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1. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 92

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 92 — Augen und etue firme Faust; aber ein Schreiner braucht mehr. Ich habe mich einmal vom Hochmut verleiten lassen und wollte, wie Ihr es nennt, einen richtigen Schrank zuwege bringen, weil mir Hobel und Meißel und Reißschiene auch bei dem Zimmergewerk durch die Hände gegangen waren. Ich maß und zeichnete und schnitt die Hölzer zu; auf Fuß und Zoll hatte ich alles abgepaßt; aber als es nun an das Zusammenfügen und Leimen gehen sollte, war alles verkehrt. Tie Wände standen windschief und klafften, die Klappe vorn war zu groß und die Kasten für die Offnungen zu klein. Ihr könnt das Machwerk noch sehen; ich habe es auf der Flur stehen lassen, mich vor Versuchung künftig zu wahren; denn es thut dem Menschen immer gut, wenn er eine Erinnerung an seine Schwachheit vor Augen hat." In diesem Augenblicke ließ sich ein lustiges Wiehern aus dem Pferdestalle gegenüber vernehmen. Der Pferdehändler räusperte sich, schlug sich Feuer an, blies dem Receptor eine starke Dampswolke in das Gesicht, sah sehnsüchtig nach dem Stalle und dann gedankenvoll vor sich nieder. Hieraus nahm er den lackierten Hut vom Kopse, strich mit dem Arme über die Stirn und sagte: „Noch immer eine schwüle Witterung." — Dann schnallte er seine lederne Geldkatze vom Leibe, warf sie mit Getöse auf den Tisch, daß der Inhalt klang und klirrte, lösete die Riemen und zählte zwanzig blanke Gold- stücke hin, bei deren Anblick die Augen des Receptors zu funkeln anfingen, nach denen aber der alte Hofschulze gar nicht hinsah. „Hier ist das Geld !" ries der Pferdehändler, die Faust geballt auf den Tisch stemmend, „krieg' ich den Braunen dasür? Er ist nicht einen Heller mehr wert!" „Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht zu Schaden kommt!" versetzte der Hofschulze kaltblütig. „Sechsundzwanzig, wie ich gesagt habe, und keinen Stüber darunter. Ihr kennt mich nun die Jahre her, Herr Marx, und solltet daher wissen, daß das Tingen und Feilschen bei mir nichts verschlägt, weil ich nie von meiner Sprache abgehe. Ich begehre, was mir eine Sache wert ist, und schlage niemals vor, und so könnte kommen, wer da wollte, er kriegte den Braunen nicht unter sechsundzwanzig."

2. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 128

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 128 — der Braunschweiger und zog den Waffenrock eines gefallenen Soldaten an, griff dann einige der auf dem Felde herumirrmdeni Pferde auf und verfolgte so die Spur der Wächter seines Herrn und befreite denselben unter dem Vorwande, ihn nach Celle bringen zu müssen. Trefflich war ihm seine List gelungen. In dem Dorfe Dankersen unweit Minden lebte Jürges Vater als ein schlichter Bauer mit seinem zweiten Sohne Hans. Seine Frau war ihm vor wenigen Jahren gestorben, und so hatte er eine Waise, namens Margaretha, zu sich genommen, die ihm durch ihren Fleiß und ihr fröhliches Wesen bald fo lieb wurde, als wäre sie seine eigene Tochter. Munter verrichtete sie des Tags über die schwersten Arbeiten und des Abends saß sie fleißig vor dem Spinnrad und sang dazu die traulichsten Weisen. Wohl war Hans von ihrem lieblichen Wesen entzückt und hätte sie gern zu seiner Haussrau erwählt, aber er wagte es nicht, diesem trefflichen Mädchen seine Liebe zu gestehen. Ter Vater hatte die erwachende Liebe seines Sohnes längst erkannt und sich vor- genommen, die Sache der Liebenden ins Reine zu bringen. Doch eine heimtückische Krankheit warf ihn aufs Lager und nach wenigen Monaten betteten ihn Sohn und Pflegetochter zur ewigen Ruhe. — Unl diese Zeit war es, als Jürge, von dem Bischof reich mit Land beschenkt, in sein Heimatsdorf Dankersen zurückkehrte. Durch Krieg und Schlachten war er ein rauher Mann geworden und trieb sich am liebsten in den Wäldern umher. Wohl hatte er Kunde von dem Tode des Vaters erhalten, aber den Bruder noch nicht besucht, den er haßte, da dieser stets der Lieblingssohn der Eltern gewesen. Einst, müde von den Anstren- gungen der Jagd heimkehrend, vernahm er aus dem elterlichen Haus eine volle, süße Stimme. Neugierig, wer die schöne Sängerin sei, schlich er näher und erblickte Margaretha; sie stand am Herde und bereitete Speise für seinen Bruder. Überwältigt von ihrer Anmut und Schönheit trat er näher, stürzte ihr zu Füßen und flehte um ihre Liebe. Aber zürnend wies sie ihn ob dieser Zudringlichkeit von sich. Stumm gehorchte er, indem er hoffte, später sich ihre Liebe zu erringen. Von nun an mied er die wüsten Zechgelage seiner

3. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 129

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 129 — Genossen und schlich oft träumend am Hause des Bruders vorüber, um die Holde erspähen zu können. Sein Groll gegen Hans wuchs jedoch täglich, er beneidete ihn, daß er die Geliebte sprechen konnte, und Rachepläne gegen den Bruder füllten sein Inneres. Endlich wollte er Gewißheit haben, und eines Tages in Abwesenheit seines Bruders harrte er auf sie, bis sie in den Garten trat; hier beschwur er Margaretha aufs neue und beteuerte ihr seine aufrichtige Liebe, aber vergebens; ängstlich stieß sie ihn von sich, floh in das Haus und vor dem Kruzifixe des Herrn betete sie um Erlösung von der Zudringlichkeit des wilden Jürgens. Als am Abend Hans heimkehrte, fand er die Geliebte in Thränen. Sie erzählte ihm alles und bat um seinen Schutz. Nun beichtete Hans, wie er sie seit ihrem Eintritt in das elterliche Haus geliebt habe, aber nicht gewagt, ihr seine Liebe zu gestehen, jetzt wolle er sie zu seiner Gattin nehmen und vor allem behüten. Ein Blick reiner Freude strahlte bei diesen Worten aus ihren Augen und fest umschlungen hielten sich die so Gefundenen. Doch inmitten dieses Glücks klirrte das Fenster, Wut in dem Antlitz schrie Jürge: „Ha, Schändliche, um des Milchbarts willen hast du mich ab- gewiesen?! Verderben über euch, und sollte es meine Seligkeit kosten!" — Hans verrichtete seine Arbeit jetzt mit einem Fleiß und einer Fröhlichkeit, die Gretchen lange nicht an ihm bemerkt hatte. Jürge suchte wieder die wilde Gesellschaft seiner Zechgenossen auf und ergab sich ganz der wilden Gier. Beide Brüder vermieden sich sorgfältig, denn anch Hans fürchtete den Jähzorn seines Bruders. So rückte der Hochzeitsmorgeu für Hans und Grete heran, Stattlich geschmückt standen die Leiterwagen vor der Thür, um das Brautpaar zur Kirche zu geleiten, die Burschen und Mädchen des Dorfes folgten als Brautjungfern und Brautknechte unter fröhlichem Lachen, und jeder freute sich über das hübsche Paar, dem das ganze Dorf viel Liebe schenkte. Kurz vor dem Eingang des Klosters er- schallte eine Stimme aus dem Gebüsch: „Die Rache ist reif, zwei Fliegen auf einen Schlag!" Die Burschen wollten den Frechen packen; doch sahen sie niemand, nur das Brautpaar ahnte den Schulze, Heimatskunde. 9

4. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 130

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 130 — Störer. In der Kirche ging die Traufeierlichkeit ohne Störung vor sich. Nach der Rückkehr war Tanz und Schmaus in Hansens Hause und bis zum frühen Morgen ertönten die frohen Stimmen der Hochzeitsgäste, deren Scherze bald die Wolken von der Stirn der Neuvermählten scheuchten. In ungetrübtem Glück verflogen die ersten Wochen dem jungen Paare, in fröhlicher Arbeit und aufrichtiger Liebe genossen sie ihr Leben. Tie bösen Worte des Bruders waren fast vergessen. Dieser jedoch, wenn er nicht mit seinen Zechgenossen beisammen war, brütete dumpfe Rachepläne. So beaufsichtigte er eiues Tages die Feldarbeit seiner Untergebenen, und wie er so die Straße lang sah, erblickte er plötzlich den Gegenstand seiner Rache, den ihm tötlich verhaßten Bruder. Schnell schickte er seine Arbeiter heim, und auf die Pflug- schaar gestützt, erwartete er die Aukunft des Bruders, der ein sröh- liches Liedchen trällernd, mit dem Pfluge über der Schulter heim zu seinem Weib eilte. Da ergriff der wilde Bruder seine Pflugschaar und holte mit den Worten: „Stirb, Räuber meines Glückes!" zu einem tötlichen Schlage aus. Erschreckt sprang Hans zur Seite und benutzte sein Pflugschaar ebenfalls als Wehr. Nnn folgte Schlag auf Schlag, bis beide tötlich getroffen zur Erde sanken. Ein leises „Ich vergebe dir! — — Leb wohl, Gretchen!" aus dem Munde des einen, ein dumpfes „Zwei Fliegen auf einen Schlag!" aus dem Munde des andern. Vergebens erwartete am Abend Margaretha ihren Gatten, Stunde auf Stunde verrann, noch kehrte er nicht heim. Nichts Gutes ahnend läuft sie hinaus in die finstere Nacht, bis sie ihren Mann und daneben den wilden Jürge — beide in ihrem Blute liegend — findet. Verzweifelt wirft sie sich aus den Geliebten und suchte vergeblich, ihn mit Küssen zu erwecken. Ihr Glück war für immer dahin, Wahnsinn nahm ihre Sinne gefangen. Täglich saß sie auf dem Grabe ihres Mannes, den Hügel mit Waldblumen bestreuend. Nach Verlauf eines Jahres ward sie eines Morgens von den Nachbarn tot dort ausgefunden. Zum Andenken an dieses gransig-romantische Ereignis erhebt sich an der Chaussee, die von Minden nach Bückeburg führt, links

5. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 80

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 80 — großes, einstöckiges Giebelhaus, seiner bedeutenden Länge nach ge- wöhnlich in drei Teile geteilt. In der Mitte der Giebelseite, durch ein großes Thor kenntlich, ist die Einfahrt, welche unmittelbar auf die Tenne führt. Von da wird die Ernte auf dem Speicher bis zum Dache untergebracht. Rechts und links der breiten Einfahrt sind die Plätze für das Vieh abgesondert, welches mit den Köpfen nach innen steht. Die Wohnungen befinden sich entweder neben den Viehställen an den beiden seitlichen Abteilungen, oder es ist hinten, am Ende der Einfahrt, noch eine vierte Abteilung angebracht, welche durch die ganze Breite des Hauses geht. Die Küche im Hintergrunde des mittleren Raumes ist häufig offen und ohne Schornstein. „Die Wohnung eines gemeinen Bauern," fagte Justus Möser, der ausgezeichnete Verfasser der osnabrückischen Geschichte, der Geschichte seines Vaterlandes, „ist in ihrem Plane so voll- kommen, daß solche gar keiner Verbesserung fähig ist und zum Muster dienen kann. Der Herd ist fast in der Mitte des Hauses und so augelegt, daß die Frau, welche bei demselben sitzt, zu gleicher Zeit alles übersehen kann. Ein so großer und bequemer Gesichts- Punkt ist in keiner andern Art von Gebäuden. Ohne von ihrem Stuhle aufzustehen, übersieht sie zu gleicher Zeit drei Thüren, dankt denen, die hereinkommen, heißt sie bei sich niedersitzen, behält ihre Kinder und ihr Gesinde, ihre Pferde und Kühe im Auge, hütet Keller, Boden und Kammer, spinnt immerfort und kocht dabei. Ihre Schlafstelle ist hinter diesem Feuer, und sie behält aus derselben eben diese große Aussicht, sieht ihr Gesinde zur Arbeit aufstehen und sich niederlegen, das Feuer anbrennen und verlöschen und alle Thüren auf- und zugehen, hört ihr Vieh fressen, die Weberin schlagen und beachtet Keller, Boden und Kammer. Jede zufällige Arbeit bleibt in der Kette der übrigen. Sowie das Vieh gefüttert und die Dresche gewandt ist, ruht sie wieder hinter ihrem Spinnrade. Diese vereinigten Vorteile machen, daß die Bauern lieber beim Herde als in der Stube sitzen." Auch andere Gewohnheiten haften an den liebgewonnenen Ein- richtnngen des Hauses, obgleich durch Landesart, größeren Aufwand und obrigkeitliche Anordnungen im einzelnen Abweichungen bedingt

6. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 85

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 85 — Darunter brennt das Holz oder Reisig aus eisernen Böcken, die es in zwei Gabeln wie zwischen zwei Hörnern tragen. Die Schlaf- stellen der Familie befinden sich an den Wänden herum in so- genannten Schlafschränken, deren Thüren nachts geöffnet werden. In der Mitte des ganzen Raumes steht der riesige Familientisch, an dem mittags und abends die Mahlzeiten abgehalten und sonst alle Verrichtungen des Hauses und der Wirtschaft vorgenommen, werden. Das Gesinde schläft in Abschlägen aus der Tenne beim Vieh oder auf dem großen Heuboden über demselben. Hühner und Tauben sind in kleinen Anbauten an der Tenne untergebracht. Das Ganze überschatten meist riesige alte Eichen, Buchen oder Erlen. Obstzucht in einem kleinen Baumgarten ist nicht selten. Blumenzucht aber findet sich nirgends als etwa beim Schullehrer oder beim Pastor. An das Haupthaus schließt sich außer dem Garten der eingefriedigte Hof, auf dem sich die Scheune und der Kornspeicher befindet. Kennt ihr das Land im Schmuck der Eichen? Kennt ihr das Land im Schmuck der Eichen, Wo Wittekind und Armin stand, Und wo von ihren mächtigen Streichen Mit Blut getränkt das Sachsenland, Wo einst die Feme sprach die Acht Und Gottesfurcht im Herzen wacht, Wo hell das Gold der Seele glüht Und tief noch gründet das Gemüt? Es ist der roten Erde Land, Vom Fels zum Meer als treu bekannt. Wo freie Männer trutzig stehen Am Hammerfeuer, auf dem Feld, Wo sinnig noch die Frauen gehen Und ihre Würde Wert behält, Wo Gastlichkeit die Hand dir beut, Ein ossen Wort nicht einer scheut,

7. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 174

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 174 — geworden. Der letzte Sprößling, Kuno, liebte die holdselige Tochter Hilda — sie soll nach anderen Gertrud geheißen haben — des reichen Grafen von Rieneck auf dem gegenüberliegenden Berge nahe bei Rödinghausen und wurde wiedergeliebt. In einer Sommer- nacht war er einst im Walde. Ta ertönte ein leiser Pfiff und plötzlich trat ein altes, gebeugtes Mütterchen vor ihn hin und sprach: „Kehre heim, sonst bist du ein Kind des Todes," und das Weib oerschwand im Walde. Hinter ihm rauschte es, und als sich der Lynt- burger umsah, stürzte ein verkappter Ritter auf ihn zu und nun begann ein erbitterter Kampf. Die langen Schwerter fuhren durch die Luft und trafeu die eisenfesten Panzer so hart, daß die Funken stoben. Ta fuhr Lyntbnrgs Schwert sausend hernieder und zu Tode getroffen sank der Meuchelmörder zur Erde. Der Lyntburger löfete seiuen Harnisch, nahm die eiserne Sturmhaube vom Haupte und der kühle Wind erfrischte das erhitzte Gesicht; dann legte er sich unter eine dicke Buche und schlief vor Ermattung ein. Am anderen Morgen trat das graue Mütterchen an den Schläfer heran und rief ihm mit gellender Stimme zu: „Tu bist jetzt Sieger im heißen Streit geweseu, aber es kommt die Zeit, daß dein Schwert wird Unglück über dein Haupt bringen." Als der Ritter sich nach dem Weibe umschaute, war es im Walde verschwunden. Nun ging der Jüngling zu dem toten Ritter, öffnete ihm das Visier, und als er das starre Gesicht erblickte, schrie er laut auf, er hatte seinen Vet- ter, den Stromberger, der auch um die Tochter des Ritters Rieneck freite, erschlagen. Hilda verachtete den Stromberger. Darüber er- bittert, hatte er beschlossen, Kuno zu töten. Kuno eilte zu seinem kranken Vater und erzählte, was im Walde geschehen war. „O, mein Sohn," so sprach der Vater, „fliehe, bald werden die Strom- berger kommen und die Burg zerstören, wenn sie dich hier finden." Nun sattelte er sein Pserd und verließ trauernd die väterliche Burg. Tie Söhue aus den umherliegenden Burgen stellten sich als Freier der schönen Hilda ein; aber vergebens, auch die edelsten Jünglinge mußten abziehen, sie fanden keine Gnade vor den Augen des Burgfräuleius; denn Kuno von Lyntberg besaß voll und ganz ihr Herz. Täglich stand sie auf dem Erker und schaute sinnend in das Thal, dabei flössen Thränen aus ihren Augen. Sie dachte an

8. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 91

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 91 — gefügten Stücke das letzte Geschick. Der Schulze stieß mit dem Fuße die vor das Rad gelegten Steine hinweg, faßte den Wagen bei der Stange, um das geflickte Rad zu prüfen, und zog ihn ungeachtet seiner Schwere ohne Anstrengung quer über den Hof, fo daß die Hühner, Gänse und Enten, welche sich ruhig gesonnt hatten, mit großem Geschrei vor dem rasselnden Wagen entflohen und ein paar Schweine aus ihrem eingewühlten Lager grunzend auffuhren. Zwei Männer, von denen der eine ein Pferdehändler, der andere ein Rendant oder Receptor war, hatten, unter der großen Linde am Tische vor dem Wohnhause sitzend und ihren Trunk der- zehrend, der Arbeit des alten, rüstigen Mannes zugesehen. „Das muß wahr sein," rief jetzt der eine, der Pferdehändler; „Ihr hättet einen tüchtigen Schmied abgegeben, Hofschulze!" Ter Hoffchulze wusch in einem Stalleimer voll Wasser, welcher neben dem kleinen Amboß stand, sich Hände und Gesicht, goß dann das Feuer aus und sagte: „Ein Narr, der dem Schmied giebt, was er selbst verdienen kann!" Er nahm den Amboß auf, als sei er eine Feder, und trug ihn nebst Hammer und Zange unter einen kleinen Schuppen zwischen Wohnhaus und Scheuer, in welchem Hobelbank, Säge, Stemmeisen, und was sonst zu Zimmer- und> Schreinergewerk gehört, bei Holz und Brettern mancher Art stand, lag oder hing. Indem der Alte sich unter dem Schuppen noch zu schaffen machte, sagte der Pferdehändler zu dem Receptor: „Wollen Sie glauben, daß der auch alle Pfosten, Thüren und Schwellen, die Kisten und Kasten im Hause mit eigener Hand flickt, oder, wenn das Glück gut ist, auch neu zuschneidet? Ich meine, wenn er wollte, könnte er auch einen Kunstschreiner vorstellen und würde einen richtigen Schrank zuwege bringen." „Ta seid Ihr ^im Irrtum," sprach, der Hofschulze, der das Letzte gehört hatte und, das Schurzfell jetzt abgethan, im weiß- leinenen Kittel aus dem Schuppen trat. Er setzte sich zu den beiden Männern an den Tisch, eine Magd brachte ihm auch ein Glas; er that seinen Gästen Bescheid und fuhr dann fort: „Zu einem Pfosten, zu einer Thür und Schwelle gehören nur ein Paar gesunde

9. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 95

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 95 — mann ausstechen, so will ich nicht Marx heißen. Das Erdreich ist seit uralter Zeit zusammen geblieben. Und sparsam und sleißig ist der Nichtsnutz von jeher gewesen; das muß man ihm lassen. Sie sahen ja, wie er sich abplagte, nur um dem Schmied die paar Groschen Verdienst zu nehmen." Während der letzten Reden hatte der verdrießliche Pferdehändler sachte in die Geldkatze gegriffen und den zwanzig Goldstücken, gleich- sam gleichgültig thuend, noch sechs hinzugefügt. Der Hofschulze trat wieder in die Thür, und der andere sagte brummend, ohne ihn anzusehen: „Da liegen die sechsundzwanzig, wenn es ein- mal nicht anders sein soll." Ter Hofschulze lächelte schalkhaft und sprach: „Ich wußte wohl, daß Ihr das Pferd kaufen würdet, Herr Marx; denn Ihr sucht für den Rittmeister in Unna eins zu dreißig Pistolen, und mein Bräun- chen paßt Euch dazu, wie bestellt. Ich ging auch nur in das Haus, um die Goldwage zu holen, und sah vorher, daß Ihr Euch unterdessen besonnen haben würdet." Der Alte, welcher in seinen Bewegungen bald etwas ungemein Rasches, bald wieder die größte Bedächtigkeit zeigte, je nachdem das Geschäft war, das er trieb, setzte sich an den Tisch, wischte langsam und sorgfältig seine Brille ab, spannte sie über die Nase und fing nun an, die Goldstücke genau zu wägen. Zwei oder drei musterte er als zu leicht aus, worüber der Pferdehändler ein heftiges Gezeter erhob, welchem der Hofschulze schweigend und kaltblütig, die Wage in der Hand behaltend, zuhörte, bis der andere statt der verworfenen vollwichtige hervorholte. Endlich war die Sache beendigt; der Ver-- käuser packte bedächtig das Gold in ein Papier und ging mit dem Pserdehändler nach dem Stalle, um ihm das Pferd zu überliefern. Ter Einnehmer wartete die Rückkehr der beiden nicht ab. „Mit solchem Klotz ist nichts anzufangen," sagte er, „aber wenn du uns nur nicht so ordentlich ans die Termine bezahltest, wir wollten dich —!" Er fühlte nach feinen urkundlichen Papieren in der Tasche und schlich vom Hofe. Aus dem Stalle traten der Pferdehändler, der Schulze und ein Knecht, welcher zwei Pferde, das des Händlers und den erkauften

10. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 96

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 96 — Braunen, hinter sich her führte. Der alte Schulze sagte, indem er das Tier zum Abschied streichelte: „Es thut einem immer leid, wenn man eine Kreatur, die man aufzog, losschlägt; aber wer kann dawider? — Nun, halte dich brav, Bräunchen!" rief er, und gab ihm einen herzhaften Schlag auf die runden, glänzenden Schenkel. Ter Pferdehändler war indessen aufgestiegen und sah mit seiner langen Figur und der kurzen Schoßjacke unter dem breitkrämpigen, lackierten Hute, mit seinen erbsengelben Hosen über den dürren Lenden und den hoch hinaufreichenden ledernen Gamaschen, mit seinen Pfundsporen und mit seiner Peitsche wie ein Wegelagerer aus. Er ritt, ohne Lebewohl zu sagen, fluchend und wetternd davon, den Braunen am Leitzaum nachziehend. Keinen Blick warf er nach dem Gehöfte zurück; das Pferd dagegen drehte mehrere Male den Hals um und wieherte wehmütig, als wollte es klagen, daß seine gute Zeit nun vorüber sei. Der Hofschulze blieb, die Arme in die Seite gestemmt, mit dem Knechte stehen, bis der Zug durch den Baum- garten verschwunden war. Dann sagte der Knecht: „Das Vieh grämt sich." „Warum sollt' es nicht?" erwiderte der Hofschulze; „grämen wir uns doch auch! Komm auf den Futterboden, wir wollen Hafer messen!" Aus dem Oberhos von K. L. Jmmermann. Das Lied der Westfalen. Ihr mögt den Rhein, den stolzen, preisen, Ter in dem Schoß der Reben liegt; Wo in den Bergen ruht das Eisen, Ta hat die Mutter mich gewiegt! Hoch auf dem Fels die Tannen stehn; Im grünen Thal die Herden gehn; Als Wächter an des Hofes Saum Reckt sich empor der Eichenbaum. Ta ist's, wo meine Wiege stand. O, grüß dich Gott, Westfalenland!
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