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war man im Abendlande allgemein geneigt, der römischen Gemeinde als der
größten und einzigen apostolischen einen gewissen Ehrenvorzug einzuräumen.
Als Constantinopel Hauptstadt des oströmischen Reichs geworden war, erhielt
auch der Bischof dieser Hauptstadt einen gleichen Vorrang, ebenso der Bischof
von Jerusalem. Diese fünf Metropoliten erhielten im fünften Jahrhun-
dert den ausschließlichen Ehrentitel „Patriarchen."
Eine Menge günstiger Umstände kam zusammen, um die Patriarchen
von Rom (seit dem sechsten Jahrhundert Päpste, Väter der Christenheit,
genannt) an die Spitze ciliir Bischöfe zu bringen: jene vorgebliche Nachfolge
Petri, die Majestät der weltherrschenden Roma, nach dem Untergange des
weströmischen Reiches die größere Unabhängigkeit von den Kaisern in Con-
stantinopel, der Ruhm der Nechtgläubigkeit, das Anschließen der alten Ein-
wohner in den von Barbaren eroberten Ländern, der allmälige Uebergang
aller erobernden und herrschenden Völker zur katholischen Kirche, die Grün-
dung des Christenthums in den heidnischen Ländern des Nordens: in Eng-
land, Irland, Deutschland und die enge Verbindung, welche die Apostel des
Glaubens zwischen den neubekehrten Gemeinden und dem römischen Stuhl
anknüpften. Zu diesen Gründen, um den Bischof von Rom zu erbeben, kam
noch die Ohnmacht jener Patriarchen des Orients unter der arabischen Zwing-
herrschaft und der von den Kaisern in Constantinopel im achten Jahrhundert
gegen die Verehrung der religiösen Bilder angeregte Sturm, welcher das
byzantinische Italien den Oströmeru entfremdete und fast ganz in die Gewalt
der Päpste gab. So war denn der Gang, welchen die Kirchenversassung
nahm, folgender: Die anfangs überwiegend demokratische Verfassung
bildete sich ans zu einer Aristokratie der Bischöfe, welche nunmehr
allein die allgemeine, die katholische Kirche auf Kirchenversammlungen reprä-
sentirten. Aus der bischöstichen Aristokratie wurde eine erzbischöfliche
und Patriarchen-Oligarchie und aus dieser erzeugte sich eine (die
päpstliche) Monarchie.
Ii. Ausbreitung des C h r i st e n t h u m s unter den germa-
nischen Völkern.
Die Seele der neuen Bildung über den Trümmern des alten Römer-
reichs wurde das Christenthum, welches bald tiefe Wurzel schlug in den
zu inniger Religiosität geschaffenen Germanen. Zunächst gelangte das Christen-
thum zu den Westgothen durch den Bischof Ulphi las (Wulf, Wöl-
fel), welcher seinem Volke ein dem griechischen nachgebildetes Alphabet
gab und die heilige Schrift in das Gothische übersetzte (gest. 388 zu Con-
stantinopel). Dazu war Ulphilas vor Allen am meisten befähigt, da er oft
in einer und derselben Kirche zu Constantinopel griechisch, lateinisch und
gothisch predigte. Von dieser gothischen Bibelübersetzung, dem ältesten deut-
schen Sprachdenkmale, haben sich bis auf den heutigen Tag bedeutende Ueber-
reste erhalten: Bruchstücke der vier Evangelien und Stücke aus Esra und
Nehemia, sowie aus den paulinischcn Briefen. Von den Westgothen kam
das Christenthum zu den Burgundern und von den Burgundern zu den
Franken. Nach dem eigentlichen Deutschland aber kam das Christenthum
nicht von den Franken, sondern von den britischen Inseln.
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neu, trennten sich die meisten Städte von dem Bunde, und zuletzt blieben
nur Hamburg, Lübeck und Bremen übrig. Immerhin aber bleibt die Stif-
tung des hanseatischen Bundes, das Ringen und Streben des Geistes in
demselben nach Ordnung, Gesetz, Sicherheit und freier, kräftiger Entwicklung
in jenen Zeiten großer Verwirrung eine denkwürdige Erscheinung.
§ 74. Das Papstthum in seiner tiefsten Erniedrigung. Die große
päpstliche Kirchenspaltung. Gleichzeitiger Verfall des Kaiserthums.
Kaiser Wenzel (1378 - 1400).
Wir haben oben bemerkt, wie Papst Gregor Xi. der Mehrzahl der
Cardinäle zum Trotz seine Residenz von Avignon nach Rom zurückverlegte.
Allein dies wurde nur das Signal zu großen Verwirrungen in der Kirche;
denn nach Gregor's Tode (1378)- erzwangen zwar die Römer die Wahl
eines italiänischen Papstes (Urban's Vi.), aber die französischen Cardinäle
flohen nach der Wahl, erklärten sie für unrechtmäßig und stellten zu Avignon
einen Franzosen, Clemens Vii., als Gegenpapst auf. Es gab demnach zu
gleicher Zeit zwei Päpste: einen zu Rom und einen zu Avignon. Jeder
von beiden behauptete der rechte Papst zu sein und umgab sich mit einem
Cardinalseollegium, der eine verfluchte den andern und die ihm anhingen,
und die ganze abendländische Christenheit theilte sich zwischen beiden. So
arbeitete das Papstthum selbst an seiner Zerstörung. Dieses nennt man
die große päpstliche Kirchenspaltung (Schisma), welche allen
frommen Seelen zum Aergerniß über 30 Jahre dauerte, die Gewissen furcht-
bar verwirrte und in allen Ständen einen großen Verfall der Sittenzucht
herbeiführte. Jeder von den beiden Päpsten steigerte die Erpressungen, und
die Mißbräuche der Kirche nahmen immer mehr zu. Die Interdicte, durch
welche namentlich die Päpste von Avignon den größten Theil Deutschlands
außerhalb alles Gottesdienstes setzten, brachten der Kirche selbst den größten
Schaden. Denn da an manchen Orten die Kirchen an 20 Jahre lang
geschlossen waren und so viele Menschen ohne Sakrament geboren wurden
und starben, so lernten die Laien sich auch ohne Priester zu behelfen oder
suchten in den geistlichen Brüder- und Schwesterschaften der Begharden
und V eg u inen, in den Vereinen der Mino riten oder papstfeindlichen
Franciskaner, der deutschen Gottesfreunde re., außerhalb der Kirche,
ihre religiösen Bedürfnisse zu befriedigen. Wollte man aber den gänzlichen
Ruin der Kirche aufhalten und dem Papstthum zu neuem Ansehen verhel-
fen, so blieb nichts Anderes übrig, als die Allgewalt des Papstes zu bre-
chen und eine allgemeine Kirchenversammlung über den Papst zu setzen.
Darauf arbeitete vor Allen der berühmte Kanzler der Universität zu Paris,
Johann Charlier von Gerson, hin, und in der That kam 1409
zu Pisa ein glänzend besetztes allgemeines Concil zusammen, welches laut
und freimüthig das Bedürfniß einer Reformation au Haupt und Gliedern
aussprach, beide Päpste, Gregor Xii. zu Rom und Benedict Xiii. zu Avig-
non, vor seinen Richterstuhl lud und, da sie nicht erschienen, beide absetzte
und einen neuen Papst, Alexander V., ernannte. Aber die Trennung in
der Kirche wurde dadurch nicht beendigt, sondern vielmehr, da jene beiden
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