mußtest ins Elend wandern Und brichst französisch Gnadenbrot Zu Brüssel jetzt in Flandern.
Es irrt dein Weib auf der Landesflucht, Deine Waisen weinen in Feindes Zucht, Gebrandschatzt darben die reichen Gau'n, Man sengt die Fluren, man schändet die Frau'n,
Man rädert die Männer um leisen Verdacht,
Man reißt die Söhne vom Stroh zu Nacht Sie nach Ungarn zu trommeln ins heiße Blei -
Das Maß ist voll, es birst entzwei; Drum lieber bayrisch sterben Als kaiserlich verderben!
Auch hat die Münchner Bürgerschaft Uns einen Brief geschrieben,
Daß sie mit ungebrochner Kraft In Treue fest geblieben.
Wenn wir den roten Isarturm Nach Mitternacht berennten,
Erhöben drinnen sich zum Sturm Die Bürger und Studenten.
Denn wie den letzten, teuersten Schatz Vergruben sie am geheimsten Platz,
Was ihnen geblieben an Waffen und Wehr.
Sie sprechen am Tage sich nimmermehr, Doch tief in den Kellern bei Fackelbrand Reicht sich die ganze Stadt die Hand; Allnächtens zieht von Haus zu Haus Ein unterirdisches Gebraus,
Ein: Lieber bayrisch sterben Ais kaiserlich verderben!
Wir klopfen ans Tor, nun laßt uns ein!" —
Da geht von den Wällen ein Blitzen Und feurigen Tod zum Willkomm spei'n Gutkaiserliche Haubitzen;
Und Straßen auf und Straßen ab Musketen und Granaten -Wer hat die Landsleut’ an das Grab, An Österreich verraten ?
Der Pfleger vonstarnberg war der Wicht! Mein Lied nenn' seinen Namen nicht,
1 Verdammnis und Vergessenheit Begrab' ihn heut’ und allezeit;
Sein Kleid sei gelb, sein Haar sei rot, Sein Stammbaum des Ischariot! -In Tränen flucht die Bürgerschaft,
Ihr blieb keine Klinge, kein Rohr, kein Schaft;
Sie ward in wenig Stunden Entwaffnet und gebunden.
Doch spie' die Höll' aus dem roten Turm:
Der Landsturm von den Bergen,
Er nimmt die Münchner Stadt mit Sturm Trotz Kaiser Iosephi Schergen!
Die Brücke dröhnt, die Nacht wird hell, Hie Wirbeln, Schreien, Knallen,
Dom „Hurra, Max (Emanuel!"
Die Gassen widerhallen.
Schon rief der Feldmarschall von Wendt: „Die Sache nimmt ein schlimmes End',-Wo bleibt des Kriechbaum Reiterei ?
Ich rief sie doch im Flug herbei!"
Da rasselten über den Brückenkopf Mit rotem Mantel und doppeltem Zopf Die fremden Schwadronen die Kreuz und die Quer.
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Extrahierte Personennamen: Meier_Hans Max_Emanuel Max Willkomm Iosephi Max_(Emanuel! Max
45. Der Bucintoro auf dem Starnberger Lee.
247
Als Vorbild diente der venezianische Bucintoro, welcher im Jahre 1605 hergestellt worden war. Man ahmte ihn jedoch nicht sklavisch nach, sondern es ward in einem wesentlichen Punkte eine Änderung vorgenommen. Der venezianische Bucintoro hatte immer nur zwei Stockwerke: das eine unten, in welchem sich die Ruderer befanden, und das obere für den Dogen, sein Gefolge, die Gäste. Der Bucintoro auf dein Starnberger See aber hatte drei Stockwerke oder Etagen, von denen die erste für die Matrosen, die zweite für den Hof und die höchsten Herrschaften, die dritte für die Musiker usw.
Der Bucintoro auf dem Starnberger See.
bestimmt war. Schon dadurch wie durch die prächtigere Ausschmückung muß der bayerische Bucintoro dem damaligen venezianischen gegenüber einen großartigeren Eindruck gemacht haben.
Die Säuge des unseren betrug 100 (110), die Breite 25 (30), die Höhe (ohne die oberste Galerie) 17 Fuß. Die Hauptfarben von außen waren blau und rot und die Schnitzwerke waren mit gittern Gold gefaßt. Gleich vom Wasser auf erblickte man rings um das Schiff einen Tanz der Sirenen, Najaden und Tritonen, von Johann Spilberger in München gemalt. Darüber sahen die Ruderstangen und Kauoueu hervor aus Öffnungen, hinter denen die Mannschaft sich befand. Rings um die Mitte des Schiffes erhob sich darüber als zweite Etage eiue Galerie, von geschnittenen und durcheinander geflochtenen Fischen und gedrehten Säulen gezogen, zu welcher am Hinterteile des Schiffes zwei Treppen führten, die den Hauptzugaug zu den beiden oberen Etagen bildeten. Die Galerie hatte die Form eines Balkons; am Ende derselben,
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Extrahierte Personennamen: Johann_Spilberger Johann
Extrahierte Ortsnamen: Starnberger_Lee Starnberger_See Starnberger_See München
120. Sedan.
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120. Sebent.
Von Karl Gerok. *)
Wie Märchen klingt's und doch im Iubelton Durch alle Straßen wälzt sich's freudebrausend: „Sie haben ihn, den Schelm Napoleon!
Sie haben ihn und seine achtzigtausend!"
Die Kinder rufen's in den Gassen aus,
Den Männern rollen Tränen von den Wangen,
In Flaggen hüllt sich festlich Haus um Haus; „Viktoria! Der Kaiser ist gefangen!"
Viktoria! — So wuchtig lag die Frucht Vollreifen Siegs noch nie in deutschen Händen,
Seit Hermann in der Teutoburgerschlucht Roms Heer zerquetschte zwischen Felsenwänden. Nicht Leipzig ist's. nicht Waterloo fortan,
Wo deutscher Kraft ihr Bestes ist gelungen, —
Dort hat es halb Europa mitgetan, —
Bei Sedan haben wir's allein gezwungen.
Viktoria! - So jählings lag, so tief
Der Deutschen Todfeind niemals noch danieder,
Augustus nicht, als er verzweifelnd rief:
Gib, Varus meine Legionen wieder!
Nicht König Franz, der nach Pavias Strauß Dem deutschen Ritter übergab die Wehre Und aus der Haft des Kaisers schrieb nach Haus: Alles verloren, aber nicht die Ehre.
Du brachtest nicht die Ehre mit ins Feld,
Du nimmst sie nicht vom Feld mit ins Gefängnis. Ein kecker Spieler warst du, doch kein Held,
Nicht groß im Glück und klein in der Bedrängnis. Des Siegers Mitleid, deines Heeres Hohn Und deines Volkes Fluch wird mit dir gehn,
Und zürnend wird dein Ohm Napoleon Allnächtlich neben deinem Lager stehn.
Ein Gottesurteil ist’s, ein Weltgericht,
Wie keins in der Geschichte Buch geschrieben.
Die Lüge bläht sich, doch besteht sie nicht;
(Bott bläst barein, die Blase muß zerstieben.
Der Pharao begrub im Roten Meer,
Nebukadnezar zwang den Staub zu essen
’) „Eichenlaub", deutsche Gedichte aus dein Jahre 1870, S. 27. Berlin 1871*. Fr. Lipperheide.
Krvnseder, Lesebuch zur Geschichte Bayerns. 37
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Extrahierte Personennamen: Karl_Gerok Karl Napoleon Hermann Augustus Varus Franz Franz Napoleon Nebukadnezar Lipperheide
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139. schloß Neuschwanstein.
631
und Wüstling, der auf seine Kriegstaten so eitel, aus seine Würde so wenig bedacht war!
Wie gesagt, der König blätterte nicht in seinen Büchern; als wenn ihm der Hofmeister noch über die Schulter sähe, las er das bändereichste Werk gewissenhaft zu (Sude. Doch wie gewissenhaft er studierte, seiner Jugend, Eigenart, Begabung gemäß verlangte er nach Anschauung.
Von der Rindenbank im Schwangau, die, ich weiß nicht, von ihm oder-anderen „Die Jugend" genannt wurde, sah er auf das väterliche Schloß Hohenschwangau. (Sin trautes Daheim, doch vou det Burg, die c r träumte, verschieden wie ein zartes Rosa vou Scharlachrot. Er sah einen stolzen Bau mit Palas und Bergfried aufleuchten über dem Waldgebirge, die Burg auf dem Felsen über der tobeudeu Pöllat, sah den Thronsaal würdig der Gralsburg, die fröhliche Sängerhalle, die mit ihren Erkerfenstern ins weite Land schaute.
Auch geschichtliche Erinnerungen waren nicht ohue Einfluß. Dort auf dem steilen Tegelfelsen hatten die Ritter von Schwangau gewohnt, sein väterliches Hohenschwangau war der Sitz der Emporkömmlinge Paumgarten gewesen. Als diese Paumgarten den Schwangau erworben hatten, wählten sie — wahrscheinlich der freundlichen Lage zuliebe — Schwausteiu zu ihrem Sitz. Das alte Gebäude wurde 1538 niedergerissen und machte einem prächtigeren Platz. Als im Laufe der Zeiteu auch dies Werk zerfallen war, stieg Maximilians Ii. Hoheuschwaugau aus dem Getrümmer. Ludwig Ii. jedoch wollte seine Schwanenburg dort, wo das altadelige Geschlecht gewohnt hatte, wollte seine Burg eins mit dem Felsen, von dem Konradin in die sinkende Sonne sah.
Wie sein Traum traumhafte Wirklichkeit geworden, weiß heute die Welt. Im Jahre 1869 wurde der Gruudsteiu gelegt. 1873 lugte der Torbau, eine kleine Burg für sich, aus dem Tauuicht über der Pöllatschlucht. Das erste Stockwerk über dem Tore enthält Dienerzimmer, die Gemächer im zweiten Stock wurden für den König eingerichtet. Hier wohnte er oft wochenlang um den Königsbau wachsen zu seheu.
Vom Dorfe Schwangau führt eine bequeme Fahrstraße hinauf zum Tegelfelsen, aus dem der vierstöckige Köuigsbau 200 m über der Talsohle herauswächst. Die Straße ist natürlich eigens für das Bedürfnis dieses Königsbaues, der mehr als 12 Jahre wahrte, bis sein Bauherr in ihm sich behaglich niederlassen konnte, hergestellt worden. Pulver und Dynamit mußten das widerstrebende Gestein sprengen um den Zugang breit und bequem zu machen. Da, wo der Boden nachgiebiger war, mußten gewaltige Ausmauerungen ausgeführt werden. Im Westen fällt der Fels steil gegen die Ebene ab, im Süden und Osten gähnt der Schlund mit dem stürzenden Wildbach. Von welcher Seite man den Palas betrachtet, ist er von herrlicher Wirkung, der Blick aus jedem Fenster schön, über Waldeswipfel auf das Gebirge oder über
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Extrahierte Personennamen: Sude Maximilians Ludwig_Ii Ludwig Konradin
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
I38 Leichtfassliche Behandlung mit Anschauungsunterricht.
Versicherung«, der dritte von »Vermögen, das der Vater bei Lebzeiten zusammenspart, um es seinen Kindern zu hinterlassen« u. s. w. Sofort sehen aber die Schüler selbst ein, dass das alles bei Naturalwirtschaft nicht gut möglich ist, weil das dazu nötige Bargeld im Staate nicht in genügender Menge vorhanden ist. Also was nun ?
Die Schüler kommen von selbst darauf, dass der Vater in keiner anderen Weise für seine Nachkommen finanziell sorgen kann, als wenn er ihnen sein Grundstück ganz oder teilweise hinterlassen zu können trachtet. Eine Teilung ist aber sehr schwer durchzuführen; wie kann man einen Hof so ohne weiteres in mehrere Teile zerlegen? In der Regel gar nicht oder nur sehr schwer. Also muss ein Erbe — meistens der älteste Sohn — das väterliche Gut übernehmen und dann für die Geschwister so lange sorgen, bis sich ihnen vielleicht Gelegenheit bietet, durch Heirat, Erbschaft o. dgl. ebenfalls selbständig zu werden.
Wenn aber das Gut erblich wird, so muss das damit verbundene Amt ebenfalls sich vererben; denn wie könnte man beides trennen? Wie sollte man einen neuen Amtsinhaber für seine Amtsführung entschädigen, wenn der vorige Amtsinhaber das mit dem Amte verbunden gewesene Grundstück seinen Nachkommen hinterlassen konnte? Und nun das Volk; es wird, wenn es jahrzehntelang von einem gewissen Punkte (Hofe) aus regiert worden ist, naturgemäfs diesen Punkt als seinen Mittelpunkt ansehen und sich nur schwer an einen anderen gewöhnen. Dazu etwas Anderes. Der Sohn eines Grafen z. B., der jahrzehntelang die Amtsführung seines Vaters mit angesehen und mit erlebt hat, wird naturgemäfs mehr Übung, mehr Bekanntschaft mit Land und Leuten u. dgl., also mehr Voraussetzungen für eine würdige Nachfolge seines Vaters mitbringen als ein Fremder, den man erst neu in die Verhältnisse einführen müsste.
Aus allen diesen Gründen wird der Schüler leicht begreifen, wie aus der Naturalwirtschaft sich mit Naturnotwendigkeit das Lehenswesen und aus letzterem sich ebenso naturnotwendig die Erblichkeit der Lehen entwickeln musste.
Dabei wird die Geschichtsstunde interessant, der Lehrer hat kaum über Unaufmerksamkeit zu klagen und kann das Lehrzimmer mit dem Bewusstsein verlassen, dass er ein Samenkorn historischen Verstehens in seine Schüler gelegt hat, das ihnen im späteren öffentlichen Leben manchmal zum Nutzen gereichen kann.
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