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Ii. Luther und die Reformation.
Faustbuch erzählt. Erst der Aufklärungszeit war es vorbehalten, dem Faustcharakter eine vertiefte, gerechtere Würdigung und Darstellung widerfahren zu lassen.
Ii. Luther und die Reformation.
1. Luthers Entwicklung zum Reformator.
Martin Luther, in der altdeutschen Sprache „Lothar", entstammte der „großen Quelle aller gesunden Volkskraft" (G. Freytag): er ist aus dem freien Bauern stände hervorgegangen. „Ich bin eines Bauern Sohn; mein Vater, Großvater und Ahn sind rechte Bauern gewesen", hat er in stolzem Selbstbewußtsein bekannt.
Als jüngerer, erbloser Bauernsohn zog sein Vater Lans Luther aus dem Meiningenschen Waldort Möhra ins Mansfeldische, wo die Grafen von Mansfeld über zahlreiche Gold- und Silbergruben das Regal ausübten, und wurde dort Bergmann. In Eisleben, wo Luther geboren ist, und später in Mansfeld arbeitete er sich aus dürftiger Enge zu einigem Wohlstand und bürgerlichem Ansehen empor. Beharrlicher Wille, freimütiges Urteil, auch in ewigen Dingen, gutmütige Ehrlichkeit und finstere Strenge, das waren die Grundzüge des kernigen Mannes, dessen Leben in ehrbarer Plage um das tägliche Brot verlief. Auf des Sohnes Nachricht von der schrecklichen himmlischen Erscheinung, die ihn ins Kloster getrieben habe, hat er die Antwort: „Gott gebe, daß es nicht ein Betrug und teuflisch Gespenst war." And wenn der Mönch geglaubt hatte, einem Gebote Gottes folgen zu müssen, so erwiderte der alte Äans Luther noch nach Jahren in unwilligem Zorn, ob er nicht auch vom Gehorsam gegen die Eltern gehört habe. Die Zumutung, für Genesung aus schwerer Krankheit durch eine Schenkung an die Kirche zu danken, wies sein ehrlicher Freimut mit dem Äinweis auf die Seinen zurück, die es nötiger brauchten. Streng, ja rauh war die häusliche Zucht, und Luther hat aus der übertriebenen Äärte des Vaters, die er später bitter verurteilte, gelernt, daß in der Erziehung der Apfel stets bei der Rute liegen müsse. Düster geartet war auch der religiöse Geist, den der Knabe im Elternhause einsog; hier herrschte die Furcht vor bösen Geistern in Natur- und Menschenleben, jene Verängstigung, die im Teufelsglauben des späteren Mannes noch unvermindert hervortritt und sich oft lähmend auf sein Schaffen legte. Freilich ist sie zugleich der Quell seines unter schwerem Ringen gewonnenen Glaubens an die den sündigen Menschen rettende Gnade geworden; der Protestantismus ist aus ihr geboren.
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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die Gewerbliche Zeichen- und Kunstgewerbeschule in Kassel,
die Baugewerkschule in Kassel,
die Handwerksschule in Kassel,
die Schule für Holzschnitzerei in Poppenhausen,
die Ackerbauschule in Beberbeck,
die Landwirtschaftliche Winterschule in Fulda,
die Haushaltungsschule in Treysa.
Besondere Unterrichts- und Erziehungsanstalten:
die Taubstummenanstalt in Homberg,
die Rettungsanstalt für verwahrloste Kinder bei Elm,
die kath. Erziehungsanstalt für verwahrloste Knaben in Sannerz,
die Erziehungs- und Besserungsanstalt in Wabern,
die Bewahranstalt für Mädchen und Jdiotenanstalt in Treysa,
die Waisenhäuser in Kassel und Hanau.
Andere Anstalten:
die Jrrenheilanstalt in Marburg,
das Landeshospital für unheilbare geisteskranke Männer in Haina,
das Landeshospital für unheilbare geisteskranke Frauen in Merxhausen,
die Korrektions- und Landarmenanstalt in Breitenau,
die Strafanstalten in Kassel, Wehlheiden und Ziegenhain.
Bedeutende Männer des Regierungsbezirks.
Philipp der Großmütige, der bedeutendste Landgraf von Hessen, Förderer
der Reformation, geb. zu Marburg.
Gebrüder Jakob und Wilhelm Grimm, Sprachforscher und Märchen-
dichter, geb. zu Hanau.
Burkhard Waldis, Fabeldichter, geb. zu Allendorf a. d. Werra.
Karl Wilhelm, Tondichter, Komponist der „Wacht am Rhein" und anderer
Lieder, geb. zu Schmalkalden.
Philipp Reis, Erfinder des Telephons, geb. zu Gelnhausen.
Daten aus der Geschichte.
54 v. Chr. die ersten Römer auf deutschem Boden.
12—9 t>. Chr. führt Drusus, der Stiefsohn des Kaisers Augustus, Krieg
gegen die Chatten und Sigambrer.
9 n. Chr. die Hermannsschlacht im Teutoburger Walde.
15 Germanieus, der Sohn des Drusus, fällt in das Land der Chatten
ein und zerstört ihren Hauptort Mattium.
4. Jahrhundert Anfang der Völkerwanderung.
5. „ die Römerherrschaft am Rhein hört auf. — Die Franken
nehmen feste Wohnsitze ein und werden Herren unserer Gegend. —
Der Name Chatten verschwindet.
722 Bonisacius gründet zu Amöneburg die erste christliche Ansiedelung in
Hessen.
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
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Extrahierte Personennamen: Philipp Jakob Wilhelm_Grimm Wilhelm Burkhard_Waldis Karl_Wilhelm Karl Wilhelm Philipp_Reis Philipp Drusus Augustus
Ix. Reformversuche.
95
Ix. Neformversuche.
Als die altväterliche Zucht schon immer mehr dahin schwand, bilbete sich in Rom eine Partei, die den verderblichen Neuerungen ernstlich entgegentrat. An ihrer Spitze stand Jahrzehnte hindurch M. Porcius Cato (gestorben 149 v. Chr.), der schärfste Verfechter altrömischer Einfachheit, der unermüdliche Bekämpfer ausländischer Sitten. Auch als Senator und Zensor begnügte er sich mit schlichtester Kleidung und einfachem Wohnhause. Er hielt es für das größere Glück, überflüssiger Dinge nicht zu bedürfen, als sie zu besitzen. Auf seine Veranlassung wurden Gesetze gegen die Habsucht der Provinzialbeamten und Steuerpächter sowie gegen Schwelgerei und Prunksucht erlassen. In seinen Senatsreden schärfte er seinen Zeitgenossen das Gewissen: „Oft habt ihr mich über den Aufwand der Weiber, oft über den der Männer, selbst der hohen Beamten klagen hören. Ich klagte, daß unser Staat an zwei entgegengesetzten Lastern kranke: der Äabsucht und der Verschwendung. Das sind die Seuchen, die aller großen Reiche Zerstörerinnen geworden sind. Je weiter sich unsere Herrschaft ausbreitet, je mehr wir schon nach Schätzen von Königen ausgreifen, um so ängstlicher besorge ich, daß in Wahrheit uns diese Dinge mehr erobert haben, als wir sie. Die Standbilder da von Syrakus sind als Feinde in Rom eingerückt." Durch flammende Worte setzte er die Ausweisung griechischer Philosophen aus Rom durch; in seiner Amtsführung als Zensor stieß er leichtlebige Senatoren zahlreich aus dem Senate. Auch der Zamasieger erlag den Angriffen der von Cato geführten Reformpartei und mußte aus Rom weichen, weil er dem Griechentum starkes Interesse schenkte.
In vorgerückten Jahren lernte Cato selber das Griechische, um die „leichtfertigen Griechen" desto erfolgreicher bekämpfen zu können. Ihm stand der A cf er t> au über jeder anderen Beschäftigung; durch Schriften über laubwirtfchastliche Fragen suchte er ihn zu förbern. Auch als Zensor und Senator führte er noch gerne den Pflug. Vorbilblich war auch fein Familienleben. Frau und Kinder bilbeten die ehr-würbigsten Schätze feines Laufes. Drei Dinge, so pflegte er zu sagen, habe er zu bereuen: daß er einmal feiner Frau ein Geheimnis anvertraut , eine Reife einmal zur See statt zu Laube ausgeführt und einmal einen Tag feines Lebens ohne bestimmte Geschäfte verbracht habe.
Zu den Kreisen Catos gehörten auch eble Frauen; so Cornelia, die Tochter des großen Scipio, die Mutter der Gracchen. In schlichter Häuslichkeit widmete sich die Frühverwitwete ausschließlich der Erziehung ihrer Kinder; sie sah es als höchste Aufgabe an, sie vor den neumobifchen Lastern zu bewahren. Staub haft ertrug sie als
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90 Ii Luther und die Reformation.
Faustbuch erzählt. Erst der Aufklärungszeit war es vorbehalten, dem Faustcharakter eine vertiefte, gerechtere Würdigung und Darstellung widerfahren zu lassen.
Ii. Luther und die Reformation.
I. Luthers Entwicklung zum Reformator.
Martin Luther, in der altdeutschen Sprache „Lothar", entstammte der „großen Quelle aller gesunden Volkskraft" (G. Freytag): er ist aus dem freien Bauern stände hervorgegangen. „Ich bin eines Bauern Sohn; mein Vater, Großvater und Ahn sind rechte Bauern gewesen", hat er in stolzem Selbstbewußtsein bekannt.
Als jüngerer, erbloser Bauernsohn zog sein Vater Äans Luther aus dem Meiningenschen Waldort Möhra ins Mansfeldische, wo die Grafen von Mansfeld über zahlreiche Gold- und Silbergruben das Regal ausübten, und wurde dort Bergmann. In Eisleben, wo Luther geboren ist, und später in Mansfeld arbeitete er sich aus dürftiger Enge zu einigem Wohlstand und bürgerlichem Ansehen empor. Beharrlicher Wille, freimütiges Urteil, auch in ewigen Dingen, gutmütige Ehrlichkeit und finstere Strenge, das waren die Grundzüge des kernigen Mannes, dessen Leben in ehrbarer Plage um das tägliche Brot verlief. Auf des Sohnes Nachricht von der schrecklichen himmlischen Erscheinung, die ihn ins Kloster getrieben habe, hat er die Antwort: „Gott gebe, daß es nicht ein Betrug und teuflisch Gespenst war." Und wenn der Mönch geglaubt hatte, einem Gebote Gottes folgen zu müssen, so erwiderte der alte Äans Luther noch nach Jahren in unwilligem Zorn, ob er nicht auch vom Gehorsam gegen die Eltern gehört habe. Die Zumutung, sür Genesung aus schwerer Krankheit durch eine Schenkung an die Kirche zu danken, wies sein ehrlicher Freimut mit dem Hinweis auf die Semen zurück, die es nötiger brauchten. Streng, ja rauh war die häusliche Zucht, und Luther hat aus der übertriebenen Äärte des Vaters, die er später bitter verurteilte, gelernt, daß in der Erziehung der Apfel stets bei der Rute liegen müsse. Düster geartet war auch der religiöse Geist, den der Knabe im Elternhause einsog; hier herrschte die Furcht vor bösen Geistern in Natur- und Menschenleben, jene Verängstigung, die im Teufelsglauben des späteren Mannes noch unvermindert hervortritt und sich oft lähmend auf sein Schaffen legte. Freilich ist sie zugleich der Quell seines unter schwerem Ringen gewonnenen Glaubens an die den sündigen Menschen rettende Gnade geworden; der Protestantismus ist aus ihr geboren.
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Comm0dus.
39
234.
C o m m o d u s.
Titus Com Modus Anton inus (wahrscheinlicher
der Sohn eines Gladiators — bei dem ausschweifenden Le-
den seiner Mutter — als des Marc Aurel) stand gegen die
Markomannen, ein neunzehnjähriger Jüngling, als der Thron
des Vaters, ohne die Tugenden desselben, auf ihn vererbte
(180—192). Man huldigte in ihm den gefeierten Namen
der Antonine, als das Heer und der Senat seine Thronfolge
bestätigten. Der glückliche Jüngling hatte bei seiner Thron-
besteigung weder Mitbewerber zu entfernen, noch Feinde zu
bestrafen. Allgemeine Zufriedenheit mit der gesegneten Re-
gierung der letzten vierzig Jahre herrschte durch das ganze
Reich. Wie leicht wäre es dem C o rn m o d u s geworden,
die Liebe seiner Völker statt des Abscheus derselben, den
sanften Ruhm seiner letzten fünf Vorgänger statt des
schimpflichen Todes des Caligula, Nero und Domitian zu
erwerben!
Allein Commodus war nicht sogleich beim Antritte
seiner Regierung das kalte mordende Ungeheuer, wie er in
der Folge erscheint; er war von Natur Schwächling, aber,
nach den Sitten der ausschweifenden Jugend Roms in der
damaligen Zeit, zur ungezügeltesten Befriedigung seiner Be-
gierden fortgerissen. Seine Furchtsamkeit führte ihn, nach
einem Versuche auf sein Leben, zur Harte, und seine Schwach-
heit ward unter der Leitung Anderer, welche an seiner Stelle
regierten, die willkührlichste und kälteste Grausamkeit.
Gleich nach dem Tode seines Vaters erkaufte er den
Frieden von den Marcomannen, und eilte nach Rom, wo
er sich selbst den wildesten Ausschweifungen, die Staatsver-
waltung in den ersten drei Jahren aber noch den geprüften
Ministern seines Vaters überliest, welche dieser ihm nach-
drücklich empfohlen hatte. — Doch als (183) er einstmals
Abends aus dem Amphitheater nach dem Pallaste zurückkeh-
ren wollte, ward er von einem Meuchelmörder mit dem
Schwerte angefallen, der ihm zurief: Dies sendet dir
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Extrahierte Personennamen: Anton Marc_Aurel Domitian
— 20 —
voll Kraft und Feuer vor sich zu haben meinen, so frisch
ist Alles, und so weit entfernt von der gewöhnlichen Grä-
melei des Alters. Aber die Jugend zu erhalten, ist eine
eigene Knnst, die nur wenige Menschen fassen, wiewohl
Jeder das Geschick dazu hat. Der ernstliche Wille fehlt
einzig und allein, sonst wäre sie wohl allgemein in An-
wendung. Doch was ich dir sage, gilt nicht von der äu-
ßern, sondern blos von der innern Jugend: denn je-
ne ist, wie die Blüthe des Baumes, eine fiüchtige Er-
scheinung der Natur!"
„Du sprichst in Räthseln, lieber Vater; erkläre dich
uns deutlicher," baten die Kinder.
„Wenn ihr unsern lieben Hansfreund Gotthold fra-
gen würdet: Guter Greis, sage uns doch, wie du cs an-
gefangen, daß das Alter deinem Geiste und Herzen nichts
hat anhaben mögen, daß es nur deinen Leib heimgesucht,
deine Seele aber frei gelassen hat? so würde er euch ganz
kurz etwa so antworten: Nun, ich quälte mich nicht mit
eitcln, unnöthigen Sorgen, sondern warf Alles, was mir
Pein und Kummer hätte machen können, auf den Herrn,
vor dessen Augen ich immerdar wandelte, den ich stets
im Herzen hatte. Ward mir Regen geschickt, so dachte
ich: der Himmel hat auch eine Sonne, die dich morgen
erquicken wird, und so sah ich die Erde und das Leben
immer mit heitern Augen an, wie ein Kind, das vor
schwarzem Gewölk zwar augenblicklich erschrickt und zagt,
aber wenn cs ausgeblitzt und ausgedonnert hat, sich
auch sogleich wieder an der Bläue, die nun zum Vor-
schein kommt, und an dem Sonnenlicht, das über die
beregnete Flur bricht, herzlich freuet und erquickt. So
würde er etwa antworten — und dann käme es auf euch
an, ob ihr diese herrliche Kunst erlernen und anwen-
den wolltet."
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— 31 —
den Kindern im Schulhause ein festliches Mahl gegeben.
Wie die Mittagsglocke tont, müssen sie beisammen seyn.
Die Schultische, aller Bücher entledigt, sind init weiten
Linnen sauber gedeckt, volle Schüsseln dampfen den Ein-
tretenden entgegen; Jedes setzt sich an den Platz, der
ihm auch sonst in der Schule zukommt. Der Herr Schul-
meister aber spricht ein kurzes Gebet, setzt sich dann an
der Tafel oben an, und nun beginnt das Essen, wobei
cs gar froh und lustig zugeht. Auch wird den Kindern
Bier gereicht. Sobald man fertig ist und der Schulmei-
ster das Dankgebet gesprochen hat, werden Tische und
Banke ans der blank gescheuerten Schulstube hinausge-
schafft. Einige Musikanten, die indeß herbeigekommen
sind, spielen munter auf, und nun tanzt, wer Lust und
Geschick hat, bis der Abend herbeikommt. Jetzt bringt
man alles in der Stube wieder in die alte Ordnung, setzt
sich zum Abendessen zusammen, und dann gehen die Kin-
der müde, aber von Herzen vergnügt nach Hause, und
zählen die Wochen sehnsüchtig, bis das liebe Gregorius-
fest von neuem erscheinen wird mit seinen Freuden. Ich
habe das Fest oft mit begangen in meinem Geburtsorte,
und freue mich noch immer, wenn ich daran zurück denke:
denn unschuldig genossene Freuden bleiben dem Menschen
unvergeßlich."
Diese Erzählung lenkte das Gespräch ans verschie-
dene andere Kinderfeste, wie sie in diesem oder jenem
Lande, oder auch nur in einer einzelnen Gegend gebräuch-
lich sind. Herr Gerhard beschrieb ein Maien fest, bei
dem er einmal im Würtembcrgischen zugegen gewesen war,
als sehr anmulhig und für das jüngere Alter passend.
Eben trat Vater Rist, der kurze Zeit von der Ge-
sellschaft entfernt gewesen war, mit einem gar heitern
Antlitz wieder in's Zimmer. Die Kinder sprangen ihm
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zeit suhle ich mich oft in meine Jünglingsjahre zurück ver-
setzt; ich mochte dann den Wandcrstab in die Hand neh-
men und hinaus ziehen in die bunte Herrlichkeit, die
allenthalben ansgegossen ist. Es kommt mir nicht selten
vor, als sänge die Lerche zu mir herab: Was sitzest du
daheim? Bist du so gar alt geworden, das; du nicht mehr
an'ö Reisen denkst, da wir so weit herkommen, und selbst
die Blume ihr dunkles Haus verläßt? — Da lockt es
mich wohl auch hinaus zu theuern Jugendfreunden
oder sonst lieben Bekannten. Will cs zu Fuße nicht
mehr seyn, so trägt der sichere Wagen uns ja auch durch
die Frühlingspracht hin, und das Auge genießt und das
Ohr, und das Herz wird lustig und guter Dinge."
„Meine Heimath mit den theuern Jugendfreunden
liegt mir zu fern, als daß ich sie noch einmal in meinen
alten Tagen sehen sollte," versetzte Vater Rist mit einem
Zuge von Wehmnth, den frohe Erinnerungen bald in
ein dankbares Lächeln verwandelten, „aber in der großen,
der rechten Heimath werde ich alle die lieben Seelen, viel-
leicht in Kurzem, wieder begrüßen, von denen mich jetzt
Ströme und Gebirge trennen. Die meisten sind wahr-
scheinlich schon zu ihrer Ruhe eingegangen, und die we-
nigen übrig gebliebenen sehnen sich gewiß, gleich mir,
hinüber in das Land der Verheißung. Indeß erinnere
ich mich oft und gern an das stille Dorschen meiner Ju-
gend, und an die Freunde, die mein Herz dort fand: denn
je älter man wird, um so heller und reizender schimmern
die Tage der Kindheit und Jugend."
Hierauf kam das Gespräch auf Rist's Vaterland,
das gesegnete Sachsen, das er vor mehr als fünfzig Jah-
ren verließ, um in der Fremde sein Glück zu suchen. Er
hatte es seitdem nur einmal wieder gesehen. Seine Act-
tern und Geschwister waren ihm indeß in die Ewigkeit
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— 30 —
vorangegangen, und von seinen Jugendgenossen fehlten
ihm alle Nachrichten. So stand er eigentlich ohne alle
Verbindung mit seiner Heimath; aber er gedachte ihrer
oft, und erzählte sehr gern von den dort verlebten Jahren.
Die Kinder, die dem Gespräch aufmerksam zugehört
hatten, fragten jetzt, ob er nicht auch etwas, das sie
ganz besonders angehe, ans Sachsen zu erzählen habe.
„Allerdings!" erwiederte der Greis, „und cs paßt
ganz in die Zeit, in welcher wir eben leben. Die Kinder
haben dort ein eigenes Fest, wonach sie das ganze Jahr
messen, was ihnen fast noch mehr Freude gewährt, als
das heilige Christfest, das in eine rauhe, winterliche Zeit
fällt. Man nennt cs das Gregoriusfcst. In alten
Zeiten wurde cs am 12. März, als dem Gregoriustag,
dem Papst Gregorius dem Ersten zu Ehren, der durch
Einrichtung von Singchörcn viel zur Verbesserung der
Schulen beigetragen hat, als Schulfest begangen. In
meiner Knabenzeit aber feierte man cs alljährlich in der
Osterwoche. Bei schönem Wetter versammeln sich Mor-
gens gegen 8 Uhr die Kinder, alle im Sonntagsputz, mit
Blumensträußen, Federn und dergleichen bunt ausge-
schmückt, im Schulhaus, und nun zieht der Schulmeister
mit ihnen aus durch alle zum Kirchspiel gehörige» Ort-
schaften. Vor jedem Hause wird ein schönes Lied, deren
man wohl zwölf und noch mehr nach und nach recht tüch-
tig eingeübt hat, gesungen; dann bekommt der Schul-
meister ein Geschenk, wird wohl auch von dem Einen
oder Andern gastlich bewirthet; die Kinder aber erhalten
hin und wieder gemalte Ostereier, Hvnigbrot und man-
cherlei Zuckergebäck, damit ihre Kehle hell bleibt und der
Gesang sich recht lieblich ausnimmt. Dieser Umzug dau-
ert, wenn mehrere Ortschaften zur Kirche gehören, zwei
lind noch mehr Tage. Ist er endlich beschlossen, so wird
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entgegen, und Marie bemerkte, er sehe aus, wie ein
Bote, der eine recht erfreuliche Nachricht zu bringen habe.
„Wer weiß, ob es nicht so ist!" versetzte er schalkhaft
lächelnd; „zweifelt ihr daran? Nun, welches von euch
kann am Besten rathen? Doch ich will euch nicht länger
hinhalten. An einem so schonen Tage, wie der heutige,
taugt die Stubenluft für muntere Kinder nicht. Drum
fort in den Garten: der Hase hat gelegt."
Das war ein Jubel, eine Lust, die keine Gränze
fand. Die älteren Kinder dankten dem gutmüthigen Grei-
se, indeß die jüngeren mehr in den Garten sprangen, als
gicngen. Die übrige Gesellschaft folgte bald nach, um
die Freude der Jugend zu theilen. Schon standen meh-
rere Grasbüschel hoch aufgewachsen, die Stachelbeer-
sträucher waren belaubt, und an der Hecke fehlte cs an
Grünem auch nicht, so daß sich wohl manches vor dem
ersten Blicke hatte verstecken lassen. Die Kinder waren
weit und breit im Garten zerstreut. Das Eine suchte
hier, das Andere dort nach den köstlichen Dingen, die
ausgelegt wordeu seyn mochten. Bertha that den ersten
Fund: es war ein Zuckerhase. Lämmer, Eier und aller-
lei Gegenstände, wie sie der Zuckerbäcker liefert, kamen
nach und nach zum Vorschein; auch an Aepfeln war kein
Mangel. Jetzt kam bald dieses, bald jenes der Kinder,
um zu zeigen, wie glücklich es im Finden gewesen sey.
Keines war leer ausgegangen, ja, es fand sich zuletzt,
daß kaum eine Vertheilung gleichmäßiger hätte ausfallen
können. Lottchen pries ihr Glück besonders; sie war in
den Besitz eines zierlichen Binsenkörbchens gekommen,
das Vater Rist mit eigener Hand geflochten halte und
das ganz allerliebste Sachen enthielt. Der Herr Pfar-
rer, der sich alles genau zeigen ließ, bemerkte, daß jedes
in seiner Art köstlich und des wärmsten Dankes würdig
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