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So waren der Glaube, die Sitten und die Sprache der mit
den alten Hunnen nahe verwandten Mongolm, welche sich für das
auserwählte Volk Gottes und für bestimmt hielten, die Welt zu
erobern und zu beherrschen. Und der furchtbare Dsiingiskhan (°)
verwandelte diesen Glauben in entsetzliche Wahrheit, indem er ein
Reich gründete, größer als irgend eins auf Erden; aber selbst der
Herrscher brachte es nie bis zu echt menschlicher Freiheit, und seine
Mongolen blieben Knechte, wie vorher.
(Friedrich v. Raumer.)
Xiii. C. Plinius feinem Cornelius Tacitus.
1.
Du ersuchst mich, Dir über den Tod meines Oheims Nachricht
zu ertheilen, um der Nachwelt desto getreueren Bericht davon zu
überliefern. Ich danke Dir dafür; denn ich weiß, daß seinem
Tode, von Dir gefeiert, ein unsterblicher Nachruhm zu Theil wer-
den wird. Wenn gleich er bei der Zerstörung der herrlichsten Län-
der seinen Tod fand, gleich Völkern und Städten durch ein groß-
artiges Unglück unsterblich; wenn gleich er selbst viele Werke, die
ihn überdauern werden, schrieb: so wird dmnoch die Unvergäng-
lichkeit Deiner Schriften seinen ewigen Nachruhm noch vergrößern.
In gleicher Weise glücklich preise ich diejenigen, welchen es durch
die Gunst der Götter beschieden ist, zu thun, was niedergeschrie-
den oder niederzuschreiben, was gelesen zu werden verdient; am
glücklichsten aber diejenigen, denen beides zu Theil ward. Zu den
Letzteren wird mein Oheim durch seine und Deine Schriften ge-
hören. Um so bereitwilliger übernehme ich, was Du mir auf-
trägst, ja ich fordere Dich sogar dazu auf.
Er befand sich zu Misenum (auf directem Wege zur See,
zwölf Miglien von Pompeji entfernt), wo er persönlich den Be-
fehl über die Flotte führte. Am neunten Tage vor den Calenden
des Septembers (den 23. August) in der siebenten Stunde (unge-
fähr 1 Uhr Nachmittags) zeigt ihm meine Mutter an: es sei eine
----------- \
*) D. h. »der große Khan«/ eigentlich Temudschin genannt/ ge-
boren 1155/ gestorben 1227 in Karakorum/ seinem Hoflager. H-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_v Friedrich C._Plinius Cornelius_Tacitus August
strcbungen, die eines Geschöpfes würdig sind, das seine Augen gen
Himmel richten, sich mit feinem Geiste über Millionen Sonnen
und Welten hinaufschwingen und bis zum Schöpfer derselben hin-
durchdringen kann?
Nein du bist zu höheren Dingen geschaffen, o Mensch. Ahne,
auch dies ruft dir die Betrachtung des gestirnten Himmels zu,
ahne deine künftige Vollkommenheit und Glückselig-
keit, freue dich derselben zum voraus, und mache dich
ihrer immer fähiger. Siehe, jetzt bekleidest du eine niedrige
Stufe auf der Leiter der Dinge. Aber die Begierde, die Fähigkeit,
das Strebeir höher zu steigen, die fühlst du in deiner Brust, und
die kann dir der Schöpfer nicht umsonst gegeben haben. Warum
würde er diesen Schauplatz von Wundern vor dir verbreiten, warum
dich bei dem Anblick derselben über alles, was irdisch und vergäng-
lich ist, über dich selbst, zu sich erheben, und Wünsche in dir ent-
stammen lassen, die nichts von allem, was hienieden ist, befriedigen
kann? — Nein er, der Wahrhaftige, der Allgütige kann und
wird dich nicht täuschen, dich keine Vollkommenheit, keine Seligkeit
ahnen lassen, die er dir nie zu geben beschlossen hätte! Nein du
kannst, du sollst von einer Stufe der Vollkommenheit und Seligkeit
zur andern fortgehen, kannst und sollst immer weiser, immer besser,
immer glückseliger werden! Das ist der Wille deines Schöpfers
und Vaters im Himmel! Das ruft dir das ganze unzählbare
Heer seiner Sonnen und Welten zu! Siehe, hier in seinem uner-
meßlichen Reiche sind Quellen des Lichts und der Erkenntniß, die
nie versiegen, aus welchen man von Ewigkeit zu Ewigkeit schöpfen
und die kein crschaffner Geist jemals erschöpfen kann! Hier ist
Stoff zum ewigen Denken, zu unaufhörlichen Entdeckungen, zu
stets neuen Empfindungen der erhabensten Andachtsfreude! Hier
sind zahllose Gesellschaften edlerer, vollkommnerer Verehrer Gottes,
denen wir uns nähern, mit denen wir uns vereinigen, in deren
Vereinigung und Umgang wir höhere, unnennbare Wonne und
Seligkeit schmecken können! Hier sind unendliche Mittel und Ge-
legenheiten und Antriebe, unsere Kräfte zu üben, sie ganz zu ent-
wickeln, unsern Wirkungskreis zu erweitern und alles zu sein und
zu werden, was wir jetzt nicht fein und werden können! Hier
zeigt sich jedes Vergnügen, das uns jetzt die Betrachtung der Na-
tur, die Äußerung unserer Kräfte, das Wohlthun, die Gottesliebe
und die Menschenliebe gewähren, und in tausendfachen, herrlichen
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dig, daß sie mit Deutschland in Verbindung blieben, weil sie nur
hier den Ertrag ihrer Fahrten und Kämpfe in Gallien sichern konn-
ten. Und in der That ließen sie denselben unter einer Bedeckung
von 6000 Mann am Rhein aufgestellt zurück, auf der Grenze
ihres Vaterlandes und ihrer Eroberung. Von hier aus durften
sie auch nur auf Verstärkung ihrer Macht rechnen, und mußten
deswegen einen Weg nach Italien eröffnen. Von der andern Seite
konnten sie nicht alle auf diesem Wege dm Einfall in Italien
versuchen. Es mochte gefährlich sein, das römische Heer in Gal-
lien zurückzulassen, Meister des Landes und frei in seinen Unter-
nehmungen. Vielleicht hatten sic überhaupt keinen anderen Zweck,
als durch eine große Bewegung um die Alpen her und durch einen
Einfall in Italien den Marius zur Räumung Galliens zu
nöthigen, da er ihnen in seiner starken und sicherm Stellung im-
mer große Gefahr drohcte bei ihren Unternehmungm in diesem
Lande. Zu verwundern jedoch wäre cs auch nicht, wenn Glück
und Sieg sie verwegen gemacht und sie gewöhnt hätte, ihre Kräfte
dergestalt zu überschätzen, daß ihnen die Eroberung Roms und
Italiens nicht als ein zu großer Gedanke vorgekommen wäre.
Aber die Trennung ihrer Macht ward ihr Unglück. Sie vermoch-
ten nicht zu würdigen, wie viel ein Mann verändert, der Geist
in abgerichtete Massen zu bringen und die todte Kunst der Menge
mit Seele z:-i erfüllen weiß. Roch mehr mag cs zu ihrem Verder-
den gereicht haben, daß sie die Entfernnngen der Örter nicht hin-
reichend kannten, und deswegen so große Bewegungen nicht zu be-
rechnen und in Übereinstimmung zu bringen verstanden. Der größte
Fehler war, daß das Heer, welches in Gallien blieb, dem Ma-
^ rius gegenüber, aus Ungeduld oder getäuschet, viel zu früh auf-
brach, ehe das andere, welches über den Rhein gegangen war, in
Italien anlangen und Rom in Angst und Verzweiflung fetzen konnte,
und daß alsdann dieses Heer sich fortreißen ließ, und dem Ma-
rius voraus ging, anstatt ihm zu folgen.
Teutonen und Ambronen werden diejenigen genannt, welche
gegen das Lager des Marius zogen, wie die Römer glaubten,
um durch das Land der Ligurier Italien zu erreichen. Marius
trat ihnen nicht entgegen; er erwartete sie in seiner wohl befestig-
ten Stellung, nicht fern vom Meere. Jene reizten, hier ange-
langt, auf alle Weise zur Schlacht; die erbitterten römischen Sol-
daten verlangten dringend dm Kampf. Der Feldherr aber blieb
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Marius Marius Marius Marius
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Gallien Rhein Italien Italien Gal- Italien Galliens Roms Italiens Gallien Rhein Italien Rom Italien
65
Wand sich herabstürzend, hingestreckt auf die langen Schilde. Der
Consul Catulus, der Italien schützen sollte gegen dieses Ge-
schlecht, hatte die Schlünde besetzt, in welchen sich Italien den
Alpen öffnet. Die Cimbrer aber, eine böse Vorbedeutung nicht ach-
tend, griffen ihn an, warfen ihn zurück und verfolgten ihn, hart
drängend, die Ufer der Etsch hinab. Catulus sah nur eine
Rettung; er mußte sein Heer vor dem Feinde über den Fluß füh-
ren. Und ihm gelang, die Cimbrer zu täuschen. Er traf Anstalt
zu Lagerung und Schlacht auf dem linken Ufer, und veranlaßte
sie zu gleichen Vorkehrungen. Dadurch ward ihm möglich, seine
Verschanzungen und seine Brücke zu vollenden, und mit dem Heer,
jedoch nicht ohne Verlust, das rechte Ufer zu gewinnen. Die Deut-
schm, ergrimmt über das Entkommen des Feindes, drangen so-
gleich mit tobendem Ungestüme vor gegen den Fluß. Während
sie mit großen Baumstämmen die römische Brücke zertrümmerten,
stürzten sie sich selbst mit den Waffen in die Wellen, schwammen
hinüber und stiegen tobend an dem anderen Ufer hinauf. Die
Römer, kaum der Gefahr entgangen, die Brust angefüllt mit
Staunen und Angst, verloren vor diesem Ungestüme Muth und
Besonnenheit, und gericthcn in eine verwirrte Flucht, bei welcher
der Consul dadurch den Schein einiger Ordnung zu erhalten
suchte, daß er sich unter die ersten Flüchtlinge stellte. Rur hin-
ter dem Po wagte man eine neue Stellung zu nehmen. Viele
trieb der Schrecken bis zur Hauptstadt. Die Cimbrer nahmen die
Feste der Römer an der Etsch ein, und bewiesen der Tapferkeit,
mit welcher sie vertheidigt ward, dadurch ihre Achtung, daß sie der
Besatzung freien Abzug verstatteten. Sic thaten dies gegen einen
Eid, auf einen ehernen Stier geschworen, der jedoch von den Rö-
mern in der Folge nicht gehalten zu sein scheint. Ihren Sieg ver-
folgten sic nicht weiter, nur das obere Italien bis zum Po unter-
warfen sic ihrer Gewalt.
Wären die Cimbrer vorgedrungen bis Rom und über Rom
hinaus, gewiß, es wäre kein Glück gewesen für das deutsche Volk,
und zuverlässig ein großes Unglück für den Geist, für jede gute
Kunst, für alle menschliche Bildung; auch würden sic selbst, die
Cimbrer, durch dieses Unternehmen ihr Geschick vielleicht verzögert
haben, allein sie würden demselben nicht entgangen sein. Ob sie
aber im Stande gewesen sind, Rom zu erreichen, und ob sic es mit
Absicht vermieden oder durch Saumseligkeit unterlassen haben, das
5
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Extrahierte Personennamen: Muth
Extrahierte Ortsnamen: Italien Italien Italien Rom Rom Rom
1
101
ihm, sie ihnen ganz zu erlassen, und doch weiß er sie zu mäßigen,
sie dem durch Geld, jenem durch Getreide oder durch den Erlaß
eines Zinses von Zeit zu Zeit zu vergüten, und sein Recht in
Billigkeit zu verwandeln. Er ist der Herr und das Beispiel und
die Seele seines Hauses, und es immer gut zu sein, dieses ist seine
Sorge und Arbeit. Er hat keine Kinder; aber er läßt Anver-
wandte bei sich erziehen. Er sorgt für die Sitten seiner Bedienten
mit Klugheit, Ernst und Güte, hält sie vom Müßiggänge und
vom Laster zurück, und erweckt sie durch sein Beispiel zu den Übun-
gen in der Religion. Diese Lebensart hat Euphemon zwanzig
Jahre getrieben, keine neuen Güter erworben, und manches Jahr
sogar sein Vermögen verringert, und hat er gleichwohl nicht un-
endlich mehr gethan, als Kriton? Er hat nicht bloß seine Haus-
haltung nützlich geführt, er hat auch sein Vermögen und sein An-
sehen nach seinem Gewissen, zu seinem und andrer Glück verwandt.
Wie ehrwürdig, aber wie selten ist ein Euphemon!
________ (Gellert.)
Xx. Italien.
Italiens Bewohner sind von mittler Größe (eher klein als
groß zu nennen) und stämmigem Wuchs; ihre Hautfarbe geht
ins Gelbliche, im Süden ins Bräunliche über. Die Augen und
Haare sind schwarz, jene feurig, lebensprühend und Geist verra-
thend. Da die Italiener viel mehr Nahrung aus dem Pflanzen-
reiche, als aus dem Thierreiche genießen, so sind sie weniger kräf-
tig, aber gewandter und lebendiger, als die Völker des mittleren
und nördlichen Europa's. Ihre Sprache, das Lateinische der Ge-
genwart, beträchtlich verschieden vom alten Latein, ist klangreich,
hat viele Vocale, besonders häusig die klingenden a, i und o, und
selten das nicht tönende e. Sie sprechen und singen dieselbe sehr
schnell. Die Mundarten der einzelnen Landstriche weichen beträcht-
lich von einander ab, und die von Toscana und Rom werden für
die schönsten gehalten. Die Italiener beschäftigen sich auf mannich-
faltige Weise, arbeiten aber (wie cs meist bei Bewohnern südlicher
Länder der Fall ist) nicht gerne, und lieben das süße Nichtsthun
(il dolce far niente). Sie rauben häufig, aber stehlen selten,
und die meisten ihrer Thüren haben keine Schlösser. Geiz und
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264
mn, die ihn lieben, einen in alle Wahrheit leitenden Tröster ver-
sprochen. Sein Gefühl überzeugte ihn, daß er der sei, dessen die
Völker bedürfen. Zn dem 40sten Jahre seines Alters erschien die
Nacht der Rathschlüsse Gottes, worin ihn Gabriel, einer der
obersten Engel (so glaubte, so sagte er) zum Propheten des Höch-
sten berief. Dieses erzählte er der Cha'didscha und dem Wa-
raka, seinem Vetter; sein Spruch war Feuer; er entflammte; sic
schwuren: Bei dem, in dessen Hand die Seele der Ehadidscha
und des Waraka ist, Mohammed ist Prophet! Hierauf glaubte
der junge Ali, Enkel des Fürsten Abu Taleb, der erste der Zeu-
gen. Moham in cd gab ihm seine Tochter. Nach ihm fiel der ver-
ehrte Greis, Abubekr der Gerechte, ihm bei.
Oft wenn die fallende Sucht ihn ergriff, vermeinte er den En-
gel zu hören. Zn Redlichkeit fing der Prophet an, von seiner Sc-
herkraft getäuscht; Gewalt und List halfen ausführen, was er
göttlich und löblich fand. Er gedachte, dem Aufseher des heiligen
Steins in feiner Würde zu folgen; aber der Parteigeist erhob
einen, seinen Tagen drohenden Aufruhr. Verkleidet, verfolgt ent-
floh Mohammed durch die Palmenwälder von Mekka nach Za-
treb, wo Juden ihm die Ersten der Stadt gewannen. Von dem-
selben Tage, dem 16. Juli des 622sten Jahres (das ist die Hed-
schra) werden bei dem Moslemin die Jahre gerechnet. Zatreb
wurde Prophetenstadt — Mrdinat - al - Nabi — genannt. 500
Schüler nahmen ihn auf.
Das ist aber der Islam, die Religion, die er gab, daß ein
einiger Gott und Mohammed sein Prophet ist, durch den das
Gesetz M o s i s und Jesu die Vollendung erwarb. Nicht eine
neue Lehre gab er, sondern eine den Begriffen, Vorurtheilen und
Neigungen der morgcnländischen Völker angemessene Ausmalung
der Lehre, die so alt ist, als die Welt. Weiter gab er das Ge-
bot vieler Waschungen, den Sitten und Bedürfnissen warmer Län-
der gemäß; das Gebot fünf täglicher Gebete, auf daß der Mensch
über sich und die sinnliche Welt sich emporschwingen lerne; die
Ramadanfasten; das Mmosen eines hundertsten Theils vom Ver-
mögen; die Wallfahrt nach Mekka, wie von diesem allen die An-
lage oder Sitte schon war. So ist die Untersagung des Weins
und Schweinefleisches, die Feier des Freitags, theils älter, theils
neuer, oder angcrathen mehr als geboten. Er gab den Umständen
gemäße Gesetze, eine Religion für Länder, welchen die Wärme und
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Extrahierte Personennamen: Gabriel Mohammed Abu_Taleb Mohammed Mohammed
310
vulkanischen Umwandlungen der Erdrinde gründet. Hat eine Ge-
gend einmal ihre Pflanzendecke verloren, ist der Sand beweglich
und quellenlcer, hindert die heiße, senkrecht aufsteigende Luft den
Niederschlag der Wolken, so vergehen Jahrtausende, ehe von den
grünen Usern aus organisches Leben in das Innere der Einöde
dringt.
Wer demnach die Natur mit einem Blicke zu umfassen und
von Localphänomcnen zu abstrahircn weiß, der sieht mit Zunahme
der belebenden Wärme, von den Polen zum Äquator hin, sich
auch allmälig organische Kraft und Lebensfülle vermehren. Aber
bei dieser Vermehrung sind jedem Erdstriche besondere Schönheiten
vorbehalten; den Tropen Mannichfaltigkcit und Größe der Pflan-
zcnformen, dem Norden der Anblick der Wiesen und das perio-
dische Wicdcrcrwachcn der Natur beim ersten Wehen der Früh-
lingsdüfte. Jede Zone hat außer den ihr eigenen Vorzügen auch
ihren eigenthümlichen Charakter. So wie man an einzelnen orga-
nischen Wesen eine bestimmte Physiognomie erkennt, wie beschrei-
bende Botanik und Zoologie im engeren Sinne des Wortes fast
nichts als Zergliederung der Thier- und Psianzenformen ist: so
giebt es auch eine gewisse Naturphysiognomie, welche jedem Him-
melsstriche ausschließlich zukommt. (Alex. ».Humboldt.)
L.xii. Dritter punifcher Krieg.
An demselben Jahre, wie Korinth, siel auch Karthago auf
noch schrecklichere Weise. So hart der zweite Friede mit Nom
gewesen, so erholte doch der Staat sich schnell durch die Industrie
der Bürger und Hannibals weiser Verwaltung. Dieser große
Mann wagte bereits, neue Hoffnungen für sein Vaterland und
für die Welt zu schöpfen. Ader der wachsame Haß der Römer
und die Stärke der ihnen oder dem Frieden ergebenen Partei
zwang ihn zur Flucht. Das Mißtrauen Roms hörte hierdurch
nicht auf. Karthago sollte durchaus nicht mehr erstarken. Daher
sah man gern, daß Masinissa immer weiter griff und die
Entwaffnctcn schonungslos beraubte. Vergebens forderte Karthago,
da ihm Krieg zu führen nicht erlaubt war, die Gerechtigkeit Roms
zur Vermittelung auf. Der Richter war fein Feind, und als
endlich Cato dahin als Gesandter ging, so vermehrte sein über-
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311
wüthiges Betragen die Erbitterung. Cato kam als erklärter
Feind Karthagos nach Rom zurück, und durch unaufhörliche Auf-
hetzung des Senats beschleunigte er das Verderben der unglück-
lichen Stadt.
Zn derselben dauerte die Zwietracht der Parteien fort und
wurde heftiger als je. Der patriotischen stand nicht nur eine
römische, sondern selbst eine numidische Partei entgegen. Nicht
aus Zuneigung hatten deren Glieder zu dieser Fahne geschworen,
sondern theils aus Verblendung, theils bestochen, und meistens
bloß aus Feindschaft gegen die herrschende Partei. In gerech-
ter Erbitterung, aber vielleicht mit unklugem Eifer verbannte diese
letzte alle Anhänger Masinissas und gab hierdurch Anlaß zum
Kriege. Denn als der König ihre Wiederherstellung forderte, so
ergriff Karthago in gerechter Empörung die Waffen. Aber der
neunzigjährige Masiniffa schlug ihr Heer und rieb cs auf. Die
römischen Gesandten, anstatt zu vermitteln, sahen dem Kampfe zu,
um je nach dessen Erfolg das Weitere zu beschließen.
Kein günstigerer Zeitpunkt war möglich, die Nebenbuhlerin zu
erdrücken. Sie hatte den Vertrag gebrochen, und ihr Heer war
dahin. Also erklärte Rom den Krieg. Auf diese Schreckensnach-
richt siel Utika von Karthago ab und unterwarf sich Rom.
Schon standen die Consuln mit großer Macht in Sicilien und
rüsteten sich zur Überfahrt. Die geängstigten Karthager verwiesen
die Anstifter des Krieges gegen Ma sin issa und den Feldherrn
Hasdrubal, welchen Rom haßte; ja sie erklärten sich zuletzt für
Unterthanen der übermächtigen Feindin. Der Senat nahm schein-
bar wohlgefällig die Unterwerfung an, versprach die Erhaltung,
wenn Karthago 300 seiner edelsten Söhne als Geißeln senden und
weiter thun würde, wie die Consuln befählen. Die Geißeln ka-
men und die Consuln gingen nach Afrika. Jetzt forderte man
die Auslieferung der Schiffe, der Waffen, des Kricgsgcräthcs. Die
Karthager gehorchten. Endlich erging der Befehl, die Stadt nie-
derzureißen und eine andere zu bauen, weit weg vom Meere und
ohne Mauern.
Als die Karthager dieses vernahmen, ergriff sie die äußerste
Verzweiflung. Einmüthig beschlossen sie, ihre theure Stadt zu
retten oder zu sterben. Niemals sonst wurde auf so glänzende
Weise gezeigt, was ein aufs Äußerste gebrachtes Volk vermöge.
Was man dem Wunsch des Friedens geopfert. Schiffe, Kriegs-
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Extrahierte Personennamen: Karthago
Extrahierte Ortsnamen: Rom Masinissas Karthago Rom Sicilien Karthago Afrika
422
Da fuhr ein reger Geist in alles Volk,
Ein neu Weltalter schien herauf zu ziehn;
Da lebte jeder längst entschlafne Wunsch
Und jede längst erloschne Hoffnung auf.
Kein Wunder jetzo, wenn ein deutscher Mann,
Dem sonst so Hohes nie zu Hirne stieg,
Sich heimlich forschend mit den Blicken maß;
Kann's doch nach deutschem Rechte wohl geschehn,
Daß, wer dem Kaiser heut den Bügel hält,
Sich morgen selber in den Sattel schwingt.
Jetzt dachten unsre freien Männer nicht
An Hub- und Hain-Gericht und Markgeding,
Wo man um Esch' und Holztheil Sprache hielt;
Rein, stattlich ausgerüstet, zogen sie
Aus allen Gauen, einzeln und geschaart,
Ins Maienfeld hinab zur Kaiserwahl.
Am schönen Rheinstrom, zwischen Worms und Mainz,
Wo unabsehbar sich die eb'ne Flur
Auf beiden Ufern breitet, sammelte
Der Andrang sich; die Mauern einer Stadt
Vermochten nicht, das deutsche Volk zu fassen.
Am rechten Ufer spannten ihr Gezelt
Die Sachsen sammt der slav'schen Nachbarschaft,
Die Bayern, die Ostfranken und die Schwaben;
Am linken lagerten die rhein'schcn Franken,
Die Ober- und die Nieder-Lothringer.
So war das Mark von Deutschland hier gedrängt;
Und mitten in dem Lager jeden Volks
Erbub sich stolz das herzogliche Zelt.
Da war ein Grüßen und ein Händeschlag,
Ein Austausch, ein lebendiger Verkehr!
Und jeder Stamm verschieden an Gesicht,
An Wuchs und Haltung, Mundart, Sitte, Tracht,
An Pferden, Rüstung, Waffenfertigkeit,
Und alle doch ein großes Brüdervolk,
Zu gleichem Zwecke festlich hier vereint!
Was jeder im Besondern erst berieth;
Im hüllenden Gezelt, und im Gebüsch
Der Inselbuchten, malig war's gereift
Zum allgemeinen offenen Beschluß.
Aus Vielen wurden Wenige gewählt,
Und aus den Wenigen erkor man zween,
All' beide Franken, fürstlichen Geschlechts,
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Extrahierte Ortsnamen: Maienfeld Rheinstrom Worms Mainz Sachsen Schwaben Deutschland
553
21. Der moralische Dichter.
Ja, der Mensch ist ein ärmlicher Wicht, ich weiß — doch das wollt' ich
Eben vergessen, und kam, ach, wie gereut mich's, zu dir!
22. Das Kind in der Wiege.
Glücklicher Säugling! Dir ist ein unendlicher Naum noch die Wiege;
Werde Mann, und dir wird eng die unendliche Welt.
23. W i ff e n s ch a f t.
Einem ist sie die hohe, die himmlische Göttin, dem ander»
Eine tüchtige Kuh, die ihn mit Butter versorgt.
21. Das Thor.
Schmeichelnd lockte das Thor den Wilden herein zum Gesetze!
Froh in die freie Natur führ' es den Bürger hinaus!
25. Unsterblichkeit.
Vor dem Tod' erschrickst du! Du wünschest unsterblich zu leben?
Leb' im Ganzen! Wenn du lange dahin bist, es bleibt.
26. Das V e r b i n d u n g s m i t t e l.
Wie verfährt die Natur, um Hohes und Niedres im Menschen
Zu verbinden? Sie stellt Eitelkeit zwischen hinein.
27. Das Spiel des Lebens.
Wollt ihr in meinen Kasten sehen?
Des Lebens Spiel, die Welt im Kleinen,
Gleich soll sie eurem Aug' erscheinen,
Nur müßt ihr nicht zu nahe stehn,
Ihr müßt sie bei der Liebe Kerzen,
Und nur bei Amors Fackel sehn.
Schaut her! Nie wird die Bühne leer,
Dort bringen sie das Kind getragen,
Der Knabe hüpft, der Jüngling stürmt einher,
Es kämpft der Mann, und Alles will er wagen.
Ein Jeglicher versucht sein Glück,
Doch schmal nur ist die Bahn zum Neuneu;
Der Wagen rollt, die Achsen brennen,
Der Held dringt kühn voran, der Schwächling bleibt zurück,
Der Stolze fällt mit lächerlichem Falle,
Der Kluge überholt sie Alle.
Die Frauen seht ihr an den Schranken stehn,
Mit holdem Blick, mit schönen Händen
Den Dank dem Sieger auszuspenden.
* in.
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