164
Iv. Der Protestantismus in Westeuropa.
Erden zu führen, seine Herrschaft aufzurichten. Laben die deutschen Lutheraner ihre Heldenhaftigkeit im Dulden bewährt, so zeigten sie die Calvinisten im wandeln für das ihnen vorschwebende Ziel. Sie bedurften für den Ausbau ihrer Kirche keiner Anlehnung an weltliche Gewalten. Aus der Gemeinde heraus schufen sie sich selbst ihre Kirche, der die weltliche Gewalt sich zu unterwerfen hatte. In der kleinen Stadtrepublik Genf gelang das; in den großen westeuropäischen Staaten dagegen hat dieses Streben zu schweren Kämpfen geführt.
2. Die Äugenottenkriege in Frankreich.
Von Genf aus fanden die Anschauungen Calvins bald Eingang in Frankreich. Es entstanden an zahlreichen Orten Gemeinden, die sich zu einer Kirche verbanden. Ihre gemeinsamen Angelegenheiten regelten sie in einer aus gewählten Vertretern bestehenden Synode. Volkstümlich sind die reformierten Gedanken in Frankreich zwar nie gewesen; die Anhänger der neuen Lehre entstammten vielmehr vorwiegend dem humanistisch gebildeten Bürgerstande und dem Adel. Man nannte sie „Hugenotten", d. H. wohl Eidgenossen, Anhänger der Schweizer Religion.
Auf Äeinrich Ii.1 folgten hintereinander drei seiner Söhne; für Franz Ii., der mit Maria Stuart von Schottland vermählt war, führten deren Oheime, die lothringischen Lerzöge von Guise, die Regierung. Sie waren Anhänger der alten Kirche und suchten jede religiöse Neuerung zu unterdrücken. Ihnen gegenüber stand das den Valois verwandte Äaus Bourbon, dem das kleine Pyrenäenkönigreich Navarra gehörte, und dessen Glieder sich teils dem Protestantismus angeschlossen hatten, teils ihm zugeneigt waren. Der bedeutendste Führer der Hugenotten war der Admiral Coligny. Die einflußreiche Königin-Mutter, Katharina von Medici, verstand es, immer eine der beiden Parteien gegen die andere auszuspielen, ohne von einer abhängig zu werden. Am zunächst das Übergewicht der Guise zurückzudrängen, hielt sie sich zu Coligny und den Seinen. Auch gab es unter den Altgläubigen eine starke Richtung, die es nicht für angängig hielt, so zahlreiche Angehörige der Nation um ihres Glaubens
Franz I.
I
Letnrich Ii., vermählt mit Katharina von Medici_____________
_ Franz Ii. . Karl Ix. Letnrich Iii. Margarete,
Gem. Maria Stuart vermählt 1573 mit
Letnrich von Navarra, einem Enkel einer Schwester Franz' I.
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Extrahierte Personennamen: Franz_Ii Franz Maria_Stuart_von_Schottland Maria Coligny Katharina_von_Medici Franz_I. Katharina_von_Medici____________ Franz_Ii Franz Karl Ix Karl Margarete Maria_Stuart Maria
Extrahierte Ortsnamen: Westeuropa Stadtrepublik_Genf Frankreich Frankreich Frankreich Navarra Navarra
Iv. Der Verfall d. mittelalterl. .Hierarchie u. d. Reformbestrebungen usw. 107
Papste untertan zu sein. Aber es fehlte Bonifaz völlig an der Macht, diese Ansprüche zu verwirklichen. Die Androhung des Bannes blieb erfolglos Philipp gegenüber, durch dessen Regierung „der scharfe Luftzug der modernen Zeit weht" (Ranke). Auch auf die französische Bevölkerung machte das Vorgehen des Papstes gegen den König keinen Eindruck. Französische Ritter nahmen unter Führung des königlichen Kanzlers Bonifaz in Anagni gefangen; von den Bürgern der Stadt befreit, starb er kurze Zeit darauf, ohne die erlittene Anbill vergolten zu haben. Philipp gelang es nunmehr, die Wahl eines französischen Erzbischofs zum Papste durchzusetzen, der unter dem Einflüsse des Königs dauernd in Frankreich blieb- Von 1309—1378 war Avignon der Sitz der Kurie, die jetzt im Dienste der französischen Politik stand. Den im Süden des Reiches begüterten Templern wurde z. B. auf Befehl Philipps der Prozeß wegen Ketzerei gemacht, und die weiten Besitzungen des Ordens verfielen der Krone.
Durch die Übersiedelung nach Frankreich gingen den Päpsten die Einkünfte aus dem Kirchenstaate größtenteils verloren. Sie suchten nun Ersatz dafür durch eine weitgehende Besteuerung des Klerus und auch der Laien. So flössen neben dem Peterspfennig bei jeder Gnadenbewilligung hohe Gebühren in die päpstliche Kasse. Die scharfe und bis ins einzelne gehende kirchliche Gesetzgebung in Ehe-und Fastenangelegenheiten machte häufige Befreiungen auf dem Wege der päpstlichen Gnade („Dispense") nötig, deren Erlangung von der Zahlung außerordentlich hoher Sporteln abhing. Dazu kamen die vielfachen Ablässe und seit 1300 besonders der Iubelablaß, um neben zahlreichen Geschenken der Gläubigen die Kassen in Avignon zu füllen. Vor allem wurden aber die Klöster und die Weltgeistlichkeit zu hohen Zahlungen verpflichtet. Bischöfe und Äbte mußten für ihre Be-Bestätigung, Erzbischöfe für die Verleihung des „Palliums"1 hohe Summen zahlen; von einer neuverliehenen Pfründe mußten die „Annaten", der Betrag einer Iahreseinnahme, abgeliefert werden. Falls der Inhaber eines geistlichen Amtes innerhalb bestimmter Monate oder auf der Romreise starb, beanspruchte der Äeilige Stuhl das Recht der Wiederbesetzung, unbekümmert um die Rechte der sonst Wahlberechtigten („reservierte Fälle"). Auch bei solchen Gelegenheiten kam die päpstliche Kasse nicht zu kurz. Es wurden sogar Anwartschaften auf Pfründen in allen Ländern Europas verliehen,
1 Das Pallium, das Abzeichen der erzbischöflichen Würde, war ein Streifen von wollenem Tuch, der über die Schultern gehängt wurde. Seine Verleihung bedeutete die päpstliche Anerkennung.
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108 Iv. Der Verfall d. mittelalterl. Hierarchie u. d. Reformbestrebungen usw
und man verlangte, daß die zur regelmäßigen Besetzung befugten Fürsten oder Körperschaften die Ansprüche der vom Papste bezeichneten Bewerber berücksichtigten. Die Eingriffe der Kurie in die Angelegenheiten der einzelnen Bistümer wurden also immer zahlreicher und erregten die Unzufriedenheit des hohen Klerus. Die Tatsache, daß auf diese Weise große Mengen des immer noch seltenen Geldes der Volkswirtschaft der einzelnen Länder entzogen wurden, wirkte in den Kreisen der Fürsten und Bürger aufreizend gegen das Papsttum, das wie ein „unersättlicher Schlund" die Schätze der Welt an sich zu ziehen suche. Es bildeten sich jetzt jene Zustände heraus, die später in Luthers Schrift „An den christlichen Adel" eine so grelle Beleuchtung erfahren sollten. Das von oben gegebene Beispiel der Habsucht und Verweltlichung wirkte auch auf die niedere Geistlichkeit, und bei den Bettelorden, einst den Trägern des asketischen Äeiligkeits-ideals, zeigten sich die entsittlichenden Folgen des Bettels in solchem Maße, daß sie besonders seit dem Ende des 14. Jahrhunderts der allgemeinen Mißachtung verfielen. So ertönte der Ruf nach einer Reform der Kirche an Laupt und Gliedern. Professoren der Pariser Universität wiesen in zahlreichen Abhandlungen auf die Notstände hin und verlangten unter Berufung auf Vorgänge in der Geschichte der alten Kirche den Zusammentritt eines allgemeinen Konzils.
Besonders stark regte sich der Widerspruch gegen die päpstlichen Forderungen in England, das seit Johann ohne Land zur Zahlung eines jährlichen Lehnszinses verpflichtet war. Seit etwa 1330 verweigerte man diese Abgabe, Parlament und Krone widersetzten sich den Ansprüchen der Kurie auf Besetzung englischer Pfründen. Stand doch das Papsttum ganz unter dem Einfluß des französischen Landesfeindes, dem somit auch mittelbar alle aus England an die Kurie fließenden Gelder zugute kamen. Als dann 1365 die Zahlung des rückständigen Lehnstributes verlangt wurde, trat der Oxford er Professor John Wiclef dagegen auf und unterstützte in seinen Schriften und Predigten die ablehnende Haltung des Königs und des Parlaments. Von dieser politischen Opposition zu einer religiösen fortschreitend, legte er an den Zustand der Kirche und ihres Oberhauptes den Maßstab der Heiligen Schrift an, die er als „Gesetz Gottes" verehrte und zwecks weiterer Verbreitung in die englische Volkssprache übersetzte. Auf diesem Wege kam er zu einer Verwerfung des Papsttums und der Hierarchie überhaupt, da sich aus der Bibel kein Grund für dieses „Menschenwerk" anführen lasse. Nur Presbyter und Diakonen dürfe es in der Kirche Christi geben, und sie sollten, so forderte er übereinstimmend mit den Waldensern, den Vorschriften
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Extrahierte Personennamen: Johann John_Wiclef
Extrahierte Ortsnamen: Luthers England England Christi
____________________V. Die Gegenreformation.
in die Lage kommen, im Sinne seiner Oberen selbständig handeln *u müssen. Die Gesamtheit der Ordensangehörigen war in eine Reihe sorgfältig abgestufter Klaffen eingeteilt; die höheren halten die unter thuen stehenden scharf zu überwachen.
einst im 13. Jahrhundert die Bettelorden, so wurde jetzt bte Gesellschaft Jesu die Kampftruppe des Papsttums gegen dre Ketzer er. Als Prediger wirkten ihre Mitglieder auf das Volk em, tn der Beichte wurden sie Meister in der Beherrschung der Gewissen' denn durch ein fein ausgeklügeltes .kasuistisches" System verstanden sie ®ünde eine mildere Seite abzugewinnen; so gewannen sie
fürstliche Beichtväter bald Einfluß und benutzten ihn zur Erfüllung ihrer großen Aufgabe. Bedeutungsvoll war ihre Wirksamkeit auch auf dem Gebiete des Unterrichts; durch eine freundlichere Behandlung der Schüler und gewandtere Methoden, als sie in den humanistischen Lateinschulen üblich waren, verschafften sie ihren Erziehungsanstalten großen Zulauf aus den vornehmen Ständen und brachten die heranwachsende Jugend in ihre Lände.
Der Orden gewann rasch große Verbreitung. Als Ignatius un Jahre 1556 starb, gab es Zesuitenkollegien in allen bedeutenden tofädten des katholischen Abendlandes. Daneben wurde auch schon eme eifrige Änissionstätigkeit in den neuentdeckten Ländern entfaltet.
2. Philipp Ii. von Spanien im Kampfe gegen den Protestantismus.
Es war für den Katholizismus von großer Bedeutung, daß gleichzeitig mit feiner inneren Neubelebung Spanien, die katholischste der großen Mächte, während der iougenottenkriege in Frankreich zum Kampfe gegen den Protestantismus frei wurde. Da die deutschen Länder an die österreichische Linie der Habsburger abgetreten waren, brauchte Philipp Ii. nicht, wie einst sein Vater, aus die protestantischen Reichsstände Rücksicht zu nehmen. In Spanien war sein Regiment nahezu absolut, die weitaus größte Mehrzahl seiner Untertanen stand hinter ihm, wenn er im Innern den Protestantismus durch die Inquisition mit ihren schauerlichen „Autodafes" unterdrückte und im Auslande mit dem Schwerte bekämpfte. Wie die Spanier des Mittelalters mit ganzer Seele den Kampf gegen die Mauren geführt hatten, so nahmen sie jetzt mit heiliger Begeisterung die Waffen für Gott und die Jungfrau gegen die von der Kirche Abgefallenen.
Diese spanischen Bestrebungen, die auf die gewaltsame Ausrottung der Reformation abzielten, stießen zuerst in den Nieder-
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Extrahierte Ortsnamen: Spanien Spanien Frankreich Spanien Schwerte
Ii. Luther und die Reformation. 141
bereits Maximilian um 1510 zu einer umfassenden Denkschrift gegen die Kurie vergeblich hatte ausarbeiten lassen, in volkstümlichere Sprache und trug damit die neuen Ideen in Kreise, die sonst unberührt davon geblieben wären. Er malte in dieser (auch in späteren Schriften) gegenüber der entarteten Hierarchie das Ideal einer evangelischen Kirche, in der an der Stelle des hierarchischen das allgemeine Priestertum steht, an Stelle der durch die Priesterweihe über die Gemeinde hinausgehobenen Zölibatsträger der verheiratete, würdige, vom Vertrauen der Gemeinde berufene Seelsorger. Das Zölibat ist etwas Fluchwürdiges. Die gesamte Kirche müsse zu dem Ideal der Bedürfnislosigkeit Jesu zurückkehren, in erster Linie der Papst. Zornig geißelt Luther die weltliche Pracht am päpstlichen Äofe, die er aus eigner Anschauung kennt, deren hundertster Teil ausreiche, wenn der Papst seine weltlichen Ansprüche fallen lassen und in Demut ein frommer oberster Bischof der geistlichen Gemeinde sein wolle; römische Habsucht habe Welschland zur Wüste gemacht und beute nun unser Vaterland schamlos aus; die deutschen Narren geben aber immer weiter in den Sack ohne Boden. Die Beutezüge der Kurie hatten seit der Periode von Avignon gerade die Besten in Deutschland mit Abscheu erfüllt; und trotz der Baseler Zugeständnisse war infolge des Sonderabkommens Friedrichs Iii. mit der Kurie fast alles beim alten geblieben. Bitter empfindet es Luther mit dem christlichen Adel, wie der Mangel einer kaiserlichen Zentralgewalt die Nation schädigt, während in den Nachbarländern die Rechte der Krone erweitert und die finanziellen Eingriffe der Kirche beschränkt worden waren. Äinweg, fordert Luther, mit den Annaten, Pallien- und Buttergeldern; fort mit den Äunderten von geldschluckenden Nichtstuern am päpstlichen Äofe; statt der die Anzucht fördernden Wallfahrten stehe die ruhige Arbeit in Ehren, und an die Stelle der überreichen Feiertage trete der christliche Sonntag; die Bettelklöster hebe man auf und begründe statt ihrer Schulen und eine geordnete Gemeindearmenpflege. Dem Zudrang zu den Städten wehre eine gerechtere Gestaltung der bäuerlichen Lage, und das Verbot der „Wucherei und Fuggerei" steuere der Ausbeutung der wirtschaftlich Schwächeren. So brandmarkt Luther zornig die schweren Schäden, an denen Deutschland litt.
Das verstand das deutsche Volk. Äier stand ein Mann, der furchtlos aussprach, was Tausende bewegte, was Konzilien und ganze Jahrhunderte vergeblich ersehnt hatten. Das revolutionär gestimmte Landvolk Süd- und Mitteldeutschlands, die auf Selbsthilfe sinnende Ritterschaft, die Handwerkerschaft und das Bürgertum zahlreicher Städte scharte sich um ihn. Man kannte in diesen Kreisen die Pfaffen, die Messe und Seelsorge „im Ripsraps" abmachten, ihren
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Extrahierte Personennamen: Maximilian Maximilian Friedrichs Luther Luther
Extrahierte Ortsnamen: Jesu Welschland Avignon Deutschland Friedrichs Deutschland Mitteldeutschlands
182 Vii. Königtum und Parlament in England.
Hängern zählte. Als wichtigste Einrichtung der kalvinischen Gemeinden erschien das Kollegium der aus freier Wahl hervorgehenden Ältesten (Presbyter); daher nannte sich die Partei, die vor allem die Verfassung der anglikanischen Kirche umgestalten wollte, Presbyterianer; das Vorbild fanden sie in den Ordnungen der schottischen Kirche. Im Parlament machten sich diese Gegensätze bereits geltend, aber sie traten unter Elisabeth zurück, da das ganze Volk in der Königin die Vertreterin des nationalen Willens sah und sich der kräftigen Förderung der Macht und des Wohlstandes unter ihrer Regierung erfreute. Die gemeinsame Verehrung der Herrscherin milderte die inneren Gegensätze. Man fühlte wohl, daß die Verfassung der Kirche nicht dem englischen Geist entsprach, wie er sich in Parlamentarismus und Selbstverwaltung auswirkte, man sprach diese Reformforderungen auch offen aus, aber man stellte sie vor den großen auswärtigen Aufgaben zurück, die die Zusammenfassung aller Kräfte verlangten.
Auf Elisabeth folgte 1603 Jakob I. von Schottland, der Sohn Maria Stuarts. Er geriet bald in Abhängigkeit von den Geldbewilligungen des Parlaments. In diesem machten sich aber starke puritanische und besonders presbyterianische Strömungen geltend-So trat es immer wieder mit dem Verlangen nach Abschaffung der anglikanischen Kirchenverfassung hervor. Das lehnte der König aber ab, da gerade diese Kirchenform eine wichtige Stütze feiner Macht war; die Geistlichen der Staatskirche hatte er weit mehr in der Land als die Beamten der Selbstverwaltung. Der unter ihm begonnene Streit dauerte unter seinem Sohne Karl I. fort. Die Erhebung des „Pfund- und Tonnengeldes", einer indirekten Steuer, die früher den Königen auf Lebenszeit bewilligt war, wollte man ihm nur von Jahr zu Jahr zugestehen. Demgegenüber zeigte Karl, von dem Bewußtsein des göttlichen Arsprungs der königlichen Würde erfüllt, die Neigung, das Königtum in England auch unumschränkt zu machen, wie es in den wichtigeren Festlandsstaaten geworden war. Das Parlament trat ihm 1628 mit der Petition of Rights entgegen, die eine gesetzliche Sicherheit der Staatsbürger gegen willkürliche Besteuerung und Verhaftung, also gerade Bürgschaften gegen den Absolutismus verlangte- Karl sah sich genötigt, diese Forderungen zuzugestehen, aber er versuchte von nun an, ohne ein Parlament zu regieren. Unter seinen Räten leistete ihm Graf Strafford dabei besonders tatkräftige Dienste.
Daneben verschärfte sich der Gegensatz auf kirchlichem Gebiete. Da Karl weniger Widerstand von den Katholiken als von den Puritanern und Presbyterianern erfuhr, trat er zu ihnen in ein freundlicheres Verhältnis. Das erweckte im Volke den Argwohn,
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68
Iv. Die Kreuzzüge.
tust nicht erloschen waren. Auch blendete das Morgenland mit seinem märchenhaften Glanz und Reichtum die Augen der Europäer; unendliche Beute schien dort zu winken. Die italienischen Städte Venedig, Pisa, Genua trieben schon lange ausgedehnten Landel mit dem Orient. Sie konnten nur gewinnen, wenn im Osten des Mittelmeers christliche Staatenbildungen entstanden. Alsbald machten sie ihre Flotten zur Überfahrt und zur Unterstützung der Kreuzfahrer bereit. So mochte der Papst davon träumen, wie er nunmehr die schismatischen Griechen zum Gehorsam bringen und die Ungläubigen zurückdrängen könnte. Der Gottesstaat auf Erden unter seiner Leitung schien der Verwirklichung entgegenzugehen.
Man zählt gewöhnlich sieben Kreuzzüge, die sich auf fast zwei Jahrhunderte verteilen. Indessen fanden sich viel häufiger ritterliche Leere zusammen, die gemeinsam die Fahrt nach dem Orient antraten. Als 1096 auf Urbans Ii. Aufruf die normannische und französische Ritterschaft zum ersten Kreuzzuge rüstete, da eilten dem eigentlichen Kreuzheere Laufen zahlreicher Abenteurer vorauf, die nach abscheulichen Judenverfolgungen am Rhein und ähnlichen Ausschreitungen infolge ihrer Zuchtlosigkeit schon in Europa rühmlosen Untergang fanden. Das Äauptheer gelangte in langsamem Marsch und unter starken Verlusten, die teils in den endlosen Wüstengebieten Kleinasiens, teils aber auch in der lockeren Manneszucht des Lehnsheeres ihre Erklärung finden, ins Äeilige Land. Die Stadt Jerusalem wurde nach längerer Belagerung unter der Führung des Lothringerherzogs Gottfried von Bouillon erobert und das Königreich Jerusalem gegründet, das ganz den Charakter der abendländischen Feudalstaaten erhielt. Seinem Schutze sollten besonders die neugegründeten geistlichen Ritterorden der Johanniter und Templer dienen, deren Mitglieder neben der Übernahme der gewöhnlichen Mönchsgelübde sich dem Kampfe gegen die Ungläubigen sowie dem Geleit und der Verpflegung der Pilger zu widmen hatten.
Der Erfolg des ersten Kreuzzuges war dadurch erleichtert worden, daß die Kräfte der Mohammedaner zersplittert waren. Es bestand ein Gegensatz zwischen den Kalifaten von Ägypten und von Bagdad. So konnte das Königreich Jerusalem trotz der lockeren Lehnsverfassung 87 Jahre bestehen, zumal die Flotten der großen italienischen Städte stets neue Hilfsmittel und Streitkräfte nachführten. Als aber um die Mitte des 12. Jahrhunderts die Türken von Bagdad her bedrohlich vordrangen, wurde der „zweite" Kreuzzug unternommen. Die Führung übernahm der König von Frankreich und mit ihm der Äohenstause Konrad Iii., den die Kreuzpredigt Bernhards von Clairvaux erschüttert und zur Teilnahme bewogen hatte.
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Extrahierte Ortsnamen: Venedig Genua Rhein Europa Kleinasiens Jerusalem Jerusalem Bagdad Jerusalem Bagdad Frankreich
70
Iv. Die Kreuzzüge.
ein fruchtbarer Austausch auf allen Lebensgebieten. Die Folgen davon spürte zunächst der Nitterstand, der vornehmlich die Kreuzheere füllte. Immer mehr hatten sich die zum Reiterdienst verpflichteten Dienstleute (Ministerialen) des Königs und der Großen von ihren nicht wehrhaften Genossen abgehoben. Das Recht, Waffen zu tragen, gab ihnen eine besondere Stellung und rückte sie näher an ihre Herren heran. In Frankreich war diese Entwicklung schon weiter fortgeschritten, und indem nun durch die Kreuzzüge die deutschen Ritter mit den französischen in enge Berührung traten, bildete sich jenes internationale „höfische" Wesen heraus, dessen edelste Blüte wir in der von Walther von der Vogelweide gepriesenen »zuht und mäze« kennen lernen. Im Dienste der Kirche gebrauchte dieser neue Stand seine Waffen. Dadurch erhielt er gleichsam eine religiöse Weihe; die rauhen Kriegersitten milderte das Rittertum. Das ganze Lebens erfuhr eine Verfemerung, die sich besonders im „Frauendienst" äußerte. Eine Laienkultur konnte sich der geistlichen an die Seite stellen, ja in vielen Punkten sie überflügeln, besonders auf dem Gebiete der Literatur, in der die orientalischen Einflüsse deutlich erkennbar sind.
Überhaupt sind ja die Kreuzzüge besonders für die Entwicklung des abendländischen Geisteslebens folgenreich geworden. Zeigt sich schon in der höfischen Dichtung eine wachsende Gewandtheit in Sprache und Darstellung, so legt auch die lateinische Geschichtsschreibung ein Zeugnis für die größere Beweglichkeit des Geistes ab, die nunmehr neue Formen neben den überkommenen pflegte. Es sind nicht mehr die alten Vorbilder, die sklavisch nachgeahmt werden; man findet jetzt neue Ausdrucksformen. Das lehrt eine Vergleichung zwischen der Biographie Karls des Großen von Einhard, der Konrads Ii. vom Kaplan Wipo und der Beschreibung der Taten Friedrich Barbarossas von Bischof Otto von Freising. Auch in der Baukunst trat neben den feierlich-schwerfälligen romanischen Stil die himmelanstrebende, lebensvolle Gotik.
Der beweglicher gewordene Geist sing aber nunmehr auch an, Kritik am Überkommenen zu üben, selbst an der Kirche. Man verglich die Lage Jesu und feiner Jünger, wie die Evangelien sie schilderten, mit der Lerrf«Herstellung und dem Glanze der Geistlichkeit und des Papsttums. Das Ergebnis war — Abfall und Ketzerei. Daß man anderseits schon hier und da im Ungläubigen den Menschen schätzen lernte, dafür finden sich besonders in Wolframs „Parzival" und im „Willehalm" mancherlei Zeugnisse. Bedeuten somit die Kreuzzüge den Höhepunkt der Machtstellung des mittelalterlichen Papsttums, so haben sie doch auch schon Keime für feinen künftigen Verfall zur Entwicklung gebracht.
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Extrahierte Personennamen: Walther Karls Konrads Friedrich_Barbarossas_von_Bischof_Otto_von_Freising Friedrich Barbarossas Otto
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Vil Die Ausbreitung des Deutschtums im Mittelalter.
Ste konnten ihre Herrschaft aber nicht besser befestigen als durch Anstedlung deutscher Bauern, Ritter, Bürger und Mönche. Die dünne slavische Bevölkerung saß besonders an den Flußläufen und Seen und trieb neben der Fischerei und Lolzwirt-schaft nur dürftigen Ackerbau, der bei der wenig entwickelten Bodenbestellung, noch ohne Eisenpflug, nicht viel eintrug. Die deutschen Siedler dagegen erzielten mit verbesserten Geräten weit größere Ernteerträge und konnten daher an Lerren und Kirche auch höhere Abgaben zahlen. Bald riefen denn auch die Slavenfürsten Pommerns, Schlesiens und Mecklenburgs, das seit dem Sturze Heinrichs des Löwen reichsunmittelbar war, deutsche Bauern ins Land. An den Rändern Böhmens begründete Ottokar mit Lilfe deutscher Bergleute emen blühenden Bergbau, ja, die Angarnkönige gaben Rittern und Bauern aus der Eifel Sitze in Siebenbürgen. So vollzog sich eine im ganzen friedliche und geräuschlose Germanisierung der Ostmarken; deutsche Sprache und Kultur wurden damals so weit vorgeschoben' wie sie an den Ostgrenzen noch heute sich darstellen.
Die Rechtssorm der Ansiedlung war gewöhnlich so, daß der Fürst oder Lerr, häufig war es auch eins der zahlreichen Zisterzienser- oder Prämonstratenserklöster des Ostens, einem Unternehmer (locator) den Auftrag zur Ansetzung von Bauern erteilte. Oft gehörte dieser zu der zahlreichen Klasse der jüngeren Rittersöhne die sich auswärts ein Lehn suchen mußten. Seine Sache war nun die Anwerbung von Kolonisten, die in der neuen Leimat meist weit größeren Besitz erhielten, als ihre heimischen Standesgenossen besaßen. Dte Lufe betrug im Neulande das Vierfache von der im westlichen Deutschland. Ihre Löse erhielten die Ansiedler meist gegen Zahlung eines mäßigen Zinses, und persönliche Dienstleistungen wurden nur in geringem Maße gefordert. Der Unternehmer selbst bekam einen größeren Besitz als die Kolonisten; war er adliger Abkunft, so mochten wohl seine Nachkommen in späteren Zeiten das Dorf in ein „Rittergut" umwandeln, indem sie „Lerrschaftsrechte" über die Bauern erwarben und diese zu dienstpflichtigen Lörigen herabdrückten. Gewöhnlich wurde er der „Erbschulze", besonders in den zahlreichen Dorfgemeinden, die ihre Gründung den Landesherren oder den kirchlichen Stiftungen verdankten. Auch Adlige aus dem Reiche erhielten von den Fürsten ausgedehnte Ländereien zu Lehn, die sie dann des besseren Ertrages wegen ebenfalls mit deutschen Bauern besiedelten. Der slavische Adel vermochte nur in wenigen Fällen seine Stellung zu behaupten. Als im 16. Jahrhundert die Fürsten in starke finanzielle Abhängigkeit von den Ständen, d. H. in Ostdeutschland vom grundbesitzenden Adel, gerieten, benutzte dieser seinen Einfluß dazu, die
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Ii. Luther und die Reformation.
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Die innere Entwicklung Luthers ist uns erst von seinen Erfurter Studienjahren an genauer bekannt. Von dem Besuche der Lateinschule in Magdeburg, wo er einer Anstalt der „Brüder vom gemeinen Leben" angehörte, und in Eisenach wissen wir nicht viel Bedeutsames; gelernt hat er dort wohl wenig; das dürfen wir aus den harten Arteilen entnehmen, die er in der Schrift „An die Bürgermeister und Ratsherrn" vom Jahre 1524 über den Zustand der Schulen in seiner Jugend fällt- „Eselsställe und Teufelsschulen" nennt er sie; es war „die helle und das fegfewr unser schulen, da wir ynnen gemartert sind, vber den Casualibus und temporalibus, da wir doch nichts denn eyttel nichts gelernt haben durch so viel steupen, zittern, angst und jamer .... ehe ich wollt, das hohe schulen und klöster blieben so, wie sie bisher gewesen sind, wollt ich ehe, das keyn knabe nymer nichts lernte und stum were." Um so moderner war die Erfurter Hochschule, die Luther seit 1501 besuchte. Äier wirkte ein auserlesener Kreis humanistischer Gelehrter, die den Ruf der reichbegüterten städtischen Universität begründeten. Fröhlich und fleißig trat der Jüngling, wie Luthers Schüler und ältester Biograph Matthesius berichtet, zunächst an das Studium der „freien Künste" heran, begann jeden Tag mit ernstem Gebet, verbrachte freie Stunden gewöhnlich auf der Universitätsbibliothek und fiel im Kreise seiner Genossen ob seiner grüblerischen Neigungen bald als der „Philosoph" auf. Dem nach tieferer Einsicht Ringenden konnten jedoch die Dozenten nur Formeln und Schalen bieten, und auch Aristoteles ließ ihn in ewigen Dingen in quälender Ratlosigkeit. In der „höheren" Fakultät, der juristischen, in die er als „Magister" 1505 eintrat, erging es dem Wahrheitsucher noch schlimmer. Er klagt über das „Zungendreschen" und den „Wortschwall", über die seichten römisch-juristischen Disputationskünste und vermißt überall ein hindurchdringen zum Grunde der Wahrheit. „Zeiget mir einen Juristen, der um der Ursache willen studiere, daß er die Wahrheit lerne; sondern alle studieren sie, um Ehr und Gut zu erlangen." Mit der zunehmenden Einsicht in die innere Wertlosigkeit seines Studiums verbindet sich wachsende Angst um das Seelenheil. Schweres Ringen soll ihn zu Erkenntnis und Frieden führen, aber er findet, „je länger wir waschen, desto unreiner werden wir".
In dieser Verzagtheit bietet sich dem fast Verzweifelnden nach katholischer Anschauung als letzter Rettungsanker das Kloster. Die völlige Abtötung des Menschlichen durch ein System von Gelübden und Werken, so hoffte er, werde ihm helfen. Der Blitzschlag, der sein Leben bedrohte, gab zur Flucht ins Augustinerkloster nur den äußeren Anlaß.
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Extrahierte Personennamen: Luthers_Schüler Matthesius Aristoteles